Statt eines Morgenständchens: Sonne auf dem Huckebein.
Es ist doch stark zu hoffen, dass sich die Deutsche Post nicht an dieser Quintessenz von Wilhelm Buschs Rabengeschichte inspirieren ließ, als sie bei Motivwahl für die Jugendmarken des Jahres 2007 genau auf Hans Huckbein zurückgriff. Mitunter, wenn die Ansichtskarten und die auf ihnen befindlichen Briefmarken wieder besonders zerrupft im Briefkasten des Empfängers liegen, wittern bekanntlich so manche Philatelisten gar einen systematischen Affront gegen ihre Subkultur. Die Realisten unter denen, die Poststücke auch mal um ihrer selbst willen und nicht nur aufgrund der Botschaft lieben, wissen natürlich, dass zwar System aber nicht Affront hinter abgerissenen Eckrändern steckt. Die Philatelie ist nicht gerade der zentrale Geschäftszweig der Deutschen Post AG, sondern eine feine und halbwegs gehegte Einnahmequelle, die insgesamt aber mit dem Tagesgeschäft wenig zu tun hat. In diesem geht es darum, möglichst viele Sendungen in möglichst kurzer Zeit durch die Republik zu schleusen und dabei kann man nicht allzu zimperlich sein. Wer einmal beobachtet hat, wie der Kasten an der Ecke von einem gerade einmal kurz abbremsenden Subunternehmer ausgeleert wird, versteht die Bedeutung des Hinweises „Bitte nicht knicken!“ und zugleich, warum die Anbringung eines solchen dann zwecklos ist, wenn man die Sendung nicht zum Schaltern sondern bloß zum Einwurfschlitz bringt.
Auch die Stempelung des einzigartigen und einzigartig schönen Hans-Huckebein-Blocks sollte man, wenn man denn etwas zum mit der Wertstufe drei Euro verschicken findet, einer Fachkraft am Schalter und nicht der Stempelmaschine im zuständigen Briefzentrum überlassen. Das zeigt die Erfahrung aus mehreren Anläufen. Der wohlwissende Briefsender sorgt dabei dahingehend für solche Testläufe vor, dass er sich mit Schmuckstückchen wie diesem reichlich eindeckt. Dann kann auch mal ein Stempel daneben oder eine Sendung verlustig gehen. Ich nehme mir jedenfalls immer einen Block mit, wenn mir einer begegnet, lasse ihn dann manchmal einfach wieder liegen und so war es mir heute vergönnt, dass ich auf dem Sekretär, an dem ich nächtens Briefe schreibe, des morgens plötzlich und unerwartet eine herbstsonniges Schattenspiel erleben durfte, dass vielleicht nicht sehr ungewöhnlich ist, den Huckebein Hans aber in eine ganz warmes Licht setzt, auf dem ich leichten Herzens durch den restlichen Montag reiten konnte. Das ist nicht wenig und mehr als dieses Gran Fröhlichkeit aus einem zufälligen Zusammentreffen zum Tagesbeginn soll dieser Text auch gar nicht transportieren:
Sowjettourismus 1966: Das Hotel Itkol im Kaukasus
Im aktuellen Beitrag des Soviet Postcards Weblog fällt ein Element unter den Tisch: Die Briefmarke auf der dritten vorgestellten Ansichtskarte des Moskauer Schwimmbads. Während bei der Karte noch über die Jahreszeit mutmaßt, positioniert sich die Briefmarke eindeutig in der Winterzeit. Bei der Höhenlage nahe des Elbrus verwundert das nicht: das Hotel Itkol (Иткол) ist in ca. 2000 Meter über dem Meeresspiegel im Skigebiet des Cheget (Чегет) mitten im Kaukasus gelegen, dessen Gipfel sich immerhin auf 3650 Meter hochkämpft. Die Darstellung auf der Briefmarke gibt dies nur bedingt in passender Relation wieder. Der комплекс ist in etwa dort gelegen, wo man tatsächlich auch heute noch vom Ende der Welt spricht. Dass sich das architektonisch im funktionalen Stil der 1960er mit der kleinen Extravaganz des Berghütten referenzierenden Beibaus erbauten Hotelkomplexes auf einer Briefmarke findet, lässt durchaus darauf hindeuten, dass die Sowjetunion in den 1960er Jahren ganz international ausgerichtet auch die Stilistik des damaligen Reisenkonsumkultur aufgriff. Ausgegeben wurde die Marke am 20. Juli 1966 in einem Satz zum Thema Feriengebiete.
Überhaupt ist das Ausgabeprogramm des Jahres 1966 sehr weitgefächert und eines eigenen Beitrags wert. Im Zentrum stehen die Internationalisierung, der technische Fortschritt, ruhmreiche Militärgeschichte, etwas Kulturgut, viel Raumfahrt und eine große Kiste des allgemeinen Symbolschatzes der Sowjetpolitik.
Im Januar begann man mit einem Satz zu Internationalen Kongressen, die in diesem Jahr in der Sowjetunion stattfinden sollten (z.B. dem 13. Internationalen Geflügelzuchtkongress in Kiev). Weiterhin gab es zwei Marken zum 200jährigen Bestehen der Dimitroff Porzellanfabrik und eine zur Würdigung des französischen Schriftstellers und Nobelpreisträgers Romain Rolland. Ende Januar (Am 31sten) wurde das 20jährigen Bestehen eines Freundschaftsvertrags zwischen der UDSSR und der Mongolei mit einer in der passenden Ornamentik gehaltenen Marke begangen, wobei die dort abgebildete Reiterfigur am 05. Februar mit der Ausgabe zur ersten weichen Landung auf dem Mond – nämlich der von Luna 9 im Oceanus Procellarum (leider nicht passend: Porcellanum) – (stattgefunden am 03. Februar 1966) kontrastiert wird. Da war er also wieder, der sowjetische Vorsprung im Wettlauf ins All.
Expeditionen gab es auch auf der Erde zu feriern und zwar neun Tage später mit den dreieckigen Sonderausgaben zu den sowjetischen Antarktisexpeditionen. Auch hier wurde Terra Incognita erobert, z.B. mit eine Reihe von Forschungsstationen im ewigen Eis – und die Eroberung postalisch aufbereitet. Damit man aber nicht vergaß, wen man diesen Fortschritt verdankt, gab es kurz darauf die obligatorische Lenin-Briefmarke, diesmal zum 96ten Geburtstag, sowie einen Satz mit militärischen „Helden der Sowjetunion“. Auch der 23ste Kongress der KPdSU, bei dem man unter dem Generalsekretär Leonid Breschnew zu einer härteren Gangart zurückfand, erhielt pünktlich zur Eröffnung am 29.02. seine Sondermarke. Zu seinem Ausklang im März erschien dann noch ein rot-silberner Gedenkblock in klassischem sozialistischen Repräsentationsdesign. Zwei weitere Marken im Februar würdigten Kinofilme. Als gestalterisch interessanter präsentiert sich die Sonderausgabe zur Ständigen Versammlung der All-Unionsphilatelisten, die die Allunionsausstellung und Lenin schön aufeinander blendet. Die Dreieckformkehrte kehren zur Emission anlässlich der Winterspartakiade in Sverdlovsk wieder, der Satz zu den zeitgenössischen Verkehrsmitteln und -wegen erscheint dagegen wieder in schlichter rechteckiger Einfachheit.
Was gab es noch im ersten Quartal 1966 zu feiern und mit Briefmarken zu bedenken? Da wäre der 40ste Jahrestag der ASSR Kirgisien, die tiefrot das Sowjetgebäude in der Hauptstadt Frunse (heute Bischkek) mit orientalisierender Rahmung zeigt. Ebenfalls gewürdigt wird Sergei Kirow, dessen Ermordung im Dezember 1934 als der Startschuß für das politische Säuberungswüten Stalins gilt. An seiner Seite gedachte man 1966 philatelistisch Grigori Ordschonikidse, einst Volkskommissar für Schwerindustrie, im Februar 1937 tot in seiner Wohnung im Kreml aufgefunden wurde, was damals die ganze Sowjetunion erschütterte. Offiziell wurde sein (wahrscheinlicher) Selbstmord in einen Herzinfarkt umgedeutet und auf dem Titelfoto der Pravda, das den aufgebahrten Ordschonikidse umringt von Stalin, Molotow, etc. zeigt, ist die Schussverletzung, mit der er wohl gefunden wurde, auch nicht zu sehen. Den Oktoberevolutionär und 1937 im allgemeinen Furor mitsamt Frau und Verwandschaft exekutierten Iona Jakir gab es als dritten im Bunde am Briefmarkenschalter.
Nach drei Opfern der 1930er Jahre feierte man am 30 .März vier sowjetische Naturwissenschaftler aus den boomenden Disziplinen Mineralogie, Mikrobiologie, Physik und natürlich Polarforschung. Da Luna 10 mittlerweile auch im Orbit war, gab es Anfang April die nächste Raumfahrtausgaben. Die restlichen Ausgaben (inklusive einer zu Ehren Ernst Thälmanns und einer zu Ehren Wilhelm Piecks sowie zum Sieg des sowjetischen Eishockey Nationalteams bei der Weltmeisterschaft in Ljubljana müssen allerdings aus Zeitgründen ein anderes Mal referiert werden. Wie gesagt: In ihrer Spannung und ihrem Aufschlußreichtum ähnelt die sowjetische Philateliegeschichte durchaus der Ansichtskartenhistorie.
Jetzt soll jedoch der Blick noch einmal zurück auf die schönen Tourismus-Marke fallen, auf der die Kiefern und mehr noch die Limousine – schätzungsweise ein Tschaika GAZ 14 – begeistern.
Vorder- und Rückseite der Ansichtskarte, die von Moskau nach Prag 9 (Vysočany), also an östlichen Stadtrand, in eine kleine Straße namens Zbuzkova unweit der dortigen Bahnstation lief, sind auf sovietpostcards abgebildet. Eine händische Datierung ist auf die Karte nicht aufgebracht, der – leider etwas verschmierte – Poststempel datiert auf den 04.10.1966. Die Stempelung erfolgte in Moskau und umfasst neben dem Ortsstempel auch einen Beistempel „международные“ = international. Vielmehr lässt sich auf die Schnelle nicht ablesen und somit soll es mit dieser kurzen Betrachtung auch genug sein.
Le Pont und Geneve: Zwei schöne Stempel aus der Schweiz.
Man kann Jura auch einzig vor dem Hintergrund der Gesetze der Natur studieren. Beispielsweise wenn man ins Vallée de Joux reist, im winzigen Weiler Le Pont am Ufer des Lac de Joux eventuell kurz im Restaurant du Lac einkehren und dort von der Freiterrasse aus den Enten zuschauen, wie sie um das Ruderboot, das auf dem schmalen Uferstreifen liegt, herumwatscheln. Nebenbei lässt sich gut eine Ansichtskarte schreiben, mit der 1,30 Franken-Marke aus dem am 08. Mai ausgegebenen Satz „Alte Bäume“ frankieren und die mit der Trauerweise beklebte Karte dann vielleicht hundert Meter weiter gleich hinter der Boulangerie in den etwas angestoßenen Briefkasten werfen. Im Ergebnis wird die Karte sehr schön gestempelt und ins ferne Deutschland befördert, auf dass sich der Empfänger an diesem Anblick erfreut:
Die Marke folgt dabei einem Gemälde des Künstlers Reinhard Fluri aus der nun wirklich winzligen Gemeinde Halten SO, also im Kanton Solothurn gelegen, die mit einem schönen ritterlichen Wohnturm aufwartet, in dem sich das Heimatmuseum des Bezirks Wasseramt befindet. Wer sich intensiver mit der helvetischen Philatelie der letzten Jahre befasst, dem dürfte Reinhard Fluri als Gestalter schon öfter begegnet sein, so beispielsweise bei den Märchenmarken aus dem Jahr 2007. Am obigen Beispiel freut man sich aber fast mehr über die im Vergleich zum deutschen Postalltag sehr sorgfältige Stempelung, wobei der Stempel mit einem wunderbaren Regionalbezug aufwartet und das Tal schmuck würdigt. Ortsname, Postleitzahl, Datum – alles gut lesbar. Selbiges gilt auch für die Stempelung eines Grußes, der aus dem vielleicht 70 Kilometer von Le Pont gelegenen Genf.
Die selbstklebende Briefmarke aus der Dauerserie Einheimische Vögel zeigt den Steinrötel (Monticola saxatilis). Der Erstverwendung der Marke mit dem blauköpfigen Vogel, der einst auch Pfälzische Weinberge bevölkerte, mittlerweile aber leider aus Deutschland so gut wie verschwunden ist, fiel auf den 08. Mai 2008. Wenn man die hier aufgebrachte Stempelung betrachtet, fühlt man sich besonders angesichts der Tatsache berührt, dass der erste Schweizer Poststempel vor 320 Jahren (also 1689) ebenfalls in Geneve auf eine Sendung gedrückt wurde.
So liegt nun die Ausbeute dieses Briefmarkentages auf dem Tisch und stimmt fröhlich für den Abend, der auch die Kolorierung der mangels Scanner nur abfotografierten Poststücke dominiert.
Die Post im P+. Der aktuelle Lektüretipp.
„Die Post ist da!“ – Jawohl, und zwar in einem sehr schönen und lesenswerten und bisher nirgends online auffindbaren Artikel in der aktuellen Ausgabe der zumeist ganz wunderbaren Zeitschrift P+. Im Magazin aus der Mitte Europas – so der Zusatz zum Zeitschriftentitel – beschreibt die Autorin Maria Luft einerseits einen kürzestgeschichtlichen Abriss der europäischen Postgeschichte, den all diejenigen lesen sollten, die binnen 10 Minuten verstehen wollen, warum die Postbeförderung so aussieht, wie sie eben bis heute aussieht. Und sie formuliert punktgenau, warum die physische Postsendung auch heute noch fasziniert:
„Postkarten haben oft einen langen Weg hinter sich, wurden gekauft, geschrieben, frankiert, abgeschickt. Sie sind durch viele Hände gegangen, haben mehrfach Grenzen passiert und das Transportmittel gewechselt. Zuhause bei uns kommen sie an die Pinnwand oder liegen herum, bis sie im Papierkorb landen – oder vielleicht doch in einer Sammlung? Jemand hat auf der anderen Seite der Erde oder sonst wo an uns gedacht: Das allein ist eine angenehme Vorstellung, Freude, auch Trost – und die Karte mit der Ansicht, Adresse, Briefmarke und Stempeln fast ein historisches Dokument.“
Oft subjektiv und mitunter auch objektiv nicht nur fast. Das kleine Hohelied auf die Postkarte im Zeitalter der elektronischen Nachrichtenübermittlung zählt jedenfalls zu einem schönsten Texte über die Briefkultur, die einem dieses Jahr publiziert wurden. (Luft, Maria: Da geht die Post ab! Über das Europäische Postwesen. In: P+. 10/2009. S. 88-90. )
Sonderbriefmarke – Hans Leip (1993)
Hans Leip, den mancher auch unter dem Pseudonym Li-Shan Pe und manch anderer überhaupt nicht kennt, war Seemannsohn, Füsilier im I. Weltkrieg (allerdings mit anderer Bewaffnung, als der Name vermutet lässt) und – so die Sage – bekannt mit Sigmund Freuds Nichte Lilly Marlé, dazu obendrein verliebt in eine Gemüsefrau namens Lili und gleichzeitig in die Krankenschwester eines Militärkrankenhauses, die auf den Namen Marleen hörte. Damit zeichnet er in jeder Hinsicht authentisch für die berühmten sehnsüchtigen Zeilen über kleen (Lili) Marleen an der Laterne verantwortlich. In adäquater Vertonung und gesungen von Lale Andersen wurde der Text um 1942 zur Soldatenhymne und lief in Heavy Rotation auf dem Soldatensender „Radio Belgrad“.
Am 22. September 1993 wäre Hans Leip 100 Jahre alt geworden, die 90 hat er immerhin beinahe erreicht, denn er starb im Juni 1983. Beinahe passgenau zum Geburtsdatum veröffentlichte die Deutsche Bundespost eine Sondermarke zum Jubiläum (Erstausgabe am 16.09.). Diese zeigt die Brücke Tuledu, die es als Schlager (1931) und als Holzschnitt gibt. In meiner kleinen Sammlung findet sich ein Exemplar, das kurz nachdem der Tag der Einheit das dritte Mal gefeiert werden konnte (und bestimmt auch angemessen gefeiert wurde) vom Postamt Wuppertal 1 ins äußerste Ostdeutschland geschickt wurde und in einem Werbestempel zu Leips Schnitt die Botschaft der Schwebebahnstadt ergänzt, dass man in dieser prima Erlebniseinkaufen kann. Aber ist nicht eigentlich Essen die berühmte Einkaufsstadt in NRW? Die Marke mit dem Briefportowert von 1 DM wurde immerhin fast 24,5 Millionen Mal gedruckt und ist entsprechend nicht gerade eine Seltenheit. Vermutlich nicht einmal als Ganzstück mit dem Zusatzstempel „W – Erlebniseinkauf Wuppertal“. Als mehr Holzschnitt- als Shoppingfreund ist sie mir dennoch des Bemerkens wert.
100 Jahre Staatliche Vogelschutzwarte Seebach, 17.11.2008
Briefmarke: 100 Jahre Staatliche Vogelschutzwarte Seebach, ausgegeben am 10. April 2008, Nennwert 45 Cent, Gestrichenes, weißes, fluoreszierendes Postwertzeichenpapier DP 2, Entwurf: Detlef Glinski. Exemplar: Eckrandstück oben links
Gelaufen und zugestellt am 17.11.2008 (eingeworfen am 16.11.2008), gestempelt im Briefzentrum 10 (Berlin-Mitte)
Mehrbildkarte Dunaújváros
Die oben gezeigte Ansichtskarte ist am 16. Oktober 1982 von Dunaújváros nach Budapest gelaufen. Frankiert mit zwei Briefmarken zu je 1 Forint die Neubauten aus der Stadt Salgótarján und vermutlich das Stadtwappen, welches auf den dort lange Zeit betriebenen und mittlerweile eingestellten Kohlebergbau verweist, zeigen. Ausgegeben wurde die Marke von der Magyar Posta in einer Reihe mit anderen ungarischen Stadtansichten am 27. November 1972. Der Entwurf stammt von József Vertel.
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