Trekkingtour 2000

In memorandum of Concorde




 

-Tanz auf dem Vulkan –

Vater-Kind-Trekkingtour 2000



1. Tag Freitag, den 28. Juli 2000




 

Treffpunkt 9.00 Uhr im Kinderhaus. Nach effektivem Zusammenpacken unserer Fourage und exakter Seehasplanung brach unser Landsknechtshaufen in Richtung Bahnhof Petershausen auf.

Von dort fuhren wir 40 Minuten bei strahlendem
Sonnenschein Richtung Mühlhausen und wurden am Bahnhof von einem sintflutartigen Regenguß biblischen Ausmaßes empfangen, sodass wir das Brandschatzen und Schleifen der Ortschaft erst einmal sein ließen. Indessen vergnügte sich die Jungritterschar mit rutschen auf Waschbetonsteinen unter einer Brücke. Das Outdoorequipment hielt diesem strengen Härtetest stand. Und glühte auch der Hosenboden, das Textilgewebe nahm alles klaglos hin. Danach brachen wir zum Sommergutshof von Lehnsherrn Fritz auf und verheerten plündernd den Landstrich am Fuße des Hohenkrähen. Der Bauer hat es so gewollt. Der Gewaltmarsch entlang der eisernen Stahlrossschneise führte den wackeren Heerhaufen ohne Feindberührung mit brombeer- und flotoverschmierten Mündern letztlich zum lang herbeigesehnten Ziel. „Papa, wann sind wir da?". Die Hofmägde kredenzten uns ein wahrhaft schmackhaftes Mahl und einen vorzüglich mundenden Eistee – Geschmacksrichtung Pfirsich und pappsüß - in einer fürwahr verschwenderischen Menge. Die Tafel bog sich durch. Danach sattelten wir unsere Streitrösser, wobei sich Hannah die Wirkung des Elektrozaunes schlagartig zu Bewusstsein führte. Elena trug aus dem lebhaften Kinderanimationsprogramm eine Beule davon, die sich sehen ließ. Sie hatte den Wettbewerb – Schwertkampf mit Schild, aber ohne Helm - gegen Etienne eindeutig verloren. In rasendem Galopp erstürmten wir die schwindelnden Höhen des Hohenkrähen.

Allen voran Jürgen auf seinem Rosse „Deja-vue", mit dem er auf so manchem Tjoste die Minne unzähliger Burgfräuleins im Sturme erobert hatte. Das Gemäuer des Hofgutes „Hohenkrähen" konnte trotz anhaltendem Sperrfeuer aus Kletten dem anstürmenden Jungritterhaufen nur geringen Wiederstand entgegensetzen. Im Handumdrehen war ein Schwein geschlachtet und im Hofe auf offenem Feuer gegrillt, was noch im Siegesrausch von der eingefallenen Heerschar verschlungen wurde. Der dazugereichte Tomaten-Joghurtsalat wird unsere Landsknechte eine gut Weil bei Kräften halten. Eine Splittergruppe unermüdlicher Recken, denen die Beute des Gutshofes als zu gering erschien, wagte es das Bollwerk der Burg Hohenkrähen, in Sichtweite, anzugehen.

Seit dem heutigen Tage sieht man unheilverkündende Rauchschwaden weit über die Grenzen der Gemarkung Hegau schweben. Die geschliffenen Mauern der steinernen Festung ragen wie verfaulte Zähne in den mittlerweile dämmernden Himmel. Die Kopfbedeckungen der einst so stolzen Mägde waren zu Schultüten umfunktioniert worden. Zurück am Hofgute sahen wir die fatalen Folgen unserer Zerstörung. Wenigstens das Dach unserer Schlafstatt hätten wir pardonieren sollen. Noch im Blutrausch hatten wir berserkergleich keinen Stein auf dem Anderen gelassen. Die neue Gutsherrin – Lizzy - wird erst mal ordentlich renovieren müssen, um ihre zehn stolzen Jagdhunde, die ihnen angemessenen Gemächer zukommen zu lassen. Ihr Lehnsherr, der Graf Douglas, wird sich noch grün und blau ärgern, wenn ihm die Kunde von der Verwüstung seines stattlichen Jagdbanns, durch eine fröhliche Hatz wildernder Hunde zugetragen werden wird. Ein in einem schwarzen Jagdwagen eilends herbeigeorderter Schwarzarbeitertrupp, rekrutiert aus den heimischen Handwerkszünften, machte sich fix an die Arbeit, um Lizzy`s unmoralischen Absichten Vorschub zu leisten. Uns blieb nichts anderes übrig, als vorläufig, mittels einer eilends herbeigeschafften Plane eines unserer prächtigen Turnierzelte, das Dach abzudichten. Und durch die Löcher im Ziegeldach leuchten uns die Sterne beim einschlafen.



Auf dem Weg zum Mägdeberg 



Logbucheintrag 2.Tag Samstag, den 29.Juli 2000




 

eine kleine Rast 



In der Nacht haben sich die beiden einzigen, geschlechtsreifen Frauen stundenlang gezofft. Das Pony und das Pferd hatten sich nach Altweiberart ständig bekriegt, so dass für den Einen oder Anderen von uns an Schlaf nicht zu denken war, sofern dieser von den Strapazen des Tages, bzw. vom Bierkonsum des Abends nicht zu sehr gezeichnet war. Kaum waren wir aufgestanden, und hatten unser , schon nahezu traditionelles Frühstück – Müsli mit Milch, für die Erwachsenen Kaffee - zubereitet, kam die zukünftige Pächterin in Person der „Vallküre Lizzy aus dem Kanton Schaffhausen" mit ihrem Streitwagen französischer Herkunft auf den Hof gebrettert, und erklärte unserem schlaftrunkenen Streithaufen in ihrer unnachahmlich charmanten Art, dass wir ihr Gut innerhalb einer halben Stunde zu räumen hätten. Wenn das der Graf zu Hofe im fernen Wien wüsste! Danach legten wir den Hof in Shit und Asche. Der Shit wurde von unseren Streitrössern gerne gespendet. Wir ließen Lizzy als zukünftige Warnung an den Grafen am Leben. Vielleicht hätten wir sie auch noch abschminken sollen, um unserer wohlgemeinten Warnung Nachdruck zu verleihen. Gewaltmarsch zu Fuß und zu Ross Richtung Mägdeberg stand auf unserer heutigen Tagesordnung. Nachdem unser tapferer Tross festgestellt hatte, dass erwähnte Burg einem uns zuvorgekommenen Landsknechtshaufen zur Beute geworden war, schwenkten wir um in Richtung Landgut Lochmühle, welches von unserem Plünderungsvorhaben verschont blieb. Zum Dank durften wir in einer Garage vor dem bereits seit längerem eingesetzten Regenguss, bei dem der Himmel diesmal aber wahrlich sämtliche Schleusen geöffnet hatte, Schutz suchen. Beim Entleeren unserer schweren handgeschmiedeten Reitstiefel bestätigte sich unsere Annahme, von 22 Litern pro Quadratmillimeter Niederschlag.

Wir waren durchnässt bis auf die Haut und da machte wirklich keiner eine Ausnahme und wir werden immer noch nicht Vorraussagen können, wann der Rostfrass auf Helm und Brünne aufhören wird. Selbst die verzweifelt befohlene Formation Schildkröte, aus unseren Schildern gebildet, konnte dem Regen keinen Einhalt gebieten. Vielleicht hätten wir als Werkstoff zur Erstellung der Selben weniger Karton benutzen sollen. Und manch Einer der tapferen Recken sehnte sich nach den Kunststofffässern vergangener Exkursionen zurück, unter denen man jetzt hätte Schutz suchen können. Diogenes ging es einfach gut. Nur Anne ließ sich von den Sintflutartigen Regenfällen nicht beeindrucken und schlief selig im Leiterwagen während das Wasser mit ungebremster Vehemenz auf sie hernieder prasselte. Der lang herbeigesehnte und auch vermisste logistische Fünfspänner der heutigen Marketenderin Tommy ließ auch auf sich warten. Diese saß nämlich in der Zwischenzeit mit ihrer Gehilfin Elena in einem schottischen Spezialitätenrestaurant im Trockenen.

Als die Beiden dann doch an der Lochmühle eintrafen, war von unserer ansehnlichen Streitmacht nur noch ein erbärmlicher Haufen übrig geblieben. Der Rest hatte sich, den Hungertod vor Augen entschlossen sich in Richtung Hohenstoffel aufzumachen und diesen zu plündern. Dort fanden sich dann Letztlich alle ein, teils zu Fuß, teils zu Rosse und der Rest der Fußlahmen und Erschöpften im Wagen der Marketenderin. Eigentlich hätte auch dieses Gut niedergebrannt werden sollen, doch die Gutsherrin Eva verstand es, durch einen freundlich dargereichten Blutzoll in Form eines hervorzüglich mundenden Birnenschnapses unserem Vorhaben Einhalt zu gebieten. Und die nach Blut lechzenden Schwerter in der Scheide aus Maschendraht zu lassen. Das Fahrzeug schlug seinen Stand auf und kredenzte ein armes Rittermahl bestehend aus zart durchgebratenem Schweinefilet auf offenem Feuer und Schinken aus Spanien. Dazu wurde ein wohlschmeckender Trunk von der Gemarkung Wurmlingen – das Gold unserer Heimat - gereicht. Nachdem die Rösser mit Wasser, Pellets und Heu versorgt worden waren fielen wir alle von den Strapazen erschöpft ins uns gastfreundlich angebotene Stroh, denn wir wissen immer noch nicht, ob es denn wenigsten morgen mal wieder richtig Sommer wird. Und wenn die Nacht morgen früh ihren zartrosa Morgenmantel anzieht, werden wir feststellen können, wie viele Teile unserer Rüstungen am gutgemeint und großzügig eingeheizten Kachelofen des Landgutes verbrannt, angekohlt oder nur leicht angeschmort wurden.



Logbucheintrag 3. Tag Sonntag, den 30. Juli 2000

Die Stimmung ist auf den Nullpunkt gesunken. Den ganzen Tag hat es fast nur geregnet. Aber wir sind guter Dinge und voller Most.




 

Logbucheintrag 4. Tag Montag, den 31. Juli 2000




 

Wir beginnen mit einem Nachtrag zum gestrigen Tage. Das Wetter war durchwachsen. Wir wachten auf in trockenen Schlafsäcken unter dem diesmal dichten Dach einer Scheune. Der Hohenstoffel war in einem weißen und feuchten undurchsichtigen Mantel aus einer Nebeldecke gekleidet. Es war nicht festzustellen, wie das Wetter des heutigen Tages werden sollte. So konzentrierten wir uns auf die wesentlichen Tätigkeiten die gemacht werden mußten. Zuerst wurde das Frühstück zubereitet, um unseren plünderischen Haufen bei Kräften zu halten. Dann machten sich unsere Stallknechte Hans, Jochen, Guido, Jürgen und Tommy auf, die feurigen Streitrösser auf die Koppel zu treiben. Der Pflicht des herbergssuchenden einsamen Wanderers gehorchend, wurden im Anschluss die Stallungen ausgemistet. Was für eine Belästigung für die feinen Nasen der tapferen Ritter das war. Anstatt des vertrauten Geruchs verbrannter Erde und blutiger Rüstungen gab es den Gestank von Geflügel-, Schafs-, Ziegen- und Pferdemist mitsamt deren Pisse. Dieser schändliche Frondienst den die freiheitsliebenden Recken vollbringen mussten, ließ sie den Ruf ihrer Herzen nach neuen Schandtaten erneut erhören und im Nu bildeten Bernd, Wolfgang, Jochen, Hans, Jonathan, Elena und Tommy einen Pionierstrupp, um ein neues Feldlager trotz strömenden Regens im nahegelegenen, stillgelegten Steinbruch aufzuschlagen. Bergsteigerseile wurden zwischen Bäumen und den, unter äußerst körperlichen Strapazen aufgestellten Dreibeinen aufgespannt, worauf Zeltplanen abgespannt wurden, um dem nachrückenden Trosse ein wahrhaft trocken Lager zu bereiten. Dieser ließ auch nicht lange auf sich warten und rückte Trupp für Trupp in lockerer Marschformation nach, nachdem der Himmel kurzzeitig aufgeklärt hatte.

Das merklich besserwerdende Wetter hatte das Jungvolk ihre tapferen Kampfspiele, welche aus Schwertkampf, Ringkampf, Hühnerjagd, Strohballentiefspringen, Strohballenhindernislauf, Katzenjunge streicheln und suchen bestanden, unterbrechen lassen und es wurde zum Aufbruch geblasen, nachdem man sich noch einmal aus den Resten des gestrigen Nudelgerichts mit Gemüse und Schweinefleisch, dazu kalte Schweinsfiletspitzen, ausgiebig gestärkt hatte. Am Steinbruch angekommen – die Pferde waren auf der Koppel gelassen worden – wurde der Pionierstrupp mit lautem und schrillem Kampfgeschrei von den Höhen des Steinbruchs begrüßt, wobei gleichzeitig der mittlerweile recht ansehnlich gewachsenen Zeltstadt ausreichende Bewunderung gezollt wurde. Nachdem man sich mit den Lokalitäten vertraut gemacht hatte, und wir merkten, dass den Rössern saftige Weiden mit fettem Gras und nahrhaften Beikräutern bewachsen, zur Verfügung standen, bewegte sich die gesamte Streitmacht nochmals zum Gutshof von Eva und Jürgen zurück. Die freudige Kunde von einem wahrlich schmackhaften Vesper ging wie ein Lauffeuer durch die ungeordneten Reihen unserer wackeren Kampftruppen. Dort angekommen nahmen wir ein fürstliches Gastmahl zu uns. Es gab verschiedene Wurstsorten aus eigener Herstellung, Schweinespeck und Schinken, Frischkäse, Zwiebeln und Essiggurken. Dazu gab es vorzüglich mundendes Mineralwasser und eigenen Most als labenden Trunk. Nachdem wir uns bei Eva mit Most, Rhabarberwein – für die, die ihn mögen – und Schnaps für die Jungfrauen zu Hause eingedeckt hatten, brachen wir zum ehemaligen Steinbruch auf, da wir dort die folgende Nacht verbringen wollten. Evas und Jürgens Gastfreundschaft sollte nicht überstrapaziert werden. Nur die Pferde ließen wir noch für eine letzte Nacht in den Stallungen, da die Wolkenbildung am dämmernden Himmel mehr Unheil als Heil verkündete.
Der kommende Morgen überraschte uns mit einem strahlend blauen Himmel. Aus der Glut des nächtlichen Feuers waren im Handumdrehen neue Flammen entfacht. An der nächtlichen Feuerstelle waren die Essenswünsche für die folgenden Tage abgesprochen worden. Linsen mit Spätzle und Saitenwürste und Spaghetti mit Tomatensoße sollten auf dem Speiseplan der nächsten Tage stehen. Während Kaffee gekocht wurde und Müsli mit Sahne, verdünnt mit Wasser – die Milch war uns ausgegangen – zusammengepanscht wurden hingen die Väter Kettenhemd und Beinschienen zwischen Handtüchern auf den zwischen den Zelten gespannten Wäscheleinen zum Trocknen auf. Danach spaltete sich das Streitheer wiederum in zwei Lager. Die einen bestiegen den Hohenstoffel, die anderen wollten unsere treuen Rösser aus den Stallungen in der Nähe unseres Streithaufens auf bereits erwähnte saftige Wiesen führen. So wurden die Pferde im feurigen Galopp in Richtung Steinbruch geritten, nachdem sich die Pferdeknechte aus der Tränke des Gutshofs von Eva und Jürgen körperlich gereinigt hatten. Ralf brachte es sogar fertig, sich lediglich mit einer Badehose bekleidet in den Trog zu legen, worauf das Wasser von Seife getrübt zunächst abgelassen werden musste. Der Nachmittag verlief bei, man glaubt es kaum, wolkenfreiem Himmel. Die jungen Ritter und Burgfräuleins vergnügten sich selbstständig beim Fußballspielen, Felswandklettern und Lumberjacking. Die Kids hackten so viel Holz klein, dass die Väter am Abend Mühe hatten die ganzen produzierten Scheite am nächtlichen Lagerfeuer zu verheizen und somit im Unterhemd vor der heißen Glut saßen, während das Hinterteil ins Kalte gereckt wurde. Das Himmelsfirmament zeigte sich von seiner besten Seite, soll heißen – die Sterne erstrahlten in ihrem schönsten Glanz auf dem wolkenlosen Himmel, so dass wir bester Dinge waren für den morgigen Tag. Wir hatten nämlich erfahren, dass auf dem Hohenhewen gut Beute zu machen sei.



Logbucheintrag 5. Tag Dienstag, den 1. August 2000




 

Wieder erwachten wir bei strahlendem Sonnenaufgang über wolkenlosem Himmel. Frohen Mutes wurde unser fast schon traditionelles Ritterfrühstück – Cornflakes, Müsli und frische Brötchen, dazu Kaffee bzw. Milch – hinunter geschlungen. Galt es doch heute den Hohenhewen zu erstürmen. Eiligst wurde das Lager abgebrochen, was von einem älteren Jäger noch beschleunigt wurde. „Wenn Sie keine Erlaubnis haben, hier zu zelten, dann gebe ich Ihnen zwei Stunden Zeit zu verschwinden." Spach`s und brauste mit seinem japanischen Streitwagen davon. Nach drei Stunden war das Lager abgebrochen und besagter Jagdaufseher irgendeines Grafen, dessen Hab und Gut wir gnädigerweise verschont hatten, war immer noch nicht zurück. Im Nachhinein hatte er wohl doch beim Anblick unserer bis an die Zähne bewaffneten Ritterschar das Hasenpanier ergriffen, denn uns juckten bereits die Schwertspitzen mit unerhörter Gewalt. So wurden die feurigen Streitrosse gezäumt und gesattelt und schon ging es in rasendem Galopp und lautem Hurra Geschrei den Hügel hinab durch die Wälder. Doch auf einem matschigen, zugewachsenen Wirtschaftsweg geschah die erste von drei Pannen. Elena führte unsere treue Jenny, das Pony, und wurde von dieser in das Brennessel- und Kohlkratzdisteldickicht gedrückt. Den Führstrick hielt sie tapfer fest und wurde durch den Matsch mitgeschleift. Ihr zartes „BRRR" konnte das Pony nicht zum Stehen bringen. Erst auf Zuruf ließ Elena die Leine aus und wurde unter Tränen wieder auf die Beine gestellt. Erst die Aussicht auf einen Ritt auf Deja`s Rücken konnte ihren vehementen Tränenstrom zum versiegen bringen. Nach einem kurzen Vesperhalt geschah die zweite Panne. Pferdebursche Tommy führte Deja mit Tina auf ihrem breiten Rücken durch einen engen Hohlweg, der mit Totholz teilweise verblockt war. Hang abwärts ziehend strauchelte das Ross, griff mit dem linken Vorderhuf nach und fand auch prompt den gewünschten Halt auf Tommys linkem Sprunggelenk.

Der hatte die eisernen Beinschienen abgelegt, da der Rostfraß an den vorherigen regnerischen Tagen stark zugenommen hatte. Ja, der Tritt tat richtig gut, als der Schmerz ein wenig nachließ. Danach ging es fluchs in Richtung Hohenhewen und unter sengender Sonne stand der Schweiß in den Ritterrüstungen. Vom Schafsgerüst sah man schon die weißen Banner der steinernen Festung im Winde flattern. Nach dem Fund einer toten jungen Ringelnatter, eine willkommene Trophäe in Pauls Sammlung, denn er hat es gern mit der heimischen Flora und Fauna, wurde auf einem Bauernhof der Sattelsitz von Seiten der ländlichen Bevölkerung fachmännisch kommentiert. Den Pferden wurde frisches Wasser zum Saufen gereicht und die Feldflaschen des Heerhaufens frisch gefüllt. Ein entlaufenes Lamm lockerte unsere Marschformation etwas auf. Das Tier wurde in Richtung Hof des „kleinen Bauern" getrieben, klein weil er einen solchen Traktor führte, im Gegensatz zum talabwärts gelegenen „großen Bauern", eben dem mit dem großen Traktor. So hat es Jonathan aufmerksam festgestellt. Laura, Elena und dem fußlahmen Tommy geschah dann die dritte Panne. Das Schlußlicht bildend gingen sie geradeaus weiter, anstatt rechts hangaufwärts abzubiegen, nachdem der

Landwirt sein Schaf dankbar entgegengenommen hatte. Nach einigen Kilometern, bei bereits erwähnter sengender Hitze, bemerkte ein Bauer lapidar: „Hier seit ihr falsch." Am Trauf entlang kehrten die drei also zurück, betraten auf Lauras Vorschlag den kühlenden Wald und schritten fröhlich aus bis der Weg plötzlich endete und sie sich auf einer Waldwiese wiederfanden, den Hohen Hewen in Sichtweite. Auf einem Wildschweinwechsel wurde ein Bachbett durchquert und der rechte Wirtschaftweg gefunden. Dort fanden sie großen und kleine Hufschlag, dazu frische Pferdeäpfel, bereits erobert von Müriaden grünschillernder Schmeißfliegen. Der Weg war mit Sicherheit der Richtige. Inzwischen hatte Ritchy die Spitze unseres Trosses erspurtet und musste, dort angelangt mit hechelnder Zunge feststellen, dass die drei Vermissten hier nicht anzutreffen waren. Hans ritt eiligst zurück und kam auch ohne Erfolg wieder. Chrischa war mit dem fünfspännigen Wagen von seiner logistischen Beutetour zurückgekehrt und Hans fuhr erneut den Weg zurück, traf die drei Unglücksraben tatsächlich, nahm sie auf und beim letzten Bauernhof vor der Burg war unser Haufen wieder vollzählig. Nun kam der Endspurt. Die Fourage wurde unter unbeschreiblichen Strapazen an die Mauern der Burg geschleppt. Selbst die Kinder mußten mit anpacken. Deja schleppte unter Hansens Führung zwei Bierkisten zum 844 m hochgelegenen Gipfel. Dann kam das Meisterstück. Hanfried, Guido, Klaus, Michael und Chrischa legten Helm und Brünne ab und bildeten mit Spanngurten ein Gespann, um nackt bis aufs Wams 160 Liter Wasser im Leiterwagen den Serpentinenweg nach oben zu ziehen. Jawohl, 160 Liter auf einen Schlag. Oben angekommen mußte unsere wackere Streitmacht feststellen, dass uns die Bayern während des 30-jährigen Krieges zuvorgekommen waren. So fanden wir nur noch Ruinen vor. Die weißen Banner der Festung stellten sich als eine Richtfunkanlage heraus. Aber wir waren stolz auf uns, denn auf der letzten Strecke waren vom Bauerhof aus 140 Höhenmeter bezwungen worden. Jetzt galt es Abschied zu nehmen. Unser alter Waffenmeister Bernd wollte, des Kriegshandwerks müde, heim zum warmen Herd und gutherzigen Weibe. Ausgerechnet Bernd, der uns manche listige Finte und mächtigen Hieb mit dem Schwerte beigebracht hatte. Unter aufrichtigem Bedauern wurde Abschied genommen und sein Sohn Hans, der Anführer unserer Meute bretterte mit seinem fünfspännigen Wagen, Ingolstädter Schmiede, mit Bernd und dem fußkranken Tommy ins nahegelegene Bistum Konstanz. Eigentlich ist das ja eine Vater-Kind Trekking-Tour und der erzieherischen Verantwortung entsprechend ist es eine natürliche Selbstverständlichkeit, dass bei Einbruch der Nacht die Kinder von ihren Vätern in die Schlafsäcke gebracht werden, nachdem die Zähne geputzt worden waren. Wir haben aber nie beobachten können, wie der Bernd den Hans ins Bett gebracht hatte. Hans Vater wollte am nächsten Tag von Wallhausen aus auf das eigene Landgut im schönen Odenwald zurückkehren. Tommy wurde zum Medikus ins Krankenhaus gebracht. Dort wurde glücklicherweise nur eine mittelmäßige Schwellung des linken Sprunggelenks attestiert. Hans und Tommy kehrten zum Heerhaufen zurück mit Christian im Schlepptau.

Er wollte mal schnell auf ein Bier vorbeischauen. Jetzt stehen wir am Gipfel des Hohen Hewen, bewundern das malerische Feuerwerk der nahegelegenen Ostschweiz und sind mit uns rundum zufrieden. Laut Laura küssen sich während des Feuerwerks zwei Igelkugeln. Die Spaghetti mit Tomatensoße haben die Mägen wohltuend gefüllt und das Bier ist leergetrunken. Die Pferde bilden eine pittoreske Silhouette gegen den tiefblauen Abendhimmel und wir fragen uns, wo Rolf bleibt, der schweißüberströmt mitten im Hang über seine 40 Liter Wasser meditiert.



Logbucheintrag 6. Tag Mittwoch, den 2. August 2000




 

Nach Sonnenaufgang war der Himmel noch klar, doch bald zogen unheil verkündende Regenwolken auf und verdeckten die Sonne. In der Befürchtung wieder bei strömendem Regen den nächsten Lagerplatz, genannt Grillplatz am Franzosen-Wäldle und kurz oberhalb der Stadt Engen gelegen, anzukommen und dabei abermals nass bis auf die Haut zu werden, machten wir uns eiligst auf, unser Zeltlager abzuschlagen.

Zuvor war das Frühstück knapp eingenommen worden. Viel hatten wir aus Gewichtsgründen nicht auf den Hohen Hewen schleppen können. Also gab es Abendbrotreste von gestern, eine Handvoll Cornflakes, Müsli, etwas Wurst, Schinken und Käse. Eine Dame in Begleitung eines Herren mit Zollstock, tauchte auf. Irgendeine amtliche Befugnis hatte sie wohl, sich auf dem Ruinengelände zu bewegen. Sie stellte uns die autoritäre Frage: „Haben Sie eine Befugnis vom Liegenschaftsamt, hier zu lagern?" Welche von Klaus verneint wurde. Darauf folgte ihre überaus intelligente Erklärung : "Sie hätten beim Liegenschaftsamt einen Antrag stellen sollen. Aber der wäre sowieso abgelehnt worden, da das Amt die Verantwortung für Ihr Tun ablehnen würde." Naja. Wir brachen also auf, zum letzten mal mit unseren mittlerweile liebgewordenen Begleitern Deja und Jenny. Hangabwärts ging es an Gehöften vorbei. Und dem Himmel sei es gepfiffen und getrommelt, dass das Wetter hielt. Ohne auch nur einen einzigen Tropfen abbekommen zu haben, erreichten wir den angestrebten Grillplatz vor Engen bei gutem, leicht windigen Wanderwetter. Da wir dem Frieden nicht trauten und nicht länger an Petrus Gnade glaubten, machten wir uns nach einer kleinen Vesperpause, nachdem sich die ältere Ritterschaft zu einem Nickerchen im grünen Grase oder einem Schwätzchen im Schatten niedergelegt hatte, auf zum letzten mal für diese Tour, das Lager aufzubauen. Inzwischen unterhielt sich unsere Jungritterschaft auf dem, zum Grillplatz gehörigen Spielplatz bestens. Hans Befürchtung, dass wir heute wohl mit mehr Verletzungen der Kinder, als sämtliche Tage im Walde zuvor, zu rechnen hätten, hätte sich beinahe bewahrheitet. Nico wurde von einer Wespe gestochen, Tannenzapfen landeten bei Weitwurfspielen auf unbeteiligten Kinderköpfen und die Wippschaukel entpuppt sich als höchst unfallträchtige Knappenfalle, weil sie halt zum Teil mit mehr als zehn Kindern belastet wurde und bei Rangeleien um die besten Plätze schon auch mal mit Ausfällen zu rechnen war. So erschallten die Schläge der Äxte und Beile, gemischt mit klagenden Schmerzenschreien der Kinderschar durch das Franzosen-Wäldle. Natürlich wurden auch Fußball – und Reiterspiele durchgeführt und letztendlich hat niemand ernstlichen Schaden genommen. Die ersten kleineren Regenschauer setzten ein, aber wir waren wieder einmal guter Dinge, denn das Zelt stand, das Feuer brannte und die Regenplane war über die Biergarnitur gezogen. Dann hieß es erneut Abschied nehmen.

Deja und Jenny wurden von Fritz und Susen mit dem Pferdeanhänger abgeholt. Nico bedauerte aufrichtig das Fehlen unserer Streitrosse mit den passenden Worten: "Wer soll jetzt mit uns kuscheln?" Und nachdem Fritz und Susen mit dem Anhänger abgefahren waren, musste jeder von uns eingestehen, dass etwas fehlte, an das wir uns im laufe der Trekking-Tour gewöhnt hatten. Morgen werden wir mit dem Stahlross auf dem eisernen Weg ins Bistum Konstanz zurückkehren. Aber erst freuen wir uns auf ein zünftiges Ritterabendmahl aus gegrillten Lammsteaks, Schaschlikspießen und eingelegten Schweinesteaks mit gegrillten Kartoffeln und Salat. Wir werden unter unserer Regenplane bis tief in die Nacht tafeln und saufen, und zu erzählten Kampfgeschichten kräftig rülpsen und furzen. Und sollte irgendein Amtsschimmel auftauchen, um unserem bunten Treiben ein Ende zu setzen, so stehen Eva`s Rhabarberwein-Reste bereit, um diesen damit zu bespritzen und zu verätzen.



Gruppenfoto