Das zur Zeit in Lettland mit Abstand angesagteste Getränk ist – Birkensaft !
Die Menschen gehen in den Wald, machen Löcher in die Rinde der Birken
und gewinnen aus diesen ein überaus leckeres, süßlich-wäßriges Getränk.
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In meiner Kindheit ist mein Vater immer mit mir in den Wald gegangen,
um Birkensaft zu ernten. Mit einem Bohrer bohrte er ein Loch in den Baum,
in das er einen kleinen Stab steckte. Unter diesen Stab stellte er einen Eimer,
oft auch eine Milchkanne, in die der Birkensaft lief. Über die kleine Anlage
legte er Tannenäste, um sie zu verstecken und Regenwasser fernzuhalten.
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Wer in Lettland keinen eigenen Wald besitzt, bekommt seinen Birkensaft
meist von Nachbarn oder Verwandten geschenkt, oder er geht zum Markt.
Manche Cafes bieten diesen Saft im Frühling standardmäßig an – ähnlich
wie frischgepreßten Apfel- oder Orangensaft.
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Ab besten trinkt man Birkensaft möglichst frisch, denn mit jeder Stunde
verliert er einen Teil seines Wertes, den seine Inhaltsstoffe bedingen,
wie Mineralien, Fermente, Naturzucker usw. Ich selbst trinke am liebsten
ganz frischen Birkensaft, denn schon am Folgetag schmeckt er bitterer.
Manche Leute füllen dagegen Birkensaft in Flaschen ab, geben ein paar
Rosinen und ein bißchen Zucker dazu und bewahren diese Zubereitung
in kalten Räumen auf. Sie meinen, daß das Getränk in ein paar Monaten
– z. B. zum bei uns wichtigen Johannestag (die Letten nennen ihn Jani)
– wie Sekt schmeckt.
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Na dann: Auf in den Wald und guten Appetit !
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Ein Nachtrag: Am Samstag war ich unterwegs nach Segewold (lett.: Sigulda),
und dabei boten sich mir fast direkt hinter der Kremon-Kirche (lett.: Krimulda)
diese Bilder: Kinder verkauften frischen Birkensaft von den eigenen Birken !
Wie man sehen kann, haben die Kinder sowohl fleißig im Wald gearbeitet als
auch bestens für Werbung gesorgt ! Meine Mitfahrerin hat gleich fünf Liter des
köstlichen Safts gekauft. Auf dem Rückweg sahen wir dann den Papa der Kinder
an ihrem Stand sitzen. In diesem Fall sollte aber nicht (wie so oft bei uns nötig)
das karge Familieneinkommen aufgebessert werden, sondern das Taschengeld.
Wahrscheinlich genossen die kleinen Verkaufer ihr Mittagessen oder eine sicher
wohlverdiente Verschnaufpause. Ihr Birkensaft ist einfach köstlich !!!
Anmerkung des Übersetzers: Es trägt sehr zur Schonung des Baumes bei,
wenn man nur einzelne Zweige an der Spitze anschneidet und an ihnen
eine den Ast nach unten neigende Flasche befestigt. Anstelle des Haupt-
stammes kann man auch einige der Seitenäste in Stammnähe anbohren.
Früher regelten bei vielen Völkern Rituale diese Schonung der Bäume.
Die Safterntezeit liegt zwischen dem Ende des Frosts und dem Beginn
des Sprießens der Blätter – nachher schmeckt Birkensaft äußerst bitter !
Auch ich kann mich Ingridas geschmacklicher Meinung nur anschließen:
Birkensaft schmeckt mir frisch mit Abstand am besten !!! Freilich kann man
ihn auch vergären lassen – der danach bittere Geschmack ist allerdings
sehr gewöhnungsbedürftig. Ein solches Getränk fand ich unlängst sogar
auf eine moderne Plastikflasche verfüllt in einem lettischen Supermarkt.
Mit Zucker eingekocht kann man Birkensaft zu „Birkenwein“ verarbeiten,
aus dem man unter Hefezugabe o.ä. sogar „Birkenchampagner“ herstellt.
Gereinigt, leicht gezuckert und pasteurisiert wurde trinkbarer Birkensaft
noch zu Sowjetzeiten industriell in Flaschen und Gläser gefüllt verkauft –
mit dem „Kapitalismus“ verschwanden leider viele gute Lebensmittel !
T.W.
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Übersetzung: Thomas W. Wyrwoll
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Letztes Jahr habe ich erst davon erfahren, dass der Birkensaft genießbar ist und dazu noch äußerst gut schmecken soll. Ich werde ihn in diesem Frühjahr einmal kosten, worauf ich schon sehr gespannt bin. Schade, dass in den letzten Jahrzehnten viele traditionelle Nahrungspflanzen, die hier zu Land gedeihen, sogar noch wild, an Bedeutung verloren haben, wo so viele doch so ausgezeichnet schmecken und sehr gesund sind. Das ähnlich wie Spinat zubereitete Brennnesselgemüse esse ich für mein Leben gerne. Zum Glück wurde der Gebrauch von Bärlauch schon mal wieder belebt.