Dissertation

Bastians, Frauke (2004). Die Bedeutung sozialer Netzwerke für die Integration russlanddeutscher Spätaussiedler. Bissendorf: Methodos.

am Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) der Universität Osnabrück,
DFG-gefördertes Graduiertenkolleg "Migration im modernen Europa" (1999-2002)

Ziel der Arbeit war die Klärung der Bedeutung sozialer Netzwerke für die soziale und berufsbezogene Integration russlanddeutscher Aussiedler. FECKLER (1993) sieht in der beruflichen Integration von Aussiedlern eine notwendige Voraussetzung für gelungene soziale Integration. Im Lichte der Bedeutung der beruflichen Eingliederung für die Integration von Aussiedlern scheint es gerechtfertigt, die arbeitsbezogene Situation von Aussiedlern und ihre spezifischen Problembereiche näher zu untersuchen.

Methode

Der Forschungsprozeß lässt sich in drei Phasen unterteilen.

In der ersten Stufe wurde ein Instrument zur Erfassung des Integrationserfolg entwickelt, mit Hilfe dessen der individuelle Erfolg der Integration in die bundesdeutsche Gesellschaft gemessen werden kann. Die Items dieses Tests werden aus Experten-Interviews und aus der Fachliteratur abgeleitet. Dieses Testverfahren ermöglichte eine quantitative Messung des individuellen Integrationserfolgs, dessen Score mit anderen Variablen korreliert werden kann, die in Phase 2 erhoben wurden.

In der zweiten Stufe der Untersuchung werden die unabhängigen Variablen erhoben. Diese umfassen die Eigenschaften der sozialen Netzwerke der Teilnehmer. Der Begriff des sozialen Netzwerks wurde zuerst von BARNES (1954, zitiert in LAIREITER, 1993) eingeführt. Soziale Netzwerke sind Systeme interpersonaler Beziehungen und können als Summe der informellen Beziehungen des Individuums definiert werden. Zur Erhebung der sozialen Netzwerke wurde eine Methode analog zu der von MCCALLISTER & FISCHER (1982) eingesetzt. Dieses Verfahren ermöglicht trotz geringen Zeitaufwands eine relativ umfassende Identifikation der sozialen Netzwerke der Teilnehmer. Es wurde den spezifischen Erfordernissen der Studie wie auch der spezifischen Situation der Aussiedler angepaßt.

In der dritten Stufe des Forschungsvorhabens wurden die erhobenen Daten analysiert und die Befunde in einen konzeptuellen Rahmen eingebettet.

Zusammenfassung der Ergebnisse

Die beiden Hauptanliegen dieser Arbeit bestehen zum einen in der Entwicklung von Methoden und Instrumenten zur validen Erfassung des Integrationserfolgs von Zuwandern in der Bundesrepublik, zum anderen in der pilotartigen Analyse der Bedeutung sozialer Netzwerke für die Integration russlanddeutscher Spätaussiedler.

Dazu wurde in einem ersten Schritt ein Fragebogenverfahren zur Erfassung von Integration und ihrer relevanten Typen entwickelt. Nach Überarbeitung in Folge einer Pilotstudie zeigten sich für die identifizierten Skalen (Berufliche Integration, soziale Integration, kognitive Integration/Handlungskompetenz, kognitive Integration/Modernität, sprachliche Belastung und strukturelle Integration) befriedigende bis gute Reliabilitäten. An der Fragebogenerhebung nahmen 229 Aussiedler und 153 Einheimische unterschiedlicher Affiliation teil (Rücklaufquoten der Aussiedler zwischen 18% und 59%, bei den Einheimischen zwischen 21% und 51%).

In einem zweiten Schritt wurden mit einem Teil der ProbandInnen der Interviewstudie (insgesamt 50 Spätaussiedler und 15 Einheimische) Interviews zur Analyse der sozialen Netzwerke der Teilnehmer durchgeführt.

Die Analyse der Korrelationen und Kovarianzstrukturen zu den Zusammenhängen zwischen den verschiedenen Variablen ergab ein deutliches Bild hinsichtlich der Integrationsvoraussetzungen. Vorteilhaft für erfolgreiche Integration sind:

  • ein niedriges Alter zum Zeitpunkt der Einreise
  • vor der Einreise bereits Bekannte in der Bundesrepublik gehabt zu haben
  • Wunsch, die eigenen Lebensumstände durch die Ausreise zu verbessern
  • Zufriedenheit mit der Ausreiseentscheidung
  • ein bereits langer Aufenthalt im Einreiseland
  • Sprachkenntnisse der deutschen Sprache
  • das Vorhandensein eines Arbeitsplatzes
  • außerhalb der eigenen Familie zu leben (v.a. für jüngere Personen)
  • in einer desegregierten Wohnlage zu wohnen
  • Mitgliedschaft in Vereinen
  • Aufgeschlossenheit und wenig kulturelle Distanz
  • möglichst viele unterschiedliche Menschen zu kennen

Darüber hinaus wurden mit Hilfe von Kovarianz-Struktur-Modellen die genauen Zusammenhänge zwischen Integrationsvoraussetzungen und Netzwerkvariablen mit den Integrationstypen geprüft. Insgesamt zeigen sich für alle oben aufgeführten Integrationstypen gut passende Modellierungen mit Hilfe der externen Variablen.

Das erste Anliegen der Studie, die Validierung des Fragebogenverfahrens zur Erfassung des Integrationserfolgs, kann aufgrund der Bestätigung der aus der Literatur abgeleiteten Hypothesen als erfolgreich gelten. Die Reliabilitäten sind für alle Skalen mindestens befriedigend und für Gruppenvergleiche unbedingt ausreichend.

Zum Zusammenhang zwischen sozialen Netzwerken und Typen der Integration konnten ebenfalls einige Modelle entwickelt und identifiziert werden, so dass die beiden Hauptanliegen der Untersuchung erfüllt wurden.

Für zukünftige Forschungen ist zu empfehlen, die Netzwerke einer größerer Probandengruppe zu erheben und zu den Integrationsdimensionen in Beziehung zu setzen. Ebenfalls vielversprechend ist es, die Validität des Fragebogenverfahrens unter Zuhilfenahme externer Variablen wie Einkommen, Status oder Kriminalitätshintergrund zu prüfen.

Literatur

FECKLER, K. (1993). Arbeitsmarktpolitische Instrumentarien in Deutschland. In: K.J. BADE & S.I. TROEN [Hrsg.]. Zuwanderung und Eingliederung von Deutschen und Juden aus der früheren Sowjetunion in Deutschland und Israel, 136-141. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung.

LAIREITER, A. (1993). Begriffe und Methoden der Netzwerk- und Unterstützungsforschung. In: A. LAIREITER [Hrsg.], Soziales Netzwerk und soziale Unterstützung: Konzepte, Methoden und Befunde, 15-43. Göttingen: Huber.

MCCALLISTER, L. & FISCHER, C.S. (1982). A Procedure for Surveying Personal Networks. In: R.S. BURT & M.J. MINOR [Hrsg.]. Applied Network Analysis: A Methodological Introduction, 75-88. London: Sage.

 

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