Pflichtlektüre: Franz Hörmann im Interview



Dieses Interview ist eine Wegmarke, vielleicht nicht deshalb, weil Professor Franz Hörmann darin pointiert und verständlich das Finanzsystem kritisiert, denn diese Kritik ist bekannt, sondern vielmehr deshalb, weil er sich neuarrogant traut den Status der Wirtschaftswissenschaften anzugreifen. Er bezeichnet sie als politische Propaganda, die einen eingeschriebenen gesellschaftlichen Auftrag der Finanzeliten (zu trennen u.a. von den Denk-, Kultur-, und Arbeits- und Risikoeliten) erfüllen, den sie selbst nicht mehr wahrnehmen…

Dieser ‚Blinde Fleck‘ ist im allgemeinem von jedem Menschen, der Lesen kann einzusehen. Wer vor einen Bankautomat tritt denkt: „Ok, Maschine, gib mir dieses wertlose Fiat-Money – was besseres gibt es nicht und schließlich bin ich im Spiel ‚Verteilung von unten nach oben‘ als Hamster im Laufrad angestellt, also her damit. Hier hast du meinen Einsatz in dem Spiel: meine gesamte ökonomische Existenz, denn wie lernen wir so schön aus dem Bundestag: das ist alles systemrelevant und alternativlos und so weiter…also her mit den Scheinen…“ Das wissen alle, nur nicht die Wirtschaftsweisen.

Was gegen Hörmann folgt ist Kritik von Seiten derer, die zuviel Angst oder zu wenig Mut haben sich auch nur gedanklich vom jetzigen Ist-Zustand zu entfernen. Natürlich gehört neuarroganter Mut dazu, in einem Umfeld, in dem es nur eine Lehrmeinung gibt von basisdemokratischer Gelderzeugung oder Systemrelevanz als Geschäftsmodell zu sprechen. Natürlich hat Franz Hörmann nicht DIE Lösung. Natürlich sollte es auch überhaupt nicht um uns selbst gehen, sondern um den Schaden, den unser Verhalten anrichtet.

Das sind allerdings alles keine Gründe, dieses, im Sinne der gesellschaftlichen Gleichbehandlung aller Menschen, innovationslose Finanzsystem und die dazugehörigen Wirtschaftswissenschaften nicht in Frage zu stellen. Im Gegenteil ist es die Pflicht jeder Sozialwissenschaft Kritik zu üben, unzufrieden zu sein und nach Alternativen zu suchen. Wenn es keine Alternativen gäbe, würden wir in einer Diktatur des Geldes leben. Das kann unterschreiben und verteidigen wer will. Wie anspruchslos muss ein Gehirn sein, um keine Alternativen sehen zu wollen?

Der Wissens- und Deutungsthron auf dem die Wirtschaftswissenschaften sitzen ist derartig wichtig, dass, im Namen der Gewaltenteilung eine grundlegende Meinungspluralität herrschen muss. Hier liegt der Anspruch, den die meisten Disziplinen aufgegeben haben. Wenn Herr Hörmann und die vielen Hundert LeserInnen, die seiner prinzipiellen Wortmeldung zustimmen lediglich „Quacksalber“ (Quelle) sind, dann ist alles in (bester/einer) Ordnung, woher kommt dann aber die Angst vor dem freien Reden?

Es muss um die Ausbildung einer grundsätzlich ernsthaft kooperativen Geisteshaltung gehen, damit am ökonomischen System als Teil einer Gesellschaft überhaupt gearbeitet werden kann und es nicht zu einem feindlichen Konflikt kommt, den die vermeintlich stärkere Partei für sich entscheidet. Bei Herrn Hörmann sehe ich diese offene Haltung, bei den meisten seiner Kritiker nicht. DNA

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3 Antworten to “Pflichtlektüre: Franz Hörmann im Interview”

  1. Roman Says:

    „Alternativlos“ und“ Systemrelevant“ sind einige der Floskeln die von der Ignoranz, Selbstsucht und Kleingeistigkeit unserer wirtschaftlichen und politischen Elite zeugen, sich den Herausforderungen und Problemen unserer globalisierten Zeit zu stellen.

    In diesem Zusammenhang finde ich es löblich, dass Herr Hörmann u.a.sich diesem Common Sense entsagen.

    Folglich kann als alternativer kategorischer Imperativ des 21. Jahrhundert formuliert werden: denke und handle neuarrogant!

  2. Apu Says:

    Mir ist unverstaendlich wieso er die doppelte Buchfuehrung als Grunduebel heranzitiert. Das ist doch nur eine Methode um das alles in einheitlicher Form aufzuschreiben. Wie Noten in der Musik. Wie die Noten kann man auch die Buchhaltung fuer die schauerlichsten Klaenge missbrauchen. Das geht mit jedem System. Vor allem, wenn man Macht ueber das System hat. Als es um die Chinesen geht, erklaert Hoermann sogar implizit warum die doppelte Buchfuehrung eigentlich gut ist, aber durch die Macht des Zentralbueros eben doch nicht wirken kann.

    Er hat vollkommen Recht, wenn er die Hierarchien anprangert. Das ist die Erkenntniss, die folgt, wenn man vorraussetzt, dass eben kein System fuer die Welt oder die Wirtschaft als Ganzes funktionieren kann. Auch nicht was er da vorschlaegt. Es funktioniert immer alles nur bis zu einem gewissen Massstab. Wenn etwas zu gross wird, nimmt die Komplexitaet ueberproportional zu, es entstehen „Reibungsverluste“ und die Sache kippt irgendwann um. Bis hin zur Selbstzerstoerung. Das passiert auch bzw. vor allem mit den grossen Konzernen und Banken. Siehe GM oder die ehemals grossen Telcos oder Eisenbahngesellschaften.

    Systeme waren und sind immer und ueberall so. Es ist keine Erfindung der Neuzeit, der Kapitalisten oder der Banker. Fast alle Prozesse in der Natur sind dieser Gestalt. Sogar der Urknall (wenn die Theorie mit dem pulsieren stimmt).

    Wir sollten uns also von dem Gedanken verabschieden, dass man Strukturen staendig retten und erhalten muss. Wenn etwas nicht mehr funktioniert, soll es zusammenbrechen. Dann ist Platz fuer Neues.

    …wie zb. Erkenntniss und Lehre, dass Wirtschaftstheorien eben Theorien sind, und Firmen oder Institutionen nur dann wichtig wenn jeder etwas davon hat. Aber wer hat heute und jetzt ein Interesse sowas zu lehren?

  3. Burns Says:

    Ich halte es auch für eine irrsinnige Sache, anzunehmen, dass scheiternde Strukturen verzweifelt gerettet werden müssen, weil ihr vorheriges Funktionieren scheinbar ihre Existenz rechtfertigt. Das kann nicht funktionieren, weil sich die Welt um diese Strukturen herum veraendert. Mit Strukturen meine ich Organisationssysteme wie die GEMA oder eben Banken. Es gibt UNENDLICH viele Moeglichkeiten geistiges Eigentum oder Geld zu verwalten, und KEINEN Grund anzunehmen, dass es EINE Loesung gibt. Darum frage ich mich: woher kommt die Angst vor Alternativen, vor Innovationen? Diese Rettungsschirme sind derartig gigantische Experimente, dass Unternehmungen wie Grundeinkommen, Mindestlohn, Open Access und Co. dagegen kleinlich wirken.

    Apu, dein Argument erinnert mich an ein Buch: Small Is Beautiful von E. F. Schumacher: http://en.wikipedia.org/wiki/Small_Is_Beautiful

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