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Die Frösche

 

 

 

 

 

 

 

Fünfte Szene

 

 

 

Aischylos, Euripides, Dionysos, Pluton auf dem Thron, Xanthias, Aiakos, der Chor, später Shakespeare, Goethe, Brecht und Müller

 

 

Dionysos:

Ihr weisen Dichter, heut' lasst ab vom Streit,

Gebraucht wird Rat und Stimm' im Strafgericht!

 

Euripides:

Der Ehrensitz ist mein, ich weiche nicht!

Nicht er, ich bin der Meister der Tragödie!

 

Dionysos:

Sei still jetzt! Aischylos, gibst mir das Wort?

 

Euripides:

Er macht auf würdevoll, so wie er stets

In seinen Stücken feierlich sich spreizt.

 

Dionysos:

Euripides, du nimmst den Mund zu voll.

Hör zu, was Zeus verhandelt wissen möcht!

 

Euripides:

Der Zeus, der kann mich mal!

 

Xanthias:

Sieh an, mein Mann!

 

Dionysos:

Du schweig, bis du gebeten bist! Ihr Herrn,

Die Zeiten, Zeus ist Zeuge und besorgt,

Auf Erden sind gefährlich aus den Fugen,

Politiker betrügen schamlos, ein Dichter nur,

Ein großer, aus dieser Runde hier, kann retten.

Ihr alle sollt entscheiden, wer von euch

Zurück zur Erde geht!

 

Euripides:

Mumpitz! Das Wort

Hab ich! Den Kerl durchschau ich längst, den Mann

Der Ungeheuer, das Trompetenmaul,

Unflätig schmetternd ohne Witz und Takt,

Die Worte Balken gleich, verklammert roh!

 

Aischylos:

Das mir von dir, du Bühnengammler!

 

Dionysos

Jetzt geht der Tanz von vorne los!

 

Aischylos:

Hört zu!

Entlarven muss ich jetzt den Schreiber

Verkrüppelter Helden, der so dreist mir trotzt!

 

Dionysos zum Gefolge:

Ein Lamm, ihr Leute, holt ein schwarzes Lamm,

Es zieht ein schlimmes Ungewitter hoch!

 

Aischylos:

Du Lump, du schmiedest Hurenmonologe

Und hast die Blutschand' auf die Bühn' gebracht.

Ich tilg dich aus der Zunft der Dichter aus!

 

Dionysos:

Geduld, verehrter Meister Aischylos,

Auch du halt dich zurück, Euripides.

Es ziemt so großen Dichtern wahrlich nicht,

Sich anzukeifen wie die Hökerweiber!

 

Euripides:

Ihr Herrn, ich stehe Rede jederzeit!

 

Xanthias:

Auch ich!

 

Aischylos:

Wer ist denn der? Seit wann spricht hier

Ein Sklave mit?

 

Xanthias:

Der Xanthias bin ich!

Großmeister modernster Fernseh-Soaps.

 

Aischylos:

Ein Scharlatan! Kusch, stör unsre Kreise nicht!

 

Dionysos:

Zeus Strafgericht ist heut für ihn bestimmt!

 

Aischylos zeigt auf Euripides:

Um den geht's! Wenn der Kampf auch ungleich ist.

 

Dionysos:

Nanu?

 

Aischylos:

Nicht tot ist meine Dramenkunst,

Die seine starb mit ihm! Wohlan, ich bin

Bereit!

 

Euripides:

Du alter, lahmer Geiferstint!

 

Dionysos zum Gefolge:

Ich spür, die beiden Alten trotzen mir.

Bringt Weihrauch denn und Kohlen auch,

Damit ich, opfernd vor dem Kampf der Dichter,

Erflehe mir Erleuchtung und Geduld! zum Chor

Ein Lied den Musen singt, 's wird nötig sein!

er opfert das Lamm

 

Chor:

Musen, ihr Schutzgöttinnen der Künste,

Jungfräulich reine neun Töchter des Zeus,

die ihr hört der Dichter

Ewig spitzfindig Rechten mit künstlich

geschraubten Sätzen,

Diese alberne Art, sich besser zu dünken

als der andere,

Naht euch geduldig, ihr Hilfreichen,

Müht euch, wir bitten darum,

Immer von neuem um Trieb,

Inspiration und Verstand

Suchender Dichter, den Sinn

Lenkt ihnen hin auf die Welt!

 

Dionysos:

So betet nun ihr beiden, eh ihr kämpft!

 

Aischylos opfernd:

Beflügle meinen Geist, Demeter, gib

Dass würdig ich des güt'gen Segens bin.

 

Dionysos zu Euripides:

Nun Weihrauch opfre du!

 

Euripides:

Das fehlt mir noch!

Ganz andren Göttern schulde ich Respekt!

 

Dionysos:

Welch andren Göttern?

 

Xanthias:

Selbstvertrauen, wie?

 

Aischylos:

Sind alle Sitten aus dem Lot? Was mischt

Sich Sklavenpack hier ein?

 

Dionysos:

Ein dreister Kerl,

Ich sag es ja! Wir müssen richten ihn,

'S ist Gottes Wille und Gebot der Zeit!

Zuvor jedoch lasst prüfen uns genau,

Wer prompt nach oben geht zurück zum Dienst!

 

Aischylos zeigt auf Xanthias:

Ein Dichter?

 

Xanthias:

Ja!

 

Dionysos:

Glaubt er!

 

Aischylos:

Sein Werk?

 

Xanthias:

Ist hier!

zeigt seinen Pack

 

Aischylos:

Papier, Papier! Soll's Shakespeare prüfen, gib

Dem Sklaven dort dein Bündel!

Xanthias eilfertig

Nun wohlan!

 

Dionysos:

Oh Gott, dann also doch erst euer Streit!

Euripides, wem opferst du?

 

Xanthias:

Er pfeift

Euch eins!

 

Aischylos:

Du vorlauter Geselle, schweig!

Sonst fegen wir vereinten Dichter dich

Aus aller Weltgeschichte raus!

 

Euripides:

Er führt

Das große Wort, doch keiner gab ihm Vollmacht!

 

Dionysos:

Noch hast zu deinen eignen Göttern du

Gebetet nicht!

Xanthias will sich wieder einmischen, doch Aiakos packt ihn

 

Euripides:

Der würdelose Wicht

Dort lähmt mir alle Phantasie!

 

Auf einen Wink von Dionysos bringt Aiakos Xanthias in den Hintergrund

 

Dionysos:

Nun Ped!

 

Euripides:

Oh Luft, du meine Nahrung, spitze Zung,

Mein Werkzeug, und oh Witz, mein feiner Sinn,

Gebt Kraft mir gut zu widerlegen Wort für Wort!

 

Chor:

Endlich hat er sein Gebet geleiert,

Neu wird nun der Kampf beginnen

Zwischen den Meistern von Wortes Gewalt;

Wilde Streitlust führt die Zungen,

Immer wieder wie die Kinder raufen sie sich

zornerfüllt.

Ach, es ist ein schlimmes Zeichen

Von der Zunft der Dichter, die doch klug sein wollen

allesamt,

Dass sie ewig stänkern müssen,

Wie die Hunde sich bekläffen,

Statt im Angesicht der Nachwelt

Blank zu putzen ihr Konterfei!

 

Dionysos:

Beginnt zu reden, witzig, bitt ich euch,

Nicht ordinär und geistlos nicht im Bild!

 

Euripides:

So soll von mir zuletzt gesprochen sein!

Zuerst will dem beweisen ich, dass er

Ein eitler Prahlhans war, der windig schlau

Das Publikum, das Phrynichos schon dumm

Gemacht, noch zehnmal ärger eingelullt!

Vermummt ganz tief setzt er Personen hin,

Bei denen nichts zu sehn ist vom Gesicht,

Niobe, Achilleus, die sich nicht einmal rührten!

 

Dionysos:

Wahrhaftig, nein!

 

Euripides:

Der Chor bestürmt mit Liedern

Oft viermal die Pagod', allein sie schwieg!

 

Dionysos:

Ist's besser nicht als dieses Schwatzen jetzt?

 

Euripides:

Mein Gott, jetzt seid ihr albern!

 

Dionysos:

Ja? Mag sein,

Jedoch, warum, sag, tat er das?

 

 

Euripides:

Effekt,

Effekt das Ganze! Wann wird Niobe

Wohl sprechen? soll das Volk in Spannung fragen.

 

Dionysos:

Der Strick, das hat er selbst bei mir erreicht!

zu Aischylos

Was schaust du so empört mich an?

 

Euripides:

Weil ich

Ins Schwarze traf! Der Schelm, hat er genug

Genarrt, so in des Dramas Mitte dann

Verblüfft mit unverständlich Worten er;

Rhabarber, Rhabarber, Haken und Ösen,

Ein Kauderwelsch, ganz ungeheuerlich,

Ein Schwall von Blendwerk fürchterlich!

 

Aischylos:

Mir das?

 

Dionysos:

Noch er!

 

Euripides:

Kein Mensch begriff ein Wort!

 

Dionysos zu Aischylos

Was knirschst

Du mit den Zähnen? Lass!

 

Euripides:

Verwirrend grelle,

Bombastisch' Wortgebilde türmt er auf,

Sentenzen, erznen Bildern gleich, Metaphern,

Parabeln, Tropen, keine zu enträtseln!

 

Dionysos:

Wahrhaftig ja, selbst mir geschah es doch,

Dass eine lange, lange Nacht ich schlaflos hab

Gegrübelt, welcher Vogelart zählt man

Den gelben Rosshahn zu?

 

Aischylos:

Ein Zeichen war's,

Du Dummkopf, aufgemalt am Bug des Schiffs.

 

Euripides:

Ist die Tragödie denn ein Haufe Mist

Mit Hähnen drauf und bunter Ziererei?

 

Aischylos:

Ach, du hast ihr wohl gar nichts aufgezwängt?

 

Euripides:

Als ich dereinst aus deiner Hand empfing

Die Poesie voll aufgeblähtem Schwulst,

Nach allen Seiten unansehnlich feist,

Gab ich sie an die frische Luft und hielt

Sie kurz. Zur Wasserkur musst sie und flott

Spazieren gehn, so dass die Taille ihr,

Die du vermanscht, der Wespe gleich sich jüngte!

Wie schafft ich das? Ich schwätzte nicht drauflos,

Ich mischte Dickes nicht mit Dünnem, mied

Bombast und Silbenflitter. Trat wer auf,

Den ließ ich Haus und Stammbaum nennen für

Das ganze Drama! Müßig stehen durfte niemand,

Und reden musst die Frau wie auch der Sklav.

Es sprach der Mann, die Jungfrau und das alte Weib!

 

Aischylos:

Schon dafür hättest du den Tod verdient!

 

Euripides:

Weil ich so demokratisch handelte,

Dass die Tragödie neue Hoffnung schöpft?

 

Aischylos:

Fast ausgezehrt hast du die Dramenkunst!

 

Euripides:

Dein Götterrülpsen wollt kein Mensch mehr hörn!

 

Aischylos:

Noch jüngst hat's Heiner Müller vorgeführt!

 

Dionysos:

Den lass! Sein göttlich Spiel ist wirklich neu!

 

Euripides:

Bei mir – hör zu!- das Volk zu sprechen lernte!

Was Bildung ist und wohlgesittet Reden

Lehrt ich dem Publikum; ich zeigte allen

Der Häuslichkeit Gebaren, Sitten auch.

Ein jeder kann so richten meine Kunst,

Kritik ist jedermann erlaubt! Ich hab

Verständnis nicht erschwert mit heil'gen Phrasen!

Und meiner Schule Jünger leicht erkennt

Ein jeder. Seine Hageldonnerkerle,

Blitzwettereichenstammentwurzler schleudern

Mit hochtrabender Rede billigen Wortkram! Doch

Die Schüler meiner Kunst, Theramenes

Zum Beispiel

 

Dionysos:

Ja! Der Mann, ich muss gestehn,

Ist einer, fallen seine Würfel schlecht,

Der stets sich rauszuwinden und dem Glück

Ein wenig nachzuhelfen weiß.

 

Aischylos:

Morbid!

 

Euripides:

Das ist die Lebensart,

Die ich den Bürgern beigebracht,

Indem ich kluges Wägen, Denken,

Mit Scharfsinn nach dem Vorteil sehen

In meiner Kunst hab vorgeführt.

Jetzt denkt ein jeder rational,

Sein Haus und Hof und Vieh bereichert er,

Wie früher nie er trachten konnt.

Sorgsam, listig forscht er aus:

Wie steht's mit dem?

Wo krieg ich dies?

Was zahlst du mir, zahl ich dir das?

 

Dionysos:

So ist's! Der Bürger ward ein heller Kopf!

Zu Haus und allerorten, wo er schafft,

Ein jeglich Tun und jeglich Hab und Gut

Betrachtet knausrig er als wie ein Herr...

 

Xanthias:

Prüfe die Rechnung,

Du musst sie bezahlen!

Aiakos schlägt ihn

 

Dionysos:

Vor Zeiten kümmert er sich einen Dreck

Um allgemeines Wohl, seither jedoch,

Seitdem er mündig ist, klotzt albern er

Nicht mehr herum als wie ein dummes Schaf!

 

Chor:

Hast du vernommen, Heros der Poesie?

Was willst du entgegnen diesem Mann?

Zügle deine blinde Wut,

Acht die Schranken deines Ruhms,

Ob er schon dich bös beschimpft!

Sinne drauf, du weiser Kopf,

Dass gefasst du ihm gibst Antwort,

Mücken, die er dir geschickt,

Nicht für Elefanten hältst!

Schneller sollst du vorwärts gehen,

Wenn du seine schwachen Stellen

Erst mit Witz erkundet hast!

 

Chorführer:

Wohlan denn, Begründer hellenischen Ruhms,

Der erhabene Dramen geformt hat

Und Glanz gab dem tragischen Spiel,

Nun zeige dein Können im Streite!

 

Aischylos:

Sooft ich schon dem gegenüberstand,

Stets neu das Blut in den Adern mir wallt.

Jetzt erfasst mich Empörung, dass ihm ich ein Wort

Soll entgegnen; doch er könnt verlästern mein Stillsein.

Nun also, kläre mich auf in dem Fall:

Womit erwirbt sich ein Dichter Verehrung?

 

Euripides:

Des Künstlers Talent und Moral nenn ich dir,

Vor allem den Eifer, die Menschen im Staate zu bessern.

 

Aischylos:

Ach wie? Hast du nicht das Gegenteil

Von dem bewirkt und Bürger, lauter und ehrenwert,

Zu gerissenen Bösewichten gemacht?

Was wohl verdient der Kerl dafür?

 

Dionysos:

Wenn's stimmt, den Tod!

 

Aischylos:

So erinnere dich nur, in welcher Gestalt ich

die Menschen ihm übergab:

Idealer Natur, charaktervoll stark, nicht

feige Papierpatrioten,

Nicht faule Manipulierer wie jetzt,

Klatschweiber, geschäftige Raffer.

Nein: Besessen von Zeus und der Götter Macht,

mit Lanzen und Speeren gerüstet,

Mit Panzer und weißbuschig Pickelhaube

und siebenstierigem Kampfmut!

 

Euripides:

Der Schelm wird gefährlich, er donnert kaputt mir

den Schädel mit Hauben und Helmen!

 

Dionysos:

Sag, Aischylos, was tatest du, um solch

hochedle Geschöpfe zu schaffen?

 

Aischylos:

Ich weckte Kampfkraft, Mut und Tatendrang,

Und Schändliches ich stets verhüllte.

Ans Tageslicht zerren soll'n Dichter, gar öffentlich

aufführen nicht, was uns schadet.

Denn was für die Jugend

Der Lehrer ist, der sie bildet und lenkt, das ist

für die Eltern der Dichter.

Nur Treffliches sollten wir preisen!

 

Shakespeare

bricht herein, Xanthias' Bündel in der Hand:

Blast Winde! Sprengt die Backen, weht und wütet!

Ihr Wolkenbrüch' und Wasserhosen speit,

Bis ihr die Glockentürme unterwühlt,

Den Wetterhahn ertränkt! Ihr schwefligen,

Gedankenschnellen Blitze, ihr Vorläufer

Der Donnerkeile, die den Eichbaum spalten,

Versengt mein weißes Haupt! Du Donner,

All-Erschütternder, schlag flach das Weltenrund,

Zerbrich die Mutterleiber der Natur,

Vernichte allen Samen auf einmal,

Der undankbare Menschen schafft!

 

Dionysos:

He, William!?

 

Pluton stimmgewaltig:

Warum schreist du, Shakespeare?

 

Dionysos:

Was ist geschehn? Du brüllst und störst fatal!

 

Shakespeare:

Aus Leibeskräften brüllt! Spei, Feuer! Regen, sprühe!

Wind, Regen, Donner, Blitz, sind mir nicht Töchter.

Ich schelte euch nicht hart, ihr Elemente.

Ich gab euch nie ein Reich, nannt euch nicht Kinder.

Ihr seid mir nicht verpflichtet: Tobt euch aus

In eurem grausen Spiel. Hier euer Sklave,

Ein armer, kranker und geschmähter Greis!

 

Dionysos:

Ist doch bekannt in Stadt und Land!

 

Shakespeare:

Und doch, ich nenn euch feile Helfershelfer,

Die ihr im Bund mit dem verruchten Schreiber

Des Himmels Abschaum loslasst auf ein Haupt

So alt und weiß wie dies! Oh, oh, 's ist schändlich!

 

Aischylos:

In deinem Zorne, Bruder, schätz ich dich!

Du schleppst ein Bündel Sorgen mit dir her.

Wir sehn und hörn es gut, auch tret ich gern

Zurück ins Glied. Allein, zunächst, ich bitt,

Hier steht der Dichtkunst Leumund auf dem Spiel!

Die Schmähung erst von dem gehört gestoppt!

zeigt auf Euripides

 

Shakespeare:

Kann es dich wundern, wenn Verdächt'gung spricht?

Der Neid wird immer gegen Schönheit streiten.

Und die Verleumdung immer Leid bereiten

Wie schwarze Krähn im reinen Himmelslicht.

Wenn du nur gut bist, treffen sie dich nicht,

Der böse Klatsch und alle Feindlichkeiten.

Nicht früh im Lenz, in schwülen Sommerszeiten

Zerfällt die Blüte, wenn der Wurm sie sticht.

Der Jugend Laster hast du leicht bezwungen,

Und wo sie dich bedrängt, da siegtest du.

Doch der Erfolg sei endlich auch errungen.

Die Neider deiner Tugend setz in Ruh!

Würd' Missgunst nicht dein edles Bildnis schwärzen,

Du wärest König über alle Herzen!

 

Pluton:

Oh Gott, der Alte wird senil!

 

Euripides:

Seit wann, William, hältst du zu ihm?

 

Aischylos:

Er ist der Größte!

 

Euripides:

Der Naivste ist er!

 

Pluton:

Glaubst du, Dion, dass diese Greise oben

Irgendetwas retten könnten, verstritten, wie

Sie sind, eitel und senil?

 

Dionysos:

Drum Brecht hol ich, den Größten aller Großen!

Den Auftrag gab mir Zeus, dein Ebenpart

Auf jener Kruste oben!

 

Pluton:

Schon gut! Hab ich doch meine Freude dran!

 

Dionysos:

Ihr Herren, hört, die Sach ist die...

 

Goethe eilt herbei:

Der Größte? Wer?

 

Aischylos zeigt auf Shakespeare:

Der!

 

Dionysos:

Gemach!

 

Goethe:

Die erste Seite, die ich von ihm las,

Macht mich zeitlebens eigen ihm,

Wie ich einst mit dem ersten Stücke fertig war,

Stand ich, ein Blindgeborner fast,

Dem eine Wunderhand Gesicht in einem Augenblicke

schenkt.

Ich fühlte meine Existenz um 'ne Unendlichkeit

erweitert.

Oh, Shake, mein Freund, ich könnte nirgend leben

Als mit dir! Doch hier, im Orkus, vollendet

Unser Leben, tret ich den Platz bei Pluton

Dir nicht ab!

 

Dionysos:

Gut, gut, Johann, wir wollen...!

 

Shakespeare schwenkt Xanthias Schriften, eifernd:

Oh gleißnerischer Mund,

Welcher mit einer und derselben Zunge

Verdammnis spricht und Billigung zugleich!

Der das Gesetz nach Willkür schweigen heißt,

Und krümmt nach seinen Lüsten Recht und Unrecht.

Sich ihm zu schmiegen! Oh, wer darf

In reiner Menschlichkeit aufstehn und sagen:

"Der ist ein Schmeichler," wer? Wenn’s einer ist,

So sind es all'; denn jeder höhern Staffel

Des Glücks schmiegt sich die untre: goldnem Dummkopf

Duckt der gelehrte Schädel: schief ist alles;

Nichts grad' in dieser fluchbeladnen Menschheit,

Als offne Schurkerei. Drum sei verabscheut,

Geschreibe dies, Gesellschaft auch, und Menschendrang!

Ich hass solch wendehalsig Pfuscher!

Zernichtung dem Geschlecht der Menschen!

 

Aischylos:

Wenn's dich so aufbringt, Shaky,

Was dieser Eierkopf gesudelt hat,

Gib's Wolfgang, er schau auch sich's an.

Danach lass richten uns wie's Donny will!

 

Dionysos:

Der Aischylos ist doch ein wahrer Kerl!

 

Euripides:

Und ich?

 

Dionysos:

Gemach!

 

Euripides:

Auch ich will seh'n,

Was droben heutzutag geschrieben wird.

 

Shakespeare:

Satanisch Zeug, der reine Mist,

gibt Goethe Xanthias' Schriften

Fäkalien aller Sorten! Wo ist er hin,

Der Traum vom edlen Menschen? Oh!

Die Zeit ist aus den Fugen

gar schlimmer noch denn einst!

 

Goethe:

Lass mich, was Pfuscherei du nennst,

Ich achte sehr die Rage deines Grolls,

Geheimrätlich mit aller Sorgfalt prüfen.

Ob Natur ihm die Feder geführt und bei ihm

Die prätendierte Freiheit unsres Willens

Mit dem notwendigen Gang des Ganzen zusammenstößt!

eilig mit Xanthias' Bündel ab

 

Aischylos zu Euripides:

Zu dir nun!

 

Dionysos verdrießlich:

Euer Streit ist Schnee von gestern!

 

Aischylos:

Oh nein! Wenn William ich verstanden hab,

Packt ihn der Zorn, weil droben, was wir schwer

erkämpft,

Mit plumpen Füßen platt getreten wird.

Nur Treffliches zu preisen, wie es mein Verdienst,

zeigt auf Euripides

Schon dieser Stümper hat's missachtet!

 

Shakespeare:

Ich fürcht', da ist nichts mehr auf Erden,

Was Dichter preisen könnten!

 

Aischylos unbeirrt:

Mit ihm doch beginnt alle Ruchlosigkeit!

Wie viel hat er Kuppler uns vorgeführt,

Und Schwestern, mit leiblichen Brüdern gepaart,

Und Bürger, die glauben: das Leben sei Tod?

Mit all dem hat er die Stadt uns gefüllt,

Mit Rechtsverdrehern und Schreibergeschmeiß,

Schmarotzer, Betrüger, Verleumder!

 

Dionysos:

Den Hass lass ruhn!

 

Shakespeare zeigt auf Xanthias:

Der Stümper steht dort!

 

Aischylos zeigt auf Euripides:

Doch er da hat Bürgern das Heucheln gelehrt,

Das wendige Drehen des Halses zumal.

Wenn er nicht mit Strafe von hier wird verbannt,

Kann der dort wüst schleimen.

Wen kümmert das noch?

 

Dionysos:

Gemach! Ihr Großen der Sprache, des Geistes Gewalt!

 

Chor:

Grimmiger Hader, hitziger Eifer, wilde

Kämpfe stehn ins Haus,

Und es heißt was, hier zu rechten,

Wo mit Wut der eine loslegt

Und der andre sich zu wehrn weiß und

geschickte Antwort hat!

Aber bleibt nicht stur beim Alten,

Angriffszüge, Rückwärtsgänge gibt's noch

hunderttausenderlei,

Hechelt, keift und scheltet, tragt hier

Alte Sünden vor und neue,

Und mit hasserfülltem Hetzen tummelt

wütend euch herum!

Wenn ihr aber glaubt, dies Geifern freut

das teure Publikum,

Irrt ihr; wohl ein jeder hier im

Raume wünscht sich...

 

Euripides:

Faselt nur

Nun auch noch ihr! Statt für mich

das Wort zu nehmen, zieht ihr vor,

Ganz feig zu kneifen!

 

Chorführer:

Spreizt euch, wie ihr wollt! Es richtet euch ein

weises Publikum!

 

Dionysos:

Was mischt ihr euch ein! Wenn die Dichter von einst

Die Seelen weit öffnen und prüfen ihr Werk,

Geziemt sich euch ehrfürchtig Schweigen im Rund.

Wenngleich, ich verhehle es nicht, auch für mich

Ist Streit von der Sorte, wie hier immer noch

Gepflegt, ohne Herz für die Nöte der Zeit.

Die Sorge um's Leben dort oben vor Ort

Braucht Denker von unkonventionellstem Geist!

Laßt prüfen uns also, was Dichtkunst noch kann.

Dich Shakespeare, du Kopf des Jahrtausends, ich bitt,

Sag du, wie Theater die Welt fasziniert!

 

Shakespeare:

Den Mund red ich fusselig mir nun gewiß:

Der Zweck des Theaters seit je war und ist,

Der Tugend, dem Laster, dem Zeitalter auch

Den Spiegel zu halten vors blasse Gesicht.

Das Wesen der Zeit in das Abbild der Kunst!

Charakter ist nötig und Revolution!

Hinweg mit den Nackten in Scheiße und Müll!

 

Goethe eilig mit Xanthias’ Schriften zurückkommend:

Ja, Stichwort! Mann, Shaky, hast recht! Was ich hier

mit Lesen mir angetan, fass ich es noch?

Das Weib ein Objekt nur für männliche Gier!

Die Würde dahin, alles Menschsein ein Dreck.

 

Dionysos:

Halt ein doch! Dein Urteil, zu früh und zu scharf!

 

Goethe:

Willst Nachsicht für lebensverachtende Schrift?

 

Dionysos:

Wir haben beschlossen zu prüfen ganz neu,

Was Kunst noch vermag bei den Menschen vor Ort!

Dein Rat ist gefragt jetzt, zu richten dann den!

zeigt nach hinten zu Xanthias

 

Goethe:

Verstehe! Theater und Demokratie

In Zeiten wie diesen auf Erden ein Graus!

Hm! Kunst ist korrupt nicht wie Staatspolitik!

Die Künstler hingegen, die gieren nach Ruhm,

Die leiern der Mächtigen lügnerisch Lied

Und pfeifen auf Kunst, wenn die Kasse nur stimmt!

 

Dionysos:

Ach, Johann! Statt Vorschlägen Schimpfe und Frust!

 

Goethe:

Protest! Gilt im Hades die Wahrheit nicht mehr?

 

Aischylos:

Dein Sinn für das Geld ist, Johann, uns bekannt!

 

Dionysos:

Die Frage für Alte wie Junge steht,

Ob Kunst noch wie früher gebraucht wird im Land,

Die Menschen zu bessern, zu kitten den Staat!

 

Aischylos:

Ans Tageslicht zerren soll'n Dichter, gar

Öffentlich aufführen nicht, was uns schadet!

 

Euripides:

Die Menschen im Staate zu bessern tut not!

 

Shakespeare:

Das Leben zu meistern, das lehre die Kunst!

 

Goethe:

Doch keiner auf Erden, der das euch bezahlt!

Ihr macht eure Rechnung ganz ohne den Wirt.

 

Aischylos:

Die Frage gehört doch im Grundsatz gestellt!

 

Euripides:

Und ohne die Wünsche nach Ruhm und viel Geld!

 

Shakespeare:

Der Tanz um das Gold und das Kalb und so fort!

 

Pluton gebieterisch:

Holt Brecht her!

 

Dionysos:

Und Müller dazu!

 

Xanthias im Hintergrund:

Das ist gut!

 

Aischylos:

Der Sklav in der Ecke erlaubt sich das Wort?

Solange der stört unsren Rat von Gewicht,

Kann gültiges Urteil wohl schwerlich entstehn!

 

Pluton:

Hinaus mit ihm!

Aiakos führt Xanthias ab

 

Goethe hantiert mit Xanthias' Schriften

Schlimm, was die Menschen erfreut!

 

Aischylos:

Gerede auf Erden von Demokratie

Kann rütteln an meinen Grundsätzen nicht viel.

Die göttliche Kunst überlebt alle Zeit!

 

Goethe:

Vielleicht wär es ratsam, sprich, Pluton, dein Wort,

Zu schicken den Aischy nach oben vor Ort!

Die Beulen, die er sich auf Helm und Kopf holt,

Erheitern die Welt und den Hades zugleich.

 

Aischylos:

Der Wolfgang scheint krank mir da oben im Kopf!

 

Chor:

Donnerwolken wild sich nahen!

Jeder Dichter glaubt sich klüger,

Ahnt kaum, was die Menschen auf der Kruste

Heutzutage hoffen, wünschen.

Rat von uns wird nicht erwartet.

Lass denn Pluton greisen Hauptes

Göttlich Order einsam fällen,

Fragt bestimmt noch Brecht und Müllern,

Wiegt dann mächtig Haupt und Bärtchen,

Feiert Zukunft, Kunst und Leben,

Aber droben bleibt's beim Alten! ab

 

Pluton:

Ich hasse dies vorlaut Geschwätze des Volks!

Mehr Durchgriff der Führer ist, scheint mir, Gebot!

Es kann nicht beliebig ein jeder für sich

In Anspruch die Freiheit sich nehmen, den Boss

Zu schmähen und ewige Ordnung bespein!

 

Aischylos:

Oh, Herrscher, welch Worte von göttlicher Stirn,

Sie stützen die Schwankenden fester denn je!

 

Dionysos:

Ihr Herren, der Fall ist entschieden noch nicht!

 

Aischylos:

Der Gott hat gesprochen, was redest du noch?

 

Dionysos:

Die Meinung von Pluton ist schönes Programm,

Doch jeder von uns hat mit Stimme Gewicht!

Im Hades, mein Lieber, herrscht Demokratie!

 

Pluton:

Geb fröhlich meinen Senf dazu!

 

Aischylos rauft sich theatralisch das Haar:

Der eherne Mythos ein schwankend Gesell!

Ruft Zeus an, Poseidon, die Brüder, herbei!

Der ewige Ordner im Strudel der Zeit!

 

Goethe:

Wenn du das nicht hast,

Dieses Stirb und Werde,

Bist du nur ein trüber Gast

Auf dieser Erde!

 

Shakespeare:

Auch deine Schönheit wird nicht widerstehn

Dem Ruf der Zeit, und wenn die Locke bleicht,

Wenn Falten über deine Schläfen gehn,

Dann stöhnst du wohl, vom Altersgram erreicht!

 

Dionysos:

Ihr Herrn, zur Dichterlesung bat ich nicht!

An Plutons Thron sich ziern mit Eitelkeit

Ist nicht die Stunde! Rat zu finden gilt

Es jetzt in Sachen Kunst! Ich leier schon!

 

Pluton:

Die Dichter von gestern, die sülzen nur rum!

 

Euripides:

Mein Gott! Wie Sie lästern, verschreckt alle Welt!

 

Pluton:

Und Neulinge kneifen! Den Müller und Brecht,

Man hole sie endlich zu mir an den Thron!

Ich glaube zwar nicht an ihr aufmüpfig Zeug,

Doch hören, was Sozis so denken zu tun,

Kann schaden im Hades wahrhaftig nicht mehr!

 

Aischylos:

Die Sozis, wie jüngst ich erfuhr, sind kaputt

An Geist und an Praxis total überhaupt.

Gefragt ist Nation und die Zucht unter Gott!

 

Dionysos:

Man hole den Brecht und den Müller herbei,

Und wenn sie nicht wollen, dann braucht auch Gewalt!

 

Goethe:

Hab’ eben ich richtig dein Wettern gehört?

Ich denke, wir pflegen hier Demokratie?

 

Dionysos:

Ach, Wolfgang, kennst nicht das athenische Heil,

das Wechseln von Demokratie zur Tyrannis?

Mal dies und dann jenes, wie’s Herrschern just frommt.

Politisch Klamotte! Noch immer perfekt!

 

Xanthias bricht herein, brüllt:

Jetzt lässt er die Katze brutal aus dem Sack!

 

Dionysos:

Nun sperrt doch den wendhalsig Lump endlich weg,

Stört dreist uns beim Handeln für Recht und Gesetz!

Xanthias wird abgeführt.

Sein Fall ist zu klären sobald wir gewählt

Den Dichter nach droben für schwierigste Zeit!

 

Shakespeare:

Wie Hamlet, der Däne, wird scheitern auch er!

 

Dionysos:

Doch besser zu scheitern, das sei ihm gegönnt!

 

Aischylos:

Jetzt helfen nur Ordnung, viel Kühnheit und Zucht!

 

Euripides:

Er will eine Lösung mit Grauen und Blut!

 

Goethe:

Wenn du das nicht hast, dieses Stirb und Werde...

 

Euripides:

Ja, Goethen, wie immer das passende Wort!

 

Dionysos:

Gott, endlich, ich sehe den Brecht an der Tür!

 

Brecht neben Müller sitzend und Zigarre qualmend:

Die Mühe zu wählen spart bitte euch ein.

Da oben die Menschheit hat Rat nie gewollt,

Und Dichter sind Narren seit ewiger Zeit!

 

Dionysos eindringlich:

Das Volk aber lechzt nach der Wahrheit der Kunst!

Es hofft auf den Dichter, der Lügen nicht kennt,

Politisch Verbrechen beim Namen klar nennt.

 

Müller:

Wer hofft, leidet Mangel an Information!

 

Dionysos:

Ihr zwei seid doch allerletzt Hoffnung der Welt!

Brecht und Müller lachen schallend.

Die Armen und alle Betrogenen auch,

Verlassen vom Glück und vernebelt im Kopf

Von Hetzern und willfährigen Schreibern wie der,

Den ich zur Bestrafung herunter geschleppt,

Bedürfen der Hilfe plebejisch im Geist!

 

Müller:

Wer hofft, leidet Mangel an Information!

 

Dionysos eindringlich:

Ihr Großen der Dichtkunst versagt nicht den Dienst

Am Volke, dem ehrlichen Mann wie dem Weib!

 

Brecht:

Der Wucher da oben ist so allgemein,

Korrupt sind die Herrscher vom Top-Kapital

Und ihre Regierer im Lande zu Hauf,

Da hilft nur die Bombe vom schönen Atom!

 

Shakespeare schockiert:

Entsetzlich! Der Bertolt ist übergeschnappt!

 

Müller:

Hinweg mit der Sippschaft, ihr Götter, ich bitt!

Brecht und Müller ab.

 

Goethe ratlos:

Human sein, denk ich, ist noch immer Gebot?

 

Pluton hämisch:

Oh, Donny, ich ahnte die Ratlosigkeit

Selbst dieser verdienstvollen Herren der Zunft!

Auch Dichter sind geil aufs Verderben der Welt!

 

Dionysos verbittert:

Die Hölle hast du ihnen schmackhaft gemacht!

 

Pluton:

Und du bringst den Xanthias sofort zurück!

Dies Scheusal der Worte voll Lüge und Müll

Bereitet das Ende der Erde uns vor!

tritt ab.

 

Dionysos:

Nein, Pluton, tu das mir nicht an!

Donner.

Verflucht alle Welt und die Götter erst recht!

Donner.

                  

 

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