Sonntag, 19. August 2007

Adolf Eichmann

Ablauf:
1.Intro (Video)
2.Lebenslauf (Basisdaten)
3.Persönlichkeit Eichmanns
4.Tätigkeit im Nationalsozialismus
5.Entführung – Prozess – Hinrichtung
6.Schuldfrage:
a.Juristisch
b.Moralisch
7.Folgen

1.) Intro

Video

2.) Basisdaten Adolf Eichmann: Lebenslauf

Geboren 1906 in Solingen im Rheinland

Vater war Unternehmer, Eichmann arbeitete in der Firma seines Vaters

1914 zog die Familie nach Österreich um

ab 1927: Eichmann hat Kontakt zu nationalistischen Organisationen wie dem deutsch-österreichischen Frontkämpferbund und tritt 1932 des NSDAP und der SS bei

Als in Österreich die NSDAP verboten wird zieht er nach Deutschland und erhält eine militärische Ausbildung in einem Lager der SS

Ab 1934 arbeitet er beim Sicherheitsdienst (SD) und im Reichssicherheitshauptamt in Berlin, er steigt in der Hierarchie auf und wird zum SS-Obersturmbannführer, seine Aufgabenbereich ist die „Auswanderung“ der Juden

1942 führt er das Protokoll auf der sog. Wannsee-Konferenz

nach dem Krieg flüchtet er vor der Verfolgung durch die Siegermächte

ab 1950 lebt er in Argentinien, wo er 1960 vom israelischen Geheimdienst entführt und nach Israel gebracht wird

es folgt ein Prozess, der in seiner Hinrichtung im Jahr 1962 endet

3.) Persönlichkeit Eichmanns

Informationen aus dem Vorwort des „Eichmann-Protokolls“, geschrieben von Jochen von Lang:

Eichmanns Verhöroffizier „hatte ein Monster erwartet“, doch er erkannte schnell, dass Eichmann ein recht normaler Mensch war
Er „konnte an dem millionenfachen Mörder keine Mordlust ausfindig machen
Nach ´45 war Eichmann nie straffällig oder in ähnlicher Weise auffällig geworden
Daraus ergibt sich die Frage: „Wäre er ohne die Befehle ein unbescholtener Bürger und Familienvater geblieben?“
Antwort: wahrscheinlich ja...
„Dann kann es einen neuen Eichmann geben, er wäre nur ein austauschbares Werkzeug einer Gewaltherrschaft“...

Erich Fromm äußert sich in seinem Buch „Haben oder Sein?“ hierzu wie folgt:

Eichmann war ein extremes Beispiel für einen Bürokraten
Er schickte nicht 100tausende Juden in den Tod weil er sie hasste
„Er hasste oder liebte niemanden“, so Fromm
sein Motiv: Pflichterfüllung, Einhalten von Vorschriften
Schuldgefühle: nur wenn er Vorschriften verletzte
Hauptgrund für Eichmann Verhalten: Mangel an menschl. Mitgefühl und seine Verherrlichung von Vorschriften

Um diesen Thesen auf den Grund zu gehen eignen sich besonders die Protokolle der Verhöre, die der israelische Polizeihauptmann Avner Less mit Eichmann vor dem Gerichtsprozess in Israel führte.

Gespräche fanden auf deutsch statt; Eichmann machte seine Aussagen freiwillig

Bei den Verhören: Tonbandaufnahmen Protokoll Buch: Ausschnitte der Protokolle

Die zitierten Thesen von den Jochen von Lang und Erich Fromm scheinen sich hier zu bestätigen:

Fremdbestimmtheit: Eichmann gehorchte ständig; z.B. als Jugendlicher/junger Erwachsener hinterfrage er die Anweisungen seiner Eltern nicht; so bestimmten diese auch seine anfängliche berufliche Laufbahn im Unternehmen seines Vaters

Auch seine Karriere im Dritten Reich war zumindest Anfangs nicht besonders selbstbestimmt

„Es sprach der damalige Gauleiter Bollek. Und dann kam ein gewisser Kaltenbrunner, Ernst, zu mir. [...] Ernst Kaltenbrunner also forderte mich kategorisch auf: „Du kommst zu uns!“ Wie das eben damals so ging, burschikos, da wurde nicht viel herumundsoweiter. Ich sagte dann: „“Ja, gut!“ So kam ich zur SS.“
Quelle: „Das Eichmann-Protokoll“, S. 17+18 (SS-Beitritt)

10 Jahre später, 1942, Eichmann ist Chef der Abteilung im RSHA, die die Deportation der Juden organisiert

Situation: Juden aus Frankreich werden in Vernichtungslager deportiert; Problem: 42.000 Kinder jüdischer Eltern bleiben zurück; daraufhin folgende schriftlich Anfrage an Eichmanns Abteilung + Gespräch (Verhör):

Less zitiert Dokument:
„Betrifft: Judenabschub. Am 20.7.1942 riefen SS-Obersturmbannführer Eichmann und SS-Obersturmführer Nowack vom RSHA IV B 4 hier an. Mit SS-Obersturmbannführer Eichmann wurde die Frage des Kinderabschubes besprochen. Er entschied, dass, sobald der Abtransport in das Generalgouvernement wieder möglich ist, Kindertransporte rollen können. Obersturmführer Nowack sicherte zu, Ende August, Anfang September etwa sechs Transporte nach dem Generalgouvernement zu ermöglichen, die Juden aller Art, auch arbeitsunfähige und alte Juden enthalten können.“
Less dazu:
„Hat diese Entscheidung etwas mit transporttechnischen Fragen zu tun? 4000 Kinder, die in die Vernichtungslager geschickt werden?“
Eichmann antwortet:
„Ja, Herr Hauptmann. In diesem Fall geht es ja um die Richtlinie zur Durchführung der Transporte. Die Stellen mussten ja mit Richtlinien versehen werden und die musste ich mir einholen.“
Quelle: „Das Eichmann-Protokoll“, S. 122

Anderes Dokument zum gleichen Thema, auch eine Anfrage an Eichmanns Abteilung + Gespräch:

Less zitiert Dokument:
„Ministerpräsident Laval hat vorgeschlagen, beim Abschub jüdischer Familien aus dem umbesetzen Gebiet auch die unter 16 Jahre alten Kinder mitzunehmen. [...] Ich bitte deshalb um dringende Entscheidung darüber, ob etwa beginnend mit dem 15. Judentransport aus Frankreich auch Kinder unter 16 Jahren mit abgeschoben werden können.“
Less:
„Glauben sie, dass 14jährige Kinder vollwertige Arbeitskräfte sind und dass sie in einem Vernichtungslager wie Auschwitz durchhalten können?“
Eichmann:
„Herr Hauptmann, diese Richtlinien hat der Reichsführer befohlen, ich habe diese Richtlinien nicht befohlen.“
Less:
„Ich frage, ob Sie glauben, dass das vollwertige Arbeitskräfte sind, die vierzehnjährigen Kinder?“
Eichmann:
“Natürlich glaub’ ich’s nicht, höchstens in Ausnahmefällen, aber sonst nicht.“
Less:
“Ist daraus nicht zu sehen, dass es die Absicht war, diese Kinder nach Ankunft sofort zu vergasen?“
Eichmann:
„Herr Hauptmann, ich hab’s nicht befohlen.“
Quelle: „Das Eichmann-Protokoll“, S. 123

Eichmann bestritt also, Schuld zu tragen, da er seiner Meinung nach nur Befehlen gehorchte

Dazu äußerte er sich später wie folgt:

„Herr Hauptmann, wenn man mir um jene Zeit gesagt hätte „Dein Vater ist ein Verräter“, also mein eigener Vater ist ein Verräter und ich hätte ihn zu töten, hätt’ ich das auch getan. Ich habe damals stur meinen Befehlen gefolgt und stur den Befehlen Gehorsam geleistet, und darin habe ich meine- wie soll ich mal sagen? – meine Erfüllung gefunden. Egal, was man mir für einen Auftrag gegeben hätte, Herr Hauptmann. [...] Es wurde befohlen und infolgedessen ist es durchgeführt worden. Bekomme ich einen Befehl, so habe ich ihn nicht zu deuten, und wenn ich einen Befehl erteile, so ist es verboten, diesen Befehl zu begründen. Ich bekomme einen Befehl und hab’ zu gehorchen.“
Quelle: „Das Eichmann-Protokoll“, S. 144

4.) Tätigkeit Eichmanns im Nationalsozialismus

Eichmanns Tätigkeit für das Dritte Reich begannen 1932 mit seiner Einstellung als Referent bei SD der NSDAP; seine Aufgabe war es, Informationen über Juden zusammenzutragen.

Ab 1938 organisiert Eichmann die Auswanderung in Österreich lebender Juden; 150.000 Juden müssen in 1 ½ Jahren zwangsweise das Land verlassen.

Ab 1939 leitet das neu eingerichtete sogn. „Referat Auswanderung und Räumung“ beim Reichssicherheitshauptamt RSHA in Berlin.

Seine Abteilung organisiert den Transport von Juden in die Vernichtungslager, Konzentrationslager und Ghettos und spielt eine entscheidende Rolle bei der Deportation von über 4 Millionen Juden

Eichmann besuchte mehrmals die Vernichtungslager und sah mit eigenen Augen, was mit den deportierten Juden geschah

5.) Entführung – Prozess – Hinrichtung

Die Entführung Eichmanns könnte eine schlechte Spionagegeschichte sein, denn die Geschichte ist durch und durch abenteuerlich. Sie beginnt in Argentinien. Dorthin ist Adolf Eichmann nach seiner Flucht aus einem Internierungslager geflohen. Er trägt den Namen Ricardo Klement und wohnt mit seiner Frau und Kindern in einem typischen Mittelstandsviertel von Buenos Aires. Durch seinen Sohn, der Kontakte zu jüdisch-deutschen Auswanderern hat, der aber ausgerechnet in diesem Milieu mit antisemitischen Sprüchen auffällt, keimt der Verdacht auf, dass Ricardo Klement A.Eichmann ist.
Nachdem er infolge dessen wochenlang vom Mossad, dem israelischen Geheimdienst, observiert wurde, wird er im Mai 1960 auf dem Weg nach Hause in eine Limousine gezerrt. Kurz darauf wird er außer Landes gebracht und David Ben Gurion erklärt im tosenden Beifall der Knesset, dass man A.Eichmann gefangen genommen habe und ihn vor ein israelisches Gericht stelle werde. Dies war möglich, weil in Israel ein spezielles Gesetz zur Aburteilung von Holocaustverantwortlichen besteht.
Als der Prozess beginnt, unterliegt er einer großen medialen Aufmerksamkeit.
In dem Verfahren, welches bis Ende 1961 dauert, wird die Tätigkeit Eichmanns im RSHA geklärt. Es wird deutlich mit welcher bürokratischen Kälte er zu Werke ging, wie stumpf normativ sein Handeln war, wie sehr er sich Gesetzen gebunden fühlt. Sein System zur Deportation wird erläutert. Die ganze Welt erfährt, um es mit den Worten von Hannah Arendt auszudrücken von der Banalität des Bösen. Wie sehr er ein Schreibtischtäter war. Ein Everyman. Jemand der ohne darüber nachzudenken Millionen Menschen tötete.
Eichmanns Verteidigungsstrategie geht nicht auf. Er beruft sich wiederholt darauf, nicht selbstständig, sondern nur auf Befehl gehandelt zu haben. Er zeigt jedoch keinerlei Reue. So stark ist seine Befehlshörigkeit. Das wird ihm zum Verhängnis, denn er erkennt nicht einmal seine Schuld.
Die Richter verurteilen ihn zum Tod. Nach einem Berufungsverfahren wird Eichmann am 31.Mai 1962 gehängt. Seine Asche wird verstreut damit kein Ort für einen Kult zurückbleibt. Adolf Eichmann ist der einzige jemals in Israel hingerichtete Mensch.

6.) Schuldfrage:

a. Juristisch

Die Frage der juristischen Schuld Eichmanns wird kontrovers diskutiert. Wie kann ein Mensch, der nach den Gesetzen seines Landes seine Amtshandlungen durchführt – in diesem Fall nach den Nürnberger Rasse Gesetzen handelt-, im juristischen Sinne schuldig eines Verbrechens sein? Inwiefern war die Justiz des Staates Israel zuständig? Wie befangen sind die jüdischen Richter als Exponenten ihres Volkes? Wie gerecht ist ein Prozess, für den ein Staatsbürger aus einem souveränen Staat entführt wird?
Warum stellte die BRD keinen Auslieferungsantrag?
Es gibt jetzt sicher einige, die meinen, dieser Prozess sei ungerecht gewesen, weil er Grundprinzipien der Rechtsprechung verletzte. Dies ist falsch.
Im genauen Betrachten basiert das Gefühl der Ungerechtigkeit auf zwei Faktoren, der Todesstrafe eines Deutschen Staatsbürgers, zu dem ein wie auch immer geartetes Solidaritätsbewusstsein gehört, und deren Vollstreckung in einem fremden, deutschen-unwohlgesonnenen Lande. Wäre Eichmann nicht hingerichtet worden, wäre die juristisch-geführte Diskussion über den Prozess weniger bedeutend. Deutlich wird, dass selbst die juristischen Argumente nur von formaler Natur sind.
Aus der Verletzung einer Form – dem pflichtbewussten Eichmannbürokraten oder Deutschen ein Gräuel - leitet sich die Verallgemeinerung „ungerechte Verfahrensdurchführung“ ab, und diese resümiert in der bizarren Gedankenwelt: Unschuldig weil falsche, unfaire und insbesondere UNKORREKTE Verfahrensdurchführung- der arme Mann hatte keine Chance gegen den Staatsterror.
Doch trotz der Form, ist der Mörder ein Mörder. Ob Israel oder Deutschland oder Kambodscha seine Verbrechen straft ist doch irrelevant.
Der zweite wichtige Faktor ist also das Formargument.
In dieser Form aufgeschlüsselt entzaubert sich das Ungerechtigkeitsempfinden per se.

b. Moralisch

Eichmann ermöglichte dadurch, dass er die Transporte der Juden aus ihrer Heimat zu den Vernichtungslagern organisierte die Ermordung 100tausender Menschen; und dies anscheinend ohne dabei Schuldgefühle zu empfinden

Aus Äußerungen die er in Argentinien und bei den Verhören in Israel getätigt hat lässt sich keine Reue erkennen:
Bis zum Schluss hielt er daran fest, dass seine Verantwortung an den Verladerampen der Vernichtungslager aufhörte, da er nur für den Transport verantwortlich gewesen sei

in Verhören hielt er an SS-Parolen wie „Meine Ehre heißt Treue“ fest

doch WIE konnte Eichmann derartige Verbrechen begehen, ohne Schuldgefühle zu entwickeln?

Hierzu ein Erklärungsversuch von Erich Fromm:

„Der Bürokrat fürchtet persönliche Verantwortung und sucht hinter seinen Vorschriften Zu-flucht; was ihm Sicherheit und Stolz gibt, ist seine Loyalität gegenüber dem Reglement, nicht seine Loyalität gegenüber den Geboten der Menschlichkeit. [...] Sobald der lebendige Mensch zu einer Nummer reduziert ist, kann der echte Bürokrat Akte äußerster Grausam-keit begehen [...]“
Quelle: Erich Fromm, „Haben oder Sein?“, S. 226+7

"Herr Hauptmann, ich habe gelesen, daß Höss gesagt haben soll, er habe vier Millionen Ju-den getötet. Ich hielt diese Zahl bisher für übertrieben hoch. Aber wenn wir jetzt von Zah-len überhaupt sprechen wollten: ob das eine Million ist oder ob das vier Millionen sind, ob das hundert sind, das ist im Prinzip ja egal.“
Quelle: „Das Eichmann-Protokoll“, S. 100

7.) Folgen

Der Prozess gegen Adolf Eichmann erregte weltweit viel Aufmerksamkeit. Insbesondere in der BRD fiel der Eichmann-Prozess in eine wichtige Zeit politischer Entwicklung. Zwar war Konrad Adenauer noch Bundeskanzler als Eichmann hingerichtet wurde, aber die von ihm manifestierte deutsche Nachkriegsgesellschaftsordnung war langsam am Zerbröckeln. Nachdem immer mehr Menschen sich am Wirtschaftswunder sattgefressen hatten, kam so etwas wie Moral auf. Das Totschweigen der eigenen Vergangenheit, welches so charakteristisch für die Nachkriegszeit war, fand allmählich ein Ende. Inzwischen war eine Generation von Menschen herangewachsen, die während des zweiten Weltkriegs geboren wurden. Sie begannen Fragen zu stellen. Sie äußerten Kritik. Für diese Menschen war der Eichmann-Prozess der Einstieg in die Thematik der Judenvernichtung. So erfuhren sie von all dem, was heute selbstverständlich zu gewusst zu werden scheint. Der Prozess kam zur rechten Zeit. Das zeigt sich insbesondere daran, dass in der direkten Folgezeit mit den Ausschwitzprozessen eine weitere Aufarbeitung stattfand. Somit bildete der Eichmannprozess ein wichtiges Ereignis zum heutigen Bild des Nationalsozialismus.


Yannik Eggers, Ingo Marquardt im Juli 2007

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