Geheimnisvolle Springerle

 

Die Küchentradition unseres Elternhauses war eine einfache, um nicht zu sagen sehr bescheidene.


Nichtsdestoweniger ist es den Back- und Kochkünsten unseres Großvaters, unserer Großmutter, unserer Tanten und unserer Mutter zu verdanken, dass wir Kinder zu Genießern heranwuchsen. Trainiert wurde unser Gaumen mit Speisen, die aus dem entstanden sind, was das bäuerliche Leben hergab: Mehl, Eier, Milch, Speck, Gemüse.

Die Einfachheit der Speisen darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sehr enge Regeln für den Geschmack und das "Wesen" der einzelnen Gerichte gab. Einer Sünde kam es gleich - und wer im katholischen Umfeld groß geworden ist, weiß, welche Bedeutung einer Sünde zukommt - wenn die Kartoffelscheiben im Kartoffelsalat zu grob, die Spätzle zu dick und der Salzkuchen wiederum nicht dünn genug war. Geheimnisse gab es dabei nicht, zumindest nicht bei Brotknepfla und Schneckennudeln.

Geheimnisvoll erscheinen lediglich die Springerle, deren Entstehen sich nicht ohne Weiteres erschließt und die geradezu ein Eigenleben zu führen scheinen, wenn sie einfach nicht weich werden wollen, auch nicht zu Heiligabend.


Springerle sehen aus, als wären sie aus zwei völlig unterschiedlichen Teilen zusammengeklebt: oben das fein ziselierte Bild in einem Weiß, das fast an Marmor erinnert, unten der grobe, von Aniskörnern durchzogene Fuß, der sich bescheiden zurücknimmt.

Geheimrezept für geheimnisvolle Springerle


500 g Mehl

450 g Puderzucker

Geriebene Schale einer Zitrone

4 Eier

2 EL Aniskörner

1 Messerspitze Hirschhornsalz

Butter zum Einfetten



Die Eier mit dem Puderzucker sehr lange schaumig rühren. Der Zucker muss vollständig aufgelöst sein.

Mehl, Zitronenschale und Hirschhornsalz hinzufügen und unterarbeiten.

Den Teig 2 Stunden ruhen lassen.


Den Teig vor dem Weiterverarbeiten noch einmal durchkneten und ca. 1/2 cm dick ausrollen und mit Mehl bestäuben. Die Springerle-Model in den Teig drücken und vorsichtig wieder abheben. Mit dem Teigrad die einzelnen Springerle voneinander trennen.


Die Springerle mit dem Bild nach oben auf ein gefettetes, mit Anis bestreutes Blech legen und über Nacht an einem warmen Ort stehen lassen. Dabei trocknet die Oberfläche aus.


Die Springerle am nächsten Tag bei 150°C zuerst bei leicht offen stehender Backofentür 15-20 Minuten backen, dann noch einmal so lange bei geschlossener Tür. Die Springerle dürfen nicht braun werden.


In einer Dose kühl und trocken mindestens vier Wochen lagern.

(Anmerkung der Redaktion: Bis hierher war´s ja einfach aber 4!! Wochen warten - wie sollen wir das nur schaffen??)








Und doch sind beide Teile aus ein und demselben Stück Teig entstanden.


Springerle sind erst weich, werden dann ungenießbar hart, um schließlich, sofern man sich um ihre richtige und ausreichende Lagerung bemüht, so zu werden, wie wir sie uns wünschen.


Nicht zuletzt sind Springerle Kunstwerke, die ausschließlich geschaffen werden, um unseren Gaumen und unser Auge zu erfreuen.


Wann sonst bietet uns das Leben dazu Gelegenheit?