Ein „Wink“ des Himmels

Januar 15, 2015

Man verzeihe mir das überhaus schlechte Wortspiel in der Überschrift …

Jetzt zum Thema. Im Moment bin ich hin und weg von Walter Wink und seinem Buch „Verwandlung der Mächte – eine Theologie der Gewaltfreiheit“. Ich fühle mich auch geradezu ertappt und überführt, dass auch ich in großen Teilen eine zentrale Fragestellung der Theologie nicht bis zum Ende verstanden hatte. Es geht um die Frage des Sinns und der Legitimation von Gewalt als Lösung. Und ja, auch ich hielt es bisher mit Bonhoeffer und Co. dass es manchmal (egal jetzt warum und wann und wie und wo genau) im Äußersten angebracht sein könnte, zu Gewalt als letzten Mittel bla bla bla… Aber genau damit entlarve ich meinen eigenen „Glauben an den Mythos der erlösenden Gewalt“ – eine Formulierung, die mich seit Wochen begleitet. Hat man einmal Wink’s Brille aufgesetzt, ist man gleichzeitig geplättet und beschämt, wie sehr diese Überzeugung vom persönlichen Alltag bis hin zum politischen Weltgeschehen fast alles durchdringt. Wie oft erwischt man sich dabei, dass man sich am liebsten durch einen Akt der Gewalt (auch verbal, taktisch, strukturell oder sogar nur im Gedankenspiel) vermeintliche Erlösung verschaffen will. Und wie deutlich kann man in der Weltpolitik diesen Glauben erkennen.

Das für mich Erstaunlichste beim Lesen bis jetzt war aber die neue Deutung des Kreuzigungsgeschehens. Bisher wurde mir das Kreuz als ein notwendiger Gewaltakt Gottes gedeutet, da seine Gerechtigkeit dieses Opfer verlangen würde (S. 82:)

Der Gott, den Jesus als nicht länger rachsüchtig, sondern als bedingungslos liebend offenbart hat, der einer Genugtuung durch blut nicht bedarf, dieser Gott der Barmherzigkeit wurde von der Kirche in einen zornigen Gott verwandelt […] Der gewaltfreie Gott wird zu einem Gott beispielloser Gewalttätigkeit […] Gegen solch ein Gottesbild ist das Aufbegehren des Atheismus ein wahrhaft religiöser Akt

Schon immer hat sich so vieles in mir dagegen gesträubt, dass DAS der Grund für dieses Gemetzel sein sollte – weil Gott es so will!?! Wink hat genau hier eine Deutung parat, die dieses Dilemma für mich auf wunderbare Weise auflöst. Jesus hat soz. die Spirale der Gewalt am Kreuz zerbrochen, indem er gerade nicht mit Gewalt oder Rache geantwortet hatte. Er bezeugt z.B. bei seiner Verhaftung sogar noch, dass ihm durchaus die Option der erlösenden Gewalt offen stünde (Matt. 26: Da sprach Jesus zu ihm; Stecke dein Schwert an seinen Ort! denn wer das Schwert nimmt, der soll durchs Schwert umkommen. (1. Mose 9.6) 53 Oder meinst du, daß ich nicht könnte meinen Vater bitten, daß er mir zuschickte mehr denn zwölf Legionen Engel?)

Aber er setzt sie eben NICHT ein – DAS ist das Kreuz – es ist die Entlarvung eines Mythos, eine Zurschaustellung einer Religion der Gewalt in all ihren Konsequenzen. Also komplett die Antithese zur Kreuzestheologie des Sühneopfers. Wer an den Mythos der erlösenden Gewalt glaubt (im Sinne von ihr vertraut), der opfert auch einen Unschuldigen, wenn es einem scheinbar lauterem Ziel dient. Aber es ist und bleibt ein Dogma einer Gewaltreligion. Jesus hätte durch die Anwendung von Macht und Gewalt nur bezeugen können, dass er noch mächtiger und gewalttätiger sein kann, als das bisherige System – aber eben nicht anders bzw. besser. Daher gab es für ihn keinen anderen Weg als durch den konsequenten Gewaltverzicht am eigenen Leib das System der herrschenden Gewalt zu entlarven und dessen hässliche Fratze zu offenbaren.

Und es spielt keine Rolle, ob ich nun einer Denomination oder Religion angehöre oder vermeintlicher Atheist bin … des Mythos der erlösenden Gewalt kennt hier keine Grenzen, der Mythos lebt in unserem Weltbild und unseren Überzeugungen.

Sündenbock 2.0

Oktober 16, 2013

Wer kritisiert in den Medien eigentlich auch mal die Medien!? Irgendwie macht mir diese „Haudraufundschluss“ – Mentalität ohne sorgfältige Recherche echt Sorgen. Wahr ist, was Quote bringt? Wo sind die Journalisten hin, die erstmal nachhaken, dann objektiv berichten und den Leser SELBER seine Meinung bilden lassen? Immer mehr hab ich das Gefühl, dass Journalismus mit Meinungsmache verwechselt wird. Es häufen sich die Fälle, in denen Menschen – bevor überhaupt klar war, was Sache ist – schon medial „verbrannt“ und „ausgeschlachtet“ werden – nach dem Motto: Schuldig ist, wer keine gute PR Abteilung hat. Wenn dann die Fakten auftauchen, ist zumindest die öffentliche Person längst zerrupft, die Medien wie satte Raubtiere uninteressiert und die Rezipienten zum Großteil ignorant. „Ach so, hat er / sie gar nicht gemacht? Naja, aber ZUGETRAUT hätt ich es ihm / ihr schon!“ Also reicht der Verdacht, die Anschuldigung oder gar die Vermutung bereits aus, eine mediale Verurteilung und Hinrichtung ohne Verhandlung. Früher nannte man das Lünchjustiz. Ja, Fehler werden immer da gemacht, wo Menschen sind – und dass in Limburg viele Fehler gemacht wurden scheint klar. Aber in welchem Verhältnis steht diese Hetzjagd eigentlich zu den Milliardenschäden an anderer Stelle!? Oder liegt es daran, dass er – auch noch der Katholischen!!! – Kirche angehört. Ist also die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Glaubensrichtung schon Grund und Verdacht genug!? Moment, das hatten wir doch alles schonmal…
Es hat für mich immer auch Anleihen der alten Sündenbock – Geschichte. Solang sich der Zorn und das Urteil auf jemand oder etwas anderes richtet, komme ich mit meinen Fehlern klar – immer in der Angst, dass ich auch mal ins mediale Kreuzfeuer komme. Aber täuscht euch nicht, liebe „Mitfreudenauchdraufdrescher!“ Es gibt in diesem Kampf keine Loyalität, keine Freunde, keine Treue – geopfert wird, wer Quote bringt, und wenn es sogar jemand aus den eigenen Reihen ist, dann umso schöner. Es gibt immer noch Ausnahmen, aber – mein Gott ist Objektivität langweilig!!!!

 

Dann mach doch die Bluse zu …

September 2, 2013

eine interessante Alternative zu unreflektiertem #Aufschrei – Geschrei:

Zeit der Volkskirchen vorbei?

Juli 23, 2013

Wunderbares Interview mit Paul M. Zulehner über die Zukunft der Kirchen. Ein paar Zitate:

Wir versuchen immer noch, die herkömmliche Gestalt von Kirche zu retten. Da machen wir auf Teufel komm raus Strukturreformen, die aber brutal bürokratisch und völlig visionsfrei sind! Das Stadium der Bürokratie ist die Phase vor dem Tod. Deshalb sollten wir uns lieber fragen: Was ist die Vision der Kirche von heute? Und erst im zweiten Schritt schauen wir nach der dazu passenden Struktur. Wir brauchen zuerst den Wein und dann den Schlauch. Zurzeit machen wir Schläuche – und haben keinen Wein.

Wer in Gott eintaucht, taucht bei den Armen wieder auf! Der Weg Jesu führt immer zu denen, die der Heilung bedürfen. Und die Kirche ist berufen, in der Nachfolge des Heilands „Heil-Land“ zu sein!

Die Zumutung, ein liebender Mensch zu werden, ist dem Atheisten oder Buddhisten genauso aufgetragen wie dem gläubigen Protestanten oder Katholiken. Das eint uns alle. Die moderne Anthropologie stimmt mit dem Evangelium in der Diagnose überein, dass der Mensch dort, wo er Angst um sich selbst hat – letztlich Angst vor dem Tod – zu den Strategien der Gewalt, Gier und Lüge greift. Er versucht krampfhaft, sich selbst zu behaupten, weil er nicht mehr vertrauen kann. Liebe heißt immer: sich preisgeben können. Die Angst ist daher der eigentliche Feind der Liebe. Und alle Menschen guten Willens sollen gemeinsam dafür sorgen, dass in der Welt die Liebe aufblüht und die Angst kleiner wird.

Er trifft wieder mal so gut den wunden Punkt…