Philo: Wiege des christlichen Glaubens Wegweiser zu einem neuen Paradigma

 

(Ein alter Text, der noch zu überarbeiten wäre. Er lässt jedoch nachvollziehen, wie sich das neue theologische Paradigma entwickelt hat. Heute sehe ich in Philo weniger als Wiege des christlichen Paradigmas, sondern als ein anderer Ast, ein Bruder des neuen Gottesbewusstseins, das den Logos in Menschengestalt zum Ausdruck brachte. In den 10 Bänden von gesammelten Texten, die ich damals durchforstete, scheint Philo(n) mit (n) genannt worden zu sein. Die Bedeutung, die Philo für unseren Glauben hat, wurde von den Verfassern, die seine Texte übersetzten, mit Sicherheit nicht gesehen.

 

An den Texten Philos lässt sich erkenne, dass – wenn wir die christlichen Dogmen ernst nehmen -nur der Logos das Wesen unseres Glaubens sein kann.  Philo hat den Begriff Jesus nie gebraucht, auch wenn er vom Sohn Gottes, Logos, dem Wesen der Evangelisten gesprochen hat. Eine Theologie, die einen Wanderprediger mit dem zufälligen Namen Jesus als historisches Wesen wahrnimmt, kann die Bedeutung von Philo bzw. das ihm zugrunde liegende Denken nicht wahrnehmen. Für sie spielt er allenfalls eine unbedeutende Nebenrolle, die nur für die Verherrlichung eines jungen Guru herangezogen wurde. Gleichwohl junge Theologen dann die Christologie des Philo nachvollziehen, bleibt diese für den christlichen Glauben unbedeutend. Für sie war ja nur ein vergötterter Wanderprediger. )

 

Wer verstehen will, welches völlig neue Paradigma sich hinter der Theologie des Paulus verbirgt, der kann nicht an Philo von Alexandrien vorbeigehen. Ohne das theologisch- philosophische Denken von damals zu würdigen, das zu einer völlig neuen, vom Verstand geleiteten Schau des Schöpfers führte, werden wir nicht begreifen was Jesus bedeutet, wer sich hinter dem historischen Jesus verbirgt. Ohne die Weisheit zu beachten, die hinter dem neuen Weltbild und Gottesverständnis stand, das sich in den Werken Philos ausdrückt, würde Jesus ein un-wesentlicher Wanderprediger bleiben. Ohne die bei Philon ausgedrückten Gedanken hätte der LOGOS hätte nicht gelebt, wäre nicht Fleisch geworden.

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Auch der Papst ruft nach Philo

 

In einer neuen Enzyklika über das Verhältnis von Glaube und Vernunft mahnt der Papst zur Wahrheitssuche. Doch es ist weit mehr, was sich in der neuen päpstlichen Denkschrift "Fides et Ratio" ausdrückt. Die tiefe Kluft, die sich zwischen Theologie und Philosophie gegraben hat, soll am Ende des 2. Jahrtausend überwunden werden. Bei Philo standen sich Glaube und Vernunft nicht als feindliche Brüder gegenüber. Die Problematik, daß Traditionstexte und Mythen aufgrund des Wissens um die realen Vorgänge bezweifelt wurde, bestand bereits bei Philon. Mit Hilfe des LOGOS hat Philon versucht, im Rahmen einer allegorischen Auslegung das Problem zu lösen. Die Wahrnehmung des jüdischen Gottes geschah aus vernünftiger Einsicht in die Wirkungsweise der Weltentstehung, wie sie dem griechisch-philosophischen Wissen entsprach. Glaube war damit jedoch keineswegs nur ein Kind der menschlichen Vernunft. Diese Gottesgabe befähigte allenfalls den menschlichen Geist, den  griechischen LOGOS als Sohn des jüdischen Gottes zu sehen. Doch das jüdische Gottesbewußtsein war und blieb die Basis. Es ging nicht um neuen Vernunftglauben, sondern eine vernünftige Erneuerung des alten Glaubens.

 

"Glaube und Vernunft sind wie die beiden Flügel, mit denen sich der menschliche Geist zur Betrachtung der Wahrheit erhebt." Mit diesem poetischen Bild beginnt der Text, in dem Johannes Paul II. die Wechselwirkung von Theologie und Philosophie hervorhebt. Bei Philo waren sie Eins. Und in kaum einem Denken fügen sich die beiden Flügel so harmonische zusammen, wie bei Philon. Aus diesem geistigen Fortschritt ist eine neue Gotteswahrnehmung geboren, die Grund des christlichen Glaubens ist. Die Kirche, die laut dem bekannten Bibelwort in Jesus Christus "den Weg, die Wahrheit und das Leben" sieht, bekennt sich damit in Wirklichkeit weder zu einem Wanderprediger, noch zu aufgewärmten jüdischen Traditionstexten. Hinter dem christlichen Bekenntnis verbirgt sich ein damals neu geborenes, vernünftiges Gottesbewußtsein, das durch den lebendigen LOGOS möglich war. Er ist Weg, Wahrheit und Leben.

 

Der Versuch, den Sinn des Lebens zu erklären, kann nicht in Teilwahrheiten, sondern nur im Absoluten eine Antwort finden, so die pästliche Denkschrift. Und genau diese Antwort wurde bei Philon gegeben. Der Sinn wurde dabei nicht von einem Sterblichen und dessen Lehren abgeleitet, sondern aus dem ewigen schöpferischen LOGOS. Der letzte Sinn, den gläubige Menschen in Christus sehen, ist im Grunde genau der, den Philosophen stets gesucht haben. Auch wenn es in einer modernen Welt trotz oder aufgrund der Anhäufung von Wissen immer schwerer wird, jenen vollständigen und letzten Sinn des Lebens zu erkennen. Ein Ausflüchten aus dem Wissen um die natürlichen Zusammenhänge, deren Vernunft uns immer offenbarer wird, wäre fatal. Allein ein blinder Glaube an das, was uns vormals gesagt wurde, kann nicht mehr zu einer Sinngebung führen.

Auch das immer weiter verfeinerte Wissen um die kosmischen Zusammenhänge, ob in kleinster Teilchenphysik oder den unzähligen modernen Genesis-Modellen und universellen Theorien, kann allein keine Antwort auf die Frage der Wahrheit bzw. eine neue Gotteswahrnehmung geben. Wie damals beim Denken der Antike, das auch bei unseren Kirchvätern noch lebendig war, liegt die Hoffnung darin, im Wissen um das Werden das lebendige WORT/LOGOS Gottes wahrzunehmen.

 

Wenn das Jubeljahr unseres Religionsstifters Jesus Christus wirklich zu einer neuen Evangelisation führen soll, wie die katholische Kirche hofft, dann gilt es nach der Grundlage des damals neuen Glaubens zu suchen. Der liegt mit in Philon begründet.

 

1. Wer war Philon?

 

Laut Lexikon ist Philon von Alexandria ein jüdisch-hellinistischer Philosoph, der um 20 v. Chr. bis ca. 50 n. Chr. in Alexandrien lebte. Seinen Schriftzeugnissen zu Folge soll er ein bedeutende Philosoph gewesen, aus vornehmem Hause gestammt und gute Beziehungen zum römischen Hof und Kaiser Claudius unterhalten haben. Eine Vielzahl von Schriften ist von ihm erhalten und gibt uns Auskunft über ein Denken, das danach strebt, die jüdische Lehre mit der griechisch-hellinistischen Philosophie (bes. Platon, Pythagoras und Stoa) zu verbinden.

Mit Hilfe einer allegorischen Deutung dessen, was wir Altes Testament nennen, soll er versucht haben nachzuweisen, daß die griechische Philosophie bereits den altjüdischen Traditonstexten zugrunde lag. Gott soll für ihn jenseits der Möglichkeit einer menschlichen Erkenntnis gelegen haben und nur durch eine Vermittlergestalt erfahrbar gewesen sein. Diese Zentralgestalt sei für ihn der LOGOS gewesen. Als Archetyp und Mittler des Schöpfungsplanes, durch den Gott die Welt erschafft, sei dieser LOGOS Vorbild für den Menschen.

 

Duch den LOGOS werde Gott für die Menschen erfahrbar, verbinde sich die Transzendenz des Monotheismus mit der göttlichen Immanenz in der gesamten Welt und ihrer Geschichte. Durch den LOGOS habe Gott die Welt erschaffen und ermögliche eine unmittelbare Schau des Schöpfers. In seiner Verbindung von Heiliger Schrift - deren Übersetzung ins Griechische auf ihn mit zurückgeht und deren erster Deuter er war - und platonisch-philosophischem Denken, sei er wegweisend für das Christentum geworden. Die frühen Kirchenväter, wie z.B. Klemens von Alexandrien und Origenes, hätten viel von ihm übernommen.

 

Für mich kommt es bei Philon nicht auf eine Einzelperson an, sondern steht ein Denken im Vordergrund, das erstmals mittels der dem Menschen von Gott gegebenen Vernunft und der Wahrnehmung einer der gesamten Schöpfung  zugrunde liegenden Vernunft zum Glauben kommt (den jüdischen Gott erkennt).

 

Auch wenn in allen Schriften, die den Namen Philon tragen, mit keinem Wort der Name Jesus erwähnt wird bin ich gewiß, daß in diese Weisheit  mit die Wiege lag für das, was wir über den Wanderprediger Jesus von Nazareth wissen und was an Heilswirkungen von diesem ausgeht.

 

In der Gestalt Philon  ist das neue theologisch-philosophische Denken personifiziert, verbirgt sich die schöpferische Vernunft  (Gottessohn) ebenso wie die davon ausgehende menschliche Vernunft (Menschensohn).

 

Damit ist Jesus alles Andere als die Erfindung einer Einzelperson oder eines philosophischen Denkens damaliger Zeit. Er ist weder nur ein Geistesgebilde, noch eine Fiktion, sondern schöpferischer Fakt. Wer vom lebendigen LOGOS als dem wahren Wesen ausgeht, das durch Jesus personifiziert und erfaßbar wird, für den werden die Erzählungen des Neuen Testamentes zur historischen Wahrheit, die sich kausal nachvollziehen läßt. Die gesamten Aussagen und Heilsversprechen erhalten so plötzlich eine völlig neue Bedeutung.

 

Der gewaltige Paradigmenwechsel, der zu dieser völlig neuen Gotteswahrnehmung führte, wird in keinen anderen Schriftzeugnissen deutlicher, als bei den mit Philon überschriebenen Texten. Auch in Syrien - wo die Evangelisten die Geschichte Jesus schrieben -  läßt sich dies auf die Wahrnhemung des Lebendigen  LOGOS im Rahmen einer Synthese zwischen vernunftgeprägtem griechischen und vorgesetztem jüdischen Denken zurückführen. Doch die neue Dimension über die Gotteslehre durch den lebendigen LOGOS läßt sich m.E. derzeit nirgens so gut nachlesen, wie bei Philon.  

 

Das Leben Jesus läßt sich verstehen, wenn wir uns der Bedeutung dieses lebendigen LOGOS bewußt werden. Denn längst haben es unsere Exegeten aufgegeben, in den Texten des Evangeliums die wörtliche Rede eines Wanderpredigers sehen zu wollen. Für die Glaubensinhalte bleibt Jesus in der heutigen theologischen Wirklichkeit ohne Bedeutung. Auch - oder vielmehr gerade -  weil gleichzeitig nach wie vor nur von einem Wanderprediger als historische Wirklichkeit ausgegangen wird, findet die Begründung neutestamentllicher Texte fast nur in jüdischer Traditon statt. Das gesamte WORT Gottes wird so nur in Texten gelesen, die auf alte Traditionen zurückgehen. Jesus ist in Wirklichkeit unbedeutend geworden. Doch der von Philon im lebendigen Prozeß der Schöpfung erkannte LOGOS ist es, der sich in der Gestalt des Jesus von Nazareth ausdrückt. Philon baute sein Gottesbewußtsein auf den lebendigen LOGOS als Sohn Gottes, nicht auf tote Traditonstexte. Vielmehr machte Philon die vom Intellekt verspotteten Traditonstexte durch den Bezug auf den schöpferischen LOGOS, der von der griechischen Philosophie belegt wurde, erst wieder lebendig.

 

Ohne diese neue Dimension des Gottesglaubens wäre kein Neues Testament gegeben, blieben die Texte nur aufgewärmte, unverstandene Tradition. Doch der historische Jesus hat wirklich gelebt.  (Und lebt weiter, ist neu zu verstehen.) Er ist und war der, der uns von Philon als LOGOS genannnt ist. Er liegt dem Neuen Testament zugrunde. Von ihm gingen die Jesusworte aus. Seine Leidensgeschichte ist uns überliefert. Die geistesgeschichtliche Gestalt des lebendigen LOGOS als SOHN des einen Gottes geht weit über alles hinaus, was derzeit von unserem Religionsgründer als Mensch bzw. moralisches Vorbild gepredigt wird.

 

Wenn ich Philon zum Zeugen rufe, dann geht es allerdings weniger um die Rehabilitation unseres Religionsgründers bzw. die Begründung des neuen Paradigmas, das sich hinter Paulus verbirgt. Es geht um das, was uns dadurch gegeben ist: ein neuer vernünftig begründeter Gottesglaube, der auf die Vernunft Gottes, den LOGOS baut und nicht im Gegen-satz zum bisher als WORT Gottes gelesenen Traditionstext steht. Die Trennung  zwischen Vernunft und traditionellem Gottesverständnis, an das nur noch wenige glauben, gilt es zu überwinden, um den menschlichen Geist zur Vernunft zu bringen.

 

2. Wie man über Gott NEU "denken" sollte

 

Bei meiner Spurensuche stieß ich auf ein Büchlein, das die Gedankengänge Philos in kurzer Form treffend beschreibt. Der Exegete Herbert Braun, der sich mit Philon bei seinen Vorarbeiten zu einer Kommentierung des Hebräerbriefes auseinandersetzte, wollte die Konsequenzen der philosophischen Gedankengänge nachzeichnen, um davor zu waren: Wie man über Gott "nicht" denken sollte.

 

Seine Ablehnung des philonischen Gottesverständnisses beruhen auf der Annahme, daß durch die "Parolen Philons die Existenz des Menschen vernichtigt und die ethische Lauterkeit seines Wandels vergleichgültigt" würden. Wer nicht das neue Paradigma erkennt, das sich mit Philon auftut, wer nicht die neue Grundlage für den jüdischen Gott im philosophischen Denken sieht, der muß zu solchen Befürchtungen kommen. Ohne Jesus als den lebendigen LOGOS des Philon zu verstehen, im schöpferischen Werden den  wahrzunehmen, den wir als SOHN des einen Gottes aus den Traditionstexten kennen, bleibt die Existenz Gottes philosophisch jenseitig.

 

Auch wenn ich mich über die Warnungen "wie man Gott nicht denken sollte" hinwegsetze und vielmehr Beweise dafür suche, wie man Gott neu denken soll, so will ich trotzdem die Befürchtungen nicht in den Wind schlagen, sondern sie wirklich ernst nehmen und daraus lernen:

 

Alle philosophischen Höhenflüge helfen nicht weiter, wenn sie nur einer unverständlichen Vergeisterung dienen oder einer Verwissenschaftlichung, die nicht als WORT/LOGOS Gottes verstanden wird. Die rein intellektuelle Ebene reicht nicht aus. Das notwendige
Weltverständnis muß tiefer gehen, das gesamte Sein umfassen. Aus einem neuen Gottesverständnis muß sich ein neues Verhalten ergeben. Alles Reden von einer globalen und ewig aller Schöpfung innewohnenden Vernunft hilft nicht weiter, wenn wir diese Erkenntnis nicht mit dem bekannten WORT Gottes auf einen Nenner bringen.  

 

Was taugen alle 1001 moderne Kosmologien, universelle schöpferische Prinzipien in modellhaften Chaostheorien oder neue meta-physische wissenschaftliche Erkenntnisse, wenn wir darin weder die Handlungsweise Gottes bzw. dessenWORT wahrnehmen, noch die Gestalt, die uns als wanderpredigender Sohn Gottes bekannt ist? Alle modernen philosophische Hirngespinste helfen nicht weiter, wenn wir darin keinen Nutzen für unseren Alltag erkennen können, keine Heilswirkung für unser Gottesverständnis und keine Hinführung zu einem wahrhaft vernünftigen Verhalten.

 

Wenn ich von Philon so begeistert bin, dann deswegen, weil diese Weisheitslehre über alle wissenschaftlich-sophistische oder rein philosophischem Selbstzweck dienenden Denkweisen weit hinausgeht. Doch  auch wenn Philon die rein wissenschaftlich-sophistischen ebenso wie esoterische oder unverständliche mystische Lehren angriff, dann hat er sie nicht abgelehnt, sondern in einer sie anerkennenden Auseinandersetzung eine Synthese gefunden. Im antiken griechisch-philosophischen Denken, das sich von den mystischen Erzählungen des Homer herleitet, wird das das durch jüdische Propheten und Priester verkündete WORT Gottes wahrgenommen, wie wir es von Moses kennen. Die jungen Theologen, die heute wie wild im Schriftgut stochern und hochwissenschaftlich belegen, aus welcher Literatur sich das philonische Denken speist, suchen auf der falschen Seite. Natürlich ist das Denken nicht aus dem Nichts entstanden, hat seine geistige Vorgeschichte, egal ob wir Planton und Pythagoras, prophetische Schriften, gnostische Literatur oder die zeitgenössische Philosophie der Stoa  heranziehen. Hinter  Philon verbirgt sich nicht einfach eine antike Denkweise, die allegorisch die alten Texte zusammenwürfelt. Hier war kein wilder Synketismus, sondern ein neues Verständnis des schöpferischen WORTES. Dies ist und war Voraussetzung für eine sinnvolle Synthese. Der wesentliche Lehrer des Philon ist der lebendige LOGOS. Aus dieser, durch die menschliche Vernunft (LOGOS) von der schöpferischen Vernunft  (LOGOS) hergeleiteten Theologie wird ein Tugendlehre.

 

 

Der Vorwurf der Weltverneinung  oder einer vergleichgültigenden Ethik läßt sich auch entkräften, wenn wir wahrnehmen, welch gewaltige Wende sich in Wirklichkeit hinter dem  Geistesgut versteckt, das sich mit dem Name Philon verbindet. In der Tugendlehre des Neuen Testamentes haben die Evangelisten den lebendigen LOGOS persönlich sprechen lassen.

 

3. Gott als Schöpfer "denken"!

 

Wenn bei Philon von Gott als Schöpfer gesprochen wird, dann bemerken wir nicht den grundlegenden Wandel, der sich vollzogen hat. Gott wird durch ein vernünftiges Denkens über die realistischen kosmologischen Gegebenheiten im Rahmen des damaligen wissenschaftlilchen Weltbildes als Schöpfer wahrgenommen.

 

Auch wenn sich die damalige Philosophie über die Weltentstehung noch weitgehend uneins war, wir selbst bei Philon eine ganze Reihe von kosmologischen Modellen finden, so dürfen wir doch nicht übersehen, daß alles Werden auf eine schöpferische Vernunft zurückgeführt wird. Nichts geschieht  nur irgendwie, willkürlich oder rein zufällig. Alles hat einen schöpferischen Sinn. Und genau hier könnte es uns dämmern, muß modernes wissenschaftliches Denken einhaken. Philon ging es in seinen kosmologischen Modellen ebensowenig um eine rein wissenschaftliche Welterklärungen wie im Genesisbericht. Und doch war etwas Neues geboren. Das Wesen wessen sich alles verdankt, war vernünftiges Handeln eines Schöpfers. In Natur und Geschichte sichtbar gewordener Verstand Gottes. Nicht Traditonsschriften, sondern das Verständnis des lebendigen WORTES/LOGOS war Lehrer eines neuen Gottesbewußtseins.

 

Es sind nicht alte religöse Traditonen, die das Tun Gottes belegen, sondern ein neues Denken über Gottes Tat-sachen. Gott ist nicht der Vater des Alls weil eine antroprozentrisch geprägte Metapher vom gütigen Vater eine bessere Beschreibung für den vorgesetzten Schöpfer ist, sondern weil Gott wirk-lich (vom Wirken hergeleitet) als der Erzeuger des Alles verstanden wird. Die väterliche Güte ist kein Attribut für einen fiktiven Gott, sondern wird logisch gefolgert aufgrund einer fortschreitenden Schöpfung, die alles zum Wachstum führt. Die philosophische Erkenntnis folgert, daß letztlich alles, was in der Schöpfung geschieht, "gut" ist.. Nur darum ist Gott gütigig. Nicht weil das jemand nur behauptet.

 

Vielgötterei wird bei Philon nicht abgelehnt, weil geschrieben steht, es gäbe nur einen Gott, sondern weil das gesamte Werden der Welt auf eine oberste Ursache zurückgeführt wird.

Wenn Philon im israelitischen Glauben eine großartige Weisheit erkennt und messianische Hoffnungen hegt, dann nicht, weil er sich der Meinung eines Menschen mit Name Moses anschließt. Er wird nicht bekehrt durch die wohlklingende Predigt eines Missionares, sondern versteht im griechisch-philosophischen Denken das WORT Gottes, wie es vorher bereits einer mit Moses beschriebenen Weisheit bewußt war.

 

Gott ist nicht Schöpfer allen Sichtbaren und Unsichtbaren Seins aufgrund des Genesisberichtes, wie er im Buch steht, sondern aufgrund der lebendigen Genesis. Gott wird nicht mehr blind geglaubt. Der Glaube Philons ist ein waches Bewußtsein. Ein Wahrnehmen des lebendigen WORTES.

 

Eine Weltabgehobenheit kann ich in dieser neuen, fortgeschrittenen Gotteswahrnehmung nicht feststellen. Vielmehr ist es Philons Werk, die weltabgehobene Gottesvorstellung von einem 7tage-Werk  mit dem realistisch Werdensprozeß der Welt auf einen Nenner zu bringen. (Der Name für diesen Nenner wird später Jesus von Nazareth genannt.) Gott wird dabei nicht verweltlicht, geht nicht pantheistisch in der Welt auf, mit der er gleichgesetzt wird, sondern wird "verstanden" als Erzeuger des Alles. Ein Vater des gesamten Kosmos, der sich nur im Er-zeugnis, Sohn zeigt. Die Bezeichnungen "Vater" und "Sohn" werden dabei für etwas gebraucht, was zwar von der menschlichen Vorstellungskraft nicht zu erfassen ist, aber sie werden trotzdem nicht nur religiös vorgesetzt, sondern im realistischen Schöpfungsgeschehen verstanden.

Wenn Philon Gott dabei noch am Werk sieht und nicht wie einen Uhrmacher, der das 7tage-Werk hergestellt hat und nur noch bei Reparaturen eingreift bzw. wenn er durch ein Gebet gerufen wird oder vom Gesetz abgewichene Menschen bestrafen muß, dann kann ich darin keine Entweltlich Gottes sehen. Wo Gott als konkreter Urgrund des gegenwärtigen kosmischen Geschehens durch seinen Verstand regiert, ist genau das Gegenteil. Dieser Gott ist im gegenwärtigen biologischen Geschehen durch den LOGOS begreifbar und nicht außerweltlich, un-wirklich zwischen Buchdeckeln eingeperrt. Ein Gott der so verstanden wird, entzieht sich nicht seiner Verantwortung, sondern regiert und reagiert, auch auf allen menschlichen Unsinn. (Nichts anderes wird derzeit in ökologischen Abhandlungen belegt, ob sie rein naturwissenschaftlich angelegt sind oder von einer ganzheitlichen Sicht ausgehen, evtl. gar in heidnischen Begriffen einer Gaijahypothese sprechen.)

 

Gott als Künster, Fertiger des gesamten Kosmos, der die entferntesten Universen ebenso wie die Feinheiten unseres Körpers durch sein WORT/LOGOS belebt hat, ist keine leere philosophisch-religiöse Worthülse. Die Bezeichnungen LOGOS/WORT/JESUS können bei diesem Denken auch nicht einfach mit Gott gleichgesetzt werden, so wie dies in der derzeitigen Predigt oftmals geschieht. Während wir in Jesus ein Wanderprediger sehen, wird gleichzeitig von einem erhöhten Christus gesprochen, der einfach wie Gott angesprochen wird. Doch wenn Philon vom LOGOS sprach, dann betraf dies nicht Gott selbst, sondern das vernünftige Handeln Gottes,  den hinter allem Werden stehenden Verstand (WORT/LOGOS), durch den Gott erst wahrgenommen wurde.

 

Gottes Sohn ist bei Philon keine Gestalt, an die man einfach glauben muß, weil man Gott nicht erkennen kann, sondern das im Werden sichtbare WORT, verständlicher LOGOS Gottes. Dieses Denken schloß damals weder die hellinistisch-heidnische Götterwelt, noch das durch Moses vorgegebene Gesetz aus, sondern führt diese weiter zum lebendigen WORT.

 

Hinter dem WORT wurde eine alles Wachstum und allen Wohlstand hervorbringende schöpferische Kraft verstanden. Wie weit sind wir davon entfernt? Welch krasser Gegensatz von unserem Welt- bzw. Gottesbild zu dem von Philon. Während Philon aufgrund von Wissen um das Werden der Welt durch eine verursachende vernünftige Kraft als Kreator des gesamten Kosmos, auf den einen Schöpfer schließt, scheinen bei uns WORT und Wissen gegenseitig im Wege zu stehen. 2000 Jahr nach Philon wird das WORT Gottes nur noch in alten Büchern wahrgenommen, statt im evolutionären Werden, von dem wir inzwischen so viel Wissen.

 

Statt in der realen Genesis das WORT Gottes wahrzunehmen stehen sich wissenschaftliches Weltbild und Gottesbewußtsein nach dem Genesisbericht weiterhin gegenseitig im Weg. Auch wenn Naturwissenschaften und Glaube heute sich nicht mehr einander ausschließen, sondern im Dialog stehen, der Glaube gründet nicht auf dem was wir wissen, sondern auf dem was noch nicht klar ist. Nicht im Licht des LOGOS, sondern im Dunkel des Unerklärlichen wird nach Gott gesucht. Alle Dialoge zwischen Wissenschaft und Glaube dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, daß Gotteswahrnehmehmung derzeit nur im Nichtwissen (bzw. Buchwissen) stattfindet, nicht im lebendigen WORT. Doch  der Quantensprung des Wissens ist nicht dessen Vermehrung, sondern ein neues Verständnis davon. Im Wissen den Verstand des Schöpfers, Gottes WORT wahrnehmen als eigentliches Wesen, das wärs.

 

Für Philon war Gott kein Zauberer. Schöpfungswunder waren kein Lug und Trug, sonder Bilder für das natürliche Werdens. Wunder waren das wunder-bare, offensichtliche Wirken Gottes. Gott handelte für Philon nicht gegen die Vernuft, sondern war deren Vater, Erzeuger.

Nicht im Dunkel des Unerklärlichen nahm Philon den LOGOS wahr, sondern im Licht der damals philosophisch-wissenschaftlichen Welterklärungen.

 

Gottes Handeln lenkte bei Philon das All durch den LOGOS. Die Harmonie der Gestirne ging auf den göttlichen LOGOS zurück. Nicht die Gestirne brachten die Jahreszeiten hervor, sondern die dahinter stehende unsichtbare Vernunft, später als Sohn Gottes "Jesus" genannt.

Gotte lenkt das All durch den LOGOS. Dieser ist nicht Gott selbst, sondern nur das, was von Gott ausgeht, was durch ihn gezeugt wird, der Sohn, die sichtbare Vernunft.

 

Wir nennen uns aufgeklärt, aber wir bleiben weit vor diesem Verständnis des Philon zurück. Wir besitzen inzwischen ein ausgefeiltes, immer weiter verfeinertes Wissen um die aller natürlichen Ordnung zugrunde liegende Vernunft. Wer aber sieht darin den göttlichen LOGOS?  Wer nimmt nach Teilhard de Chardin im evolutionären Werden noch das WORT Gottes als den kosmischen Christus wahr? Und wer erst versteht in dieser Erkenntnis den historischen Jesus von Nazareth? Wer führt die uns überlieferten Jesusworte auf den wirklichen Jesus, das lebendige WORT zurück, und sieht darin nicht nur ein Aufwärmen alter Weisheitszitate.

 

Doch all die Glaubenszeugnisse von Philon erfolgten nicht nur aufgrund alter Gesetze. Auch wenn Philon der erste uns bekannte Denker ist, der sich theologisch auslegend mit den jüdischen Tradititonstexten auseinandersetzte. Die damals vorgenommene erste Übersetzung, der uns als Altes Testament bekannten Texte ins Griechische, ist gewiß weit mehr, als die Übersetzung in eine neue Sprache. Dahinter steht ein neuer Verstand, der sich vom griechischen Denken herleitet.

 

Die Glaubensbekenntnisse des Philon sind keine inneren Eingebungen oder medidativen Träume über einen transzendenten Gott, sondern bauen auf die Tat-sache Gottes. Sie sind kein Nachbeten von Vorgesetzten Texten, sondern philosophische Erkenntnis aufgrund kausalen Denkens über die Naturgesetze.

 

Philon tut dabei alles andere, als sich über die alten Texte einfach hinwegzusetzen. Die theologische Wende wäre nicht, wenn  das lebendige WORT nicht auch in den alten Bildern wahrgenommen würde. Erst, indem Philon durch allegorische Auslegung  des Alten Testamentes den LOGOS als Grundlage der traditionellen Glaubenszeugnisse belegt, ergibt sich das neue Paradigma.

Die allegorische Deutung, die mit dem Name Philon fest verankert ist, nimmt dabei den Traditionstexten nicht ihren festen Boden, ihre historische Realität, um sie als religöse Bilder gedeutet, in die allmögliche Beliebigkeit zu werfen. Philon macht als Grundlage der alten biblischen Berichte ebenso wie der hellinistischen Mythen den LOGOS bewußt. Die Philosophie von Alexandrien führt die religiösen jüdischen Traditionsberichte und griechischen Göttersagen einer neuen, übergeordneten Realität zu, füllt sie mit dem Leben des LOGOS. So z.B. wird das Schlangenwunder nicht auf einen von Moses gebrauchten Zaubertrick oder eine erfundene Geschichte zurückgeführt, sondern auf die schöpferische Kraft, den LOGOS. Jetzt wird es verständlich: Jesus, der  lebendige, fleischgewordene LOGOS/WORT ist die begreifbare schöpferische Vernunft, die auch den alten Texten zugrunde liegt. Und alles läuft auf dieses sich bei Philon anbahnende neue Bewußtsein zu, dessen Heilswirkung und Herausforderung uns im Neuen Testament überliefert ist.

 

Das Werkzeug, durch das Gott seinen Sohn, seinen LOGOS den Menschen offenbart, ist die Weisheit, die Sophia. Die Philosophen sind die Freunde dieser Weisheit, nicht ihre Erzeuger. Der LOGOS hat Gott selbst zum Vater. Nur der Trunkene hält sich selbst für den Urheber, so Philon. Der Mensch wird durch diese Denkweise jedoch keineswegs verneint. Was er erkennt ist, daß er Jesus braucht um zu leben: Am schöpferischen LOGOS muß er sich orientieren.

 

Der LOGOS ist Quelle allen sichtbaren Lebens, aller Materie und allen menschlichen Geistes.

Der LOGOS ist als sichtbare Gabe, verständlicher Geist von Gott gegeben. Eine Theologie, die den LOGOS für den  Titel ihres des wanderpredigenden Religonsgründers oder einer fiktiver Gestalt hält, durch die sich nur die alten Texte neu offenbaren,  ist wie der trunkene Wissenschaftler, der in der Materie selbst den Ursprung des Werdens wähnt und nicht in dem hinter allem stehende lebendige WORT. Das uns im Neuen Testament gegebene WORT ist weit mehr als das, was Menschen unter dem Namen Moses als ewige  Weisheiten aufgeschrieben haben.

 

EINSCHUB:

 

Gerade komme ich von einer Beerdigung. Die junge Pfarrerin hat schön gesprochen. Viel von Jesus. Er würde die Tode zu sich nehmen, von ihm ginge alles Leben aus................

 

Entweder sie hat von dem gesprochen, den Philon als den LOGOS sah oder alle Rede war einfach religiöser Unsinn. Allenfalls hat sie einfach statt den Namen Gottes, den von Jesus gebraucht.

 

"Laßt uns zur Kirche gehen und das WORT Gottes hören",  so ihre  Aufforderung. Wie schön, wenn wir es verstehen würden. Nicht nur einfach ein Buch mit vorgesetzten Texten vor Augen. Erst durch das lebendige WORT wird Gott den Christen bewußt. Einfach blind statt von Gott jetzt von Jesus oder dem Messias zu reden, das macht keinen christlichen Glauben aus.

 

 

4. Im LOGOS offenbart sich Gott, ein logischer Vorgang

 

Gott selbst bleibt für Philon verborgen, er ist jeglicher Vernunft unzugänglich. Nur der LOGOS Gottes, die Vernunft und Ordnung des schöpferischen Handelns läßt auf Gott schließen. Nicht aufgrund des vorgegebenen Gesetzes exestiert Gott für Philon. Nicht weil es geschrieben steht ist der jüdische Gott der Schöpfer. Durch die vernünftige Schöpfung schließt Philon ganz logisch auf ein höheres Wesen, in dem er den jüdischen Gott erkennt und persönlich anspricht. Philosophische Erkenntnis, die durch kausales Denken Gott als Ursprung aller Dinge ganz persönlich bekennt.

 

Gott wird dabei nicht mit seinem Werkzeug verwechselt. Das Werk ist für Philon nur Zeuge Gottes. Die lebendige Vernunft läßt auf den Erzeuger, den Vater schließen. Ebensowendig wie Philon Gott pantheistisch mit dem Kosmos gleichsetzt, wird von ihm der menschliche Geist auf in die göttliche Ebene gehoben. Der menschliche Geist ist geschaffen zur Erkenntnis. Er ist das Werkzeug zum Bewußt"SEIN". Auch das menschliche Bewußtsein ist Werk-zeuge, das Gott erst bewußt zu machen hat.

 

Das Gottesbewußtsein ist für die jüdisch-griechisch Philosoph der Spätantike (Pilon) die notwendige Voraussetzung für menschliches bzw. vernünftiges Verhalten. Der Vorwurf, Philon würde das menschliche Sein vernichtigen, ist unzutreffend. Philon erkennt nur die Notwendigkeit, einen vernünftigen Gott als Kreator des Alles wahrzunehmen, um selbst wahrhaft kreative Kraft zu entfalten. Der Mensch ist bei Philon gefordert. Er ist gefordert, Gott durch die Vernunft  als Vater aller Vernunft wahrzunehmen. Durch die Wahrnehmung des göttlichen WORTES ergibt sich die Verant-wortung des Menschen.

 

Wer wie Philon Gott als den Vater der reinen Vernunft annimmt, der kann ihm keine menschlichen Eigenschaften verleihen. Antroprozentrische Beschreibungen, die Gott als zornig, rachsüchtig, gutmütig......beschreiben, werden bei Philon als reine Metaphern verstanden, die Aussagen treffen über Dinge, die für die meisten Menschen anders kaum verständlich sind. Auch die Logik einer bildhaften Lehre war Philon bewußt. Was heute in der modernen Geisteswissenschaft, wenn beschrieben wird, warum wir Bilder für das Verständnis brauchen, wie eine neue Erkenntnis klingt,  wird damals bereits wissenschaftlich belegt. Warum sollten diese Denker dann nicht die Einsicht nutzen und auch das neue Bewußtsein des LOGOS in menschlich-begreifbarer bildhafter Gestalt zum Ausdruck zu bringen?

 

Doch nicht Gott allein ist durch die reine Vernunft erkennbar. Auch der Sinn des menschlichen Seins läßt sich nur vom lebendigen LOGOS ableiten. Die gotterfüllten Denker erschloßen damals aufgrund der Ordnung in der Welt nicht nur die Existenz Gottes, sie begriffen sich als kleinste Teile des schöpferischen Tuns.

 

Gott selbst blieb dabei in seinem Wesen nach für jeden unbegreifbar und transzendent. Nur Himmel und Welt besitzen eine Beschaffenheit, in der theologisch auf immer höherer Stufe der Sohn Gottes wahrnehmbar ist. Gott zeigt nicht sein wirkliches Wesen. Was sichtbar wird, ist nur das was von ihm ausgeht: sein WORT, seine Schöpfung. Nur seine Werke in denen der Verstand sichtbar ist, sind zu sehen. Und wie Licht nur durch Licht erkannt werden kann, so läßt sich auch Gottes Verstand nur durch  unseren Verstand wahrnehmen. Das vielgerühmte Licht des Herrn ist der LOGOS.

 

5. Gottes Sprechen: lebendiger LOGOS/WORT in der Gegenwart allen Werdens

 

Die Urfrage bliebe der Theologie vorbehalten. Zwar hätten die Naturwissenschaftler Erklärungen für alle Erscheinungen, alle physikalischen und biologischen Vorgänge, doch das Ende und der Anfang blieben verborgen. Hier sei die Theologie gefragt, so schlußfolgert z.B. Prof. Walter Saft. Doch genau damit macht er - und mit ihm die derzeitige Theologie - Gott mundtot. In dem was war, bevor unsere Welt geboren wurde oder was zum Urknall führte, können wir Gottes WORT nicht hören.  

 

Philon verstand Gott nicht im Verborgenen, nicht im unerforschbaren Geheimnis am Anfang aller Dinge, sondern in der lebendigen Genesis. Gottes Verstand wird bei Philon nicht auf die unergründbaren Voraussetzungen bezogen, die durch die Wissenschaft nicht erklärt werden können. In der Gegenwart allen Werdens wird das ewige WORT wahrgenommen. Nicht weil er an einem im Dunkel liegenden Anfang war und am unsichtbaren Ende sein wird, ist Gott, sondern genau umgekehrt. Aus dem lebendigen Prozeß, indem die Vernunft philosophisch erfaßt werden kann, wird logischerweise auch auf einen sinnvollen Anfang geschlossen und ebenso ein ebensoches Ende.

 

Es reicht nicht aus, daß der fanatische Streit zwischen Glaube und Naturwissenschaft beigelegt wird, dem lieben Frieden wegen. Es stimmt, die Bibel gibt keine Welterklärung, sondern trifft Glaubensaussagen und die Wissenschaft ist nicht auf Glaubensaussagen ausgerichtet. Doch wenn wir uns damit zufrieden geben und froh sind, daß keine Kollisionen kommen, können wir das lebendige WORT nicht hören. Wir beschäftigen uns dann nur mit einem toten Gott. Im LOGOS soll uns der lebendige Gott offenbar werden. In Ursache und Wirkung wird Gottes WORT verständlich, nicht vor bzw. außerhalbs allen Verstehens.

 

Was oder wer unser Universum erschaffen hat, ist nur nachzuvollziehen aufgrund des gegenwärtigen Schaffens. So wie die Wissenschaftler ihre unzähligen Theorien von dem ableiten, was sie im jetzigen Weltverständnis an Wirkungsweisen erkennen, so läßt sich auch bei der Erkenntnis Gottes als Schöpfer nur vom dem ausgehen, was in der Gegenwart gesehen wird. Wenn Jesus sagt, er sei der Anfang und das Ende, dann ist das keine bloße Behauptung. Im Bewußtsein einer universellen Vernunft in der gegenwärtigen Genesis läßt sich logischerweise auf diesen LOGOS auch am Anfang und am Ende schließen. Die unzähligen kosmologischen Beschreibungen begeistern mich für den Sohn Gottes. Je größer und umfassender die kausalen Kosmologien werden, je mehr ich über die Weltentstehung weiß, desto besser kann ich Gottes WORT verstehen. Dabei erscheint es unwesentlich, ob wir alles auf eine Evolutionstheorie zurückführen oder verschiede Modellvorstellungen entwickeln. Willkürlichkeit und Zauber kann ich im ganzen Kosmos nicht mehr erkennen. Alles, was uns als wunderbar zusammenwirkendes Werk bewußt wird, ist Werk Gottes: offen-bares Wunder.

Nicht weil einige Traditionstexte oder alte Mythen dies sagen, sondern weil wir Gottes WORT im realen kosmischen Handeln hören, können wir als Christen glauben.

 

Die vielfach geforderte Wiederverzauberung der Welt, ein neues Staunen und Wundern kann nicht dadurch erreicht werden, daß wir hinter dem Unerklärlichen Gottes Werk wahrnehmen, sondern im wunderbaren Wirken. Heiligkeit der Schöpfung ist nicht, weil ich einen Gott für den unerklärlichen Schöpfer halte, sondern weil ich aller natürlichen Schönheit Gottes Handeln sehe.

 

6. Notwendigkeit und Probleme der menschlichen Gestalt

 

Gott besitzt für Philon keine menschliche Gestalt. Gottes Sprechen zeigt sich nicht in menschlichen Worten, sondern schöpferischem Tun, das durch die Weisheit erfaßt wird. Wenn bei Philon von einem gegenwärtigen, einem lebendigen WORT im kosmischen Geschehen ausgegangen wird, dann schließt dies die traditionellen Überlieferungen keineswegs aus. Philon wird nicht müde, alle alten Aussagen aufgrund des neuen Verständnisses durch das lebendige WORT zu begründen.

 

Gleichwohl ist Philon bewußt, daß wir die Metapher in Menschengestalt brauchen, um zu verstehen. Die Notwendigkeit einer bildhaften Rede wird durch ihn logisch begründet. Insbesondere um die unverständigen Massen zur Vernunft zu bringen, muß eine  antropomorphe Rede über Gott angewandt werden.

 

Doch wo Gott nicht mehr als eine Art Übermensch begriffen wird, da muß auch der Gottessohn in Menschengestalt als Bild begriffen werden. 

 

Solange wir das lebendige WORT im Schöpfungsprozeß nicht wahrnehmen, sind wir notwendigerweise darauf angewiesen, die Autorität auf vorgegebene Aussagen oder menschliche Persönlichkeiten zu bezeihen. Während bei Philon die Autorität eindeutig vom Schöpfer selbst ausging, beziehen wir unse Autoritäten nach wie vor aus menschlichen Gestalten.

 

Gleichzeitig scheint die Autorität der menschlichen Personen auch dem schöpferischen WORT im Wege zu stehen. Eine Kirche, deren Autorität sich durch das päpstliche Wort ergibt, kann keine Autoritäten erkennen, die außerhalb der menschlichen Sphäre liegen. Wir sind auf menschliche Persönlichkeiten programmiert. So wird auch nicht ein völlig neues theologisches Paradigma wird gesucht, das vor 2000 wirklich war, sondern nur eine Persönlichkeit mit Namen Paulus wird gesehen. Nicht das Bewußtsein zählt, das zu einer neuen Grundlage des Glaubens führte, sondern in Buchstaben wird nach der Wahrheit Ausschau gehalten. Die Authentizität bestimmter Aussagen wir nicht vom Geist abgeleitet, sondern im Gesetz gesucht. Gleichwohl in den Kommentaren der Schriften viel von Pseudopaulus gesprochen wird, weil z.B. aufgrund des zeitlichen Ablaufes nicht alle Texte auf eine Person bezogen werden können. Solange das völlig neue Paradigma nicht gesehen wird, für das der Verfassername Paulus steht, muß eine Zuordnung weitgehend willkürlich geschehen. Es bleibt dann der Einstellung des Auslegers überlassen, was echt Paulus ist. 

 

Um zu wissen, wer Paulus war, wovon das neue Paradigma ausging und was es bedeutete, können wir nicht auf alte Literatur verzichten. Erst durch das Studium der Schriften können wir auf den Urheber schließen. Doch der Veranlasser des Neuen Testatamentes war kein Wanderprediger und keine ihm unterscheschobene Predigt, sondern der Geist eines neuen Paradigmas, diesen gilt es im Denken der alexandrischen Pilosophie zu suchen.

 

Für Philon war die Authentizität der mosianischen Texte nicht in einem Menschen begründet. Ebenso wurden Abraham und andere alttestamentliche Personen oder Gestalten der jüdisch-griechische Philosophie nicht in Einzelpersonen, sondern bestimmten religösen Denkrichtungen, Einstellungen oder Eigenschaften begründet. Und doch war Philon kein Autodidakt. Die alexandrinische Philosophie war keine Selbstunterweisung. Ihr Lehrer war der LOGOS.  Er war das WORT und Weisheit, die damals so hoch verehrt wurde. Gott war der Autor aller Schöpfung, allen Geschichtsgeschehens und aller Begebenheiten, von ihm ging das WORT aus. 

Was ist aus diesem Bewußtsein geworden? Warum müssen wir uns heute krampfhaft an eine Menschengestalt klammern? Warum fällt es so schwer, im historischen Jesus von Nazareth statt einer männlichen Mutter Teresa mit Bart das lebendige WORT zu begreifen?

 

Während die Heiden in in ihren Steinfiguren nur Symbolbilder sahen, halten wir die selbstgebastelte Gestalt für die historische Wahrheit. Wir schwärmen von einem antiken Che Guevara, den wir dann einfach zum Christus hochstilisieren, ohne daß uns die wirkliche messianische Heilswirkung bewußt ist. Und selbst bei dem vor wenigen Jahren lebenden Freiheitskämpfer, der zur mystischen Leitfigur der 68er Bewegung wurde, wissen wir lt. Brockhaus heute nicht mehr, was an Tagebüchern und Schriften wirklich auf ihn selbst zurückzuführen ist.  Wieviel weniger Autor-ität könnte von Jesus ausgehen, wenn er nur ein damaliger David Copperfield gewesen wäre.  Während ein wunderwirkender Wanderprediger im Grunde für die Inhalte unserer heutige Theologie jegliche Bedeutung verloren hat, halten wir weiter an einem Menschen fest. Die Texte des Neuen Testamentes werden von den Theologen weitgehend auf alte Traditionsschriften zurückgeführt. Trotzdem bleibt unser Denken an der historischen Gestalt eines Wanderpredigers hängen. Statt Gott stellen wir uns seinen Sohn mit Kopf und Körper vor. Dabei muß es doch jedem halbwegs denkenden Menschen bewußt sein, daß dieser dann nur noch eine der heutigen Moralvorstellung entsprungene Modellfigur sein kann.

 

Der menschliche Gestalt des Gottessohnes haben wir es zu verdanken, daß sich der christliche Glaube gehalten und weiterentwickelt hat. Alles, was wir heute an geistigem Fortschritt feststellen können, was sich in den letzten zwei Jahrtausenden an Wissen gebildet und an freiheitlich-humanen gesellschaftlichen Veränderungen ergeben hat, ist letztlich durch diesen Glauben bedingt. Wir können den Sinn dieses Glaubens sehen. Wir können durch kausales Denken erkennen, daß es gut war, im Wanderprediger den Messias wahrzunehmen. Wir wissen auch um die Notwendigkeit der Nächstenliebe zum Gelingen gesellschaftlichen Zusammenwirkens. Und doch war und ist Jesus weit mehr als nur ein Mensch oder eine menschliche Moralvorstellung. Er ist das lebendige WORT, das es neu zu verstehen gilt.

 

Der wanderpredigende Mensch ist dabei alles andere als ein Auslaufmodell. Wie durch Philon die mosianischen Gestalten, gilt es ihn im lebendigen WORT als großartige Allegorie neu zu begründen.

 

 

 

7.  Das lebendige WORT steht am Anfang eines allegorischen Verständnises

 

Im herkömmlichen Sprachgebrauch verstehen wir unter einer Allegorie eine Darstellung, die vieldeutig ist, keine Wirklichkeit zeigt, sondern nur ein Sinnbild. Wenn Philon die Allegorische Auslegung auf das Alte Testament anwendete, dann geraten wir leicht in Gefahr, dahinter ebenso eine alles mögliche vermutende Mehrdeutigkeit zu sehen. Eine von vielen möglichen Auslegenungen, eine Allegorie eben.

 

 Doch genau das Gegenteil ist der Fall. Alte mehrdeutige Mythen und unvernünftig erscheinende reliöse Epen versucht Philon wieder neu auf einen realen Boden zu stellen und vernünftig zu begreifen. Die allegorische Schriftauslegung des Philon schloß andere Deutungen dabei keineswegs aus. Jede Darstellung geschieht aufgrund einer bestimmten Perspektive, ihre Wahrheit kann in jeder Zeit auf andere Weise wahrgenommen werden. Wenn Philon den alten Erzählungen ihre Beliebigkeit nimmt, dann geschieht dies durch das Bewußtsein des lebendigen WORTES.

 

In seiner allegorischen Deutung führte Philon die alten Erzählungen nicht nur auf Naturvorgänge zurück, wie dies mit Mythen geschah, die im griechischen Denken allegorisch gedeutet wurden. Er sah nicht nur eine Verkleidung von Naturkräften. Er nahm dahinter einen den jüdischen Gott als Kreator wahr, von dem alles Werden ausging.

 

Die Bilder des Alten Testamentes begeisterten die alexandrinische Philosophie. Die damaligen Denker sahen darin einen großartigen geistigen Sinn enthalten, der nach Enthüllung verlangte. Eine Enthüllung, die nur durch den Verstand geschehen konnte. Und doch waren die Ausleger nicht nur auf ihren eigenen Verstand angewiesen, keine Schriftgelehrten in unserem Sinne, die nur nach eigenem Verständnis auslegen. Erst das Verständnis eines allem zugrunde liegenden WORTES/LOGOS, ließ damals die alttestamentlichen Personifikationen philosophisch erfassen.

Allegorie ist bei Philon der Ruf nach vernünftiger Auslegung eines verborgenen Sinnes. Das jüdisch-griechisch philosophische Denken, für das der Name Philon von Alexandrien steht, erkannte hinter den alttestamentlichen Personifikationen einen tieferen Sinn. Wann endlich sind wir so weit, nehmen wir das WORT Gottes wirklich wahr? Sagen nicht nur es wäre ein Wanderprediger gewesen, den man später als Sohn Gottes bezeichnete und ihm den Titel Messias verlieh?

 

Wie bei Philon wird auch bei uns die Wahrnehmung des lebendigen WORES in allem Werden vor einem neuen Verständnis liegen.

 

Für Philon waren die Propheten nur Dolmetscher, Vermitteler des schöpferischen WORTES. Der LOGOS, wie er auch im griechischen Weltverständnis erkannt wurde, legte den jüdischen Weisheitslehrern die Texte in den Mund. Was aller menschlichen Rede, all unserem Verstand zugrunde liegt, ist der LOGOS. Um die Täuschungsmöglichkeiten und Mehrdeutigkeit der Worte der Propheten zu durchbrechen, war es für Philon wichtig Voraussetzung das lebendige WORT im schöpferischen Handeln zu hören.

 

Wo wir dieses WORT nicht verstehen, werden wir ver-sagen: können wir es nicht weitersagen, weder in der Weisheit noch in der Lebensweise. Ohne das Verständnis des WORTES leben wir ohne wahre verant-wortung. Wenn von Philon Hymnen auf den Schöpfer geschrieben wurden, dann waren das keine Lobpreisungen eines vorgesetzten Gottes im heutigen Sinne, sonder aufgrund eines logischen schöpferischen Handelns. Philon hat Gottes WORT gehört. Von diesem WORT ging das Wissen von der Geberfreudigkeit Gottes aus. Durch dieses WORT war das Bewußtsein von der Güte Gottes. Das WORT machte bekannt, daß alles gut war. Gnade und Güte waren keine Eigenschaften eines Vorgesetzten, sondern wurden im realen schöpferischen Handeln gesehen.

Die Macht Gottes kann nicht mit der von menschlichen Mächtigen verglichen werden. Macht Gottes resultiert nicht aus einer willkürlichen Allmacht. Es geht um eine Macht von der alles Machen ausgeht. Solange sich unsere Theologie nicht von der antroprozentrischen Betrachtung lösen kann, die Gott menschliche Eigenschaften zu-schreibt, statt vom lebendigen WORT, einem vernünftigen schöpferischen Prozeß auszugehen, zweifeln wir an seinem Handeln.

 

Wie kann Gott meinen Hamster sterben lassen, wo er doch so ein guter Gott ist? Was hat er sich gedacht, daß er Unglück über unser Haus brachte? Auch die Frage nach einem Gottesglauben nach Auschwitz geht auf dieses Konto. Diese Theodizee ist die Folge einer kindlichen Gottesbetrachtung. Für Philon haben sich die Probleme der Theodizee nicht gestellt. Er sah im Geschichtsverlauf  und im gesamten kosmischen Geschehen das Gesetz des lebendigen Schöpfers. Diese Erkenntnis, nicht blinder Glaube, führte alles auf eine Vernunft zurück (WORT/Gesetz/LOGOS), auch wenn die nicht immer bzw. noch nicht so eindeutig wie heute ersichtlich war.

 

Durch den LOGOS, die schöpferische Vernunft offenbarte sich Gott über das jüdische Gesetz hinaus. Das mit Paulus beginnende neue theologische Paradigma wäre ohne die bei Philo nachzulesenden Erkenntnisse über den LOGOS als Gottessohn nicht möglich gewesen. Auf dieser geistigen Grundlage baut die Wende, die uns immer noch nicht bewußt ist. Die christliche Lehre der Nächstenliebe wäre nicht ohne die Erkenntnis des LOGOS. Noch krasser: Ohne das Bewußtsein des lebendigen LOGOS würden diese Lehren nicht wahr werden. Ohne die Wahrnehmung des lebendigen Verstandes Gottes fehlt uns die Voraussetzung verstandesgemäß zu leben. Das Gesetz allein kann das Gute nicht bewirken.  Ohne Wahrnehmung des lebendigen WORTES ist nur pharisäischer Wille zur Besserung aufgrund von Gesetzen bzw. Buchweisheiten, die auf menschlichen Verstand gründen. Ohne den LOGOS ist zwar guter Wille, doch er führt nicht zur Lebenspraxis.

 

8. Philon ist weder Mutter noch Vater, er ist Wiege Jesus

 

Philon ist nicht die einzige Denkschule der damaligen Zeit, die sich mit dem lebendigen LOGOS auseinandersetzt. Wenn ich ihn als Zeugen aufrufe, dann weil von ihm viele Texte überliefert sind und das schriftlich fixierte Gedankengut den neuen Geist gut nachlesen läßt.

   

Ich sehe Philon auch nicht als bestimmenden Ausgangspunkt der geistigen Wende, aus der das Neue Testament wurde. Der eigentliche theologische Paradigmenwechsel scheint sich in anderen Denkschulen vollzogen zu haben. Erst in Paulus hatte die Botschaft vom lebendigen LOGOS als dem Messias ihren Ausgangspunkt. Erst in den Evangelien wurde der LOGOS als Personifikation des Wanderpredigers ausgedrückt. Es wäre daher evtl besser, Philon als Wiege des christlichen LOGOS zu bezeichnen. Ihn hat Philon hin und her bewegt. Der uns bekannte Jesus, das neue theologische Paradigma, scheint noch nicht geboren zu sein. Syrische Weisheitslehren, Wanderphilosophen, die jüdische Mystik weiterentwickelten,  Denkschulen, die wir als Gnosis bezeichnen, stoische Philosophien oder jüdische Weisheitslehren, wie sie uns z.B. durch Jesus Sirach bekannt sind, hier überall muß ebenso nach der Wiege Jesus gesucht werden.

 

Wenn ich Vater- und Mutterschaft des Philon hinsichtlich Jesus verneine, dann will ich die bisher herausgestellte Bedeutung von Philon für den christlichen Glauben nicht herabwürdigen. Als Vater des lebendigen LOGOS hat uns gerade Philons Lehre Gott selbst gezeigt.  Die Mutter, das den lebendigen LOGOS letzlich ausdrückende und die christliche Kirche begründene, kann in den Lehren Philons noch nicht gesehen werden.

 

Vielmehr vermute ich in Philon den Stiefvater Jesus. Das, was wir mit Josef bezeichnen. Er hat die Wiege gebaut, den Verstand geliefert, auch wenn er sich nicht als der eigentliche Vater gesehen hat. Philon ist der geistige Werkmeister, der den schöpferischen Plan erkennt und umzusetzen sucht. Die Philosophie ist der Zimmermann, Archi-tekt, der auf schöpferische Weise kreativ an einem neuen Tempel baut, theologische Vorarbeit leistet für das lebendig Werden des LOGOS, dessen Begreifen. Die Arbeit des Ausdrückens bleibt Maria vorbehalten. Mutter Kirch kann sich nicht verweigern. Ihre Zerfallserscheinungen sind nur die Wehen, unter denen das WORT neu lebendig wird.

 

9. Der Skandal: Verstand unter Verschuß

 

Es ist einfach unfaßbar, daß Philon bei der Suche nach den historischen Jesus von Nazareth gänzlich außer Acht gelassen wird. Das philosophische Denken der Antike, ob in Antiochien oder Alexandrien, kommt bei der Spurensuche nach der Grundlage des christlichen Glaubens einfach nicht vor. Doch der eigentliche Skandal besteht nicht darin, daß das damalige Denken, der menschliche Verstand Zeit unbeachtet bleibt. Mit dieser völligen Nichtbeachtung wird auch der Verstand Gottes, das was Philon als Gottes WORT/LOGOS/SOHN bezeichnete, ausgeschlossen. Jesus wird nicht nur von den Wissenschaftlern verleugnet, die im Prozeß allen Werdens nur ein willkürlich-zufälliges Spiel der Materie sehen, sondern auch von der Kirche, die seinen Namen trägt.

 

In  meinem Bücherschrank türmen sich theologische Lehrbücher über den historischen Jesus von Nazareth. Philon kommt darin kaum vor. Was von ihm als Beweis für Jesus angeführt wird, ist ein Witz. Ein kleines Zitat, aus einer der unzähligen Schriften mußt herhalten. In irgendeinem Satz hätte Philon die Christen erwähnt. Dies wird jetzt durch die Exegeten als Beweis für den historischen Jesus gewertet. Die Gegenthese hat jedoch bereits längst bestritten, daß das erwähnte Zitat wirklich von Philon stammt. Der Hinweis auf die Christen in dem einen Satz, sei später durch die kichlichen Übersetzer eingeschoben. Wenn es wirklich einen bedeutenden Wanderprediger mit Name Jesus gegeben  und dieser sich in der von uns angenommen Weise mit dem jüdischen Klerus auseinandergesetzt hätte, dann würden wir bei Philon darüber mit Sicherheit mehr lesen. Es sei nicht nur unwahrscheinlich, sondern unmöglich, daß in der umfangreichen zeitgeschichtlichen Literatur und den philosophisch-theologischen Aufzeichnungen nichts über Jesus von Nazareth zu lesen wäre, wenn dieser wirklich gelebt hätte. Wie sollte all das, was wir von den Evangelisten über Jesus wissen, seine besondere Beachtung bei den Menschen, seine Massenkundgebungen, sein Wunderwirken incl. seiner eigenen Auferstehung und seine aufsehenerregende Auseinandersetzung mit der Pharisäer, incl. sein Staatsprozeß vor Pilatus, den theologischen Denkern und Geschichtsschreibern völlig entgangen sein? Warum setzt sich keiner der religösen Denker mit dem jungen Rebellen Jesus auseinander? 

 

Oder sollte die ganze Geschichte Jesus doch nur ein Mythos sein, keine historische Wirklichkeit? Bei der Suche auf bisherige Weise, die nur einen Wanderprediger wahrnimmt, kann Philon wirklich nicht als Zeuge dienen. Die Texte ließen sich eher für das Gegenteil gebrauchen. Wenn es den bedeutenden Wanderprediger als historische Gestalt wirklich gegeben hätte, dann würden wir bei den Geschichtsschreibern bzw. Denkern etwas darüber lesen.

 

Was macht uns so blind, daß wir nicht in einem aller Wahrscheinlichkeit nach später nachgeschobenen Satz, sondern im gesamten umfangreichen Werk den Beweis für den historischen Jesus von Nazareth erkennen?

 

Das Werk Philons ist Beweis für das begreifbar gewesene verständliche WORT, den damals im Bewußtsein lebendigen LOGOS.

 

Was hält uns davon zurück, die antike Philosophie aus einer neun Perspektive zu lesen und den dort beschriebenen LOGOS sowie die von ihm ausgehende Tugendlehre mit neuem Leben zu erfüllen? Warum halten wir eine menschliche Gestalt, von der wir inzwischen wissen, daß sie nicht so war wie beschrieben, für den historischen Beweis bzw. Grundlage unseres Glaubens? Wieso hält das Gesetz, das wir inzwischen schon nicht mehr für wahr halten, den Geist weiterhin gefangen?

 

Wäre nicht jetzt, am Wendepunkt zu einem neuen Jahrtausend, wo endlich unsere moderne Naturwissenschaft so weit ist, die schöpferische Vernunft auf neue Weise nachzuvollziehen, der richtige Zeitpunkt für eine Weiterentwicklung der christlichen Wahrnehmung? Was wäre eine schöneres Geschenk zum 2000 Geburtstag Jesus bzw. der christlichen Kirche? Wie sonst als im lebendigen WORT läßt sich Jesus neu wahrnehmen? Was sonst soll die neue Grundlage für einen neuen Gottesglauben sein?

 

Wir brauchen das uns in der Schrift gegebene Gotteszeugnis nicht zu verleugnen, wenn wir dem allegorischen Verständnis von Philon folgen und gleichzeitig in einem neuen philosophischen Denken in aller natürlichen Werden das lebendige WORT wahrnehmen. Auf diese Weise könnte Philon zum Wegweiser für einen Pardigmenwechsel sein, wie er bereits in Paulus beschrieben ist.

 

10.