Vorwort von Madlen Feierabend

 

Liebe Kinder und liebe Eltern!

 

In dieser kleinen Broschüre über das TAR-Syndrom sollen vorrangig mal nicht die medizinischen Hintergründe, die Ursachen und wilde Anzahlen von Blutzellen diskutiert werden. Nein!- hier soll es einfach mal um das alltägliche Leben von Kindern mit TAR-Syndrom und ihren Eltern gehen. Darum wie man die Hürden, die einem das Leben mit dieser Erkrankung immer wieder stellt, bewältigen kann.

 

Wenn Sie mehr Informationen möchten – egal welcher Art, dann melden Sie sich doch einfach bei mir. Ich bin Madlen Feierabend und studiere Medizin in Hannover. Seit September 1998 beschäftige ich mich mit einer Studie über den Krankheitsverlauf des TAR-Syndroms, in die bereits 17 Kinder aufgenommen sind.  Ich gebe Ihnen gern Auskunft zu all Ihren Fragen und erkläre Ihnen gern die eigentlichen Probleme dieses Syndroms. Ich kann Sie auf typische Probleme vorbereiten und Ihnen etwas zu Therapiemöglichkeiten der Fehlbildungen sagen. Und wenn Sie Interesse haben, kann ich Sie vielleicht  mit anderen betroffenen Familie bekanntmachen.

Alles Liebe

                   Madlen Feierabend 

René

„......Wir haben in der 22. Schwangerschaftswoche erfahren, daß mit Renés Armen etwas nicht in Ordnung ist. Daraufhin mußte ich eine Fruchtwasseruntersuchung machen lassen, wobei sich herausstellte, daß bei René und Chantal keine geistige Behinderung vorhanden war. In der 33. Schwangerschaftswoche bekam ich Wehen und mußte ins Krankenhaus. In der 36. Schwangerschaftswoche mußten die Ärzte die Zwillinge holen, da Renés Herztöne immer schwacher wurden. Die Kinder wurden sofort in eine Kinderklinik verlegt, da René nur 1900 g  und Chantal 1840 g wogen. Dort stellten die Ärzte fest, daß René nur 20.000 Thrombozyten hatte und kurze Zeit später bekam er seine erste Blutübertragung. Weitere drei Wochen später bekam er seinen ersten Infekt ( Durchfall) und uns wurde dann gesagt, daß alles für ihn getan würde, was im Bereich der Medizin möglich ist. “Er müßte jedoch selbst kämpfen, um zu überleben.“ .......wie unbeschreiblich grauenhaft das für uns war, kann ich gar nicht beschreiben. Die Ärzte erklärten uns dann, daß René das TAR-Syndrom hat und ca. 2 Jahre gefährdet ist. Wir bekamen dann Adressen aus Hannover, Hamburg und die einer Selbsthilfegruppe. Durch die Selbsthilfegruppe haben wir eine andere betroffene Familie kennengelernt, mit der wir in der ersten Zeit viel telefoniert haben. Die ersten 7 Monate waren wirklich schlimm.

René war fast nur im Krankenhaus, er bekam viel Bluttransfusionen und Thrombo-Konzentrate. In dieser Zeit hat man uns auch zweimal darauf hingewiesen, daß René jeden Augenblick sterben könnte. Nach 7 Monaten durfte er dann nach Hause...und dann ging es nur noch bergauf. Als René ein Jahr wurde, habe ich mit Erlaubnis der Ärzte angefangen ihn mit Milchprodukten zu füttern, die er auch gut vertrug. Mit 15 Monaten ist er an seinem Klumpfuß operiert worden. Die OP verlief gut und mit dem Ergebnis sind wir sehr zufrieden.  René wiegt nun so viel wie seine Zwillingsschwester. Er bekommt alles zu essen, was er möchte. Wir sind sehr froh und stolz, daß alles so gut verlaufen ist.....“

Die Familie von René

Sabrina

 

„.....Sabrinas Geburt war sehr schockierend, weil erst hier festgestellt wurde, daß Sabrina anders gebaut ist, als andere Kinder.....sie hatte kurze Arme und Klumphände....außerdem wurde dann noch eine Bluterkrankung festgestellt.....wir als Eltern haben damals jeder für sich diese Krankheit und den Schmerz für sich allein verarbeitet.....und da war ständig diese Frage: WARUM AUSGERECHNET WIR?

Auch die beiderseitigen Großeltern nahmen die Situation für sich allein auf und jeder schützte Sabrina auf seine eigene Weise. Doch  durch diese Haltung der Großeltern und der Mittelpunktstellung von Sabrina begannen  ab dem Kleinkindalter die Probleme im Zusammenleben in unserer Familie.

Nach Streitigkeiten im Kindergarten, in den auch unser Sohn ging, wurde Sabrina in einen anderen Kindergarten aufgenommen. In den zwei Jahren dort, war Sabrina gut und wohl aufgenommen und es gefiel ihr sehr gut. Sie wurde dann in der in unserem Wohngebiet liegenden Grundschule aufgenommen. Leider gab es dort Probleme mit der zugeteilten Lehrerin und so besucht Sabrina seit der zweiten Klasse die Körperbehindertenschule in unserer Stadt.

Bei Sabrina ist die Knochenmißbildung nicht nur auf die Arme beschränkt. Sie hatte eine Sehnenverkürzung am Kniegelenk, die zu O-Beinen führte.

Diese Fehlstellung wurde dann durch eine Sehnenverlängerung korrigiert. Später wurde dann die gleiche Operation am anderen Knie durchgeführt und anschließend ging Sabrina zur Kur.

 

Außer bei Sabrina hinterließ die Erkrankung auch bei ihrem Bruder und uns Eltern Narben. Ihr Bruder erkrankte mit 1 ½  Jahren an Neurodermitis, die meiner Meinung nach psychisch ausgelöst ist. Da er als kleines Kind zweimal wöchentlich bei einer Freundin untergebracht war, so daß ich Sabrina bei ihrem langen Krankenhausaufenthalt nach ihrer Geburt besuchen konnte. Später mußte er zu den ständigen Blutkontrollen, der Krankengymnastik und Ergotherapie mitgehen, da meine Schwiegereltern ihren Schmerz verarbeiteten und meine Mutter berufstätig war.

Mein Mann bekam, als Sabrina 3 Jahre alt war, eine unerklärliche Erkrankung einer Muskelschwäche an den Augen, die das räumliche Sehen beeinträchtigte. Nach weiteren zwei Jahren mußte ein Auge operiert werden.

Ich als Mutter mußte auch einige gesundheitliche Einbußen erleben. Als Sabrina  zwischen  drei und vier Jahren alt war, fing es mit Rippenfellentzündungen an, weiter ging’s mit einer Durchfallinfektion. Und kurze Zeit später folgte ein Nervenzusammenbruch, aber nach Aussagen der uns damals behandelnden Ärzte, war dies wohl ein normaler Vorgang. So spielte sich unser Lebensgang ab.

 Zudem kamen dann noch Schwierigkeiten mit Institutionen und mit der Integration von körperbehinderten Menschen.

Aus diesem Grund möchten wir gerne unseren jetzigen Frieden weiter finden....“

 

Die Familie von Sabrina

Katrin

 

„........schon in der Vorschule war meiner Lehrerin klar, daß „dieses Kind so nicht schreiben kann!“ Nach zwei Wochen war sie still und sagte nie  mehr etwas darüber......ich konnte schreiben......

Nach der Vorschule kam ich zum Schularzt, um mich für schulreif erklären zu lassen. Ich konnte ein Haus malen, auf einem Bein stehen und durch die Gegend hüpfen. Die Schulärztin war trotzdem etwas ratlos und traute dem Frieden nicht so ganz. Wahrscheinlich war ich für meine Verhältnisse zu perfekt. Am Ende fragte sie meine Mutter nämlich, ob „dieses Kind“ denn auch die Schultasche tragen könnte....meine Mutter versuchte rücksichtsvoll zu wirken und  ihre Haltung zu wahren, schluckte und sagte ruhig: .....wenn es das kleinste Problem ist, daß ich ihr jeden Morgen die Tasche in die Schule trage.... auch Behinderte müssen Toleranz üben und mit nicht behinderten rücksichtsvoll umgehen!

 

So kam ich in die Schule. Für meine Mitschüler war ich nichts Neues mehr, da sie mich aus dem Kindergarten kannten. Brauchte ich Hilfe zum Jacke zumachen, Schuhe zubinden oder anderes, haben mir manchmal fünf Leute geholfen.

Ich lernte ohne Probleme Fahrrad fahren, mich anziehen und meine Schuhe selber zuzumachen und  mit 18 machte ich dann meinen Führerschein. 

Ich find’s auch nicht schlimm, wenn Leute auf mich zu kommen. Am schlimmsten ist dieses gucken, weg gucken, hin gucken und nicht fragen.

Mißverständnisse entstehen und viele denken immer noch behindert ist auch gleich blöd im Kopf. Genau das müssen WIR ( klingt bescheuert) widerlegen. In dem man sich versteckt und irgendwo dahinsiecht, wird die Situation nicht besser. Bloß weil Leute gucken , muß ich mich nicht verstecken und für was schlechteres halten oder mich auf Biegen und Brechen verändern ( große Operationen und so). Ich geh immer auf die Leute zu und habe auch ‘ne ziemlich große Klappe, wenn einer ein Problem mit mir hat.......“

Katrin