"Ich wollte immer nur Dalí sein"

Ein postmortales Interview mit Salvador Dalí anlässlich seines hundertsten Geburtstags während einer imaginären Begegnung mit dem Künstler

von Manfred Christ

Am 2. Mai dieses Jahres jährte sich der Geburtstag von Salvador Dalí zum hundertsten Mal. Aus diesem Anlass wurden, wie von ihm testamentarisch verfügt, die in einer versiegelten Schatulle verborgenen Teile einer Installation, bestehend aus einem metaphysischen Würfel, zwölf Rhinozeros-Hörnern und mehreren hölzernen Krücken nach präzisen Vorgaben des 1989 verstorbenen Künstlers zu einer Konstruktion zusammengefügt, mit deren Hilfe er sich als hyperästhetisches Phänomen rematerialisieren sollte. Dieser magische Akt wurde durch das Abfeuern eines mit lithografischer Tusche gefüllten Nautilus aus einer Hakenbüchse eingeleitet, worauf Dalí in einem nuklear-mystischen Prozess vor den Augen eines internationalen Fachpublikums als vierdimensionaler Polytopos seiner selbst Gestalt annahm.

Dali
Salvador Dalí, 1963

Wie man sieht – oder zu sehen glaubt – ist Ihnen der Sinn fürs Spektakuläre nicht abhanden gekommen. Ist Ihre Anwesenheit Realität oder Täuschung?

Und wie ich höre, gehört es offenbar zum Schicksal der Toten, dass die Vorurteile nicht etwa mit ihnen ins Grab getragen werden. Quel malheur! Ich bin Künstler, kein Taschenspieler!

Aber haben Sie nicht alles getan, um solche Vorurteile zu nähren? Wer Sie nicht zum Fall für die Psychiatrie abqualifizierte, musste doch schon zu Ihren Lebzeiten glauben, dass er von Ihnen zum Narren gehalten wird!

Sind wir nicht alle Narren Gottes, und niemand nimmt Anstoß daran? Es war schon immer ein Leichtes, die Menschen zu täuschen, denn sie haben sich selbst am meisten getäuscht – besonders in mir! Aber bevor wir von Realität oder Täuschung sprechen, sollten Sie wissen, dass Ihr vulgärbegrifflicher Dualismus nie Bestandteil meines Denkens war. Täuschung beginnt dort, wo man sich über die Realität erheben will, ohne sie zu verlassen. Dies ist das Credo der Kunst.

Ihrer Kunst, doch die meisten Künstler des 20. Jahrhunderts haben andere Wege beschritten. Muss man sich da nicht fragen, wie in den klaren Gewässern abstrakter Kunst surrealistische Sumpfblüten wie die Ihren gedeihen konnten?

Nichts kann in diesen Gewässern gedeihen, nicht einmal Dalí’sche Ideen, die stets auf festem Boden wurzeln. Ich habe diesen Boden der Wirklichkeit niemals verlassen. Im Unterschied zu den zahllosen Utopisten meines Jahrhunderts war ich immer ein Praktiker des Unmöglichen ...

... der schon früh von der Idee besessen war, den Unsichtbaren Mann zu malen, und sich dabei im Absurden und Paradoxen verfing! Wäre es da nicht viel versprechender gewesen, dem Weg der Abstraktion zu folgen, anstatt die Dinge zu deformieren, menschliche Körper mit Schubladen zu versehen oder mit phallischen Auswüchsen, von Krücken gestützt, zerfließende Uhren wie aus Gelatine ...

Der unsichtbare Mann, 1936

Genug! Wüssten Sie denn abstrakte Kunst ebenso zu schildern? Nein, denn diese setzt das Nichts an die Stelle des Unsichtbaren. Nun, heute kann es mir gleichgültig sein, es tut mir nur Leid um die vielen Quadratmeter Leinwand, wenn ich daran denke, wie viele Getreidesäcke man hätte daraus nähen können. Die Expressionisten, Kubisten und wie sie sich alle nannten waren die wahren Taschenspieler, die die Realität aus der Kunst eskamotierten. Was hat allein Picasso sein Talent damit vergeudet!

Doch hat er sich aus der Zwangsjacke der Gegenständlichkeit befreit!

Und das Hässliche zur Kunst erklärt. Ich dagegen habe selbst noch Exkrementen und Fäkalien einen letzten Rest verglimmernder Schönheit abgerungen. Das Wesen aller Schönheit ist die Epiphanie, das Eintreten in die Welt der Dinge, nicht deren Abstraktion. Diesen Weg sind Leonardo, Vermeer, Velázquez gegangen – und natürlich der göttliche Raffael. In meinem Jahrhundert war ich ein einsamer Wanderer auf diesem Weg.

Aber dieser Weg war mit Gold gepflastert. War dessen Glanz für Sie nicht stets verlockender als der schöne Schein der Kunst?

Mon Dieu, macht man mir meinen Erfolg denn immer noch zum Vorwurf? Aber der Wert des Geldes ist trotz aller Inflation noch immer beständiger als jede Anerkennung als Künstler. Wenn ich nun diese kläglichen Retrospektiven zu meinem hundertsten Geburtstag verfolge, die all die Irrtümer über mich aufleben lassen statt sie auszurotten, muss ich sagen: Die schönste Ehrung wäre mein Konterfei auf einer Hundertdollarnote gewesen.

Um zuletzt noch zur Ikone des Kommerzes aufzusteigen. Welche Ihrer Rollen lag Ihnen denn nun am meisten? Die des Künstlers, des Geschäftsmanns oder des Medienclowns?

Wo bitte ist der Unterschied? Erfordern sie nicht alle dasselbe Talent?

Etwa das Talent zur Extravaganz?

Nennen Sie es, wie Sie wollen! Für mich war alles, was ich tat, Ausdruck von Individualität. Ich musste daher nie eine Rolle spielen, ich wollte immer nur Dalí sein. Und wer von mir Bescheidenheit verlangte, hat auch selbst nur mit kleiner Münze bezahlt. Deshalb war mein Platz auch in der Welt der Upper class, des Adels und der Emporkömmlinge.

Die eben auch den größten Aktivposten Ihrer Geschäftsbilanz vorstellten und Ihre Gemälde gar im Abonnement bezogen haben. Aber korrumpiert dies nicht den Künstler?

Im Gegenteil, mir ging es um nichts anderes als um die Kunst. In der geistigen Atmosphäre der Salons und Dinnerpartys, in der Mischung zwischen Hysterie und Dumpfheit, von Glamour und gepuderter Blässe, von Selbstsucht, gestylter Eleganz und Blasiertheit liegt das Odeur, das den Geist befreit. Für Schiller war es der faule Apfel, für mich die morbide Welt der Oberen Zehntausend. Mit jedem Atemzug in deren Gegenwart inhaliert man Jahrtausende abendländischer KuIturgeschichte auch noch in den Niedergangssymptomen. Deshalb ist das Dekadente stets dem Primitiven vorzuziehen!

Aber konnte Ihnen Ihr Ruf als Künstler denn so gleichgültig sein?

Welche Anmaßung, mein Werk zu loben und meine Person zu kritisieren. Man war nach meiner Aufnahme in die Académie Français schon einmal so dreist, mich Velázquez und Raffael an die Seite zu stellen – und zugleich legte man mir nahe, mir meinen »gezwirbelten Schnurrbart abzurasieren« und nicht mehr mit den Augen zu rollen. Habe ich jemals verlangt, dass man meine Werke um meinetwillen bewundert?

War Ihnen denn das Urteil der Masse nicht deshalb wichtiger, weil sie am lautesten Beifall spendete?

Dies war wenigstens die ehrlichste Form von Beifall. Den Heuchlern dagegen gefällt doch am meisten, was sie am leidenschaftlichsten bekämpfen. Der Snob verachtet das Vulgäre – und er will es besitzen; der Intellektuelle das Abgeschmackte – und er kritisiert es; und der Philister das Genie, doch insgeheim verehrt er es. Was stört Sie daran?

Nichts, denn das geschieht ohne Allüren, von denen Sie nicht frei waren. Haben Sie sich nicht bereits in jungen Jahren als Genie tituliert, als Sie den Beweis dafür noch schuldig blieben? Ist hier nicht die Schwelle zum Größenwahn überschritten?

Pardonnez-moi – wenn jemand größenwahnsinnig ist, dann der Freizeitästhet, der mich als Genie apostrophiert! Wenn ich das von mir behaupte, ist es eine realistische Selbsteinschätzung.

Ist es nicht verständlich, dass die Person – auch die des Künstlers – an bürgerlichen Kriterien gemessen wird, während beim Kunstwerk ästhetische Maßstäbe angelegt werden? Oder würden Sie sich selbst als eine Art Kunstwerk betrachten?

Absolument sûr! Ich betrachte mich selbst natürlich als mein bedeutendstes Kunstwerk. Aber der Kunstwissenschaft ist bis heute nichts anderes eingefallen, als sich über meinen Gemütszustand zu ereifern, und hat bei jedem neuen Werk sofort nach dem Psychiater gerufen. Denn man glaubt, der Künstler wurde nach dem Bilde des Prudhomme geschaffen. Canaille! Die einzige Sorge der Intellektuellen in ihrer prätentiösen Selbstgefälligkeit ist es doch, nicht allzu viel Lärm zu machen. Und vom Künstler erwarten sie das Gleiche. Und wenn er das akademische Hintergrundgemurmel übertönt, wird er sogleich als exhibitionistisch, krank und geschmacklos diffamiert. Und mit ihm seine Kunst.

Aber finden Sie nicht auch, dass etwa Ihre Schaufensterdekorationen und Hutkollektionen, ein Vortrag in einem Taucheranzug, bei dem Sie fast erstickt wären, Ihr Fetischismus mit dem Bart, ein Taxi, worin es regnet, ein ganzes Sortiment von Edelkitsch ...

... den man mir aus den Händen gerissen und teuer bezahlt hat!

... wie ein Hummertelefon oder ein Sofa in Lippenform ...

Vraiment, eine meiner köstlichsten Ideen! Aber auch der bürgerlichen Intelligenzia habe ich ja eine Art intellektuelles Lippensofa konstruiert. Ich habe es die paranoisch-kritische Methode genannt. Und sie hat es sich darauf bequem gemacht und ist in einen intellektuellen Dämmerzustand verfallen.

Also das mit der paranoisch-kritischen Methode blieb mir auch unverständlich ...

Niemand hat es verstanden. Und doch hat es jeder nachgeäfft und damit jede ernsthafte Auseinandersetzung verhindert. Da lob ich mir diejenigen, die meine Kunst nur als Dekorationsobjekte betrachten – und bewundern! Das ist aber nur eine Methode des Genius, sich vor dem Unverstand zu schützen. Das Kunstwerk muss immer auch Bollwerk sein – gegen den Ansturm der Hermeneutiker, Semiotiker, Historiker, Psychoanalytiker und so weiter.

Das klingt nun keineswegs verrückt. Sind Sie in Ihrem nachtodlichen Dasein etwa doch noch seriös geworden?

Wissen Sie, dort, wo ich jetzt bin, gilt der als verrückt, der so vernünftig redet wie Sie! Das einzig Unvernünftige in meinem Leben war wohl zu bestreiten, dass ich verrückt bin. Denn auf gewisse Weise haben meine Kritiker ja Recht. Aber der einzige Weg zur Erkenntnis führt eben über die Paranoia. Sie ist die Brücke zum Unbewussten – und zur Vollkommenheit.

Dann ist also die Psychoanalyse der Schlüssel zu Ihrer Symbolwelt?

Der Schlüssel liegt nicht in irgendwelchen Theorien. Gewiss, meine Jagdgründe lagen im Unterbewusstsein. Aber keinem wird es gelingen, die angebliche Symbolik meiner Bilder tiefenpsychologisch zu entziffern! Deshalb blieben all die Freud’schen Begriffe Plattitüden, obwohl man sie gerupft hat wie ein Suppenhuhn, um ihnen zuletzt noch das Mark auszukochen. Dieses Geschwätz ist wie ein leeres Portemonnaie. Ich jedoch habe der Armut dieser Begriffe immer den Reichtum der Inspiration entgegengesetzt. Und ich habe jedem die Version eines Genies präsentiert, die er versteht. Und deshalb musste ich manchmal eben auch den Clown spielen. Das war mein Künstlerethos!

Und haben sich mit voller Absicht selbst und Ihrer Kunst geschadet.

Die Metamorphose des Narziss, 1938

Für mich war das eher eine Art Schadensbegrenzung. Ist es nicht so, dass jeder, der die Kunst nicht begreift, wenigstens den Künstler begreifen möchte. Wirkt dieser im bürgerlichen Sinne seriös, hat man wenigstens in ihm einen Bürgen für die Glaubwürdigkeit seiner Werke gefunden, auch wenn man sonst nicht viel mit ihnen anfangen kann. Im Übrigen ist das Publikum immer bloß das Experimentierfeld des Künstlers, der Spiegel des ...

... Narziss?

Ja und nein, denn sich selbst bewundern und sich selbst erkennen macht kaum einen Unterschied. Nehmen Sie nur die Metamorphose des Narziss [Abb.]. Zuerst sehen Sie eine Gestalt, die sich im Wasser spiegelt. Das ist die eigentlich paranoide Form der Wahrnehmung, denn Sie erkennen auf zwanghafte Weise nur das, was Ihnen vertraut ist. Nun kommt das kritische Moment. Plötzlich nehmen andere Gestalten Kontur an. Die Darstellung ändert sich nicht, nur Ihre Wahrnehmung. Jetzt sind Sie in der Lage, unterschiedliche Stadien einer Metamorphose gleichzeitig zu erleben. Wem dies gelingt, wird keines meiner Bilder zum zweiten Mal auf dieselbe Weise betrachten. Ich habe bis zu meinem Lebensende die vierte Dimension der Kunst gesucht. Heute erst weiß ich, dass ich sie damals schon gefunden habe, nämlich in der Befreiung der Wahrnehmung und deren Unabhängigkeit!

Gerade deuteten Sie an, solche Erklärungshilfen wie das Schlagwort des Paranoisch-Kritischen seien ein Ablenkungsmanöver gewesen, und nun soll es zur Freiheit führen? Abgesehen von diesem Widerspruch – vertreten Sie mit diesem Vexierspiel nicht eine anti-aufklärerische, eine unzeitgemäß elitäre Kunstauffassung?

Und gerade noch haben Sie mich beschimpft, meine Schöpfungen seien trivial. Nun ja, die Kunst kennt ebenso wenig den Widerspruch wie das Genie. Mit Aufklärung hat Kunst ohnehin wenig zu tun, viel eher mit Glaube ...

... den Sie vorgeblich nach dem Zweiten Weltkrieg gefunden und sich daraufhin einem religiösen Mystizismus verschrieben haben. War dieses Bekenntnis auch einer Ihrer Tricks, um das Publikum zu täuschen?

Wenigstens meinen Glauben sollten Sie respektieren! Der wohnt in jedem, der die Idee der Vollkommenheit träumt, so wie das Universum an die Vervollkommnung des Menschen glaubt. Doch Paradies und Hölle liegen Tür an Tür. Das wussten auch die Heiligen, am besten wohl mein Antonius [Abb.]! Und deshalb ist jedes Bild eine Hieroglyphe, heilig und verrucht zugleich. Sie mag erhaben erscheinen, kann aber auch für das Banale stehen.

Auch für das Obszöne?

Der Heilige Antonus, 1946

Für mich war das Obszöne nie banal. Ganz im Gegenteil. Es ist die Unvernunft des Fleisches, so wie Religion die Unvernunft des Intellekts ist. Beides schafft Raum für Transzendenz – und beides ist seinem Wesen nach verwandt.

Daher also Ihre Neigung zum Obszönen in einer Phase, die sich durch Ihre Hinwendung zu christlichen Themen auszeichnet. Haben Sie nie befürchtet, dass die Glaubwürdigkeit Ihrer religiösen Werke darunter leidet?

Ganz und gar nicht. Meine christlichen Motive diskreditieren ja auch nicht meine obszönen Bilder. Schließlich hat sich selbst der Papst über solche moralischen Ressentiments erhoben und sogar meinen Madonnen die Anerkennung nicht versagt. Die Kirche weiß eben am besten, dass jeder Mystizismus nicht möglich ist ohne die gärende Hefe lüsterner Begierde. Damit ist weder das Primitive noch das Pornographische gemeint. Dieses ist der Hinterhof der Fantasie, schmutzig, verwahrlost und voller Gestank!

Aber muss man nicht in solchen dunklen Hinterhöfen der Psyche den Sinn Ihrer Bilder suchen? Denn die Fassaden wirken oft nichts sagend, gar abweisend.

Als schöpferischer Mensch bin ich eigentlich nicht für Sinn oder ähnlich fragwürdige Dinge zuständig. Und Sie finden ihn schon gar nicht in den Bildern selbst! Niemand würde ja auch ein Theaterstück nach seiner Kulisse beurteilen. Doch die meisten, die nach seinem Sinn suchen, betreten erst nach der Vorstellung den Saal. Die Schauspieler sind gegangen, das Publikum ist schon zu Hause, und doch fällen sie anhand verlassener Requisiten ihr Urteil über ein Stück, das sie nie gesehen haben ...

Heißt das, den Gegenständen auf Ihren Bildern fehlt jedes Sinn gebende Element?

Jetzt, wo ich tot bin, kann ich ja offen darüber sprechen. Kunst hat immer nur den Sinn – wenn Sie schon auf diesem Wort bestehen –, den Sie ihr selbst geben. Ihre wirkliche Bedeutung liegt aber in der Wahrnehmung. Ich habe deshalb auch nie versucht, die Kunst zu revolutionieren. Ich wollte immer nur die Wahrnehmung revolutionieren. Ich habe mein Leben nicht damit verbracht, Sinn zu stiften. Im Gegenteil, ich wollte immer verhindern, dass man danach fragt, was ich wohl ausdrücken wolle. Das Ich ist schließlich keine Prothese, die man sich vom Künstler borgt. Was habe ich nicht alles getan, um dies zu verhindern! Ich habe es sogar dahin gebracht, dass man mich für verrückt hielt.

Dann ist Ihre Kunst nichts anderes als die Suche nach dem Ich?

Das Ich ist der Nagel, an dem das Bild hängt ...

Während dieser Worte erreichte der Tumult unter den Anwesenden seinen Höhepunkt. Wer es war, der eines der Rhinozeros-Hörner umstieß und die mystische Projektion zum Kollabieren brachte, ließ sich anschließend nicht mehr feststellen. Denn schon begannen sich, wie nach einem Traum, die Eindrücke zu verwischen. War es Realität oder Täuschung?

Schon immer war Dalí äußerst präsent und zugleich merkwürdig abwesend, neutralisiert in einem Geflecht der Widersprüche, jedem analytischen Zugriff entzogen, wie ein lebendiges Trompe l’oeil seiner selbst. Wer ihn hinter seinen tausend Masken sucht, erhält immer nur ein flüchtiges Bild. Wie die fremdartigen Gestalten, die er in seinen Werken aus dem lichtlos Unbewussten ins blendende Tageslicht führt, gehorchte auch er der Dämonie des Wesenlosen, zeigt auch er sich in lumineszierender Farbigkeit morbider Pracht. Dalí illustriert in apokalyptischen Szenen die Geschichte eines ungeschriebenen Seelendramas. Und doch bleiben seine Bilder stumm, wesenlos, wie ein »Handschuh des Ich«, aus dessen abgestreifter Haut uns jeglicher Sinn umso leichter entgleitet, je fester wir danach greifen.

Nur rückwärts lassen sich Dalís Bilder deuten. Wir müssen unsere Fragen an ihren Schöpfer richten. Doch dazu bedarf es der Magie seiner geheimnisvollen Chiffren und Figuren, mit denen man ihn – vielleicht erneut – herbeibeschwört!

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