Rekonstruierte Adlerbrücke über die Deime in Labiau

Wasserspiegelungen des Kurischen Haffs

Gilge an der Gilge

Gilge an der Gilge - Ufervegetation

Gemütliche Sitzecke an Bord

Wohnhaus am Nemonienstrom

Seerose

Wolken über dem Nemonienstrom

Blick auf den Grossen Friedrichsgraben

 

 

 

 

 

 

Reisebericht "Mit dem Schiff ins ostpreußische Venedig"
von Brigitte Jäger-Dabek, Stade

Ostpreußisches Venedig wurde das von Menschenhand geschaffene Wasserlabyrinth der Elchniederung einst genannt. Nur vom Wasser aus ist diese einzigartige Kultur- und Naturlandschaft erreichbar.

Das Grau des Morgens hatte sich schnell aufgelöst, und als wir in Polessk/Labiau ankamen, brannte die Sonne erbarmungslos vom Himmel. Längst spiegelten sich die hastig am Himmel vorbeiziehenden Wolken im Wasser der Deimemündung, die träge und ohne das geringste Wellenkräuseln dalag. Direkt an der alten Adlerbrücke, die mittlerweile renoviert und ihrer charakteristischen Bögen beraubt ist, liegt das Schiff, das 1990 als Seeaktionsboot der Admiralität gebaut wurde und inzwischen vollständig für den Touristenbetrieb umgebaut wurde, vom Getränkeservice der Pantry über das Bord-WC und die Badeplattform ist alles vorhanden.

Kapitän wirft die Maschine an, die gleichförmig tuckert. Wir würden nun Panzer fahren, erklärt unser ausgezeichnet Deutsch sprechende Begleiter lachend, denn die Schiffmaschine sei die Hälfte eines T 34-Motors. Dann legen wir ab zu einer Fahrt ins Land zwischen dem Kurischen Haff und den Sümpfen des Großen Moosbruchs.

Auf dem Haff ist der Morgendunst noch gewärtig und lässt Himmel und Wasser ineinander versinken, der Horizont scheint aufgehoben, Grenzen verschwimmen gänzlich durch die Spiegelbilder der Wolken, nach längerem Schauen scheint alles wie ein großes Trugbild. Bald biegen wir in die Gilge ein und erreichen Matrosowo/Gilge, ein an beiden Seiten des von planschenden Kindern bevölkerten Flusses aufgereihtes Dorf, in dem noch viele malerische alte Holzhäuser erhalten sind - und auf jedem zweiten Dach ist ein Storchennest. Das Café Ehrlich ist geschlossen, der Traum der russlanddeutschen Familie Ehrlich von Touristenströmen und einer gesicherten Existenz im Kaliningrader Gebiet ist gescheitert. Zu abgelegen ist die Region, zu wenig erschlossen.

Weiter geht die Fahrt, tiefer dringen wir ein in das Netz von Wasserstraßen aus miteinander verbundenen Flüssen und Kanälen ein, dieses Labyrinth von Wasserläufen, in dem wir uns allein längst verloren hätten, einzig die vereinzelten maroden Pumpwerke sind Orientierungspunkte.

Inzwischen hat Skipper Wladimir, ein richtiger Berufsseemann mit Kapitänspatent das Schiff in eine kleine Bucht gesteuert, an Land festgemacht und den Grill angeworfen, während wir die nähere Umgebung erkunden. Bei unserer Rückkehr brutzeln die nach russischer Art zubereiteten, riesigen Fleischspieße bereits.

Während wir gemütlich auf einer Wiese lagernd das köstliche Grillfleisch verzehren, wurde es uns mehr von den Schiffstouren erzählt. Zwölf verschiedene Routen für kleinere Reisegruppen und Individualreisende gibt es mittlerweile im Programm.

Bereist werden können vom Kurischen Haff aus fast alle Wasserläufe wie der Nemonienstrom, die Gilge, der große und kleine Friedrichsgraben, ja selbst bis zur Memel kann man fahren. Fahrten über das Kurische Haff zu den großen Dünen und nach Rossitten sind genauso im Angebot wie Mondschein- oder Angeltouren. Etwas ganz besonderes für Naturliebhaber sind die Touren mit geführten  Wanderungen durch das Große Moosbruch zum Timber-Kanal und zur Laukne durch den Elchwald.

Dann geht es weiter, vorbei an schilfbestandenen Ufern mit meterhohen Rohrkolben, die selten einmal zurückweichen für ein Stück begehbaren Wasserrand das den Blick freigibt auf ein zwischen Bäume geducktes Haus.

Und der Himmel mit seinen Pustewolken, die es immer so eilig haben, zaubert rasch wechselnde Stimmungen darüber, von rosa angehauchten verschwimmenden Konturen über strahlend weiße Schäfchen bis zu lilagrau drohenden Gewittervorboten, intensiviert durch die Spiegelungen im tiefdunklen Wasser.

Ganz selten nur trifft man während der Fahrt auf Spuren menschlichen Lebens, dafür gibt es Natur pur, wohin man schaut, Wildschwäne, die das Schiff fliegend begleiten, Graureiher, die reglos am Ufer verharren, Kormorankolonien, gleichmütig auf den Uferwiesen dahin schreitende Störche, Wasserschlangen, die sich auf den großen Blättern der gelben Teichmummeln in der Sonne räkeln. Wasserlinsen und Entenflott begrünen das Wasser, weiße Seerosen und Teichmummeln zieren es.

Erst kurz vor Polessk tauchen am Großen Friedrichsgraben wieder vermehrt menschliche Siedlungen auf, in denen das Leben noch am Wasser und auf dem Wasser stattfindet: baden, Wäsche waschen, fischen, für alles liefert der Kanal die Grundlage, auch als Verkehrsweg dient er.

Auf dieser Reise verbreitet nur der Schiffsdiesel sein gleichmäßiges Tuckern, sonst herrscht absolute Stille in einer menschenleeren Landschaft, in der man sich zuweilen fühlt, als wäre man der erste Mensch, der sie jemals betreten hätte.

Es gibt keine spektakulären Sehenswürdigkeiten auf diesen Fahrten in die Elchniederung. Die eindringliche Stille dieser fast menschenleeren Landschaft, die von der Natur mehr und mehr zurück erobert worden ist, die intakte Flora und Fauna, vor allem aber die Wasserspiegelungen des hohen östlichen Himmels und das Licht, das die Grenzen zwischen Himmel und Wasser verwischt sind die eigentliche Attraktion.

Detailinfo 

 

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