Maria und Marta oder die Erlaubnis zur Auszeit

Predigt
 

Exordium

Liebe Gemeinde,

Maria und Marta. Es ist nur eine kleine Geschichte aber ein ganzer Mikrokosmos tut sich auf. Eigentlich geschieht nicht viel. 

Narratio

Jesus kommt in ein Dorf. Wie überall wird er dort gepredigt haben. Wo wissen wir nicht. Vielleicht am Dorfplatz, vielleicht in der Synagoge. Seine Jünger waren wie immer mit dabei. Gegen Abend suchen sie dann ein Quartier für die Nacht. Nicht immer gelang ihnen das. Überall galt zwar das Gebot der Gastfreundschaft. Aber eine ganze Gruppe Menschen zu beherbergen ist nicht leicht. Und Gebote mögen in der Bibel stehen, aber wer hält sich schon daran.

Doch heute hatten sie Glück. Eine der Frauen des Ortes. Nämlich Marta, nahm sie in ihr Haus auf.

Und jeder von uns, der schon einmal überraschenden Besuch bekommen hat, weiß was das heißt. Die Gäste müssen einquartiert werden. Betten werden hergerichtet oder wenigstens ein paar Strohmatrazen. Dann das Essen. Man hat ja nicht mit den Gästen gerechnet. Also ab in die Küche und improvisieren. Was ist da, was läßt sich daraus machen. Getrocknete Feigen liegen noch in der Kammer. Gut das ist die Nachspeise. Hm. Fleisch ist nicht da. Hoffentlich sind die Gäste Vegetarier. Und so weiter, und so weiter. Ein Haufen Arbeit. Wo ist eigentlich Maria? Maria? Marta geht in die Stube. Da sitzt sie. Sitzt am Boden und hört dem Fremden zu. Das darf doch nicht wahr sein. Da wächst ihr die Arbeit über den Kopf und Maria rührt keinen Finger um ihr zu helfen. Frechheit. Marta ist stinksauer. Am liebsten würde sie Maria jetzt kräftig anfahren. Aber langsam. Es sind Gäste da. Es könnte sie kränken, wenn sie jetzt einen Streit vom Zaun bräche. Also tief durchatmen. - - Kurz nachdenken. - - Dass ist die Lösung. Der fremde Rabbi soll sie in die Küche schicken. Dann ist niemand gekränkt. Der Fremde nicht, weil er es dann ja selbst so wollte. Maria nicht. Weil es nicht ihre nörgelnde Schwester war. Und sie hätte endlich die Hilfe, die sie braucht. "Herr, siehst Du nicht, daß ich allein die ganze Arbeit mache."

Perspektivwechsel.

Es ist Nachmittag. Maria war zu Hause geblieben während Marta sich den fremden Prediger anhören wollte. Der Tag war anstrengend gewesen. Maria freute sich auf einen gemütlichen Abend. Da hörte sie Marta um die Ecke kommen. Oh Nein sie hat Gäste mitgebracht. Typisch. In unserem Dorf gibt es über hundert Häuser, aber sie muß natürlich die Fremden an Land ziehen. Wer ist denn das. Da in der Mitte, der der ständig redet. Das muß der Chef der Gruppe sein. Sieht ja nicht schlecht aus. Wenn man genau hinschaut eigentlich ganz gut. Marta stellt Maria dem Fremden vor. Jesus heißt er. Und eine angenehme Stimme hat er. Sie setzen sich in den Wohnraum. Marta verschwindet in der Küche. Der Fremde spricht Maria an. Fragt sie ein paar Sachen zur Bibel. Mein Gott ist das peinlich. Sie hätte in der Synagoge besser aufpassen müssen. Aber der Dorfrabbi war so langweilig. Kein Mensch kann ihm zuhören. Aber dem Fremden scheint es nichts zu machen, daß sie so unbeholfen ist. Und dann beginnt er ihr zu erzählen. Von sich und von Gott und er legt die Bibel aus in einer Weise, die sie noch nie gehört hat. Ihr gehen die Ohren über. Ach wenn er doch der Dorfrabbi wäre. Aber das ist unmöglich. Morgen ziehen die Fremden weiter. Sie sitzt zu seinen Füßen. Hängt an seinen Lippen. Kein Wort dieses weisen Mannes will sie verpassen. Wie ein trockner Schwamm saugt sie die Gedanken Jesu auf. Sie merkt gar nicht, wie die Zeit vergeht. Das steht plötzlich Marta im Raum. Oh, Oh. Da kommt ein Gewitter. Sie kennt ihre Schwester genau. Die ist stinksauer. Sie wird jetzt doch wohl vor den Fremden keinen Streit beginnen? Da hört sie die Worte Martas: "Herr, siehst Du nicht, daß mich mein Schwester die ganze Arbeit alleine machen läßt?"

Typisch anstatt offen ihre Meinung zu sagen, will sie den Fremden einspannen. Mal schaun was er sagt.

 

Argumen-tatio

Nun liebe Gemeinde. Sie kennen die Antwort Jesu und sie erkennen das Dilemma. Wie so oft bei einem Streit in der Familie, hat irgendwie jeder recht. Maria sieht die Chance ihres Lebens. Solche Gedanken wird sie nie wieder hören. Der Fremde fasziniert sie. Mein Gott, was ist dagegen ein bißchen Küchenarbeit.

Aber die Arbeit tut sich doch nicht von selbst. Was glaubst Du was der Fremde sagt, wenn wir in hungrig ins Bett schicken. A pro po Bett. Die Betten sind auch noch nicht gemacht.

Sie kennen das. Streit zwischen Geschwistern. Jesu kannte es wohl auch. Wir wissen nicht wie viele Geschwister er hatte, auf jeden Fall hatte er welche. Er war der Älteste. Und vermutlich ging es ihm wie den meisten Ältesten. Alle Verantwortung lag auf ihm. Paß auf die Kleinen auf. Du bist doch schon groß. Mach keinen Quatsch. Von dir hätte ich das nicht erwartet. Und so weiter. All die Sprüche, die Älteste eben so hören.

Jesus kennt das und er sieht beide Seiten. Er sieht, wie sich Marta abschuftet. Er weiß welche Arbeit sie hat. Schließlich ist er ja der Grund für ihre Mühe. Und ehrlich gesagt. Er hat auch ganz schön Hunger. Der Tag war anstrengend und ein gutes Essen wäre jetzt nicht schlecht.

Aber da ist auch Maria. Eine kluge Frau. Nur leider schlecht ausgebildet. Dieser Dorfrabbi muß ein Langweiler sein. Die Gelegenheit ist einmalig. Was er ihr heute nicht erzählt, wird sie wahrscheinlich nie erfahren.

Er sieht beide Seiten und er antwortet Marta: "Marta, Marta, du machst dir über vieles Sorgen und Mühe. Aber eines ist Notwendig. Denn Maria hat das bessere Teil gewählt. Und das soll ihr nicht weggenommen werden."

Hier endet die Geschichte. Liebe Gemeinde. Und ich frage mich, wie die beiden Frauen wohl reagiert haben? Marta, so kann ich mir vorstellen, hat erst einmal ganz schön geschluckt. Ok. Er sieht, daß ich viel Arbeit habe. Und das tut gut. Aber was heißt hier: Eines tut not? Was ist denn das Eine? Was tut Maria denn Besonderes, daß er sagen kann: Sie hat das bessere Teil gewählt? Sie sitzt doch nur unnütz herum und hört zu.

Das komische ist, liebe Gemeinde, das das scheinbar Unnütze oft das wertvollste ist. Jesus sagt zu Marta nicht: "Komm Marta, jemand muß ja auch die Gäste unterhalten, jetzt laß Maria mal in Ruhe." Nein er formuliert pointiert: "Eins tut not" Eines ist notwendig und interessanterweise scheint dies genau das zu sein, was Maria tut. Herumsitzen und zuhören. Maria nimmt sich ein Auszeit. In der Küche tobt der Alltag mit all seiner Plage. Aber auch mit der Befriedung etwas zu schaffen. Gerne wird Marta am Abend die Komplimente für das Abendessen entgegennehmen. Aber Maria ist es wichtiger bei Jesus zu sitzen. Den ganzen Trubel hinter sich zu lassen und den Worten des Meisters zu lauschen. Er redet von Gott und er rührt sie an. Er bringt eine Saite in ihr zum Klingen, die meistens von der Geschäftigkeit des Alltags verdeckt ist. Er weckt ihre Sehnsüchte nach einer besseren Welt, ihre Sehnsüchte nach Frieden, ihre Sehnsüchte nach dem Heil, ihre Sehnsucht nach Gott. Und er stillt diese Sehnsucht mit seiner Anwesenheit. Maria spürt, daß mit Jesus ein ganz besonderer Mensch bei ihr sitzt. Einer, dem man abnimmt Gott ganz nahe zu stehen. Einer der die eigene Welt mit den Augen Gottes wahrnimmt und beleuchtet. Einer der das eigene kleine Leben erleuchten kann. Maria nimmt eine Auszeit. Und das macht sie mir sympathisch.

Denn Menschen, die sich solche Auszeiten nicht gönnen. Menschen, die immer nur die Hektik und den Trubel suchen. Die sich totarbeiten. Oder gar für andere aufopfern sind mir unheimlich. Nicht das ich ihre Motive unehrenhaft finde. Oft sind es die edelsten Motive, die Menschen dazu bringen sich totzuarbeiten. Aber wer sich totarbeitet arbeitet eben letztlich für den Tod. Und Gott will das Leben. Gott will das Heil für alle Menschen. Solche Menschen kommen mir wie der Lehrer in der Schule vor, der eine Rechenaufgabe an die Tafel anschreibt und nicht bemerkt, daß er in der zweiten Zeile einen Fehler gemacht hat. Wie besessen versucht er die Formeln zu lösen. Schreibt Zeile um Zeile und die armen Schüler schreiben die falschen Ergebnisse ins Heft ab. So schnell schreibt er, daß keiner seiner Schüler auch nur die Chance hat die Ergebnisse zu überprüfen. Dabei wäre es so einfach. Die Kreide aus der Hand legen. Ein zwei Schritte zurücktreten. Den Überblick gewinnen. Und der geübte Mathematiklehrer wird den Fehler schnell entdecken.

Liebe Gemeinde,

ich möchte ihnen Mut machen es Maria gleich zu tun. Gönnen sie sich Auszeiten. Treten sie zurück von der Tafel ihres Lebens. Lassen sie sich Zeit, gerade dann, wenn es am hektischten ist. Gönnen sie sich die Freiräume, die sie brauchen. Für manchen wird dies der Sport sein, andere genießen ihren Mittagsschlaf, wieder andere legen sich unter die Sonnenbank. Ein gutes Gespräch, ein schöner Gottesdienst, all dies können Auszeiten sein, die ihnen gut tun. Und dann, wenn sie aufgetankt haben. Wenn sie einen langen Blick auf die Tafel ihres Lebens geworfen haben, dann können sie wieder frisch ans Werk gehen. Und sie werden feststellen, daß ihr Werk dann mehr Spaß macht und die Ergebnisse besser sind als zuvor.

Doch dabei werden ihnen immer wieder Martas begegnen, die es ihnen nicht gönnen sich auszuruhen. Unterschiedlichste Gestalt können sie annehmen. Das können die Kinder sein, die nach ihrem Mittagessen rufen, wenn sie doch gemütlich den Sonntagsgottesdienst besuchen wollen. Da sind die Chefs, die ihnen die Kaffeepause mißgönnen und doch ach so viele wichtige Arbeit haben, die unbedingt gestern schon erledigt werden sollte. Und da ist vor allem eines: Ihr schlechtes Gewissen. Die Stimme in ihrem Kopf, die ihnen ständig einredet nicht zu genügen: Die Kollegen arbeiten doch alle soviel. Wieso schaff ich das denn nicht. Ich bin doch nicht faul. Wenn ich weniger arbeite müssen die anderen für mich mitarbeiten, und so weiter. Man müßte, man könnte, man sollte. Sie werden unendlich viele Gründe finden unendlich viel zu arbeiten. In Beruf und in der Familie und leider heutzutage auch in der sogenannten Freizeit.

Doch die Botschaft Jesu ist deulich. Eins tut Not. Nämlich sich Zeit nehmen. Zuhören, auf ihn hören. Wir müssen uns nicht mehr füreinander opfern, denn Gott hat sich für uns geopfert. Jesus Christus ist für uns gestorben. Ein Satz, den sie hier oft hören. Aber die tiefe Wahrheit darin ist, daß er gestorben ist, damit wir leben. Damit wir in Frieden mit Gott und damit im Frieden mit uns leben. Er lehrte uns, daß wir mit all unserer Arbeit und Mühe uns nicht einen Zentimeter Wohlwollen bei Gott erkaufen können. Denn Gottes Wohlwollen haben wir längst. Gott verlangt nicht, daß wir uns für ihn aufopfern. Im Gegenteil. Er verlangt, daß wir uns von ihm beschenken lassen. Daß wir uns ihm aussetzen, auf ihn hören und uns dadurch verändern. Er verlangt, daß wir uns Auszeiten nehmen für uns und für ihn, und er verspricht, daß unser Leben von diesen Auszeiten her einen neuen Sinn erhält.

Davon ausgehend können wir dann wieder an die Tafel treten und unser Lebens fortschreiben.

 

Peroratio

Maria wird nicht mehr die gleiche sein, die sie vorher war. Nach dem Gespräch mit Jesus wird sie sich verändern. Vielleicht beschließt sie Jesus zu folgen. Wird eine Jüngerin. Die Bibel berichtet - meistens leider nur am Rande - von solchen Frauen, die Jesus folgten und später oftmals Missionarinnen wurden.

Vielleicht bleibt sie aber auch in ihrem kleinen Dorf und zehrt von der Begegnung mit dem Fremden Meister. Erinnert sich zurück. Ärgert ihren Dorfrabbi ein wenig mit dem was sie gelernt hat und gibt später alles an ihre Kinder weiter.

Und Marta. Leider erzählt uns Lukas nicht wie sie reagiert hat, so daß unsere Phantasie einspringen muß. Ich stelle mir sie vor, wie sie im Raum steht und von Jesus diese überraschende Antwort erhält. Stinksauer ist sie auf ihre Schwester. Und dann das. "Eins tut Not.", sagt Jesus. Und fügt noch hinzu, daß Maria das bessere Teil gewählt hat.

Sie könnte jetzt einfach umdrehen. Schweigend den Raum verlassen und grollend das Abendessen zubereiten.

Ich würde mir eine andere Reaktion wünschen. Erst Überraschung. Dann klappt sie den Mund langsam wieder zu. Überlegt. Wenn Maria das bessere Teil gewählt hat, wieso sollte ich das dann nicht auch wählen. Ein Lächeln umspielt ihre Lippen. Sie geht auf Jesus zu, setzt sich zu seinen Füßen und sagt honigsüß. Rabbi erzähl weiter. Und bei sich denkt sie: Soll er doch selbst für sein Essen sorgen, wie wär’s mit einem Wunder. Wofür ist er denn Gottes Sohn?

 

Kanzelsegen

Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.