Archiv der Kategorie: Nicaragua 2009

Unser Leben in Nicaragua, 2009

Weihnachtsgeschenke

Heute habe ich im Kinderheim mit einer Freundin aus Deutschland auf ein paar weihnachtlich dekorierten Tischen Gegenstände ausgelegt, die uns gespendet wurden, um es Nicaraguanern, die es gebrauchen können, zu geben.

WeihnachtsbescherungUnsere zwanzig angestellten Mitarbeiter erhalten zwar ein Gehalt, welches etwas über dem üblichen Lohn und Mindestlohn liegt, aber von dem man mit einer großen Familie schwer leben kann. Reis und Bohnen, Bohnen und Reis, gebratene Bohnen und Reis, Bohnenpüree und Reis, so sieht der Speiseplan meistens aus, abgesehen von dem Mahlzeiten, die sie bei uns während der Arbeitszeiten erhalten.

Alle unsere nicaraguanischen Mitarbeiter hier stammen aus Los Cedros, dem Dorf bei Managua, in dem das Kinderheim liegt. Die Arbeitslosenquote ist hier sehr hoch. Ich frage mich wovon die Menschen leben, wenn schon die Leute, die Arbeit haben – wie bei uns – nur kaum über die Runden kommen.

Sorgfältig haben sie ausgesucht. Wir haben dann nachher große Schüsseln gepackt, in die wir nicht nur die ausgewählten Sachen getan haben, sondern auch noch weitere Verbrauchsartikel, die sie ganz sicher dringend brauchen, sowie einige gekaufte Nahrungsmittel. In wenigen Tagen ist dann die Feier, bei der die Körbe und das Weihnachtsgeld ausgezahlt werden.

Es ist schon etwas anderes Geschenke für Menschen einzupacken, die sie dringend brauchen, als für Menschen etwas auszusuchen, die garnichts brauchen und mit dem Geschenkten dann eventuell nicht mehr wissen wohin.

Ich mache mir viele Gedanken, über das Thema Armut. Wer ist arm, was ist die Ursache, was kann man nachhaltig dagegen tun? Auch jeden Fall ist es für unsere Angestellten ein Segen Arbeit zu haben und wir verstehen unseren Einsatz hier nicht nur als Dienst an den Kindern, sondern auch an den Mitarbeitern und ihren Familien. 

Es krabbelt bei uns

Daysi und DomingaVor 3 Wochen kamen Daysi und Dominga ins Kinderheim. Ihre Mutter hat beim Wäschewaschen im Fluss beide Beine durch einen herabstürzenden Felsbrocken verloren. Seitdem sitzen die Kinder zu ihren Füssen in einer winzigen Hütte in den Bergen und hoffen, dass der Vater etwas Essbares mit nach Hause bringt. Meistens ist das Kürbis, Reis oder Mais. So sind die Kinder völlig mangelernährt und die 7 1/2-Jährige sieht aus als wäre sie 4 Jahre alt. Sie kann weder das Alphabet noch kann sie bis 10 zählen. Auch die Farben kennt sie nicht. Malen konnte sie nur kleine Kringel. Nachdem wir jetzt ein wenig mit ihr gemalt haben, kann sie Figuren ausmalen und das gar nicht so schlecht.

Ihre Mutter wird gerade in der Rehabilitation eines Krankenhauses hier in Managua behandelt. Sie soll Beinprothesen bekommen und lernen sich selber zu versorgen. So lange werden die Kinder bei uns bleiben. Ich freue mich, dass wir die Gelegenheit haben, sie gut zu ernähren, mit Vitaminen zu versorgen, ein wenig was zu lehren, sie spielen zu lassen und für sie und mit ihnen zu beten. Auch wenn es nur wie ein Tropfen auf den heißen Stein scheint. Aber eventuell können wir der Familie auch auf Dauer helfen.

Das Dumme für unser Kinderheim ist nur, dass sie nicht alleine kamen. Sie brachten eine Anzahl an Kopfläusen und Skabiesparasiten mit. Jetzt haben wir alle die Krätze, oder fast alle. Ich habe mir wirklich Mühe gegeben das unter Kontrolle zu halten, aber es hat nicht so richtig geklappt. Den Erzieherinnen habe ich sehr eindringlich gesagt, dass die beiden separat bleiben müssen, aber so höflich wie sie sind, haben sie immer erst gewartet bis alle Gäste und Mitarbeiter die Kinder zur Begrüßung gedrückt hatten und Küsschen gegeben hatten und dann erst gesagt, dass sie Kopfläuse und Skabies haben. Soweit wir alle beurteilen können, haben wir keine Kopfläuse mehr. Aber die Krätze…..

Kabelmast

Kein Internet

Als wir Gestern nach Hause kamen lag ein Kabelmast quer über unserer Wohnstrasse. Mist, das kann Stromausfall über längere Zeit bedeuten, dachte ich. Aber Strom hatten wir. Es war viel schlimmer: Wir hatten kein Internet :-).

Ein Geschenk an das Volk

Heute Morgen hatten wir einen heftigen Arbeitstag vor uns. Wenn ich Gabriel mit ins Kinderheim nehme, kann ich nicht so gut arbeiten. Irgendwie ist da immer der Konflikt, dass ich nicht leugnen kann seine Mami zu sein, aber ich mich um die anderen Kinder genauso kümmern möchte. Wenn wir ihn zu Hause lassen wollen, passt in solchen Fällen Luz auf ihn auf. Da Gabriel heute auch noch krank war, waren wir echt auf sie angewiesen. Sie kam wie verabredet um 7:30 und sagte, heute wäre eigentlich ein Feiertag (Allerheiligen), aber sie wäre trotzdem gekommen, da wir wahrscheinlich mit ihr gerechnet haben und sie kein Guthaben für ihr Mobiltelefon hatte um abzusagen. Bisher war der 2. November hier kein offizieller Feiertag.

Gabriel und LuzDa Andreas als Personalchef das ja wissen sollte, hat er etwas verwirrt im Arbeitsrecht herumgesucht und dann im Internet recherchiert. Nichts zu finden. Ja, meint Luz, das könnte man ja auch nicht finden. Der Präsident hat das gerade erst am Wochenende im Fernsehen verkündigt. Dass alle am Montag (2. November) nicht zur Arbeit gehen bräuchten, sondern ihrer Toten gedenken sollten. Wer trotzdem arbeitet, bekommt es doppelt bezahlt.

Da wir momentan finanziell einen Engpass haben (gelinde gesagt), hätten wir den Dienstplan so gestaltet, das heute eben nur eine Basisversorgung der Kinder stattgefunden hätte und wir Missionare mehr eingesprungen wären. Aber wenn man die mehrstündigen Ansprachen des Präsidenten am Wochenende nicht hört, weiß man wieder nicht welche Geschenke er dem Volk gemacht hat. Von denen man als Arbeitgeber vielleicht was wissen sollte. Die Schulen waren jedenfalls z.T. geschlossen, das Gesundheitszentrum und die Ämter auch. Manche Geschäfte hatten geöffnet.

Ja, was soll man dazu sagen?  

Kinder und Spielsachen

Kinder und SpielsachenHeute hatte ich mit drei Kleinkindern einen Termin im Krankenhaus. Der Warteraum der Kinderabteilung  war sehr voll. Die Stühle waren mit Eltern und Kindern besetzt, während die Spielecke, mit vielen, vermutlich aus den USA gespendeten Spielsachen, leer war. Unsere drei Kindern stürzten sich direkt in die Spielecke und hatten Spaß, während die anderen nur zuschauten. Kinder, die mit den angebotenen Spielsaschen nichts anfangen können. Wenn man bedenkt, dass viele Familien in Deutschland einen Teil ihrer Spielsachen weglegen müssen, weil die Kinder sonst wegen dem Überangebot auch nichts mehr damit anfangen können, dann macht mich das immer traurig.

Managua, die Insider-Stadt

Ich kenne keine Stadt wie diese, die so Insider-mäßig ist. Wenn du hier lange lebst, kannst du vieles machen. Wenn nicht, brauchst du super dringend Einheimische DIE ALLES WISSEN sonst überlebst du mehr schlecht als recht!

Anfangs wunderte ich mich über unsere Nachbarn, die 20 Jahre jünger sind als wir und die immer sagten „Du musst das soundso machen, das musst du da und da kaufen, dann musst du da und da hingehen“ usw. Was wir alles „müssen“. Als ob wir nicht fähig wären zu überleben ohne sie. Wir werden uns schon umsehen und bald selber auskennen. 

Ja, wie eigentlich? Wie habe ich mir das vorgestellt? Wie in München oder Essen oder sonst einer großen Stadt, die ich auf eigene Faust erkundet habe. Stadtplan, Telefonbuch, Tourist-Info, Bücher, U-Bahn- und Buspläne, Straßennamen, Hausnummern, usw

Ja, es gibt hier auch ein Telefonbuch – eins für ganz Nicaragua. Darin sind auch die gelben Seiten. Aber Straßennamen gibt es ja nicht. Hausnummern auch nicht. (Darüber habe ich bestimmt schon oft geschrieben. Aber ich komme, wie man sieht, irgendwie nicht darüber hinweg). Da steht dann da: Wo früher Pepsi war, drei Blöcke nach unten. Klasse, wo war denn PEPSI?? Oder „an der Ampel Colonial, ein Block zum See und 20 Schritte nach oben“. So fragte ich einen Insider, wo denn die Ampel Colonial ist. Ja da wo früher das Kino Colonial war, Aha. Alles klar. Und wo ist oben?

Jedenfalls das Telefonbuch: Man könnte ja meinen, dass es darin einen einfachen Stadtplan gäbe, wo diese markanten Stellen eingezeichnet sind, wenn es schon keine Straßennamen gibt. Wo PEPSI war und das Kino Colonial. Nein, gibt es nicht. Aber nicht nur, dass es das nicht im Telefonbuch gibt, so einen Stadtpln gibt es garnicht. Vage Pläne mit ein paar großen Straßen gibt es schon, aber sie spiegeln nicht die Adressen wieder, die im Telefonbuch stehen. Und dann haben die Kreisverkehre, an denen man sich oft orientiert, auch noch unterschiedliche Namen in den verschiedenen Plänen.

Und wo man was kauft, und wo welche Einrichtung ist, das veraten meist auch keine Schilder. Wenn ich Kinder ins große Mascota Kinderkrankenhaus bringen muss, staune ich immer wieder, dass ich mich an der roten Mauer orientieren muss, um zu wissen, wo ich von der Hauptstrasse abbiegen muss. Und das erste Mal musste ein Insider mit mir hinfahren. (Und die rote Mauer übrigens, da ist die Einfahrt zum zweitgrößten Markt der Stadt, zu dem es auch kein Schild gibt.)

Gabriel will Englischunterricht

Gabriel wächst zur Zeit bei uns zweisprachig auf. Deutsch und Spanisch spricht er schon recht gut für einen Zweijährigen. Da wir selber viel Englisch sprechen (mit unseren amerikanischen Kollegen fast täglich), haben wir uns gefragt, wann und ob wir Gabriel die dritte Sprache beibringen sollen und wie.

Jetzt hat Gabriel selber entschieden. Vor einer Woche erklärte er mir; „Du Lianne, ich Walter!“ (Lianne ist unsere Kollegin und Walter ihr Adoptivsohn. Wenn die beiden bei uns sind, spricht Gabriel nicht viel, da er ja kein Englisch kann, sondern macht nur Komikgeräusche: Wow! Puff! Bum! Paff! Brumm, Brumm, Baaaahhh!, Ohhhh! Hahahaha, Ieeeee! usw.)

Er machte mir jedenfalls klar, dass ich Lianne spielen sollte und er Walter sei und sprach nur noch in Komiksprache mit mir. Er weigerte sich einfach mein Deutsch oder mein Spanisch zu verstehen und schüttelte immer den Kopf wenn ich ihm was sagte. Bis ich auf die Idee kam Englisch zu sprechen: „Walter, do you want to eat something?“ „Walter, come here!“, „Walter look at me“, „Where is your car, Walter?“ Mit Hilfe von Zeichensprache verstand er dann auch meistens was ich meinte. Und dieses Spiel spielt er seit einer Woche jeden Tag ca. eine Stunde mit mir. Er bestimmt wann und wo.

Heute Nacht brachten wir ihn ins Bett, beteten auf Englisch, er stimmte mir einem amerikanischen „Amen“ zu und als ich ihn fragte: „Do you want a kiss?“ sagte er „Yes“ und hielt mir die Wange hin. Wie süüüüss.

Mauer

Vergrößerung: Andreas und Gabriel vor der MauerUnsere Nachbarn haben die gemeinsame Mauer um 8 Steinreihen nach oben hochgezogen, da sie zwei Räume anbauen. Irgendwie ein wenig bedrückend und viel dunkler ist es jetzt in unserem Garten geworden. Da ich Deutschland hin und wieder vermisse, kamen wir auf die Idee, die Mauer mit einer Alpenlandschaft zu bepinseln mit vielen schneebedeckten Bergen (damit es wieder ein wenig heller bei uns wird). Das werden wir wahrscheinlich sowieso nicht machen, da ich so wenig zeichnerisch begabt bin, dass man meine Berge möglicherweise als solche gar nicht erkennen würde, aber die Idee ist lustig. (Die Alpen kann ich gar nicht vermissen, davon gibt es im Rheinland so wenige – hahaha).

Wir fragten die Arbeiter, ob es nicht ein wenig gewagt sei, die Mauer in einem erdbebengefährdeten Land ohne Stahlarmierung so hoch zuziehen. Sie meinten sie würden ein paar Stahlstangen im Nachhinein einfügen und wir sollten uns mal nicht sorgen, wir würden ja nicht direkt da drunter wohnen. In den letzten Tagen hat es hier mehrfach leichte Beben gegeben.   

Gabriel betet gerne

Heute hat Gabriel sein erstes richtiges Gebet gesprochen. Beim Abendgebet schlugen wir ihm vor, dass er jetzt ja mal beten könnte. Er betete erst einmal für alle aus dem Kinderheim, Erzieherinnen und Kinder und Missionare: „Danke Jesus für Tia Daysi, Danke für Tia Luz, Danke Jesus für Michael, Danke für David, Tatiana, Danke für Lianne, Danke für Mark“ dann: „Danke für Tanja, Danke für Onkel Brad, danke für Essen, Danke für Duplo, Danke für Trampolin“ und dann dankte er noch ein paar mal für „Daviiiiiiiid!“ sein kleiner Freund im Kinderheim. Wir hörten ihn dann noch lange Zeit alleine seine Liste fortführen, bzw. wiederholen.

Gut wenn er das Danken vor dem Bitten lernt! Zumindest im Gebet. Uns gegenüber hat er meist erst einmal das Fordern drauf.