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Zur Geschichte der Munderkinger Fasnet
Seit wann in Munderkingen Fasnet gefeiert wird, wissen wir nicht. Ganz sicher
trifft jedoch der Text im Munderkinger Narrenlied zu, wo es heißt: "In
Mundrachingen hoch und frei hat stets gegolten Narretei..."
Einen ersten Hinweis auf die Fasnet finden wir im Totenbuch der Stadtpfarrei aus
dem Jahre 1600. Der Pfarrer weist bei einer Eintragung auf die Zeit der „bachanalia“
hin, die Zeit ausschweifender Feste. Es scheint hoch hergegangen zu sein an den
Tagen vor dem Aschermittwoch.
Über die Erscheinungsformen der Munderkinger Fasnet erfahren wir allerdings
erst 150 Jahre später genaueres wiederum im Totenbuch. Am 4. Februar 1742 ist
zu lesen: "Tempore quo maximus in mundo stultorum
videtur numerus, Bachanaliorum intelleges diem primum" (Zu der Zeit, an der
man die größte Zahl von Narren auf der Welt sieht, nämlich am ersten Tag der
Fasnet.) Am 6. Februar finden wir: "Ipse die
cinerum er hora qua juxta morem pessimum er stultum ei insipidem fonti se
immergunt duo iuvenes. Utinam intellegerent ac novissima providerent"(Am
selben Aschentag und zu der Stunde, da nach einem sehr schlechten, törichten
und geschmacklosen Brauch zwei Jünglinge in den Brunnen tauchen. Oh, dass sie
es doch erkennen und sich um die letzten Dinge kümmern würden.)
Ebenfalls am 6. Februar 1742 ist an anderer Stelle vermerkt: "In
eadem die cinerum et hora histrionum madidorum" (Am selben Aschentag und
zur Stunde der Wasserschauspieler.) Hier wird die Munderkinger Fasnet und der
Brunnensprung deutlich als historisches Brauchtum (morem) erkennbar. Am
Fasnachtsmontag, dem ersten Tag der Fasnet sieht man die Narren in der Stadt, am
Aschermittwoch dann springen 2 junge Männer nach einem alten Brauch in den
Brunnen.
Welche Bedeutung der Brunnensprung zu der damaligen Zeit hatte, entzieht sich
noch unserer genauen Erkenntnis. Er könnte Teil eines fasnächtlichen
Mysterienspieles gewesen sein, an dessen Ende ein Bußsprung in den Brunnen
stand, quasi als eine öffentliche Erneuerung der Taufe und daher am
Aschermittwoch. Genauso gut können wir den Brunnensprung als ein Aufnahmeritual
in die Handwerkerzünfte im Rahmen von Hochzeitsbräuchen verstehen. Die
Verbindung mit Hochzeitsbräuchen wird gestützt durch ein Ratsprotokoll aus dem
Jahre 1761, in dem sich ein Bürger beklagt, dass die Spielleute in den
Wirtshäusern zum Tanz aufspielen, anstatt auf seiner Hochzeit.
Um 1795 werden dann auch zum erstenmal die Munderkinger Trommelgesellen
erwähnt. In einem Ratsprotokoll heißt es: "Der ledige Bürgersohn Andreas
Zangerle hat eingestandenermassen am letzten Aschermittwoch in öffentlichem
Wirtshaus in Gegenwart vieler Leute darunter den sogenannten Trommelgesellen
Unanständiges ausgebracht ...“ Das wurde nach Inhalt des Rekruten-patents zum
Vorwand genommen, um ihn am 6. Februar sogleich nach Günzburg zum
sechs-jährigen Militärdienst zu schicken. Die erste ausführlichere Erklärung
und Darstellung der Mun-derkinger Fasnet finden wir dann im Jahre 1803 in einer
Gedichtsammlung des Munderkinger Mundartdichters Carl Borromäus Weitzmann.
Unter dem Titel "Lob des Munderkingers" vermerkt er folgendes:
„Zu Faschingszeiten, da trägt er als Trommelgesell
Bei Trommel und Pfeife den Degen zur Seiten,
Tanzt hoch auf dem Brunnengestell
Trinkt Vivat dem Kaiser mit Neckarwein,
Trinkt Vivat dem Liebchen und springt hinein.“
In einer Fußnote ergänzt Weitzmann, dass die
Trommgesellen eine Gesellschaft lediger Bürgersöhne seien, mit Trommel und
Pfeife durch die Straßen ziehen und am Aschermittwoch nach einem uralten Brauch
in den Brunnen springen. Mit zusätzlichen Angaben zur Kleidung der
Trommgesellen und Brunnen-springer ist damit der Schleier um das Munderkinger
Fasnetsbrauchtum relativ weit angehoben.
Der weitere Verlauf der Munderkinger Fasnetsgeschichte ist geprägt durch den
Übergang des bis 1803 vorderösterreichischen Munderkingens an das Haus
Württemberg. Die Stuttgarter Einschätzung der Fasnet als exzentrische
Volksbelustigung deren Duldung ein Ende zu setzen sei, hat auch in Munderkingen
seine Auswirkungen. Im ersten Ausschellbuch der Stadt vom 27.2.1811 ist zu
lesen: „In Bezug auf die Fasnacht Munderkingen verordnet das königl. Oberamt,
dass vor nachmittag 2.00 Uhr keine Masken auf der Gasse herumlaufen dürfen. Die
Übertreter dieser Gebot werden durch die aufzustellenden Polizeiwächter sofort
arretiert.
Im Jahre 1837 haben die neuen Herren aus Stuttgart es dann geschafft, den
vorderösterreichischen Fasnetsgeist auszutreiben. In der 1852 erschienenen
Ausgabe „Deutsche Sagen, Sitten und Gebräuche aus Schwaben“ schreibt Ernst
Meier, dass der Oberamtmann seit 1837 das Brunnenspringen bei Strafe verboten
habe, wie sogar eine besondere Tafel am Marktbrunnen vermerke. In dieser Zeit
beginnen karnevalistisch, geprägte Ballveranstaltungen das alte
Fasnetsbrauchtum zu verdrängen. Mit wenigen Ausnahmen wird der Brunnensprung
für fast 100 Jahre verbannt.
Im Jahre 1866 führt der Liederkranz Munderkingen zur Erinnerung das alte
Fasnetsbrauchtum vor: „Die Trommgesellen und das Brunnenspringen“. In einer
ganzseitigen Anzeige im Donau-boten wird der Brunnensprung für den
Fasnachtsmontag angekündigt. Die neue Fasnacht findet ihre
Institutionalisierung in der seit 1875 in Erscheinung tretenden
Bürgergesellschaft. Sie glänzt durch verschiedene Aktionen und Aufführungen.
So wird u. a. im Jahre 1892 die von dem Dichter Weitzmann stammende Belagerung
von Munderkingen aufgeführt. (Die Belagerungsgruppe ist übrigens noch heute
bei der Munderkinger Fasnet zu sehen.)
Nach langer Pause wird im Jahre 1907 wieder der Brunnensprung vorgeführt –
inzwischen am Rosenmontag und nach Art der Darstellung in der Presse mehr zur
folkloristischen Unterhaltung als zur Pflege alten Brauchtums.
Unterbrochen durch die Kriegswirren und Fasnetsverbote in den ersten Jahren nach
dem ersten Weltkrieg lebt die Munderkinger Fasnet erst Mitte der zwanziger Jahre
wieder auf. Seit Beginn der 30er Jahre wird der Brunnensprung nun regelmäßig
aufgeführt und lässt sich mit Bildmaterial belegen.
(Auszüge aus einem Vortrag über die Geschichte der Munderkinger Fasnet von
L.Walter)