Ungemischt angenehme Gefühle

Videos von Raymond Ley waren im Filmladen zu sehen.

"Maz ab" - und Assoziationen werden wach. Machten sich in den seligen Siebzigern Milchkännchen und Fischstäbchen auf ihre beschwerliche Reise durch die Unbilden der Antarktis, so ertönen in Raymond Leys Videosketches für die Satiresendung "Kaos" (ZDF/3Sat) ... die Trompeten von Jericho ...

"So klein ist die Welt" nennt Ley sein Konglomerat aus Aufragsarbeiten im Dienst der TV-Satire. Und in der Tat: man hat sie fast alle schon einmal gesehen, die Lokalitäten und Darsteller: Sven-Christian Habich, Inge Hoepfner, Ignatz Wilka, Georg Lochter, Till Mertens, dazu Kasseler Lokalkolorit satt ... Bekannte Gesichter, aber ungemischt angenehme Gefühle im Hinblick auf Leys visuell-satirischen Zugriff auf die Spitze des Eisbergs "Zeitgeist".

Nach einer Pause dann "Sonntag Morgen in Deutschland"... Eine mediale Backstage-Komödie über eine Magazinsendung, in deren Mittelpunkt das angejahrte Multimedia-Genie Rainer A. Lossmann (Sven-Christian Habich) stehen soll. Doch nicht nur der Künstler steht mit seinen von Habich genüßlich ausgespielten Ecken, Kanten und, ja, Macken dem reibungslosen Drehverlauf im Wege.

Auch das Fernsehteam selbst - allen voran die Redakteurin Meermann-Schärtel (jargonkundig-virtuos Inge Hoepfner), eine sprechblasenproduzierende "Doppelnamenzicke" reinsten Wassers, erweist sich mit ihren Eitelkeiten und Marotten als Sand im TV-Getriebe. Eine Neuauflage von Bölls Rundfunksatire "Doktor Murkes gesammeltes Schweigen", ins audiovisuelle Milieu transponiert. Ein "süffiges" Vergnügen, nicht nur für Insider.

Verena Joos

HNA vom 17.05.1994