Der Untergang des Quantenlandes
by Thomas Omerzu
Und es trug sich zu, dass sich König Edo und Lord Helm, die beiden
Herrscher des Quantenlandes, tief zerstritten. Das Einzige, worauf
sie sich noch einigen konnten, war der Verkauf des Landes an den
Imperator von Seranien.
Während König Edo sein Geld nahm und in die Ferne zog, um sein Glück
zu suchen, blieb Lord Helm als Statthalter des Imperators im
Quantenland und wachte darüber, dass den Quanten kein Unheil angetan
wurde.
Der Imperator hatte von der überragenden Fertigkeit der Quanten beim
Brückenbau gehört. Daher beauftragte er einen alteingesessenen
Quanten, den Hofbaumeister Theo, mit dem Bau einer prunkvollen
güldenen Brücke für den Schloßgarten von Seranien. Theo machte sich
frohen Mutes an die Arbeit, und entwarf mit einem Gefolge von Quanten
einen Bauplan für dieses große Werk. Doch als sie ihren Plan dem
Imperator vorstellten, ward dieser sehr erschrocken über die hohen
Kosten und die Vielzahl der erforderlichen Arbeiter.
Nachdem der Imperator zwei Monde unentschlossen verstreichen ließ,
und die Gefolgen des Hofbaumeisters schon Not litten, weil sie nicht
wussten, ob sie nun die Brücke bauen sollten oder nicht, kam dann
endlich die lang ersehnte Nachricht: Ja, die Brücke sollte gebaut
werden. Aber nur eine ganz kleine und eherne Brücke, statt der
großen Güldenen.
Froh, dass sie endlich mit ihrem Werk beginnen durften, machten sich
die Gefolgen an die Arbeit. Man überarbeitete die Planung und sagte zu,
die Brücke pünktlich zum gewünschten Tage fertig zu stellen.
Unterdessen fiel Lord Helm beim Imperator in Ungnade und wurde des
Landes verwiesen. Der Imperator war so zornig über die
Hinterlistigkeit seines ehemaligen Statthalters, dass er beschloss,
sich fürchterlich an allen Quanten zu rächen.
Er begann, das Land zu teilen. Den einen Teil verkaufte er an einen
Prinzen aus dem Süden, den Rest teilte er in zwei Teile, und stellte
beide in die Obhut eines neuen Statthalters namens Pilatus.
Pilatus war für seine Grausamkeit bekannt. Er machte sich daran, in
vorauseilendem Gehorsam dem Imperator alle Wünsche von den Lippen
abzulesen. Schon bald nach seiner Ankunft wurde Pilatus seinem Rufe
gerecht, als er auf Befehl des Imperators völlig grundlos zwei Dutzend
treu ergebene Quanten ans Kreuz schlagen ließ und sie einem
jämmerlichen Tode überantwortete.
Unterdessen verfiel auch der Hofbaumeister Theo in Ungnade. Obwohl
sich seine Gefolgen im Schweiße ihres Angesichtes plagten, die Brücke
rechtzeitig fertig zu stellen, und obwohl alles darauf deutete, dass
das Werk pünktlich vollendet würde, warf der Imperator dem
Hofbaumeister Ungeheuerliches vor. Es sei allein seine Schuld, dass da
nun eine eherne Brücke gebaut würde, obwohl der Imperator doch
gesagt habe, er wolle ein güldenes Prunkstück!
Der Imperator ward so zornig, dass er den Hofbaumeister seines Amtes
enthob und in den Kerker werfen ließ. Er beauftragte seinen getreuen
Hofnarren, den Bau der Brücke zu leiten.
Aber natürlich schaffte auch der Hofnarr nicht, in der Kürze der
verbleibenden Zeit, aus der fast fertig gestellten eheren Brücke ein
güldenes Werk zu machen, obwohl er die Gefolgen des Hofbaumeisters
bis zur Verzweiflung antrieb.
Und der Imperator wurde noch zorniger. Er befahl Pilatus, den
Baumeister hinzurichten. Einige der Gefolgen des Hofbaumeisters nahmen
jedoch all ihren Mut zusammen, und wagten einen Befreiungsversuch.
Dieser gelang tatsächlich, und gemeinsam flüchteten sie aus dem Lande.
Auch in anderen Teilen des Quantenlandes breitete sich Furcht und
Verzweifelung aus. Viele Quanten flüchteten in die Fremde, und die
wenigen Verbliebenen waren nicht in der Lage, alleine alle Felder zu
bestellen.
Die Ernte fiel daher sehr, sehr gering aus. Kaum genug, um die Quanten
zu ernähren, geschweige denn genug, um die gierigen Ansprüche des
Imperators zu befriedigen.
In seinem Jähzorn ordnete der Imperator an, man solle das ganze Land
niederbrennen. Und so geschah es, dass aus dem ehemals blühenden
Quantenland eine verdorrte, fruchtlose Wüste wurde.
Letzte Änderung 14.09.2000