Von Bürokratieabbau liest man ja gerne. Schließlich glaubt jeder zu wissen, daß wir hierzulande viel unnütze Bürokratie haben.
Doch daß jeglicher Bürokratieabbau auch Folgen hat, wird leider gerne ignoriert – wie folgendes Beispiel zeigt:
Kleine Unternehmen sollen von Bürokratie entlastet werden
Die Bundesregierung will kleine Unternehmen von Bürokratie entlasten. Mit dem so genannten Mittelstands-Entlastungs-Gesetz sollen kurzfristig verschiedene Maßnahmen zum Abbau von Bürokratie ergriffen und schon bestehende Hemmnisse teilweise beseitigt werden. Darüber hinaus listet ein Eckpunkte-Papier längerfristige Möglichkeiten zur Entbürokratisierung auf. anzeige anzeige anzeige So soll beispielsweise die steuerliche Buchführungsgrenze von 350.000 Euro auf 500.000 Euro Umsatz angehoben werden. Auch sollen Arbeitgeber künftig nicht mehr verpflichtet werden, eine Vorausbescheinigung für die Rentenversicherung erstellen zu müssen.
DHZ – Kleine Unternehmen sollen von Bürokratie entlastet werden
Grundsätzlich klingt das ja schön und gut, aber das konterkariert natürlich andere Regierungsziele. So muß ja die Deutsche Rentenversicherung deutlich Verwaltungskosten abbauen, was wohl vor allem durch Personabbau geschehen wird.
Durch diese neue Regelung wird jedoch mehr Verwaltungsaufwand bei den Rentenversicherungsträgern entstehen.
An einem fiktiven Fall möchte ich das mal eben schildern:
14. Juni 1941: Ecki Rentner wird geboren! Ein neuer Beitragszahler erblickt das Licht der Welt – auch wenn es zu dem Zeitpunkt doch etwas düster aussah…
Januar 2006: Ecki Rentner hat jetzt einige Jahrzehnte schon gearbeitet und sieht langsam seinem Ruhestand entgegen. Die aktuelle Diskussion um die Rente mit 67 veranlasst ihn mal über seine Rente nachzudenken.
Februar 2006: Nach Auskunft seiner Rentensachbearbeiterin, die er einige Wochen später anruft, betrifft ihn das Problem der Rente mit 67 nicht. Er vollendet am 13. Juni 2006 (einen Tag vor dem eigentlichen Geburtstag) im juristischen Sinne das 65. Lebensjahr und kann somit ab dem 1. Juli 2006 die Regelaltersrente bekommen, so er sie rechtzeitig beantragt.
Exkurs: Wäre Ecki am 1. Juni 1941 geboren hätte er sogar schon ab dem 1. Juni 2006 Anspruch, da er in diesem Fall das 65. Lebensjahr am 31. Mai 2006 vollendet – das aber nur am Rande.
Am Telefon stellt man fest, daß das Versicherungskonto von Ecki quasi vollständig geklärt ist, selbst in der Vergangenheit nicht immer sofort gespeicherte Daten wie die Ausbildungszeiten sind korrekt ermittelt worden, so daß man ihm sagt, daß er frühestens Ende März/Anfang April den Rentenantrag stellen soll, denn vorher könne man das auch noch gar nicht berechnen.
Ende März 2006: In der letzten März-Woche 2006 sucht er das Versicherungsamt seiner Gemeindeverwaltung auf, wo man seinen Rentenantrag aufnimmt und mittels Antrag Online (nicht via eAntrag!) dem Rentenversicherungsträger übermittelt.
4. April 2006: Nachdem etwaige fusionsbedingte Zuständigkeitsprobleme geklärt sind (kleiner originärer Interims-Insider…) landet der Rentenantrag bei der zuständigen Sachbearbeiterin.
Diese stellt schnell fest, daß Ecki nach Angaben des Rentenantrages noch bis zum Rentenbeginn weiter arbeitet.
Doch dummerweise sind im Versicherungskonto noch gar nicht die Beiträge für das Jahr 2006 gespeichert. Selbst die Beiträge für das Jahr 2005 fehlen noch!
Das liegt jetzt aber nicht an der Deutschen Rentenversicherung sondern an den Gesetzen. Nach § 10 DEÜV muß der Arbeitgeber die sogenannte Jahresmeldung bis zum 15. April des Folgejahres dem Rentenversicherungsträger übermitteln.
Jetzt gibt es mehrere Möglichkeiten:
Normalerweise wird in einem solchen Fall bei der Antragsaufnahme schon dem Versicherten ein Formular mitgegeben, mit dem er die fehlenden Zeiten durch seinen Arbeitgeber bescheinigen lassen kann. Falls das nicht erfolgte kann man seitens der Rentensachbearbeitung das entsprechende Formular per Post an den Arbeitgeber schicken. Um die Laufzeit der Rente möglichst kurz zu halten kann man auch versuchen – am besten nach telefonischer Absprache – das ganze per Telefax zu erledigen.
Diese beiden Möglichkeiten würden in Zukunft – nach den geplanten Änderungen der Bundesregierung – ersatzlos wegfallen!
5. April 2006: In diesem Fall klappte das – sowohl die Entgelte für das Jahr 2005 als auch für die Monate Januar – Juni 2006 wurden übermittelt. Die letzten drei Monate gemäß § 194 SGB VI als sogenannte Vorausbescheinigung.
Nachdem auch alle anderen wichtigen Fragen (bei welcher Krankenkasse ist Ecki versichert? hat er die Voraussetzungen für die sogenannte KVdR (Krankenversicherung der Rentner) erfüllt oder ist er ein freiwilliges Krankenversicherungsmitglied? hat er die Elterneigenschaft erfüllt? usw.usf.) kann die Rente berechnet und freigegeben werden.
8. April 2006: Ecki erhält seinen Rentenbescheid in dem drin steht, daß er ab dem 1. Juli 2006 Anspruch auf die Regelaltersrente hat. Ecki ist ein gewissenhafter Mensch und liest seinen Rentenbescheid auch weiter als bis zur eigentlichen Rentensumme, und so weiß er, daß die Rente erst zum Ende des Monats ausgezahlt wird.
Das wäre nach dem neuen Regierungsvorschlag in dieser Form nicht mehr möglich. Sollten Arbeitgeber nämlich nicht mehr verpflichtet werden eine sogenannte Vorausbescheinigung zu erteilen, könnte die Rente nicht so berechnet werden!
In diesem Fall hätte man als Rentenversicherungsträger nur zwei Möglichkeiten – und die eine ist nicht viel besser als die andere:
- Entweder man wartet auf die reguläre Meldung – nach § 8 DEÃœV würde das Ende der versicherungspflichtigen Beschäftigung (am 30. Juni 2005) den Arbeitgeber zur Abmeldung verpflichten – jedoch würde das bis zu sechs Wochen nach dem Ende (also in diesem Beispiel bis Mitte August) dauern, so daß erst dann das Rentenversicherungskonto vollständig für die Berechnung ist.
- Oder aber man erstellt einen vorläufigen Rentenbescheid unter Außerachtlassung der fehlenden Beiträge und hält den Fall in der Frist vor, bis dann die fehlenden Beiträge übermittelt worden sind und ein endgültiger Bescheid erteilt werden kann.
Die erste Möglichkeit ist für den Rentner unbefriedigend – und auch die Rentenversicherungsträger würden sich darüber nicht freuen. Schließlich würden solche Rentenanträge lange in der Statistik „schmoren“ und die sogenannte Laufzeit der Renten deutlich erhöhen.
Die zweite Variante hingegen (ich wette darauf wird es hinauslaufen) sorgt dafür, daß die Arbeitsschritte für eine Altersrente ansteigen. Es ist bei einer Rentenberechnung schon am sinnvollsten, wenn man die Rente aus einem vollständig geklärten Versicherungskonto erstellt.
Wenn das nicht der Fall ist, dann muß man die Rente erst einmal vorläufig feststellen, den Vorgang auf Frist halten, ggf. Arbeitgeber nochmal erinneren, zwischendurch Anfragen des Versicherten („Da fehlt ja über ein Jahr an Beiträgen!“) beantworen und dann irgendwann einen endgültigen Bescheid erteilen.
Dieser Schritt sorgt also für mehr Arbeitsaufwand und damit auch zu einer Steigerung der Verwaltungskosten. Gerade diese sollten die Rentenversicherungsträger jedoch senken – das geht aber nur wenn die politischen Rahmenbedingungen nicht zu Lasten der Rentenversicherung geändert werden!