Die Zahnarzt Woche: Bündnis 90/Die Grünen lehnen Verstaatlichung des Gesundheitswesens ab – CDU bleibt vielfach vage.
Wenn es um die Zukunft des Berufsstands und die Forderungen an die Politik geht, finden die Zahnärzte aktuell nicht nur bei der FDP, sondern vielfach auch bei Bündnis 90/Die Grünen Rückhalt. Das zeigen die Antworten auf die sieben Kernfragen, die die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) vor der Bundestagswahl an die im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien geschickt hat und die seit vergangener Woche vorliegen (vollständig nachzulesen unter
www.kzbv.de).
Der Erhalt der freien Arztwahl ist bei allen Parteien unstrittig, die Grünen und die Linken stellen dabei den Patienten in den Mittelpunkt. Die freie Arztwahl schließe allerdings nicht aus, so heißt es bei den Grünen, dass Patienten „im Rahmen bestimmter Versorgungsmodelle befristet auf diese Wahlmöglichkeit verzichten“, eine solche Entscheidung sei Teil ihrer persönlichen Freiheit und müsse auf freiwilliger Basis erfolgen. Der Ausweitung der Kostenerstattung kann nur die FDP etwas abgewinnen, alle anderen Parteien sind dagegen (Linke, SPD), halten die bisherigen Regelungen für ausreichend (Grüne) oder weichen aus wie die CDU, die hier insgesamt mehr Information und Beratung wünscht und bei Sachleistung und Kostenerstattung für mehr Transparenz sorgen möchte.
Im Ungefähren bleibt die CDU/ CSU auch bei der Frage nach dem Angleichen der Honorare in Ost und West: Man sei grundsätzlich für eine gleiche ärztliche Vergütung in Ost und West und setze sich auch „in der derzeit schwierigen wirtschaftlichen Konstellation für die Belange der Zahnärzteschaft mit den gegebenen Möglichkeiten ein, damit dies realisiert werden kann“.
Zugleich verweist man auf die vielen für die niedergelassenen Ärzte und Zahnärzte in der jetzt zu Ende gehenden Legislaturperiode erreichten Verbesserungen, so mit dem Vertragsarztrechtsänderungsgesetz und dem Fall der Altersgrenze von 68 Jahren für die Teilnahme an der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung.
Auch die „Schubladisierung“ des Referentenentwurfs zur GOZ-neu schreibt man sich auf die Fahnen: „Es war auch die Union, die dafür gesorgt hat, dass die Verabschiedung der neuen GOZ in der vom Bundesgesundheitsministerium vorgelegten Form, die den geschlossenen Widerstand der Zahnärzte hervorgerufen hat, aufgehalten wurde.“
Die SPD wartet bei der Honorarangleichung auf Vorschläge der Selbstverwaltung der Zahnärzte, anscheinend hat man die breit aufgestellten Initiativen der Kassenzahnärztlichen Vereinigungen vor allem der neuen Bundesländer und Berlins im Frühjahr dieses Jahres in Sachen Honorarangleichung Ost-West nicht wahrgenommen. Die Grünen halten die Angleichung der Punktwerte in Ost und West in der nächsten Wahlperiode für zwingend, wollen diese nach den Erfahrungen bei der Ärzteschaft aber nur in enger Abstimmung mit der KZBV umsetzen. Bei der FDP stehe diese Forderung ohnehin schon lange auf der Agenda, die Linke unterstützt die Forderung nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit, sieht aber in der Verteilungsgerechtigkeit auch die Selbstverwaltung in der Verantwortung.
Was das leidige Thema Budgetierung, Grundlohnsummenanbindung und strukturbedingte Budgetverwerfungen angeht, so finden die Zahnärzte hier Unterstützung bei der FDP, die statt Budgetierung ein einfaches, durchschaubares System der Vergütung entwickeln will, und bei den Grünen, die in ihrer kurzen Stellungnahme dazu anmerken, dass man in einem aus Pflichtbeiträgen finanzierten System nicht vollständig auf eine Ausgabensteuerung verzichten könne, auch wenn hier regionale Besonderheiten, demografische Veränderungen und medizinischer Fortschritt zu berücksichtigen seien. Nach Neuregelung im ärztlichen Bereich stehe für die vertragszahnärztliche Versorgung eine entsprechende Reform in der nächsten Wahlperiode an.
CDU/CSU setzen hier mehr auf Bewährtes und versprechen nichts. „Planbarkeit, Verlässlichkeit und Vertrauen müssen die zukünftige Finanzierung prägen“, heißt es, im konstruktiven Dialog wolle man erforderliche Kurskorrekturen festlegen. Ziel sei es, eine leistungsgerechte, qualitätsorientierte und besonderen regionalen Bedingungen Rechnung tragende Vergütung zu gewährleisten, die Besonderheiten der Arztgruppen berücksichtigt und mit festen Euro-Preisen Sicherheit gibt. „Es muss gewährleistet werden, dass die Ausgabensteigerungen sich im Rahmen der allgemeinen Kostenentwicklung im Gesundheitswesen bewegen“, heißt es weiter.
Für die SPD hat sich die Mengensteuerung über Budgets, Regelleistungsvolumina oder zum Beispiel Arzneimittelrabattsysteme bewährt, der Zugang zu medizinischen Innovationen sei damit gesichert, eine Zwei-Klassen-Medizin sei damit nicht entstanden. Interessant ist dabei die Formulierung: „Die Bevorzugung beim Zugang zur ambulanten ärztlichen Versorgung findet durch die unterschiedliche Honorierung der Ärzte für privat und gesetzlich Versicherte statt“.
Wie im Programm von SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier formuliert, sieht man die Gesundheitswirtschaft als Wachstumsbereich, das Gesundheitswesen sei eines der innovationsfreundlichsten auf der Welt, „Kern und Motor unserer Gesundheitswirtschaft samt Innovationen ist die soziale Krankenversicherung“, dafür müsse das System aber insgesamt finanzierbar bleiben. Die Linke sieht die Probleme nicht in den Budgets, sondern schiebt die Verantwortung auf die Selbstverwaltung, die die Honorare gerechter verteilen müsse.
Die von der KZBV als Weg der Zukunft propagierte Ausweitung des Festzuschussmodells auf weitere Bereiche der zahnmedizinischen Versorgung in der Gesetzlichen Krankenversicherung scheint zumindest der SPD nicht verständlich zu sein: Beim Festzuschuss-System für Zahnersatz sehe man keinen Änderungsbedarf, heißt es. Die CDU lobt, dass das ZE-Festzuschuss-System zu mehr Gerechtigkeit geführt habe. Einer Ausdehnung der befundorientierten Festzuschüsse auf den gesamten Bereich der Zahnheilkunde „steht die Union kritisch offen gegenüber“.
Die Linken lehnen alle Zuzahlungen und Eigenbeteiligungen inklusive Praxisgebühr und damit auch das Festzuschuss-System ohnehin ab, da dies finanziell schlechter gestellte Patienten benachteilige. Die Grünen wägen hier vor allem aus Sicht der Patienten und der Zahnarzt-Patienten-Beziehung kritischer ab. Beim Zahnersatz hält man Festzuschüsse für durchaus geeignet, der Patient habe genug Zeit zu entscheiden, die gesundheitlichen Konsequenzen seien überschaubar, vieles lasse sich auch revidieren. Für andere Bereiche der Zahnmedizin sehe man das so nicht. Man befürchtet zudem, dass mit weiteren Festzuschussmodellen die Zahnarztpraxis zur einer Stätte ständiger „Verkaufsverhandlungen“ werde.
Die FDP begrüßt Vorschläge für die Ausweitung des bewährten Systems auf weitere Bereiche der Zahnmedizin. Das komme der Vorstellung der FDP von einem Mehrkostensystem sehr entgegen.
Interessant sind die Stellungnahmen auch zur Frage des Erhalts und des Ausbaus freiberuflicher Strukturen und der möglichen Gefahren durch fremdfinanzierte Praxisketten und Medizinische Versorgungszentren (MVZ): Die Grünen sehen die Gefahr einer vollständigen Übernahme durch Kapitalunternehmen nicht. Freiberuflich tätige Ärzte und Zahnärzte werden ihrer Meinung nach den ambulanten Bereich auch weiter prägen. Man sieht aber auch, dass immer mehr junge Zahnärztinnen und Zahnärzte die Niederlassung zunächst scheuen und Familie und Beruf gerne mit Teilzeitbeschäftigung vereinen möchten, also angestellt tätig sein möchten. Die Grünen betonen aber, dass das ärztliche Berufsrecht und die „grundsätzliche Pflicht, ausschließlich und nach den besten fachlichen Kenntnissen sowie unabhängig von äußeren Einflüssen zu therapieren“, für alle gelten.
CDU und CSU formulieren ein klares Votum für die Freien Berufe als tragende Säule der erstklassigen Patientenversorgung: „
Medizinische Versorgungszentren sollen nur unter bestimmten Voraussetzungen zugelassen werden“. Für die FDP sind MVZ für freiberuflich tätige Ärzte und Zahnärzte eine sinnvolle Ergänzung in Zeiten steigenden Kapitalbedarfs. Man wolle aber konsequent durch Wettbewerbs- und Kartellrecht übermäßige Konzentrationen verhindern und lehne nur noch an Krankenhäusern anzusiedelnde MVZ ab.
Die SPD folgt hier wie bei der Frage nach der Zukunft der Kollektivvertragssysteme konsequent weiter dem Weg der „Flexibilisierung des Vertragsgeschehens“ mit Kollektiv- und Einzelverträgen, dies sorge für Versorgungssicherheit und Qualität. Die Linke will die Stärkung der Selbstverwaltung, regionale Gesundheitskonferenzen und Kollektivverträge, die derzeitigen Modelle von Selektivverträgen werden abgelehnt. Die FDP votiert für die Selbstverwaltung, fordert aber eine grundlegende Umorientierung in Richtung Wettbewerb auch im Gesundheitswesen. CDU und CSU wollen die Selbstverwaltung stärken, zugleich aber Voraussetzungen für mehr Möglichkeiten zu „passgenauen und einzelvertraglichen Regelungen“ von Kassen und Leistungserbringern schaffen. Ein klares Votum für den Kollektivvertrag gibt es nur im ländlichen Raum.
Bündnis 90/Die Grünen sehen vorerst ein Nebeneinander von Kollektiv- und Selektivverträgen, erstere hätten sich bei der flächendeckenden Versorgung bewährt, letztere ermöglichten mehr Innovationen. Wie das in zehn oder zwanzig Jahren aussehe, könne man nicht vorhersagen. Sie stehen zur Selbstverwaltung, diese sei näher am Versorgungsalltag und könne so regionale Gegebenheiten besser berücksichtigen: „Die von der Großen Koalition betriebene Verstaatlichung weiter Bereiche des Gesundheitswesens lehnen wir ab“.