Im Alten Testament das Neue lesen

 

(Unfertig, noch zu überarbeiten und zu korrigieren)

 

-Wie lässt sich Jesus auf neue Weise im Alten Testament als der wahre Messias der Juden begründen?

-Welche Schlussfolgerungen lassen sich aus dem neuen Verständnis der alttestamentlichen Texte schließen?

-Wie kann die neue Lesweise des alten Testamentes zu einem fortgeschrittenen Verständnis Jesus als Logos/Wort/Gottessohn in Menschengestalt und somit zu einer neuen Wahrnehmung des lebendigen Wortes in allem Werden führen?

-Welches Gotteswort liegt den Aussagen des Alten Testamentes zugrunde und ist in Jesus neu geborgen?

-Was ist das wahre Wesen Jesus, worauf gründeten die prophetischen Hoffnungen und wie waren sie zu erfüllen?

-Wer gab dem alten Monotheismus einen neuen Grund, erfüllte alttestamentliche Aussagen?

 

-War der historische Jesus nur ein charismatischer Wanderprediger, der durch seine Anhänger zum Christus erhöht wurde oder geht es im Neuen Testament um das dem Alten Testament wie allem Werden zugrunde liegende Wort in Menschengestalt, das neu verstanden wurde?

 

Durch das neue Verständnis der alttestamentlichen Texte, wie sie die derzeitigen Theologien zutage fördert,  können diese Fragen aus einer völlig anderen Perspektive heraus beantwortet werden, als bisher.

 

Wie sehr das Neue Testament das Alte voraussetzt und darauf aufbaut, ist Thema vielfältiger theologischer Aussagen und soll an dieser Stelle nicht weiter untersucht werden. Hier geht es um Überlegungen, die uns das Neue Testament in einem völlig neuen Licht erscheinen lassen. Das neue theologische Paradigma, das sich hinter den Geschichten des Neuen Testamentes verbirgt, wird versucht von einem neuen allegorischen Verständnis traditioneller Texte zu verstehen.

 

 

1.      Weiterführung statt wegstreichen: Zeugnis vom Gottes Wort neu verstehen

 

In der Betrachtung der biblischen Berichte im Kontext der jeweiligen Geistesgeschichte, dem Verständnis von historischer Wahrheit und der Bedeutung der Bibelwort haben sich in den letzte Jahrzehnten gewaltige Veränderungen ergeben. Vieles, was bisher so einfach als antike Geschichte gelesen wurde, wird nun in einem völlig neuen Licht erkannt. Im Hinblick auf die zeitliche Abfolge, die Verfasser oder das theologische Verständnis der Geschichten haben sich gewaltige Veränderungen ergeben, die von der großen Mehrheit der Gläubigen kaum wahrgenommen werden.

 

Was vor wenigen Jahren noch undenkbar war, ist heute Selbstverständlichkeit. Doch führt das heutige Denken über die alten Glaubensaussagen wirklich weiter oder wird nicht vielmehr ein Abbau betrieben?  Wenn junge Theologen bei Bibelabenden neue revolutionäre Thesen über die historische Wahrheit des verbrieften Gotteswortes verbreiten, dann bricht für manchen konserativen Christen eine Welt zusammen. Doch wo ist die wirkliche Weiterführung? Wo ist der Glaubensstiftende Neubau, der durch den Abbau des Alten erst möglich wurde?

 

Auch wenn die destruktive Denkweise, das wegstreichende Reduzieren auf einzelne für wahr anerkannte Quellen einer neuen Betrachtung gewichen ist, die weit mehr als bisher einen Entwicklungs-Prozess mit einzelnen Stufen annimmt, so bleibt doch die Frage, wo ist die Weiterführung, was ist das fortschrittliche Fundament, auf dem ein vernünftiger Glauben gründen kann? Wenn einzelne Autoren oder bisher angenommene Quellen als Autorität verschwinden, wie ist das Wort zu verstehen? Was ist autorisiert Antworten auf die Fragen unseres Seins und Sollens zu geben? Wer außer dem Autor der sichtbaren Schöpfung kann Maßstab menschlicher Moral sein? Wie können wir die Texte, die die Theologie heute in neuer Weise einordnet, in einen geistesgeschichtlichen Zusammenhang stellt, der nicht mehr einzelne auf unerklärliche Weise autorisierten Menschen in den Vordergrund stellt, wieder als wirkliches Wort Gottes wahrnehmen? Wenn Gott nicht Einzelnen unantastbaren ins Ohr geflüstert hat, wieso ist das, was geschrieben steht, trotzdem als Wort Gottes zu verstehen?

 

Wenn die Geschichten oftmals nicht mehr als historisches Geschichtsgeschehen im Sinne einfacher Geschichtsschreibung oder Legenden zu verstehen sind, wie können sie trotzdem als theologische Tatsachen gesehen werden. Was ist das grund-legende an all den unzähligen Legenden, wenn es nicht um simple Nacherzählungen geht? Wie lässt sich die Wahrheit der Geschichten neu verstehen, statt sie für unhistorische und somit oft gleichzeitig unwahre Glaubensaussagen zu halten? Wie können wir Gottes Wort auf neue Weise als Quelle der alten Texte wahrnehmen. Denn auch das lernen wir von der heutigen Theologie: Am Anfang stand immer die Auslegung, die Aktualisierung der alten Texte. Doch Aktualisierung ist genau das Gegenteil von Abbau, wie er nach wie vor betrieben wird. Die neue Verfassung geschieht durch das andersartige Verständnis des Alten: seien es Texte, Glaubensaussagen oder das Geschichtsgeschehen. Das Alte Testament sei, so sagen die Theologen, nur vom neuen Verständnis her entstanden. Wie auch die Evangelien und Briefe des Neuen Testamentes nur vom Auferstandenen her zu lesen seien, so könnten auch die alttestamentlichen Texte nur vom neuen Verständnis des Wortes her gelesen werden.

 

Wenn aber ein neues Verstehen der Ausgangspunkt für die Verfassung des Alten Testamentes war, wie können wir uns das vorstellen? Welche Rolle spielte das sich durch fremde Kulturen ergebende neue Weltverständnis – quasi im Rahmen eines vernünftigen Werdens -   für die neue Wahrnehmung des schöpferischen Wortes? Kann im neu erkannten Monotheismus, der aus Deuterojesaja herauszuhören ist und der im hellenistischen Denken der babylonischen Hochkultur entstand, die Ursache, Ausgangspunkt für die Neuverfassung der alten Glaubenstexte gesehen werden?

 

An was können wir glauben, wenn Moses kein alter Mann war, dem Gott die Wahrheit um das Werden der Welt und sein schöpferisches Wesen auf unerklärliche Weise in Ohr flüsterte und Gesetze mit auf den Weg gab, nach denen der Mensch zu leben habe. Hat der sich in Moses ausdrückende neu verstandene Ur-Monotheismus, das von Moses verstandene Wort in Jesus auf den Menschen verständliche Weise neu ausgedrückt?

 

Wer wie ich – im Gegensatz zur heutigen Theologie – in historischen Jesus keinen Wanderprediger sieht, sondern das wirklich lebendige Wort, der kann völlig neue Fragen stellen. Der kann neu darüber nachdenken, auf welche Weise in den großartigen Kosmologien von Messepotanien, dem astrologischen Wissen um das vernünftige Werden der Welt nicht die Wiege des Alten und gleichzeitig auch des Neuen Testamentes stand?  Wie können wir in Babylon die Geburt eines monotheistischen Geistes, ein vernünftiges Verständnis der auf Gott bezogenen Genesis nachvollziehen? Es reicht nicht mehr, sich nur auf alte Texte zu berufen, die von Jahwe oder Elohim sprechen und irgendwie zusammengewürfelt wurden. Ein neues Verständnis muss nachgewiesen werden. Auf welche Weise wurde in Babylon und vorher bereits von Eschnaton das Wort Gottes verstanden?

 

Warum wurden von den Verfassern des Alten Testamentes die Hochkulturen des vorderen Orients mit neuen Auge gesehen? Welches Bewusstsein lag der kulturellen Blütezeit 3.000 vor Christus zugrunde, die in den attestamentlichen Geschichten beschrieben sind? Hat bereits der urspüngliche Kulturaustausch zur ersten Gottes-urkunde geführt, die in den Mythen überliefert ist? Wie wurde das den Geschichten zugrunde liegende Wort neu verstanden, wenn es nicht nur die Fortschreibung alter Mythen war?

 

Wenn wir – wie die heutige Theologie -  einen Prozess beschreiben, der durch Verbindung der verschiedenen Vorstellungen einen kreativen Prozess in Gang setzt, können wir dann nicht bereits in diesem Prozess das schöpferische Wort verstehen, das ein neues Welt-, Schöpfungs- und Gottesverständnis hervorbrachte? (Was damals eh als Einheit gesehen werden muss.)

 

Wie können wir in der Geschichte des Alten Testamentes die Geschichte Israels lesen? Nicht als eine Geschichte eines einzelnen Volksstammes, Geschichtsmärchen, Mythen von Sondermenschen, sondern Israels als das Volk bzw. Verständnis vom Wort Gottes, das zuerst von den Juden verstanden wurde?  Bestimmte Geisteshaltungen, die sich in den menschlichen Gestalten verkörpern, werden heute ganz selbstverständlich hinter den Beschreibungen gelesen. Warum machen wir nicht endlich ernst und sehen in den Geisteshaltungen die eigentlichen Geschichtswesen?

 

Wenn am Anfang des Alten Testamentes die Neuauslegung stand, warum sind wir nicht bereit wirklich neu nachzudenken, die Texte des Alten und Neuen Testamentes aus einer neuen Perspektive heraus verstehen zu wollen? Warum halten wir weiterhin an menschlichen Geschichtswesen fest gleichwohl wir nachweisen, dass sie für die theologischen Textinhalte unwesentlich sind? Was ist das eigentliche Wesen, das offenbarende Wort, durch das der Schöpfer spricht?

 

Wird im Neuen Testament letztlich nur die Lebensgeschichte des bereits im Alten Testament beschriebenen und seine Neuverfassung auslösenden neu verstandenen Wortes personifiziert, in Menschengestalt neu lebendig? Ist das Neue Testament die vermenschlichte, für Menschenverstand verdichtete  Leidens- und Heilsgeschichte des Wortes, das dem Alten Testament zugrunde liegt? Was hat das alles mit dem hellenistischen Logos zu tun, der uns in der sog. zwischentestamentlichen Literatur, z.B. bei Philo von Alexandrien, als Sohn Gottes genannt wird? Welche Rolle kommt der Weisheit zu, die uns ebenfalls personifiziert erscheint und von der messianisches Heil erwartet wird.

 

Wenn das Alte Testament fast zeitgleich mit der Zeit Jesus verfasst wurde, die Geschichten nicht mehr nur als Fortschreibung alter Mythen verstanden werden, nicht gegenseitiges Abschreiben der Ausgangspunkt war, sondern ein Prozess des Werdens nachzuweisen ist: was war das Wesen, das hinter all den Erzählungen steht, wenn vom Offenbarungswort Gottes gesprochen wird.

 

 

Fest steht:

 

Ein Mensch mit zufälligem Namen Jesus, den seine Anhänger nach seinem Tod zum Messisas machten und hellenistisch als Logos bzw. Christus erhöhten, kann nicht das Ziel der antiken Theologie gewesen sein. Völlig absurd anzunehmen, das Alte Testament wäre durch den erfüllt worden, der heute an theologischen Hochschulen als historischer Jesus gelehrt und von angeblichen Fundamentalisten blindgläubig als Wort Gottes in Menschengestalt verehrt wird. Dabei ist er es wirklich. Er ist das Wort, das bereits von den im Alten Testament beschriebenen Gestalten verstanden wurde. Seine menschliche Verdichtung machte ihn zum Messias. Denn nur in der uns so sehr ans Herz gewachsenen Gestalt verhalf er dem Monotheismus zur universalen Geltung.

 

Wie können wir angesichts all unseres Wissens um die Theologie des Alten Testamentes ein menschliches Wesen als Offenbarungswort bezeichnen, von ihm Heil erhoffen? Sind wir wirklich so schwachsinnig geworden?

 

 

 

2.      Moses als neuer Verfasser seiner Bücher

 

 

Wenn ich heute Moses als Verfasser der fünft nach ihm von Martin Luther so benannten Bücher wahrnehmen will, dann kann ich dies nicht mehr, indem ich einen alten jüdischen Propheten sehe, der einen Volksstamm durch die Wüste führte, nachdem er es aus der Gefangenschaft in Ägypten bereite. Vielmehr versuche ich ein bestimmtes Welt- bzw. Gottesverständnis zu erkennen, das sich hinter dem Namen Moses verbirgt, seine Herkunft aus Ägypten, seine Bedeutung für den hebräischen Glauben an den einen Gott, seine Gesetzgebungsfunktion und seine befreiende Wirkung sowie eine Heilswirkung für Heute, die über die historische Gesetzgebung hinausgeht.

 

Die historische Kritik, sollte hinter uns liegen. Mit Anschuldigungen der Religionskritiker, die immer wieder neue Widersprüchlichkeiten im nicht stattgefundenen historischen Ablauf nachweisen, brauchen wir uns nicht länger aufzuhalten. Und doch scheint es möglich, auf höherer Ebene den wahren Geschichtsverlauf, die auf hebräisch anschauliche Weise ausgedrückten geschichtliche Wahrheit zu verstehen. Erst nachdem die Banalbilder abgebaut sind, können wir die geschichtliche Wahrheit des Gotteswortes erkennen, die sich im Verlauf der Geistesgeschichte offenbart und die sehr sinnvoll bildhaft-allegorisch beschrieben wird.   

 

Wäre der Verfasser der fünft Bücher nur ein alter Jude, ein Einzelmensch mit Namen Moses, der in Urzeiten die Leidengeschichte eines Volksstammes verfasste, welche Bedeutung sollten diese für uns heute besitzen? Erst indem wir erkennen, dass sich bereits hinter der Geschichte das verbirgt, was die Griechen zeitgleich als Logos verstanden, für ihn gesetzgebendes Wort Gottes war, können wir seine Autorität neu begründen, seine Bedeutung bzw. Stellung im Neuen Testament einordnen.

 

Während bisher das Alte Testament nach Gottesnamen sortiert wurde, in Jahwisten und Elohisten unterteilt und als Zusammenwürfeln verschiedener Gottesbegriffe gelesen, verstehen wir heute einen Geschichtsprozess, in dem das Gottesverständnis weitergewachsen ist, ER-wachsen wurde. Wer im natürlichen Werden aller biologischen und geistigen Prozesse, im gesamten Evolutionsverlauf des Kosmos wie des menschlichen Geistes das Wort Gottes wahrnimmt, der kann somit auch in der Geschichte des Alten Testamentes das Wort Gottes verstehen. Gott hat keinem alten Mann ins Ohr geflüstert, was später zum Mythos wurde und in frommen Legenden verfasst. Der Logos, die Vernunft Gottes, das wahre Wort liegt den Aussagen des Alten Testamentes zugrunde. Trotz Übernahme fremder Textformeln und heidnischer Mythen lässt sich ein Fortschritt im monotheistischen Gottesbewusstsein nachweisen. Eine Befreiung aus fremdem Geist hat wirklich stattgefunden. Gerade durch die Übernahme alter bzw. außerbiblischer Begriffe zeigt sich uns die bleibende Bedeutung des Wortes, das auf immer neue Weise als Gottes-wirk-lichkeit wahrgenommen wird. Wer die Aussagen des Alten Testamentes auf Volksmythen und  Legenden antiker Zeit reduziert, nimmt ihnen ebenso ihre Bedeutung, wie ein blindes für wahr halten und nachbeten alter Bilder, die in Wirklichkeit ihre Bedeutung verloren haben. Moses will ich nicht nur als Mythos sitzen lassen, sondern als eine alte Form des hebräischen Monotheismus verstehen, die aus der Hochkultur Ägyptens hervorgegangen ist.

 

Wo ursprünglich in Kleinsteinheiten oder bei einzelnen Menschen, deren innere Stimmen, die Wahrheit gesucht und gesehen wurde, kann jetzt das Wort Gottes als historische Tatsache im Geschichtsprozess des menschlichen und speziell des monotheistischen Gottesbewusstseins herangezogen werden. Nicht in nächtlichen Träumen, sondern der kosmischen Tat-sache eines vernünftigen universalen Gottes haben die Ägypter und Hebräer das schöpferische Wort wahrgenommen. Auch ohne die theologische Klarheit, in der später erst der Monotheismus bestätigt wurde, war ein frühes Bewusstsein eines universalen Schöpfergottes, der nicht die Reduzierung verschiedener Stammesgötter auf einen Gott war, sondern vom universalen Wort als ein Gott verstanden wurde, neben dem es keine weiteren Götter geben kann, der transzendent bleiben und nicht menschlichen Abbildungen unterworfen werden darf. Welch eine großartige philosophisch-theologische Weisheit muß von den Verfassern des Alten Testamentes bei ihren Vorfahren erkannt worden sein und in der Gestalt es Moses verkörpert? Warum klammern wir uns krampfhaft an menschliche Gestalten und versäumen es, das dahinter stehende schöpferische, geschichtswirkende Wesen wahrzunehmen? Warum stellen wir Menschen- über Gotteswort, obwohl die Menschen unwesentlich geworden sind?

 

Erst wenn wir hinter den geschilderten Gestalten und Geschichten das Wesen des lebendigen Schöpfungswortes sehen, das sich im jeweiligen Verständnis der Personen – von Abraham bis zu den Propheten - und den geschilderten Geschichten ausdrückt, können wir mit dem derzeit durch die historische kritische Auslegung betriebenen Abbau der biblischen Wahrheiten aufhören. Die Sündflutgeschichte bewahrheitet sich weder in der Berufung auf weitere antike Mythen gleichen Inhaltes, noch durch ein Holzschiff, das wiederentdeckt wurde, wie dies unlängst in einem Titelbericht zu lesen war. „Hat die Bibel doch recht“ stand auf dem Deckblatt. Anerkannte Wissenschaftler wollten allen Ernstes durch den Nachweis eines wiederentdeckten alten Holzschiffes auf die historische Tatsache der biblischen Erzählung schließen. Nicht in der Literatur amerikanischer Kreationisten, die die Evolution abstreiten, um die Buchstaben bewahrheiten zu können, sondern im Spiegel des angeblich aufgeklärten europäischen Denkens zeigte sich so die Problematik unseres Bibelverständnisses. Hier wurde der gesamten Öffentlichkeit gezeigt, an was die historische Glaubwürdigkeit der Bibel hängen würde. So wie historische Menschen, die nach wie vor als Wesenskern gesehen werden den Blick für das Wesentliche verwischen, so auch bei der Betrachtung der biblischen Geschichten. Noah soll an dieser Stelle nicht näher untersucht werden. Doch das Verständnis des schöpferischen Wortes, sein Vertrauen darauf und seine Umsetzung wird so zur Nebensache, Es wäre interessant, die außerbiblischen Sintflutmythen zu untersuchen, zu fragen, wie sich in ihnen das Wort Gottes ausdrückt, ob dort eine „Arche“ ein Urprinzip allen Lebens die Rettung bringt? Ob es auch dort Gestalten gibt, die das Wort Gottes verstanden haben und ihm gefolgt sind bzw. in welcher Weise das Wort verstanden wurde? Doch die Theologen scheinen heute mit einem Holzschiff beschäftigt.

 

Wenn dann in der nächsten Ausgabe des Spiegel der Auszug aus Ägypten als historische Tatsache abgestritten oder andere für wesentlich gehaltene geschichtliche Aussagen des Alten oder Neuen Testamentes nachweislich als falsch angesehen werden, braucht sich niemand zu wundern. Wer nach wie vor noch den Zug durch rote Meer mit Naturphänomenen erklären will, wenn gleichzeitig der geschichtliche Nachweis erbracht wird, dass es keinen hebäischen Volksstamm gegeben hat, der aus Ägypten geflohen ist, der ist dafür verantwortlich, wenn niemand mehr an das Wort glaubt, das die Hebräer aus der Gefangenschaft ägyptischer Pharaonenvergötterung geführt hat. Ich will und kann hier nicht einen neue geschichtlichen Nachweis für den Auszug aus Ägypten erbringen. Dazu wären z.B. die Forschungsergebnisse eines Ägyptologe wie des Heidelberger Prof. Assmann nachzuvollziehen. Doch wer weiterhin die Wesentlichkeit in menschlichen Gestalten und ihren Erlebnissen als Inhalt der biblischen Aussagen betrachtet, verbaut den Blick fürs Wesentliche. Was bleibt sind Jesusfilme im Ben Hur Stil oder der „Prinz von Ägypten“ als moderne Darstellung Moses in einer Zeichentrickfigur. Interessant ist, dass oft selbst in den noch so banalen Darstellungen die geschichtliche Wahrheit besser erhalten bleibt, als bei einer historisch kritischen Auslegung, die schon längst alles abgebaut hat. Bilder bewahren eine Wahrheit, in der sich das Wort Gottes ausdrückt. (Auch die Bedeutung der Bilder, das Ringen der monotheistischen Religion, die einen  bildlosen Gott anbeten will,  kann bei Prof. Assmann nachvollzogen werden.)

 

Die Wirklichkeit des Moses muss kein Mensch mehr sein, der durch die Lande zog und von dem fromme Legenden erzählt, der zum Mythos wurde. Ich bin sicher, die Verfasser des Alten Testamentes haben den Mythos verstanden, der der Menschengestalt des Moses zugrunde liegt und den sie als Führer und Befreier des Gottesvolkes beschrieben. Für sie war die Gestaltgebung keine esoterische Geheimniskrämerei, sondern eine selbstverständliche Sache, durch die das ursprüngliche Gottesverständnis erst verständlich wurde. Die Gestaltgebung war im Grunde das Gegenteil von Esoterik: Erst so wurde das Geheimnis offenkundig. In Moses versuche ich die Urkunde zu lesen, vom Monotheismus, der Israel begleitete und sich immer wieder mit vielfältigen Götzenanbetungen auseinander zusetzen hat.

 

Von diesem Urmonotheismus, der später bei den Propheten neu philosophisch begründet wurde, stammt wirklich das Gesetz der Väter. Doch all das kann ich nur denken, wenn ich in Moses keinen Zweibeiner sehe, der ohne Verschnaufpause den Berg Sinai hoch und runter rannte.

 

So selbstverständlich wie wir von Sokrates sprechen, obwohl wir wissen, dass die sich in Platon ausdrückende philosophische Theologie keine Tonbandaufzeichnung eines alten Lehrers ist, sondern Ausdrucksform des von den Griechen verstandenen Logos, so können wir auch von Moses als Mensch sprechen. Es ist höchst vernünftig, wenn die Verfasser die plastische Form der Verständigung wählten und nicht abstrakte Theologie. Doch um die Autorität der menschlichen Gestalt zu begreifen, die früher wie selbstverständlich vorausgesetzt wurde, sind wir darauf angewiesen, hinter der Gestalt das Wort Gottes zu verstehen: Nicht einfach als Gesetz, an das wir nicht mehr glauben, sondern den Geist zu begreifen, von dem aus die Verfasser geschrieben haben.

 

Die neue Autorität liegt beim schöpferischen Wort, nicht mehr bei menschlichen Verfassern. Diese sind nur als Schriftzeugen des schöpferischen Wortes zu verstehen.

 

Philo von Alexandrien, der zur Zeit Jesus (mehr als zufällige Zeitangabe) in seinen apologetischen Texten die große Vernunft des hebräischen Glaubens bezeugt, hat das, was wir als Altes Testament bezeichnen, als Allegorie verstanden. Warum fällt es uns so schwer, wie damals in der Antike die Bedeutung der alten Erzählungen neu zu verstehen? Wenn Philo oder ebenso Josephus  Flavius von Moses gesprochen haben, dann bin ich mir sicher, sie hatten nicht nur einen alten Mann vor Augen. Sie versuchten auf sehr unterschiedliche Weise die Vernunft des jüdischen Monotheismus ihren Hörern verständlich zu machen. Die damalige Apologetik war in diesem Sinne nicht nur eine Verteidigungsrede, blinde Rhetorik, wie sie heute leichtfertig abgetan wird, sondern ging von einem erweiterten Verständnis des Alten aus: Allegorien vom Wort Gottes, das allerdings erst in der uns bekannten Menschengestalt messianische Wirkung entfalten konnte.

 

Doch wer an puren Menschen als historischen Persönlichkeiten festhält, gleichwohl er diese für unwesentlich erklärt, der hat kein Wesen mehr.

 

Auch wenn die heutige Theologie längst davon ausgeht, dass es den Evangelisten nicht um eine Geschichtsschreibung im üblichen Sinne geht, so hält sie weiterhin an einem historischen Wesen fest. Doch dies hat fatale Folgen. Auch wenn ein Theologe die Aussagen über den schöpferischen Logos als für das gesamte Denken der Antike und auch das Neue Testament Grundlegend erkennt, gleichzeitig aber bei der Vorstellung eines historischen Menschen bleibt, so wird er die Bedeutung des Logos nicht begreifen können. Denn sobald er den Gedanken über den Logos beendet hat, wird er wieder fragen „was wollte dieser historische Jesus wirklich“. Das Wesentliche am eigentlich historischen wird so wieder verdrängt. Denn die Frage der neutestamentlichen Theologie richtete sich nicht an neue Ansichten eines charismatischen Menschen. Sowenig es bei Moses um die Meinungen eines alten Mannes geht, so wenig geht es bei der christlichen Wahrheit um die Ansichten eines jungen Juden. Das lebendige Wort selbst hat gesprochen. Das historische Wesen ist das lebendige Wort.

 

Während die Gestalten des Alten Testamentes das Verständnis des Schöpfungswortes verkörpern, ist in Jesus das neu verstanden Wort selbst lebendig geworden.