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Schweriner Ausstellung "Sommergäste" "Butterbrot ev. mitbringen"

Hans Arp, Edvard Much, Paul Klee: Viele bildende Künstler zog es zu Beginn des 20. Jahrhunderts raus aus der Großstadt in die Sommerfrische an die Ostsee. Sie kamen mit Pinsel, Papier und Palette. Ihre Arbeiten zeigt jetzt eine Ausstellung in Schwerin.

Nach Warnemünde kam Edvard Munch im Juni 1907 weil "die Nerven in Unordnung" waren, wie er an seinen Förderer schrieb, den schwedischen Bankier Ernest Thiel. In Warnemünde lag Munch aber nicht am Strand, sondern malte: "Spielende Kinder auf der Straße", seinen Hauswirt als "Alter Mann in Warnemünde", die Bergung eines ertrunkenen Jungen und sein monumentales Bild "Badende Männer" mit zwei heroischen, nackten Männern, die aus dem Wasser kommen und frontal auf den Betrachter zugehen. Ein Skandal! Zuerst verlor sein Modell, ein Warnemünder Bademeister, seine Arbeit, dann sorgte das Bild im prüden Hamburg für Aufregung und wurde für eine Ausstellung abgelehnt.

Heute gilt "Badende Männer" als Schlüsselwerk und ist das Highlight der Ausstellung "Sommergäste" im Museum Schwerin. Immer wieder kamen große Maler des 20. Jahrhunderts an die Ostseeküste nach Hiddensee, Fischland-Darß-Zingst oder Usedom im damaligen Mecklenburg und in Pommern, um sich von der Ruhe, vom Licht, der Landschaft und Natur inspirieren zu lassen. Vertreter der Dada-Szene wie Hans Arp und seine Frau Sophie Taeuber-Arp, Kurt Schwitters und George Grosz liebten die Insel Rügen, die Brücke-Künstler zog es nach Hiddensee und Lyonel Feininger verbrachte den Sommer auf Usedom oder wie seine Kollegen Lovis Corinth, Marianne von Werefkin und Alexej von Jawlensky im Ostseedorf Prerow. Einigen gefiel es so gut, dass sie Künstlerkolonien gründeten, wie in Ahrenshoop, auf Rügen oder auf Hiddensee. Und für einige Künstler, die unter den Nationalsozialisten als "entartet" diffamiert waren, wurde ihr Sommerdomizil zum Rückzugsort.

108 Gemälde, Zeichnungen, Druckgrafiken und Skulpturen der Künstler-Sommerfrischler zeigt die Ausstellung, und darunter sind auch Entdeckungen: Bis zu einer Anfrage der Kuratoren im Berner Zentrum Paul Klee war nicht bekannt, dass auch Paul Klee an der Ostsee, nämlich auf Hiddensee, gewesen ist. Hinweise fanden sich in den noch unveröffentlichten Lebenserinnerungen seiner Frau Lily Klee, und so kam ein kleines Aquarell aus Privatbesitz in die Schau, zu dem ihn sein Besuch im Norden angeregt hat.

Malerfahrt weg von der Sinnverwirrung

Die Abgeschiedenheit von der Großstadt führte manchmal zur Selbstbesinnung, zu neuen Erkenntnissen und zu Zäsuren im Werk. Paul Kuhfuss beispielsweise schrieb 1931 aus Leba: "Die Großstadt mit ihren sinnverwirrenden Anregungen verführt leicht dazu, in vielem herumzutappen und nur weniges bewerkstelligen zu können." Auf seiner "Malerfahrt" in die "Ursprünglichkeit von Natur und Mensch" aber habe er die "Achtung vor den höheren, ideell gelagerten Werten des Lebens" gefunden.

Zu lesen ist das in dem Katalog zur Ausstellung, in dem man per Landkarte erfährt, wer wann wohin reiste. In vielen Auszüge aus Briefen und Notizen und in den Kuratoren-Beiträgen kann man den Gedanken der Künstler zu ihrer Arbeit folgen. Neben den Texten sind die besprochenen Bilder zu sehen, genau wie viele Fotos von Landschaften oder den Künstlern in ihren Urlaubsdomizilen.

Zu lesen ist auch Persönliches und viel über Freundschaften und Animositäten unter den Kollegen. So schrieb Ewald Materé 1935 aus Leba, dass auch Pechstein dort sei, aber er könne nicht viel mit ihm anfangen, "seine Natur ist mir zu simpel und ungeistig, vielleicht wirkt auch die Zurücksetzung der letzten zwei Jahre sehr auf ihn".

Kurt Schwitters dagegen, der 1923 inmitten der Inflation mit Hans Arp und dessen Frau Sophie auf Rügen war, lud die Freundin Hannah Höch herzlich "für 8 Tage" ein, "Wohnung ca. 50.000 M pro Tag, Essen kannst Du bei uns, Butterbrot ev. Mitbringen".


Sommergäste. Von Arp bis Werefkin. Staatliches Museum Schwerin . Bis 23. 10., Tel. 0385/595 80.

Katalog: "Sommergäste. Von Arp bis Werefkin. Klassische Moderne in Mecklenburg und Pommern". Hirmer Verlag; 300 Seiten; 29,50 Euro.