Keine Verfassungswidrigkeit der rückwirkend angeordneten Besteuerung von Erstattungszinsen gem. § 233a AO

Von Jan Weigelt

Das Problem:

Mit Urteil vom 15.06.2010, BFH/NV 2010 S. 1917 hat der BFH entschieden, dass Erstattungszinsen gem. § 233a AO (also solche Zinsen, die das Finanzamt zusätzlich zu Steuererstattungen ab dem 16. Monat ab Steuerentstehung zahlt (6% p.a.)) nicht der Besteuerung gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG (als Zinsen aus Kapitalforderung jeglicher Art) unterliegen, soweit sie auf Steuern entfallen, die gem. § 12 Nr. 3 EStG nicht abziehbar sind. Dies betrifft insbesondere Zinsen auf Einkommen-, Körperschaft- und  Gewerbesteuer. Damit hat der BFH seine frühere Rechtsprechung aufgegeben und hat die Erstattungszinsen dem nicht steuerbaren Bereich zugewiesen.

Der Gesetzgeber:

Der Gesetzgeber hat im JStG 2010 reagiert. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG wurde wie folgt geändert:

In § 20 Absatz 1 Nummer 7 Satz 2 wird das abschließende Semikolon durch einen Punkt ersetzt und folgender Satz angefügt:

„Erstattungszinsen im Sinne des § 233a der Abgabenordnung sind Erträge im Sinne des Satzes 1.“

Mit Änderung des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG durch das JStG 2010 wurde die frühere Finanzverwaltungsauffassung gesetzlich  festgeschrieben.

Die Änderung gilt gem. § 52a Abs. 8 Satz 2 EStG (rückwirkend!!!) in allen Fällen, in denen die Steuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist.

Das Finanzgericht:

Diese rückwirkend angeordnete Besteuerung von Erstattungszinsen, ist nach Ansicht des FG Mün-ster, Urteil vom 16.12.2010, 5 K 3626/03 E, verfassungsgemäß.

Die Gesetzesänderung in § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG sei auf alle Fälle anwendbar, in denen die Steuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt sei. Die sich hieraus ergebende Rückwirkung der Neu-regelung verstoße nicht gegen die deutsche Verfassung. Zwar sei eine echte Rückwirkung nur unter engen Voraussetzungen zulässig. Diese seien im vorliegenden Streitfall aber gegeben, denn der Gesetzgeber habe mit der Neuregelung lediglich eine Gesetzeslage geschaffen, die der – vor der Änderung der Rechtsprechung des BFH – gefestigten Rechtsprechung und Rechtspraxis entspreche.

Ursprünglich seien Erstattungszinsen von der Rechtsprechung als Einkünfte aus Kapitalvermögen angesehen worden. Diese Rechtsprechung habe der BFH erst in einer Entscheidung vom 15.06.2010 aufgegeben. Hierauf habe der Gesetzgeber reagiert und mit der Änderung des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG die vormals geltende Rechtslage wieder hergestellt.

Hinweis

Das FG hat (wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache) die Revision zum BFH zugelassen. Das Revisionsverfahren wird unter dem Az. VIII R 1/11 geführt. Es bleibt abzuwarten, wie dieses Verfahre ausgeht.

Sollte das Finanzamt die Zinsen gleichwohl der Besteuerung unterwerfen, ist dringend zu raten gegen den Steuerbescheid den Rechtsbehelf des Einspruchs einzulegen und bis zur Entscheidung des BFH Ruhen des Verfahrens zu beantragen.

Zusammenfassung

  • Erstattungszinsen auf z.B. Einkommensteuererstattungen sind lt. BFH nicht steuerpflichtig
  • Aber § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG i.d.F.d. JStGIn § 20 Absatz 1 Nummer 7 Satz 2 wird das abschließende Semikolon durch einen Punkt ersetzt und folgender Satz angefügt: „Erstattungszinsen im Sinne des § 233a der Abgabenordnung sind Erträge im Sinne des Satzes 1.
  • Gem. § 52a Abs. 8 EStG i.d.F.d. JStG gilt § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG für alle noch nicht bestandskräftigen Festsetzungen
  • Die rückwirkend angeordnete Besteuerung von Erstattungszinsen gem. § 233a AO ist nicht verfassungswidrig
  • Revision beim BFH, Az.: VIII R 1/11
  • Ggfs. Einspruch einlegen und Ruhen des Verfahrens beantragen


Aktualisiert am 11. Mai 2011 | Tags: , ,