Siegener Zeitung - Freitag, 15. März 1996

Wehwehchen eines Hypochonders
"theatrum mixtum compositum" spielte "Der eingebildete Kranke"

Siegen. "Laßt mich nur machen",sagt Toinette und nimmtdie Zügel der Geschichte in die Hand. Die Dienstmagd des eingebildeten Kranken Argan ist die einzige, die in dem Verwirrspiel um Liebe, Betrug und Wehwehchen den Durchblick behält. Ihr gelingt es am Ende, den "Kranken"
zur Einsicht und dessen Tochter zu ihrem Herzensmann zu bringen. Silke Kölsch brillierte gestern abend in der weiblichen Hauptrolle der Moliere-Komödie "Der eingebildete Kranke", mit der das "theatrum mixtum compositum;" im Pädagogischen Zentrum des Rosterberg-Gymnasiums Premiere hatte.
Guido Müller, Student und LyzMix-Kabarettist, inszenierte die heitere Charakterstudie mit viel Geschick und bewies als männlicher Hauptdarsteller in der Rolle des Hypochonders Argan sein überaus komisches Talent. Mit durchgedrückten Knien und heruntergezogenen Mundwinkeln kämpft der sich durch ein Leben aus Klistieren und abgezählten Salzkörnen, läßt sich täuschen und enttäuschen, verhätscheln und veräppeln.
Im Zentrum des Bühnenaufbaus im nüchternen "PZ" steht ein Lehnstuhl, von dem aus Argan zumeist agiert. Hier empfängt er etwa den buckeligen Wunschschwiegersohn Thomas (Stefan Kesting) und dessen Vater, Monsieur Diafoirus (Jens Otterbach). Ein überkandideltes Duo, die beiden; sozusagen die Clowns des

Stücks. In dem Sessel wird Argan von Ehefrau Beline (Diane Kölsch) verwöhnt, dahinter von ihr betrogen. Und ebendort nimmt Toinette ihm letztlich alle Illusionen: Im "Tod" erkennt Argan das wahre Gesicht der geldgierigen Gattin und die Treue seiner Tochter Angelique (Kerstin Rohwedder). Die darf nun doch ihren Cleante (Peter Scholl) heiraten, und Argan vergißt um ein Haar, wie krank er ist...
Auf die zündende Idee des Herrn Bruders (Stephan Lange) hin, Argan flugs zum Arzt zu küren, tritt die komplette Schauspielertruppe des "theatrum mixtum compositum" aus den Kulissen, um dieser Quasi-Inthronisation beizuwohnen. Argan genießt die unverhoffte Ehre erst sichtlich, um dann aber schmerzhaft das Gesicht zu verziehen. Mit dem gequälten Aufschrei "Nein, ich bin doch krank!!" endet das satierische Stück um den eingebildeten Kranken, daß das junge Ensemble zwar recht traditionell, aber dennoch mit Pfiff darbot. In weiteren Rollen spieleten Sybille Schmidt, Andreas Müller, Sabine Dietrich, der Jongleur und Fackelschwinger Marco Solo sowie ein Quartett indischer Tempeltänzerinnen.
"Der eingebildete Kranke" geht heute abend sowie am Donnerstag, 21. März, jeweils ab 20 Uhr nochmal ük;ber die Bühne des Pädagogischen Zentrums. Ein Rat aus Erfahrung: Ziehen sie sich warm an, sonst sind der Kranke am Ende Sie! (ciu)

Westfalenpost - Montag, 18. März 1996

Eigebildeter Kranker "überzeugte" Publikum
Gelungene Inszenierung im Ganztagsgymnasium

Siegen. (cg) Mit einer bemerkenswerten schauspielerischen Leistung wartete das "theatrum mixtum compositum" - ein Ensemble aus ehemaligen Schülern des Städtischen Ganztagsgymnasiums Am Rosterberg, "Pennälern", die die Schulbank dort noch drücken und außenstehenden Akteuren - in der Aula der Schule auf.
Inszeniert wurde "Der eingebildete Kranke" von Moliere, eine Komödie in drei Aufzügen, die 1673 in Paris uraufgeführt wurde.
Im Mittelpunkt steht Argan, ein Kranker, der sich seine Zahlreichen Gebrechen - wie soviele Menschen - nur einbildet. Die Krankheit aber

hat er in den Mittelpunkt seines Lebens gestellt, ein gefundenes Fressen für Ärzte und Apotheker. Vor allem aber seine Familie leidet unter seiner von Selbstmitleid und Selbstsucht gleicherma&azlig;en geprägten Nichtstuerei.
In seiner ständigen Angst um sein kostbares Leben verfällt er auf den gedanken, seine Tochter Angelique dem künftigen Arzt Thomas Diafoirus, einem albernen Schwätzer und Nichtskönner zur Frau zu geben. Angelique aber hat ihr Liebesglück bereits woanders erspäht.
Es kommt darufhin zu harten verbalen Konfrontationen, die erkennen ließen, daß: das Stück von den Akteuren auf-

gearbeitet qurde. Worte wie "Einfaltspinsel" gehören nicht zur Sprachgewohnheit des 17. Jahrhunderts.
Zu allem Überfluß betrügt Argans Frau ihn auch noch mit seinem Notar - im Stück buchstäblich hinter seinem Rücken. Argans Dienstmagd und sein Bruder, der Onkel von Agelique, wollen erreichen, daß sie nicht den Arzt, sondern ihren Angebeteten heiraten darf. Sie betreiben ein bemerkenswertes Verwirrspiel, bei dem schließlich die Wahrheit zu siegen scheint. Argans Ehefrau wird ihrer Scheinheiligkeit entlarvt: ob Argan aber seiner Tochter freies Geleit gibt,bleibt offen.

Westfälische Rundschau - Samstag, 16. März 1996

Molieres Thema ist noch aktuell

Siegen. (ju) Das "Theatrum Mixtum Compositum" präsentierte in dieser Woche zweimal im Pädagogischen Zentrum des Städtischen Ganztagsgymnasiums sein erstes Projekt: Mit der maßgeschneiderten Fassung von Molieres Komödie "Der eingebildete Kranke" gelang dem Ensemble die witzige, spritzige Umsetzung eines in seiner Thematik immer noch aktuellen Stücks.

Argan (Guido Müller), der "eingebildete Kranke", glaubt an allen Gebrechen zu leiden, die einen Menschen heimsuchen können. Das jedenfalls diagnostizieren sein Arzt (Andreas Müller) und Apotheker (Sabine Dietrich) - und die müssen es ja wissen. Dessen zweite Gattin Beline (Diane Kölsch), die aif seinen Tod geradezu wartet, bekräftigt ihn in seinem Krankheitswahn.


Spott über "Wehwehchen"
Mehr als gesund allerdings wirken Argans Stimmbänder, wenn sein kräftiges und ungehobeltes Mundwerk Schimpftriaden über das Dienstmädchen Toinette (Silke Kölsch) losläßt ("Du Luder!"). Die nutzt jede Gelegenheit, die "Wehwehchen" ihres Herrn

auf die Schippe zu nnehmen ("Vergessen Sie ihren Stock nicht, Sie können doch ohne ihn nicht laufen"). Mit ihrem spöttischen Tonfall macht sie ihren "Herrn" lächerlich.
Argan stellt seine in den jungen Cleante (Peter Scholl) verliebte Tochter Angelique (Kertsin Rohwedder) vor die Wahl, entweder den sonderbaren Arzt Thomas Diafoirus (Stefan Kesting) zu heiraten oder ins Kloster zu gehen.


Showeinlagen lockern auf
Doch Toinette fädelt den Gang der Dinge so geschickt ein, daß Argan am Ende das wahre Gesicht seiner zweiten Gattin erkennen muß. Sie sorgt auch dafür, daß er wohl oder übel Angeliques Geliebten als Schwiegersohn akzeptiert.
Wie schon zu Molieres Zeiten lockern Showeinlagen die Komödie auf: Ein Jongleur und indische Tempeltänzerinnen bringen einen Hauch von exotik ins Spiel.
Guido Müller, Hauptdarsteller und Regisseur, regte allein durch sein Erscheiningsbild zum Lachen an: Die Baskenmütze tief über die Ohren gezogen, den Schlafrock über den gebeugten Schultern bewegte

er sich langsam über die Bühne. Die Miene wirkte stets gequält - und natürlich ging am Stock, welcher oft auch als Verlängerung seines drohend erhobenen Zeigefingers diente.

Die Bühne ist in Gemeinschaftsarbeit des etwa 20köpfigen Ensembles entstanden. Geimeinsam hat die Truppe, die sich aus Schülern mehrerer Gymnasien und aus "Ehemaligen" zusammensetzt, auch das Stück ausgesucht. Es sollte "ein bi&azlig;chen anspruchsvoll sein und zugleich kritisch in die heutige Zeit passen". Zum dritten Mal wird sich der Vorhang für den "eingebildten Kranken" am Donnerstag, 21. März, 20 Uhr, heben.

Im Blick

"Der eingebildete Kranke"

Die Premiere von Molieres "Der eingebildete Kranke" präsentierte das "Theatrum Mixtum Compositum" am Donnerstag, 14. März, 20 Uhr, im Pädagogischen Zenrum des städtischen Gaztagsgymnasiums am Rosterberg. Weitere Aufführungen: Freitag, 15. und Donnerstag 21. März. In dieser Spielzeit steht nun der Moliere-Klassiker "Der eingebildete Kranke" auf dem Programm. Eine Kommödie, die durch ihre klare Skizze und der pointenreichen Handlung als Höhepunkt seines Schaffens bezeichnet wird.

Moliere konnte diesen Erfolg jedoch nicht mehr auskosten, verstarb er doch bereits kurz nach der Uraufführung. "Mixtum Compositum" hat sich der Bühnenvorlage hart - aber herzlich - angenommen. Der Orginaltext ist zwar stark in die Inszenierung eingeflossen, doch mu&azlig;te die Komödie dahingehend bearbeitet werden, daß sie der heutigen Dynamik und Geschwindigkeit gerecht werden konnte. Der Inhalt: Argan, ein reicher Pariser Bürger /Guido Müller), hält sich für unendlich krank, doch scheint seine

Krankheit mehr von der Psyche her bestimmt zu sein. Er wird zu einem "gefundenen Fressen" für Apotheker und Ärzte. Unter seinem Krankheitswahn leidet die ganze Familie, nur sein Dienstmädchen Toinette (Silke Kölsch) krempelt die Äö;rmel hoch und leistet dem Hauspatriarchen Widerstand. Die Situation scheint zu entgleisen, als Argan auf die Idee kommt seine Tochter Angelique (Kerstin Rohwedder) einem dümmlichen Arzt zur Frau zu geben, wo diese doch bereits unsterblich verliebt ist...