Nach sieben Jahren verlässt Gründer und Herausgeber Klaus Stimeder sein Monatsmagazin. Warum?
Mit Stefan Apfl
Wir haben hoffentlich mehr richtig als falsch gemacht, sagte Klaus Stimeder beim Datum-Sommerfest und verschwand. Wir stöberten ihn per Skype in Berlin-Neukölln auf.
Falter: Herr Stimeder, Sie verlinken über Skype auf den Bushido-Song Alles wird gut. Darin heißt es: Jeder versucht, dir deine Träume auszureden, weil sie hoffen, dass du anfängst aufzugeben. Das klingt frustriert.
Klaus Stimeder: (Lacht.) Ich war gestern mit einem aus der Bushido-Posse im Wirtshaus. Das ist alles. Der Song hat mit mir so viel zu tun wie die Zeitung Österreich mit der Wahrheit.
Haben Sie vor dem Versuch, in Österreich Qualitätsjournalismus zu betreiben, resigniert?
Stimeder: Nein. Ich war einfach nie Verleger. Ich hätte Datum ewig machen können und das wäre eh okay gewesen. Aber es sind im vergangenen Jahr viele Dinge passiert, und ich habe mich gefragt: Was will ich, was kann ich, wo gehts noch hin?
Wo gehts denn noch hin?
Stimeder: Ich will schreiben, schreiben, schreiben. Ich will journalistisch arbeiten und mir ein zweites Standbein als Fiction-Writer aufbauen. Mein Traumjob war immer, Datum-Autor zu sein. Genau das will ich jetzt machen. Aber in der Stadt, mit deren Kultur und Mentalität ich mich am meisten identifizieren kann.
Wir sprechen von New York?
Stimeder: Genau.
Idealistische Projekte bedingen ein hohes Maß an finanzieller, psychischer, physischer Selbstausbeutung …
Stimeder: Das Wort Idealismus ist mir schon immer auf den Arsch gegangen. Datum war von Anfang an ein ernsthaftes und auf Gewinn ausgerichtetes Projekt. Und die Selbstausbeutung hat Datum längst hinter sich gelassen. Es gibt seit Jahren niemanden mehr, der nicht bezahlt wird.
Datum hatte von Beginn an enorm hohe Qualitätsansprüche. Manche Ausgaben sind aber nach wie vor weder relevant noch gut geschrieben.
Stimeder: Es gab viele Geschichten, mit denen wir etwas bewegt haben. Ich erinnere an den Artikel über den Gesundheitsbeamten Hubert Hrabcik. Auf unsere Recherchen hin wurden Disziplinarverfahren eingeleitet. Oder der Rücktritt von Herbert Jansky und der Artikel mit Peter Westenthaler und dem Gipfelkreuz. Wenn solche Geschichten nicht relevant sind, dann ist auch der Falter nicht relevant.
Sie haben mit einer Startauflage von 3000 Stück begonnen und stehen heute bei 10.000 Stück. Warum ist die Auflage nicht stärker gewachsen?
Stimeder: Unser Irrglaube im Zusammenspiel mit Auflage und Werbemarkt war: Wir fangen ganz klein an und bauen stetig aus. Doch der Werbemarkt belohnt zuerst hohe Auflagen. Andererseits können wir auf 10.000 Stück sehr stolz sein.
Hätte es mehr Werbung gebraucht?
Stimeder: Dafür war nie Geld da. Was wir hatten, haben wir in Redaktion und in Infrastruktur investiert. Man muss die Rahmenbedingungen anerkennen. Kein Mensch hat geglaubt, dass es eine erste Ausgabe geben wird. Aber natürlich geht immer mehr. Da ist noch viel Luft nach oben.
Können die Leute, die jetzt am Ruder sind, das Magazin in Ihrem Sinn weiterführen?
Stimeder: Die Fähigkeiten dazu haben sie. Wir haben ja auch redaktionelle Richtlinien für unsere Arbeit, in denen wir den Qualitätsjournalismus definieren, wie Datum ihn versteht. Es braucht mich nicht mehr.
Eigentümer des Blattes ist nun der Private Equity Manager Hannes Weyringer, der von Anfang an als Hälfteeigentümer dabei war. Ist geplant, dass er das Blatt langfristig hält?
Stimeder: Das geht mich nichts mehr an, aber ich vertraue Hannes voll. Datum wird immer mein Baby bleiben, aber Medien sind auch ein Geschäft.
Wie viele Kaufangebote hat es in den sieben Jahren gegeben?
Stimeder: Zuletzt ist im Halbjahresabstand irgendwer dagestanden. Aber daraus ist nie etwas geworden, weil in 90 Prozent der Fälle jene Personen, die hinter Beteiligungen gestanden wären, die Gründungsidee von Datum konterkariert hätten. Österreich ist einer der konzentriertesten Medienmärkte der Welt. Und Datum wurde auch gegen etwas gegründet.
Datum hatte stets das Problem, dass die talentierten Journalisten schnell weg waren. Wie soll man sie künftig halten oder zurückgewinnen?
Stimeder: Mittlerweile sitzen ehemalige Redakteure von uns bei der Süddeutschen, der Zeit, dem Standard und dem Falter. Martin Langeder hat für das SZ-Magazin sogar den Henri-Nannen-Preis gewonnen! Wenn die in fünf Jahren zurückkommen, wäre das ein All-Star-Team. Ich würde es dem Datum wünschen. Aber es ist aus heutiger Sicht nicht realistisch.
Was haben Sie in den sieben Jahren über Österreich gelernt?
Stimeder: Ich gehe in die USA. Punkt.
Sie haben gegen die Gegebenheiten ein Qualitätsmagazin gegründet und etabliert. Wie lautet Ihr Erfolgsrezept?
Stimeder: (Lacht.) Das Einzige, was ich für mich als Erfolg verzeichnen kann, ist, dass ich völlig autonom entscheiden kann, wo ich hingehe und was ich mache. Ich versuche, meine Träume zu verwirklichen, und gehe dafür ein Wagnis ein. Das darfst du in Österreich nicht machen. Die Wahrscheinlichkeit, dass es mich diesmal auf die Schnauze haut, liegt bei 99 Prozent. Aber ich versuche es zumindest. So fucking what?
Zur Person
Klaus Stimeder, 35, war vor der Gründung von Datum ( http://www.datum.at) als Journalist u.a. bei Falter und Format tätig. Nach sieben Jahren verkaufte der Oberösterreicher nun seine Anteile
“Falter” Nr. 29/10 vom 21.07.2010 Seite: 21 Ressort: Medien