Naturwerkstoffe
Propolis-Farben Meiners

Einiges über kolloide Systeme

Wir wollen versuchen, wie unter dem Thema "Ei-Tempera" , die Emulsionen und auch Dispersionen als kolloide Systeme für den künstlerisch-technischen Gebrauch darzustellen. Leider wird der Text recht lang werden; die eigene und die Natur des Themas lassen uns jedoch keine Wahl.

 

Der Maler A.v.Menzel soll gesagt haben, man könne malen "...mit allem was klebt", und wir wollen uns hier - versuchen - mit den Gesetzen dieser Klebrigkeit zu befassen, um sie für den künstlerischen Gebrauch zugänglich werden zu lassen. In den anderen Beiträgen unserer Web-Seite ist schließlich auf die eine oder andere Art auch nur von der Klebrigkeit der Materialien die Rede; z.B. in Bezug auf die Fähigkeit, Pigmente auf einem geeigneten Untergrund haften zu lassen. Das reicht bei weitem nicht aus, wenn es auf ein vertieftes Verständnis der Materie, die solche Aufgaben zu erfüllen hat, ankommt. In anderen Beiträgen müßte es um die Gesetze des Sehens, der Lichtbrechung, der Erscheinungen gehen; hier beschäftigen wir uns mit den Adhesiv- und Kohäsionskräften von Stoffen, um organische, auch metallische und mineralische Klebstoffe, um Diffusion, um Gele, Suspension, Emulsion usw., kurz, es soll um Kolloide sich handeln.

Der Name hängt mit dem griechischen Wort Colla für Leim zusammen, bedeutet auch "leimartig". Er ist vor anderthalb Jahrhunderten von Thomas Graham gewählt worden und bezeichnet allerlei Substanzen, die chemisch nichts mit den bekannten Leimen zu tun haben müssen, im Aussehen jedoch dem gequollenen Tischlerleim ähneln; so z.B. dem gallertartigen Niederschlag, den man erhält, wenn man eine konzentrierte Lösung von Wasserglas mit Salzsäure versetzt. Aus kieselsaurem Natron und Salzsäure bildet sich dabei Kieselsäure und Kochsalz; und die Kieselsäure scheidet sich als voluminöse Gallerte ab, die durch Auswaschen vom Kochsalz befreit werden kann. Durch Erhitzen treiben wir dann die von der Gallerte eingeschlossene große Wassermenge allmählich aus und erhalten schließlich eine pulverige Masse, die erst bei starkem Glühen ihr letztes Wasser abgibt. Den dabei entstehenden Soff, die pyrogene Kieselsäure, können wir wegen der enormen Oberflächenabwicklung der amorphen Teilchen als ein Pulver benutzen, Flüssigkeiten zu verdicken: indem die Flüssigkeiten an der großen Oberfläche anhaften, erstarren sie. Der Effekt wird mindestens in der gesamten Farbenindustrie ausgiebig genutzt zum Zweck der Viscositätsregulierung, zum sog. Thixotropieren. Ganze Produktklassen, wie sog. "Dickschichtlasuren" etc. sind auf dieser Grundlage entwickelt worden. Die puddingartig verdickte Flüssigkeit, die zwar wie eine kolloidale Masse aussieht, doch keine ist, kann wegen des geringen Feststoffgehalts dem Pinsel beim Anstrich kaum Widerstand entgegensetzen, und die Farben können beim Streichen nicht ablaufen. Auch sehr sauber verarbeitbare lasierende Spachtelmassen können so hergestellt werden.

Bei noch höherer Temperatur, beispw. in einem sog. Knallgasgebläse, schmilzt die Kieselsäure und erstarrt beim Erkalten wieder in ihren ursprünglichen Zustand - zu Quarzglas.

Wenn der Vorgang des Erkaltens verzögert wird, verwandelt sich das Quarzglas in kleine Kristalle. Wir sehen hier für ein und dieselbe Substanz drei unterschiedliche Zustände: den kolloiden, den glasigen und den kristallinischen Zustand, wobei der letztere in unterschiedlichen Formen vorkommen kann, unter denen wir die sog. "Ruheform" der Kieselsäure, die hexagonale Form, als Bergkristall kennen, in die die anderen Zustandsformen das Bestreben haben, auch einzugehen. Dies ist uns ebenfalls vom Kalk her bekannt, der in den unterschiedlichsten Verbindungen der Karbonatisierung zustrebt.

Der glasige Zustand ist eine stetige Fortsetzung des flüssigen, und man betrachtet die Gläser eigentlich als Flüssigkeiten mit sehr großer innerer Reibung.

Dagegen kann der kolloidale Zustand nicht kristallinisch genannt werden - aber auch nicht amorph, gestaltlos, denn die kolloidale Kieselsäure zeigt im Mikroskop einen sehr zarten Zellenbau mit wabiger Struktur, kann sich daher mit Flüssigkeit vollsaugen wie ein Schwamm. Solche Zellengefüge von gewaltiger Oberflächenstruktur oder -entwicklung weisen zahlreiche anorganische und organische Stoffe sowie die Gallerten aus diesen auf: Eiweißkörper wie Wolle, Leder, die Glutinleime aus diesem aber auch Zellstoff (Zelluloid), Kautschuk etc., wie eben gerade diese Kieselsäure in der Gestalt von kalk- und zementhaltigen Bindemitteln.

Auch Rauch, Nebel, Blut, Organe, Knochen, sogar poröse, letztlich aus aus flüssiger Phase erstarrte Gesteine (siehe Merkblatt Ultramarin), Kunststoffe, Viren, Reinigungsmittel, Seifen, Farben usw., usf., können zu den kolloiden Systemen gerechnet werden, denn es sind nicht allein die stofflichen Eigenschaften sondern auch immer die Zustände Bedingung für das jeweilige kolloide System. Wir unterscheiden sehr grob drei kolloidale Systemgruppen, die nicht ohne weiteres und eindeutig voneinander trennbar sind; a) die Dispersionskolloide, b) die Assoziationskolloide, c) die Molekülkolloide. Diese Gruppen bestehen ihrerseits wieder aus Komponenten, die die Abgrenzung der Gruppen voneinander nicht leicht machen: dem Dispersionsmedium und einer dispergierten Phase, deren Teilchengröße sich zwischen 1 und 1000 nm verhalten und in allen Aggregatzuständen dispergierbar sind: wie z.B. in Form flüssiger Sprays, also Aerosolen, in deren Gas eine Flüssigkeit dispergiert wird. Oder Feststoffe, die in Luft als Rauch erscheinen, Feststoffe in Feststoffen als pigmentierte Plastikmassen, Flüssigkeiten in Feststoffen als Speiseeis, Gase in Feststoffen als Hartschaumplatten, Feststoffe in Flüssigkeiten als Farben, Mörtel, Spachtelmassen, Zahnpasta, Flüssigkeiten in Flüssigkeiten als Milch, Mayonnaise, "Eitempera" (siehe dort) und Gase in Flüssigkeiten als Schäume aller Art sowie die diversesten Zwischenformen, die hier nur mit einem Beispiel angedeutet sein sollen: wenn in das System "Feststoffe in Flüssigkeit" noch Gase eingebracht werden, wie bei der Herstellung der Gasbetonsteine (bekannt als Ytong) die Mörtelmischung mit Aluminiumpulver versetzt wird, sich in dem alkalischen Milieu Knallgas bildet und die Masse aufschäumend in Formen gehalten erstarrt.

 

Wie man sieht, ist es nicht ohne weiteres akzeptabel für das Alltagsbewußtsein, diese Beispiele als kolloide Systeme zu erkennen. Wenn man jedoch bedenkt, daß die Beispiele nur eine augenblickliche Zustandsform darstellen, entweder durch Zerkleinerung, Kondensation, Peptisierung und/o. andere Einwirkung die jeweilige Materie in dem Zustand der Auflösung in das Dispersionsmedium gebracht wurde und vor allem thermodynamisch (also temperaturabhängig) selten sich im Gleichgewicht halten kann, was meist nur durch allerlei elektrostatisch wirksame Methoden oder durch sog. Schutzkolloide, wie Leime etc., besonders jedoch durch den Einsatz von Tensiden, die hauptsächlich die Assoziationskolloide bilden, möglich ist. Diese funktionieren durch die "amphophilen" Moleküle der Tenside, die die Oberflächenenergie bzw -spannung des Wassers aufheben, indem sie sich wagenburgartig nach den jeweils verbindungsfähigen Seiten der Moleküle zur wasserfreundlichen und wasserfeindlichen Seite hin ausrichten, so zur Mizellenbildung und bei entsprechender Menge zur Koagulation führen. Waschmittel, Kosmetika, Dispersionsbindemittel aller Art gehören hierzu. Kaum ein technischer Bereich auf dieser Welt, wo es auf Benetzung und Aufhebung von Oberflächenspannung ankommt, in dem keine Tenside benutzt werden. 15 Millionen Tonnen werden weltweit jährlich produziert, verbraucht und landen letztlich in den Weltmeeren. In diesen wieder kann man wenigstens die alte und oft leer geglaubte Schulweisheit, nach welcher "alles" auf der Welt "fließt", bestätigt finden, indem man zusetzt: "hinein". Was wäre, wenn nicht allein oder überhaupt nicht die CO2-Produktion für die angekündigte Klimakatastrophe verantwortlich, das Wasser der Weltmeere seine dielektrischen Eigenschaften, seine lösenden, sein "Gedächtnis" auch verlöre ? Wenn zusammen mit den wüsten Resten der abgeholzten tropischen Wälder, deren Zusammenspiel mit den aufnehmenden und verdunstenden Wassern, erst die jahrtausende alte Kultur Indiens und ganz Ostasiens, entstanden und hervorgebracht aus der Abhängigkeit von den Monsun-Regenfällen, ja was wäre, wenn man in unseren Baumärkten keine billigen Teakholz-Gartenmöbel mehr kaufen könnte ? Wir müssen diese Gedanken weiterzuführen, der "Deutungskraft" (siehe "Der Spiegel" Nr. 50/2009, S.164/65) der zuständigen Wissenschaften überlassen.( Einen Literaturhinweis zu diesem Thema in eine ganz unwissenschaftliche Richtung: Alexander Frater: "Regen-Raga. Eine Reise mit dem Monsun", Klett-Cotta 1994)

 

 

Es bieten sich uns drei Möglichkeiten, das Thema für unseren Zweck zu entwickeln. Die erste besteht in der Darstellung reiner chemischer Prozesse; für diese Form bietet sich eine große, doch unübersichtliche Literatur an und führte uns schwer in die angedeutete Richtung; die zweite Möglichkeit liegt in der Kürze: einfach fertige Rezepturen wie in einem Kochbuch aufführen: "...nimm zwey Lot Vitiol, coliere die Galle aber vorher solange, bis sich der braune Satz nicht mehr in der Glut...", weshalb Kochbücher oftmals keine guten Ergebnisse zur Folge haben und drittens, eine Darstellung, wenn auch mitunter wortreich aber dem Verständnis des Interessierten geschuldet, um das Thema - wie bei dem oben geschilderten Ruhezustand der Kieselsäure - fast selbstverständlich zu einem Erfahrungswissen werden zu lassen.

 

Dabei werden wir vermeiden, die Darstellung mit chem. Formeln zu befrachten, ist doch diese Verständigungsform eher einer Minderheit geläufig.

Zunächst jedoch wieder zur Kieselsäure zurück, indem wir diesmal eine verdünnte Lösung von Wasserglas mit Salzsäure versetzen. Jetzt scheidet keine Gallerte aus; erst wenn wir die Lösung stark eindampfen, erstarrt sie an einem bestimmten Punkt unter plötzlicher Ausscheidung kolloidaler Kieselsäure: obwohl sich aus der verdünnten Lösung keine Kieselsäure sichtbar abscheidet, ist doch die chem. Umsetzung zwischen Natriumsilikat und Salzsäure eingetreten; das kann durch Messung der elektrischen Leifähigkeit nachgewiesen werden. Hier haben wir also den Fall der kolloidalen Lösung. Aus dieser Lösung kann das Kochsalz mit einem Gefäß. das am Boden mit einer Filtermemban versehen ist und in ein anderes Gefäß, gefüllt mit reinem (elektrolytfreiem) Wasser durch die Membran hindurch ausgelaugt werden, während die kolloidale Kieselsäure nicht diffundiert. Diese Technik wird Dialyse genannt und ist dem eingangs erwähnten Th. Graham zuzuschreiben. Erneuern wir das auslaugende Wasser bis keine Salze mehr enthalten sind, gewinnen wir eine kolloidale Lösung von Kieselsäure. Je wasserärmer, konzentrierter diese Lösung wird, umso leichter erstarrt sie. Wir können sie sofort zum Gerinnen bringen, wenn wir eine winzige Menge Soda zufügen oder ein wenig Kohlensäuregas einleiten. Die kolloidale Lösung ist also sehr unbeständig und im Gegensatz zu den "wahren Lösungen", z.B. Kochsalzlösung, ist der Siede- und Gefrierpunkt, Dampfdruck und elektr. Leitvermögen dem des reinen Wassers fast gleich. Für die kolloidale Lösung verwendete Graham die Bezeichnung "Sol", im Falle der Lösung durch Wasser "Hydrosol"; für das ausgefällte Kolloid den Begriff "Gel", von Gelatine.

Ähnlich wie von der Kieselsäure lassen sich die Hydrosole von Eisenhydroxyd, Tonerdehydrat, Berliner Blau (welches letztere deshalb auch so ein enormes Färbevermögen, als sei es ein löslicher Farbstoff und kein Pigment hat) wie von anderen durch Fällung erzeugten Pigmenten (Chromgelb etc.) oder in Säure gelösten Metallen in verdünnter Lösung herstellen und durch Dialyse reinigen.

 

So lassen sich Metalle gewinnen. Faraday,dessen Portrait Albert Einstein zeitlebens in seinem Arbeitsraum hatte, hat 1857 auf diese Weise eine kolloidale Goldlösung gewonnen, die wir auch im Rubinglas finden, das einen Goldgehalt von 0,05% etwa hat. Faraday hat mit John Tyndall zusammengearbeitet, der die Streuung von Licht in kolloidalen Lösungen oder an den mikroskopisch kleinen Teilchen, die diese "Lösungen" darstellen, untersucht hat. Durch ihn wissen wir, warum der Himmel uns blau erscheint und auch, warum Gold im Rubinglas rot aussieht.

 

Ausflockung

 

Da kolloidale Lösungen sich selten in einem Gleichgewichtszustand befinden, die Teilchen das Bestreben haben, sich zusammenzuballen bzw. zu aggregieren, fällt nach einiger Zeit das Kolloid von selbst aus; dieser Zerfall wird durch Kochen beschleunigt. Ein geringer Zusatz von Alkali oder bei der Kieselsäure von Salzsäure, macht die Sole beständiger. Überhaupt sind die Elektrolyte für die Existenz und das Gleichgewicht der kolloidalen Lösungen nötig, doch reagieren die Lösungen auf den Gehalt an Elektrolyten empfindlich. Z.B. wird die tiefrote Goldlösung durch einen Tropfen Salzsäure blau gefärbt und das Gold scheidet sich langsam ab. Die Menge des Zusatzes, bei dem der Farbumschlag oder die Ausfällung beginnt, ist je nach Natur der Lösung und des Zusatzes verschieden.

Bekannt aus der Galvanik ist, daß feste Teilchen - in dem Fall Metalle- im elektrischen Strom wandern. Schickt man in eine kolloide Lösung einen elektrischen Strom von 110 Volt oder mehr, bemerkt man, daß die Lösung fast nicht leitet, wohl aber die kolloiden Teilchen sich an einem Pol ansammeln. Während die Massenteilchen des Kolloids zusammen nach einem Pol wandern, wird in Lösungen von Elektrolyten der eine Teil des Moleküls zum einen, der andere Teil zum anderen Pol geführt, z.B. bei der Chlorwasserstoffsäure, also Salzsäure, das Chlor zum positiven Pol, der Anode und der Wasserstoff zum negativen Pol, der Kathode hin. Der Zusatz von Ionen, die sich aus den Atomen bilden, wenn sie Elektronen abgeben oder aufnehmen und die eine entgegengesetzte Ladung wie die Kolloidteilchen besitzen, wirkt fällend. Ein negativ geladenes Kolloid wird also durch positive Ionen koaguliert. Gleichgeladene Ionen üben garkeine Wirkung aus, verhalten sich mitunter schützend. Ein Beispiel, wie auch der Künstler, Handwerker, Restaurator solche Koagulierungswirkungen, also eigentlich die Zerstörung einer Emulsion, nutzen kann, sei hier anhand der meist basischen Acryldispersionen dargestellt: wie oft beim Herumprobieren mit Farben, Bindemitteln, Pigmenten etc., kann es passieren, daß manche Verbindungen mal zu dünn, mal zu dick sind oder nicht mehr zu gebrauchen, weil koaguliert, wenn z.B. als Netzmittel für schwierige Pigmente zuviel Ethanol benutzt wurde und die Acrylfarbe nun zäh und zu dick wird, aber auch nicht so dick, daß sich daraus eine knetbare Masse herstellen ließe. Dies geht dann nur, wenn dieser Mischung zusätzlich noch Essigsäure zugesetzt wird. Es geht nicht mit der Säure allein, es geht nicht mit dem Spiritus allein, nur mit beiden. Ob nun bloß der Widerspruch basisch-sauer oder gegensätzliche elektr. Ladungen, überprüft gern der Wissenschaftler; der Praktiker stellt fest, daß dieser entstandene Acrylklumpen sich sehr schön in alle möglichen Formen hinkneten läßt, auch Konsistenz und Zusammenhalt besitzt und dabei überhaupt nicht mehr klebt. Versetzt man diese Masse nun mit geeigneten Füllstoffen, z.B. Schleifmitteln wie Bims, kann man sie bequem den zu schleifenden Profilen anpassen und nach Trocknung mit Gewinn verwenden. So etwas kann man nicht kaufen.

Ähnliches Erfahrungswissen ohne die genauen chem. Kenntnisse benutzen wir ja auch beim Kochen. Nehmen wir als Beispiel etwas einfacheres oder gleich die "sauce hollandaise" wegen der Nähe zur flämischen Malerei und zur Eitempera?

Die Zubereitung dieser wichtigen Zutat für die Spargelgerichte erfordert ebenfalls mehr Erfahrung und einige Geschicklichkeit als vertiefte chem. Kenntnisse, die jedoch nicht unnütz sind, wenn man wissen möchte, warum dieses Sauce so oft mißlingt. Die Zutaten und -mengen als bekannt vorausgesetzt, müssen wir darauf besonders achten, daß die wichtigste Zutat der Sauce, das Eigelb, die richtige Temperatur und damit die maximale Aufnahmefähigkeit für die Butter bekommt.

Warum kann die Sauce so leicht mißlingen ? Würde das Eigelb oder die inzwischen emulgierte Masse zu heiß, gerönnen die Eiweiße, Lecithine und Lipoproteine im Eigelb und das Ganze sähe nicht mehr so appetitlich aus. Wir würden uns vielleicht nicht um die Hauptrichtung der Geschmacksabsicht bringen, doch was ist ein Gericht ohne das entsprechende Mundgefühl ? Die Wasserphase trennte sich vom Fett und die eigentliche Absicht, selbst über die Konsistenz der Sauce entscheiden zu können, verfällt dem Zufall.

Also sollte man die "Hollandaise" im Wasserbad, niemals auf direktem Feuer zubereiten. Zunächst gehen wir davon aus, daß der Sud aus Schalotten, Weißwein, Estragon etc. schon fertig, zerlassene Butter von der sich absetzenden Molke getrennt und abgekühlt ist. Nun in der Schüssel auf dem Wasserbad das Eigelb erwärmen: mit dem Thermometer kann unter solchen Bedingungen nicht festgestellt werden, ob die größtmögliche Bindefähigkeit des Eigelbs sich bei welcher Temperatur erschließt; wird aber auf einen Löffel voll erwärmtem Eigelb geblasen und es bildet sich auf der Oberfläche ein einer Rosenblüte ähnliches Muster aus, dann ist die richtige Temperatur erreicht. Alle verwendeten Zutaten und ihre Mengen beeinflussen die Temperatur. Salz und Alkohol lassen die Temperatur sinken, bei Zucker steigt sie etc., deshalb ist die sicherste Methode der "Löffeltest", bei dem sich die "Rose" zeigt. Die Butter hätte natürlich nicht unbedingt geklärt werden müssen, doch die Sauce glänzt dadurch mehr.

Jetzt das Eigelb in der Schüssel aufschlagen, nach und nach jeweils kleine Mengen von Sud und Butter zugeben. Je kleiner die Fetttröpfchen durch Schlagen, desto dicker die Sauce. Auf keinen Fall darf sie zu heiß werden; es können auch kleine eiskalte Butterstückchen, die sich temperaturregulierend langsam auflösen, hineingeschlagen werden. Bildet die Sauce beim Schlagen Klümpchen, fängt sie schon an, zu gerinnen: dann schneller abkühlen. Auch kann Wasser beim Aufschlagen verdunsten, alles ändert die Bedingungen. Wenn bei möglichst gleichbleibender Temperatur die Zutaten in kleinen Portionen in die Sauce eingeschlagen werden, dann gelingt sie auch.

Bei den Mengen sieht es genauso aus, wie bei der Eitempera: das Maß ist das Ei: soviel Butter und soviel Sud wie der Anteil Eigelb in die Masse eingeschlagen, gibt eine mayonnaiseartige Konsistenz; zuviel Butter läßt die Emulsion brechen, und die wässerigen Anteile trennen sich; mit dem Sud kann aber verdünnt werden zu der gewünschten Konsistenz.

 

Entgegengesetzte Hydrosole, zeigte sich, fällen einander aus; und wir stellten fest, daß nicht so sehr durch die Art des Kolloids, als vielmehr durch die geringen Mengen von Elektrolyten, die auch in sehr reinen Lösungen vorhanden sind, der Wanderungssinn bestimmt wird. Sehr kleine Vermehrung der Wasserstoffionen im Wasser erteilt dem Hydrosol eine positive Ladung, sodaß seine Teilchen nach dem negativen Pol wandern; eine winzige Vermehrung der Hydroxylionen gibt ihnen umgekehrt eine negative Ladung mit entsprechender Wirkung. Aus Gründen dieser Instabilität kolloider Lösungen werden zur Erhöhung der Beständigkeit oft organische Kolloide, z.B. Gelatine und Eiweißkörper oder pflanzliche Quellstoffe benutzt. Sie werden deshalb Schutzkolloide genannt. Die Ausflockungsvorgänge sind jedoch ersteinmal für den Chemiker von praktischer Bedeutung. Ob nun bei der gegenseitigen Fällung von Toxinen und Antitoxinen, der Gewinnung reiner Stoffe oder der Wasserreinigung, haben sich für solche Techniken eigene Wissenschaftszweige gebildet. Auch das eigentümliche Verhalten von Eiweißlösungen gehört hierher. Ist die Lösung durch Dialyse von Salzen möglichst befreit, so koaguliert sie beim Erhitzen nicht. Wie von der Käseherstellung bekannt, tritt Koagulation nur ein, wenn die Lösung schwach sauer ist; beim Gerinnen der Milch z.B. fallen durch Fermente chem. veränderte Eiweißkörper aus. Das Gerinnen stellt eine Zwischenstufe dar, denn das geronnene Eiweiß wird durch nachträgliches Erwärmen vollständiger erst koaguliert.

Geht das gefällte Kolloid in den Gelzustand über, wird es im reinen Wasser oder dem betreffenden Lösungsmittel unlöslich, trennt sich jedoch nicht vollständig vom Wasser, sondern bildet eine eigene Wabenstruktur aus, die in sich das Wasser einschließt.

 

Reversible und irreversible Hydrosole

 

Bei der Ausfällung reiner Metallhydrosole tritt keine eigentliche Gelbildung ein; eher könnte man es als eine Art Metallschwamm bezeichnen. Bei dem für Vergolderzwecke ausgefälltem Pudergold genügt leichter Druck mit einem Polierstein um das getrocknete Pulver in zusammenhängendes Metall zu verwandeln. Wollte man das Gold wieder in kolloidale Lösung überführen, wäre es nur über den Umweg möglich, es in Königswasser (das sind 3 Teile konz. Salzsäure und 1 Teil konz. Salpetersäure) aufzulösen und mit Formaldehyd z.B. zu reduzieren. Dagegen löst sich kolloidales Silber, nach bestimmter Vorschrift gewonnen, leicht in Wasser, was sicherlich auch ein Grund ist, daß der keim-, viren- und bakterientötende Effekt der Silberatome, schon seit Jahrtausenden bekannt, seit kurzem durch Techniken unter dem Begriff 'Nanotechnologie' in allerlei Entkeimungsprodukten genutzt wird. Wenn man bedenkt, daß die durch Krankenhausinfektionen bedingten Todesfälle in den USA schon in der Gesamtstatistik an fünfter Stelle stehen, eröffnet sich hier ein weites Feld für Produkte, die ca. 150 Krankheitserreger einschließlich die gegen Antibiotika resistenten Keime unschädlich machen können. Auch mit kolloidem Gold ist es der Nanotechnologie gelungen, verbesserte diagnostische Verfahren zu entwickeln, indem z.B. Nanokapseln mit kolloidem Gold, elektronisch geladen und sich gegenseitig abstoßend und je nach Dichte unterschiedliche optische Eigenschaften aufweisend, sich an die Tumor-DNA ansetzen, dort die Wellen der durch die Haut eindringenden Infrarotstrahlung absorbieren und auf diese Weise ein exaktes Bild des Tumors sichtbar machen. Solche diagnostischen Verfahren konnten früher nur unter Verwendung radioaktiver Substanzen durchgeführt werden. Dies nur, um mit zwei Beispielen zu illustrieren, daß Erkenntnisgewinnung noch nach 150jähriger Forschung am gleichen Gegenstand sich in immer neuen Bereichen erschließen läßt.

Kolloide Kieselsäure, die noch wenig Wasser beim Eintrocknen verloren hat, läßt sich durch Wasserzusatz wieder verflüssigen; auch noch im späteren Stadium der Wasserabgabe kann das Gel durch Behandlung mit Natronlauge wieder in Lösung gebracht werden. Eine kleine Menge Natriumhydroxyd (1:10.000 Teile Wasser) kann 200 Teile Kieselsäure bei einstündigem Kochen in das Hydrosol zurückverwandeln. Durch Temperaturwechsel also und elektrisch geladene Teilchen werden reversible Zustandsänderungen hervorgerufen, was allgemein als Peptisation bezeichnet wird. Wie wir es von den Leimen kennen, sind die Lösungen von Hausenblase, Agar und Glutinleimen bei einem gewissen Gehalt fähig, in der Kälte zu erstarren und sich bei Erwärmen wieder zu verflüssigen. Prinzipien allerdings, die Gemeinsamkeiten zwischen den re- und irreversiblen Zustandsänderungen, die die Zustände der Sole, Gele in oder bei der Peptisation oder der Ausflockung, der Pektisation oder auch Koagulation der Kolloide besser beschreiben, haben wir bisher noch nicht erkannt, ahnen jedoch Zusammenhänge.

Vielleicht sollten wir ersteinmal herausfinden, was Lösungen selbst sind, sog. Wahre Lösungen, und was sind Aufschlämmungen ? Worin unterscheiden sich die kolloiden Lösungen einerseits von den wahren Lösungen, andererseits von den Aufschlämmungen oder auch Suspensionen ? Vielleicht können garkeine scharfen Grenzen erkannt werden ? Wir halten vorerst fest, daß wir ohnehin nicht sämtliche Fragen klären können.

 

Zurück also zum Golde. Im Goldrubinglas finden wir die herrliche Farbe kolloider Goldlösung wieder. Das echte Rubinglas entsteht, wenn der Glasmasse Chlorgold hinzugefügt wird. Bei raschem Abkühlen erhält man noch ein farbloses Glas, das erst bei nachträglichem Erhitzen bis zum Erweichen 'plötzlich' rubinrot anläuft. Das Gold kann in ultramikroskopisch kleinen Teilchen erkannt werden. Die Wissenschaftler Siedentopf und Szigmondy hatten folgenden Versuch gemacht: sie erhitzten ein Stück farbloses, sehr langsam erkaltetes Rubinglas an einem Ende bis zum beginnenden Schmelzen, während das andere Ende kalt blieb. Am heißen Ende wurde das Glas leuchtend rot: die rote Farbe wurde nach dem kalten Ende hin schwächer, wie wir uns dies auch vorstellen würden. Der nicht erhitzte Teil blieb ganz farblos. Im Ultramikroskop zeigten sich im leuchtend roten Teil des Glases grünglänzende Teilchen in sehr kleinen Abständen; im schwach roten Teil konnte nur ein gleichmäßiger grüner Lichtkegel gesehen werden, der nach dem farblosen Ende hin schwächer wurde, beschrieb man damals etwa diesen Vorgang.

Als die Wissenschaftler einen Streifen als "schlecht"(schlecht, wie etwa das Glas von Sektgläsern, in denen die CO2-Perlen immer von den Unebenheiten aufsteigen ?) bezeichnetes Rubinglas in gleicher Weise erhitzten, färbte es sich am heißen Ende blau, nach dem kalten Ende hin nahm die Farbe ab, ging zunächst jedoch in violett, dann in hellrosa über, während das kalte Ende wieder farblos blieb. In diesem Teil zeigte das Ultramikroskop viel hellere und weiter voneinander entfernte Teilchen, die im blauen Glasteil kupferrot, dann gelb und dort, wo das Glas rosa erschien, grün glänzten. Diese verwickelten Erscheinungen wurden folgendermaßen gedeutet: Beim Abkühlen scheiden Goldteilchen aus, die zu klein sind, um das Glas zu färben. Diese sog. "Goldkeime" wachsen beim Wiedererhitzen und geben das schöne Rubinrot. Sie wachsen umso schneller, je heißer das Glas wird; deshalb sind bei gleicher Erhitzungsdauer an den am stärksten erhitzten Stellen die größten Goldteilchen zu finden. Diese Goldausscheidung kann solange andauern, bis die 'Übersättigung' für die betreffende Glassorte und Temperatur aufgehoben ist. Sog. kolorimetrische Versuche (Szigmondy, Zur Erkenntnis der Kolloide, Jena 1905) zeigten, daß im Rubinglas nur ein Teil des gesamten Goldes als färbender Bestandteil sichtbar ausgeschieden ist. Wird das rote Rubinglas bei Weißglut umgeschmolzen, so löst sich das Gold wieder und die Schmelze bleibt beim Erkalten farblos, kann durch Erwärmen aber wieder von neuem rot gefärbt werden.

Nach heutigem Forschungsstand wird als Grund für die Färbung eine Wechselwirkung zwischen dem einfallenden sichtbaren Licht mit den Goldpartikeln angenommen, als sog. Dichteschwankungen oder auch Plasmonen, die quantenmechanisch als sog. Quasiteilchen angesehen werden. Um die Grenzflächen der Goldpartikel bauen sich elektromagnetische Felder auf, in solchen Feldern wird auf die freien Elektronen des Metalls, dem sog. Elektronengas, eine Kraft ausgeübt, durch die die Elektronen an die Oberfläche gezogen werden und sich dort bis zur Feldfreiheit des Metalls verteilen. Unter bestimmten Bedingungen kann das elektromagnetische Gas oder Elektronennebel, der Goldpartikel in der Größe zwischen 20 und 100 nm in eine kollektive Schwingung versetzt werden, die den Frequenzbereichen bestimmter Lichtfarben entsprechen, die so absorbiert werden können und geheimnisvollerweise der Impuls der absorbierten Strahlung erhalten bleibt; daher können diese Plasmonen auch Licht emittieren. Auf sehr neuen Forschungsgebieten wird versucht, dieses Phänomen der Impulserhaltung für die Informationsübertragung per "Plasmonenleiter" zu nutzen. Solche Interpretationen waren zu Zeiten Szygmondis undenkbar.

 

Trotz der nun immer feineren optischen Bewaffnung und immer genaueren elektronischen Meßmöglichkeiten wissen wir bis heute jedoch nur, daß etwas geschieht und daß es tatsächlich, weil wiederholbar und mit Methodensystemen festgelegt und genutzt werden kann, auch existiert.

Deshalb lohnt es sich vielleicht, einmal ein längeres Zitat aus Schopenhauers Schrift "Über den Willen in der Natur"(Haffmans-Ausgabe Bd. 3, S.170) hier anzubringen: "Schon anders (als die mechanischen Wirkungen, H.M.Propolis) ist es, wenn wir auf der Stufenleiter der Erscheinungen uns irgend erheben. Erwärmung als Ursach, und Ausdehnung, Flüssigwerden, Verflüchtigung, oder Krystallisation, als Wirkung, sind nicht gleichartig: daher ist ihr kausaler Zusammenhang nicht verständlich. Die Faßlichkeit der Kausalität hat abgenommen: was durch eine mindere Wärme flüssig wurde, wird durch eine vermehrte verflüchtigt; was bei einer geringen Wärme krystallisiert, wird bei einer größeren geschmolzen. Wärme macht Wachs weich, Thon hart; Licht macht Wachs weiß, Chlorsilber schwarz. Wenn nun gar zwei Salze einander zersetzen, zwei neue sich bilden; so ist uns die Wahlverwandtschaft ein tiefes Geheimnis, und die Eigenschaften der zwei neuen Körper sind nicht die Vereinigung der Eigenschaften ihrer getrennten Bestandteile. Jedoch können wir der Zusammensetzung noch folgen und nachweisen, woraus die neuen Körper entstanden, können auch das Verbundene wieder trennen, dasselbe Quantum dabei herstellend. Also zwischen Ursach und Wirkung ist hier merkliche Heterogenität und Incommensurabilität eingetreten: die Kausalität ist geheimnisvoller geworden. Beides ist noch mehr der Fall, wenn wir die Wirkungen der Elektricität oder der Voltaischen Säule, vergleichen mit ihren Ursachen, mit Reibung des Glases, oder Aufschichtung und Oxydation der Platten. Hier verschwindet schon alle Aehnlichkeit zwischen Ursach und Wirkung: die Kausalität hüllt sich in dichten Schleier, welchen einigermaaßen zu lüften, Männer wie Davy, Ampere, Faraday mit größter Anstrengung sich bemüht haben. Bloß die Gesetze der Wirkungsart lassen sich ihr noch abmerken und auf ein Schema wie +E und -E, Mittheilung, Vertheilung, Schlag, Entzündung, Zersetzung, Laden, Isolirung, Entladen, elektrische Strömung u. dgl. bringen, auf welches wir die Wirkung zurückführen, auch sie beliebig leiten können: aber der Vorgang selbst bleibt ein Unbekanntes, ein x."

 

Kolloide in Milchglas, in Edelsteinen, Silberspiegeln, in der Keramik, Metalle

 

Auch mit Flußspat hergestelltes Milchglas soll Flourcalzium in kolloider Lösung enthalten, wofür spricht, daß einfallendes Licht durchgelassen wird, das Glas im auffallenden Licht trübe erscheint. Auch die durch Metalle erzeugten Glasurfarben der Keramik können wohl als kolloide Lösungen aufgefaßt werden. Eine ganze Reihe natürlicher wie künstlicher Edelsteine kann ebenfalls hierzu gezählt werden. Ähnlich wie beim Goldrubinglas ändert der Rubin beim Erwärmen die Farbe; beim Erhitzen wird er als Lösung von Chromoxyd in Tonerde grün, beim Erkalten wieder rot. Dem Saphir erteilt Kobaltoxyd seine schöne blaue Farbe. Auch in Metall-Legierungen treten kolloide Lösungen auf, die zB bei der Glühfadenherstellung aus Wolfram usw. benutzt werden bzw. wurden (ob der erbsenzählerische Effekt der Zwangseinführung sog. "Energiesparlampen", quecksilberbeladen und ohne kontrollierbares Entsorgungskonzept sich auch ökologisch auszahlt, sieht erst wieder die übernächste Generation).

 

Besonders in der Keramik ist die Gelbildung sehr augenfällig für die Nutzung bildsamer Massen. Das fast reine Aluminiumsilikat als Grundlage der Porzellanerde wird nach sorgfältiger Befreiung von gröberen Teilchen mit Magerungsmitteln wie Quarz und Feldspat vermischt, in Filterpressen von allem überschüssigen Wasser befreit und intensiv durchgeknetet. Diese Masse wird erst durch die längere Lagerung verarbeitungsfähig. Beim Lagern in feuchten Kellern - ähnlich werden die Polimentmassen für die Vergolder behandelt - wird die Porzellanmasse dunkel bis schwarz, entwickelt Gase von Kohlensäure, Ammoniak und Schwefelwasserstoff, die von sich zersaetzenden organischen Bestandteilen herrührern. Dieser Vorgang wird als Faulen, Rotten oder fachlich korrekter, als "Mauken" bezeichnet (sinnfällig hat der berliner Dialekt diesen Begriff für sehr lange ohne Unterbrechung getragene Herrensocken reserviert) und zieht sich mindestens über ein viertel Jahr hin, denn je länger die Masse fault, desto bildsamer wird sie. Deshalb ist es auch nicht ratsam für den Maler, tonhaltige Pigmente wie Ocker usw., längere Zeit in Wasser eingesumpft, ohne Konservierungsmittel stehen zu lassen. Der Erfolg dieses Maukens wird ebenfalls als Kolloidbildung verstanden, indem unter dem Einfluß des vorhandenen Alkalis eine Peptisation des ohnehin schon sehr bildsamen Materials stattfindet, weil durch die saure Gärung der organischen Bestandteile in der Masse das Alkali gebunden wird und zum Gerinnen der kolloiden Lösung führt. Das Gerinnen darf hier nicht als eine Art Koagulation verstanden werden - dies wäre das Gegenteil der Peptisation; es entsteht durch die Gärung eine gleichmäßig bildsame Masse, die zB. bei Porzellanprodukten für dünnwandigste Schalen, durch entsprechende Hohlformen u.ä. hergestellt, nicht zur Entmischung der schwereren Materie von der leichteren neigt. Bei Tonmassen verhält es sich ebenso. Überhaupt ist das Gebiet der Verwendung der verschiedenen Tonminerale, Schichtsilikate, Bentonite, Montmorillionite derart vielgestaltig aber nicht wirklich unübersichtlich, daher auch so interessant für alle, die sich mit Emulsion-, Filter-, Verdickungs- und Abdichtungstechniken bis hi in die Halbleiter- und sog. Nanotechnologien beschäftigen.

Für den Maler kann schon das einfachste aller Rezepte von Interesse sein: In eine Aufschlämmung von Bentonitpulver (welches in jedem "Garten-Center" zu finden ist) in Wasser kann Leinöl oder fertige Ölfarbe emulgiert werden. Wenn man bedenkt, daß Bentonit eine innere Oberflächenabwicklung von 400 m²/g aufweist, woran sich die Flüssigkeiten anhaften können, kann mit der Vereinfachung des Dispergierens der Öltropfen in der verdickten Flüssigkeit gern auch die etwas längere Trockenzeit der Farbe erkauft werden. Es können auch dieser Öl-in-Wasser-Dispersion (Ö/W) emulgierende Stoffe wie zB. Milch hinzugefügt werden. Der Nachteil dieser Art Dispersion gegenüber den echten Emulsionen aus Ei oder Kasein ist, daß der Ölanteil sich beim Malen auf ungrundiertem Papier etc. als ein durch das Absaugen entstehender Ölfleck bemerkbar machen würde. Als einfach anzuwendender Verdicker für Farben ganz allgemein, ist Bentonit in jedem Fall nicht das schlechteste Mittel, wenn es nicht auf außergewöhnliche Brillianz ankommt. Die Industrie verwendet entsprechend für Wasser oder Öl präparierte Bentonite in großen Mengen.

 

Kolloide im Zement

 

Nun spielt der kolloide Zustand im Zement überhaupt die Rolle, weswegen er benutzt wird. In seiner ersten, als Abbinden bezeichneten Erhärtungsstufe des Zements unter Wasseraunahme bildet sich kolloides Kalkhydrosilikat und -aluminat sowie kolloides Kalkhydrat. In dem gallertigen Zustand haben die sich allmählich ausbildenden Kristalle von Kalkhydrat und -aluminat den Raum für ihre Entwicklung. In ihrer Bildung und bei der recht schnellen Austrocknung sowohl durch Einschluß als Kristallwasser und Verdunstung wird das zunächst elastische Kolloid steinhart, indem der kolloide Kitt oder auch "Mineralleim" die Sand- und Kieskörner wie Kristalle miteinander verklebt, verkittet oder verbindet. Durch die dichte Schutzschicht wird das Armierungseisen in der Betonkonstruktion vor Korrosion geschützt. Die Nachhärtung innerhalb mehrerer Jahre beruht auf der allmählichen Abgabe des Quellungswassers, dem fortschreitenden Auskristallisieren von Kalkhydrat, der weiteren Bindung in Kristallwasser, der Verhärtung der Kolloide.

Durch die gallertigen Kalkhydrosilikate und -aluminate, welche wasserundurchlässig sind, werden auch gröbere Zementkörnchen vor der Wasseraufnahme geschützt, dies oft in so hohem Maße, daß jahrelang unter Wasser gehärteter Zementmörtel, wird er wieder pulverisiert, von neuem erhärten kann. Dies umso mehr, je gröber die Teilchen gewesen sind. Es wirken also bei der Zementerhärtung die Vereinigung der Kolloide und der kristallinen Substanzen. Schüttelt man etwas Zement mit Wasser auf, so gehen Kalk und Tonerde in Lösung. Wird diese Lösung dialysiert, so ist im Dialysat nur Kalk, keine Tonerde. Man kann diesen Vorgang durch Zusatz einer 2%igen Gelatinelösung verlangsamen und dann nach Eintrocknen dieses Präparat in Wasser einlegen. Nach einem Tag ist das Zementkorn von Wasser oberflächlich angegriffen - es sind jedoch keine Kristalle zu sehen: der Kalk ist größtenteils hinausdiffundiert, während Tonerde und andere Kolloide zurückgehalten sind. Nach weiteren 4 Tagen im Wasser haben sich um das Zementkorn herum zahlreiche Kristalle von Kalkhydrat und -karbonat gebildet und angelagert. Bei völligem Luftabschluß kristallisiert Kalkhydrat statt -karbonat nur aus. Beim Abbinden umgibt sich das Zementkorn also mit einem schmalen kolloiden Saum. Beim Erhärten eines Zementblocks bilden sich Kristalle (Kalkkarbonat und -hydrat, Aluminate und Silikate), und zwar in Innern hauptsächlich Kalkhydrat, auf der Außenseite -karbonat, was dazu führt, daß, wenn Betonblöcke im Meerwasser erhärten, von den Kolloiden die schädlichen Magnesiumsalze in diesem Wasser nicht durchgelassen werden. Aufgrund welcher genauen chemoelektrischen, kristallographischen, auch physikalischen Prozesse diese Erhärtung sich in wissenschaftlicher Sprache ausgedrückt, vollzieht, können wir mit unseren Mitteln nicht darstellen. Es wäre selbstverständlich interessant zu wissen, auf welche weise und unter welchen Gesetzen sich die Kristallentwicklung vollzieht, wie und warum so ein Kristall immer in dieselbe Form wächst, doch der Sinn dieses Beitrags, die kolloide Masse in ihrem Entwicklungsprozeß bildhaft als ein Beispiel, gerade durch die Starrheit von Beton, auf dem Weg durch die verschiedenen Aggregatzustände vorzustellen, mag erreicht sein. Die alten Römer nutzten bekanntlich bei ihren Bauwerken den Zement schon sehr ausgiebig, ohne die genaueren chem. Prozesse der Herstellung zu kennen. Auch beherrschten sie die Kunst der Herstellung des Goldrubinglases in weit höherer Perfektion als es heute der Fall ist; erst der Alchimist Kunckel, 1638 bis 1703 "erfand", neben vielen anderen Dingen im Verlaufe seines Lebens als Goldmacher, das Rubinglas noch einmal. Die meisten Verarbeitungsrezepturen der Römer sind heute nicht mehr bekannt; obgleich alles bis ins letzte analysiert ist, suchte man trotzdem bisher vergeblich nach den echten Rezepturen.

 

Kitte und Leime

 

Auch hierbei werden die kolloiden Eigenschaften genutzt. Während sich beim Löten das flüssige Lot mit den zwei zu verbindenden Metallflächen legiert, wird beim Leimen eine mehr oder weniger innige Verflechtung zweier Zellengefüge bewirkt. Beim Verleimen von Materialien mit Zellaufbau wie Holz usw, dringt der Leim in die jeweiligen Poren ein und vereinigt beim Erstarren die Stücke mit derart großer Kraft, daß sie kaum ohne Beschädigung voneinander getrennt werden können. Allein durch Wiederaufquellen des Zellgefüges der Leimsubstanz vermindert sich die Klebkraft. Beim Kleben von oder auf glatten Flächen von Metall oder Glas füllt der Leim die feinsten Unebenheiten aus, die mit dem bloßen Auge nicht erkennbar sein müssen. Würde die Klebkraft sich durch die reine Adhäsion äußern, daß also alle Luft zwischen den zwei verleimten Flächen verdrängt würde, müßte der Leim am besten verbinden, solange er noch feucht wäre, während doch alle Klebstoffe erst nach dem Trocknen richtig gut binden. Zum weiteren könnte die Klebkraft des feuchten Leims ohnehin nicht größer sein, als es dem Luftdruck von einem Kg/cm² entspricht, während der getrocknete gute Glutinleim bzw. Tischlerleim die Klebfestigkeit von bis zu 150 Kg/cm² entwickelt. Dies sollte ein gutes Beispiel für die Festigkeit eines kolloiden Zellaufbaus sein.

Mit diesem Zellaufbau ist auch eine eigentümliche Porösität verbunden, vermöge derer die kolloiden Substanzen große Flüssigkeitsmengen aufzunehmen in der Lage sind, und dies meist, indem sie weit über ihr ursprüngliches Porenvolumen hinaus quellen können.

Ob nun natürlich gewachsene organische Zellaufbauten wie die Knorpelmassen der Gelenke, Bindegewebe, Holz, Zellulose, Baumwolle, Gummen und Polysacharide wie Traganth, Agar, gummi arabicum, alle Harze, auch Kautschuk und Shellack, Eiweißkörper aus Milch, Kasein, Ei, Albumine auch aus Blut oder die aus dem Glutin hergestellten Leime, wie Gelatine, Hasen-, Haut- und Knochenleim, diversen Äthyl-, Methyl-, Caboxy, Hydroxy- und andere Zellulosen, auch aus Baumwoll-Linters die sog. "Schießbaumwolle" oder Zelluloid sowie Lacke aus Cellulosenitrat (Nitrolacke), stellen all diese kompliziert aufgebauten Stoffe an bestimmten Punkten ihrer Entwicklung kolloide Systeme dar, deretwegen sie uns durch den Gebrauch bekannt und wir sie verwenden können. Auch die trocknenden Öle werden als kolloide Systeme betrachtet; mit diesen beschäftigen wir uns an anderer Stelle eingehender als hier.

Aufgrund der Arbeiten des eingangs erwähnten Th. Graham, 1861, insbesondere nach Th. Svedberg, stellt praktisch jeder Grad der Verteilung einer Lösung, bei welcher das Vorhandensein disperser Teilchen nur ultramikroskopisch erkennbar ist, eine kolloide Zustandsform dar. Nach W. Ostwald kann prinzipiell jeder Stoff bei geeigneter Behandlung diesen besonderen Zustand in den für den jeweiligen Stoff spezifischen Teilchengestalten annehmen - die sehr vielgestaltig sein können: faden-, kugel-, stäbchen-, röhrenförmig, gefaltet usw., usf.

 

Kolloide als Filter

 

Gerade der zellige Aufbau der Gele ermöglicht ihre Verwendung als poröse Scheidewände, auch "Diaphragmen" genannt - und als Filter. Wasser und in Wasser gelöste Stoffe wandern problemlos durch die Poren oder besser durch die Flüssigkeit selbst, die zwischen den Zellwänden der Gele liegt. Kolloide hingegen werden nur sehr langsam oder nicht hindurchgelassen. Die Zellwände der Pflanzen stellen in der Natur solche Filtersysteme dar. Bei sehr vielen von uns täglich praktizierten selbstverständlichen Verrichtungen nitzen wir diese Eigenschaften. Ob nun beim Tee- oder Kaffeekochen, von welchen Techniken sehr viele Zubereitungsbeispiele für die Freisetzung der gewünschten Inhaltsstoffe bekannt sind oder in der Industrie, die die Undurchlässigkeit für die kolloiden Zellsäfte sowie die Membranen der Zellwände nutzt, durch Auslaugen z.B. der Rüben, den Zucker freizusetzen. Oder die Durchlässigkeit solcher Diaphragmen wird bisweilen in Akkumulatoren genutzt, indem Sulfitzellulosepappe mit Harz getränkt sich derart mit Schwefelsäure vollsaugen kann, daß sie den elektr. Strom gut leitet, obwohl das Harz selbst nicht leitfähig ist.

Die Größe dieser Filter bedingt natürlich entsprechend die Größe der durchzulassenden Teilchen der Kolloide; so entwickelten sich Techniken, mit denen man Gemische verschiedener Kolloide fraktioniert filtern kann. Beispielsweise in der Bierbrauerei: der mit Hopfen versetzte und stundenlang gekochte Malzextrakt scheidet im Kühlbottich als Bodensatz das sog. "Kühlgeläger" aus, welches großenteils koaguliertes Eiweiß ist. Diese Masse läßt sich noch gut durch Leinentücher filtrieren. Das beim Reifen des Biers absitzende "Faßgeläger" hingegen hat derart feine Teilchen, daß sie nicht durch die Maschen eines Tuchs gefiltert werden können. Wenn jedoch das Bier durch den Leinenfilter, der mit dem Kühlgeläger beladen ist, gepreßt wird, erhält man ein klares Produkt. Hier dient die kolloide Eiweißmasse selbst als Filter. Überhaut werden die Leime vielfach als Filterkolloide eingesetzt, ob nun in der chem. Textilreinigung, indem die Schmutzpartikel in der Leimflotte festgehalten, die Lösungsmittel eher durchgelassen werden, wie bei der Klärung von Schnäpsen: die Russen verwenden zur Klärung ihrer besten Wodkasorten den Hausenblasenleim; für die weniger guten reicht die Gelatine aus.

Indessen wäre es allerdings zu einfach, die Filtration nur als eine Art von Durchsieben zu verstehen. Vielmehr geht mit der auf der zelligen Struktur der Leime beruhenden Eigenschaft der riesigen Oberflächenentwicklung eine andere Qualität einher: die Qualität der

 

Adsorptionsfähigkeit.

 

Es meint die Kraft, die an der Oberfläche vieler Stoffe Flüssigkeiten, Gase, auch fein verteilte feste Substanzen festhalten kann. Dieses Adsorptionsvermögen wächst mit der Größe der Oberfläche und ist abhängig sowohl von den Eigenschaften der adsorbierenden wie der adsorbierten Materie. Wenn sogar glatte Glasscheiben in nicht unbeträchtlichem Maße von Gasen und Wasser bedeckt sein können und restlos nur durch langes Erwärmen im luftleeren Raum ganz davon zu befreien sind, dann ist verständlich, daß von Kolloiden am stärksten wieder Kolloide adsorbiert werden. In den kolloidchemischen Untersuchungen des kolloidalen Goldes von Szigmondy konnte gezeigt werden, daß die ultramikroskopischen Goldteilchen von den verwendeten Filtern wohl festgehalten wurden, indem jedoch Hühnereiweiß und andere Schutzkolloide dem Goldhydrosol zugesetzt wurden, gingen diese Goldteilchen gänzlich durch Filter hindurch, in denen sogar Fermente und Toxine gebunden werden konnten.

Auch bei der Bildung von Farblacken, also dem Niederschlagen oder der Ausfällung von Farbstoffen auf Tonerdegele, wie bei den Rezepten zur Herstellung von Lacken, indem die Farbstofflösung mit der Alaunlösung gemischt und dann mit Soda das Tonerdehydrat, das den Farbstoff an sich bindet, ausgefällt wird, wird mitunter noch als eine stabile chem. Verbindung erklärt, während es sich hauptsächlich wohl um Adsorption handelt.

Sogar die Verwendung des besprochenen Ultramarins als Wäscheblau kann zurückgeführt werden auf die kolloiden Eigenschaften des Pigments, dessen tiefblaue "Lösung" in Wasser dem Auge völlig klar erscheint, sich wochen-, ja monatelang absetzt, durch Papier sich hindurch filtrieren läßt und die Teilchen noch verhältnismäßig "grob", indem sie im Mikroskop bei 1.200facher Vergrößerung schon zu erkennen sind. Die damit zu färbenden Fasern jedoch, mit ihrem Zellaufbau, die gedämpft, alkalisch aufgeschlossen, mechanisch gewalkt werden, gehenselbst in einen "gallertartigen" Zustand über, sodaß die Partikel zuerst in die gequollene Faser hineinandern können und dann sowohl durch koagulation und/oder chem. Reaktion sich dort verankern. Die Wissenschaftler Zacharias sowie Biltz, Justin-Müller und Fröhlich haben vor langer Zeit schon Färbeversuche untersucht und sowohl festgestellt, daß sich die Textilfasern selbst wie Gele verhalten, und sie haben Gesetzmäßigkeiten der Adsorption aufgezeigt, indem sie nachwiesen, daß von den Gespinstfasern aus verdünnten Farbstofflösungen verhältnismäßig mehr Farbstoff aufgenommen werden kann, als aus konzentrierten Lösungen, die Fasern auch durch ein anorganisches Kolloid wie Tonerdehydrat ersetzt werden können, ohne daß die Adsorption sich quantitativ verändert. Sie wiesen nach, daß sich zwischen adsorbierender Substanz und Farbstofflösung jeweils ein bestimmtes Gleichgewicht herstellt. Die adsorbierte Menge Farbstoff steht zu der Lösungskonzentration in einer Beziehung, die jeweils von den beiden beteiligten Komponenten abhängt. Jedem/r, der/die schon einmal Holzarbeiten im Tränkverfahren mit Farbstoffbeizen bearbeitet hat, ist, wenn auch nicht direkt bewußt geworden, dies Phänomen bekannt: wie konzentriert auch immer die Farbstofflösung war, es wollte nicht gelber, roter oder blauer werden...

Dasselbe Prinzip gilt auch beim Färben von Wolle, Textilien usf.; den durch Alkalien und Dämpfen aufgequollenen Textilfasern können allerdings beträchtliche Mengen Tonerde angehaftet werden, sodaß die Gewebe nicht nur schwerer werden, sondern auch mehr Farbstoff aufnehmen können. Am meisten Tonerde kann die Seide aufnehmen, weswegen Seidengewebe oft noch nach Gewicht gehandelt werden; es kann sich hier durchaus um 50% des Gewichts der reinen Seide handeln. Auch haben sich im Mittelalter Techniken entwickelt, sog, Saftfarben, das sind nicht verlackte Farbauszüge, von Textilien aufsaugen zu lassen, auf diese Weise zu trocknen und bei Gebrauch ein Stückchen des Textils in Wasser einzuweichen, um den Farbstoff wieder für Malzwecke zur Verfügung zu haben. Es handelte sich um sog. "Tüchleinfarben", eine kluge Konservierungsmethode, ebenso wie die mit Mehl versetzten Auszüge, die getrocknet, ähnlich den heutigen Aquarellnäpfchen, lange konserviert werden konnten.

Die Gewinnung der Farbstoffe selbst aus den entsprechenden Pflanzen vollzieht sich auf die umgekehrte Weise, indem diese aus den zerkleinerten Pflanzenteilen ausgelaugt, durch saure oder basische Fällungsmittel von den auslaugenden Flüssigkeiten abgetrennt und filtriert, getrocknet, wieder mit anderen Bindemitteln versehen, neuer Verwendung, z.B. in der Malerei zugeführt werden können.

Am Beispiel der Krapplackgewinnung aus der Wurzel sei dieses Prinzip hier dargestellt:

1. Aufquellen der gemahlenen Wurzeln durch Wasser, am besten destilliert und das Ganze nicht in eisernen Gefäßen anzusetzen, wenn man sicher sein will, daß es kein Eisen enthält, weil, Eisen verdunkelt und schwärzt. Die Aufquellzeiten sind variabel, ebenso die Verhältnisse der Mengen von Auszugswasser und Wurzeln. Auch die Wassertemperaturen sind variabel, sollen jedoch nach allen Rezepten nicht die Kochtemperatur erreichen. Ein mittlerer Wert von 60-70°C scheint am besten zu sein. Einige Rezepte schreiben für den Auszug den Zusatz von Alkali, Pottasche z.B., andere den Zusatz von Alaun vor. Die Rezepte mit dem Alaunauszug überwiegen. Da diese Chemikalien sich gegenseitig ausfällen, kann der wässerige Auszug mit Pottasche oder Alaun vorgenommen werden.

Die Frage ist nur, welche Inhaltsstoffe aus der Krappwurzel sollen zuerst gewonnen werden ? Wann und unter welcher Methode werden zuerst oder zuletzt die vielfältigen Inhaltsstoffe oder Farbkomplexe freigesetzt ? Mindestens über 20 Anthrachinonderivate, wie Purpurin, Xanthopurpurin, Pseudopurpurin, Munjistin, unterschiedlichste Hydroxyanthrachinone, aus den sog. O-Glycosiden und zusätzlichen Carbonsäuregruppen bilden ein unübersehbares und letztlich aus dem Naturmaterial kaum heraustrennbares Gewirr farbgebender Substanzen, deren Nutzung, wie oben beschrieben, durch die individuelle Änderung der Variablen Auslaugtemperatur, -zeit und manchmal auch einiger Zusätze, wie Hefe, Bier, Urin, also auch mithilfe eines Gärungsprozesses, verdünnter Schwefelsäuure, dem Kaliumaluminiumsulfat (Alaun) oder Kaliumcarbonat (Pottasche), erschlossen werden kann. Da die Qualitäten der am Ende erhofften Pigmente ohnehin von den veränderlichen Inhalten des Pflanzenmaterials abhängen, sind eigene Versuche, die zu individuellen Rezepturen führen, nicht zu umgehen.

Es ist dies aber doch ein einfacher Prozeß, bei dem kaum Chemiekenntnisse gebraucht werden.

2. Das Filtrieren des ausgezogenen Farbstoffs durch entsprechende Materialien, um zu einer möglichst klaren Farbstofflösung zu kommen, sollte nicht allein möglichst klare Lösungen der ausgezogenen Farbstoffe hervorbringen; die Auszüge können auch, fraktioniert nach Auszugsdauer und solange, wie sich jeweils Farbstoff löst, wiederholt werden und jedesmal kann eine andere Farbstoff- und letztlich Pigmentqualität erzielt werden. Auch diese Vorgänge, wenn systematisiert, lassen erkennen, warum es so viele verwirrende Vorschriften für die Krapplackherstellung gibt.

3. Das Niederschlagen, Verlacken des Farbstoffs; Filtrieren und Trocknen.

Bei der Verlackung werden die löslichen Farbstoffe durch die Verbindung mit den Metallsalzen des Fällungsmittels unlöslich, indem durch Adsorption der Farbstoff an das Trägermaterial fest angebunden oder -gelagert wird. Gibt man der Lösung oder schon beim Auszug des Farbstoffs das saure Metallsalz Alaun/Kaliumaluminiumsulfat hinzu, ist noch keine Fällungsreaktion möglich. Erst bei Zusatz der Pottasche stellt diese, ebenfalls gelöst im Wasser, dem Alaun seine freien Elektronen für die Komplexbildung mit dem Farbstoff zur Verfügung. Die Lösung der beiden Salze in Wasser ist die Voraussetzung, wodurch die Ionen beweglich werden und nun der Gesetzmäßigkeit entsprechend die Aluminiumionen die Verbindung mit den Carbonationen unter Beteiligung der Wassermoleküle eingehen. Es kommt zum Aufschäumen, CO2 entweicht. Der Farbstoffkomplex gibt an die Aluminiumionen Wasserstoffkationen ab, aus dieser basischen Reaktion fällt gelförmiges Aluminiumhydroxyd aus, in das der Farbstoffkomplex unlöslich adsorbiert wird. Das verlackte Pigment kann nun vom nicht mehr gebrauchten Wasser getrennt werden. Der Niederschlag sollte mehrfach mit demineralisiertem Wasser gewaschen und entsprechend gefiltert und getrocknet werden.

Dem Leser stellt sich sicherlich nun die Frage nach den Mengen der benötigten Metallsalze für die Einstellung der richtigen pH-Werte, die den Fällungsprozeß ermöglichen. Wenn 100g gemahlene Krappwurzeln in 1,5 Lit. destilliertem Wasser extrahiert und filtriert werden, die filtrierte Lösung etwa einen Lit. ergibt, kann ca. 1 Kg Alaun, in kochendem Wasser gelöst, entweder schon zum Wurzelmaterial oder der Lösung hinzugegeben werden; das ist von den eigenen Versuchen abhängig. Das Ausfällen des Farbstoffs aus der filtrierten Lösung mit etwa 15%iger Pottaschelösung in gleicher Wassermenge wie oben, kann dann beobachtet werden, indem sich in der Auszugslösung die verlackten Farbstoffe als Flocken niederschlagen. Danach wird der Niederschlag gefiltert, gewaschen, getrocknet.

 

Nach einem anderen Rezept kann das pulverisierte Wurzelmaterial zuerst mit verdünnter Schwefelsäure ausgezogen werden, dann wird filtriert, der Auszug auf 60° C erwärmt...

 

 

 

wird fortgesetzt