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US-Wahlen und Börse Warum Anleger auf Obama hoffen

Demokratische US-Präsidenten haben Anlegern im Jahr nach einer Wahl im historischen Schnitt mehr Geld beschert als Vertreter der Republikaner. Doch eine Wiederwahl Obamas ist noch kein Doping für die Börse: Der neue Präsident der USA - gleich ob Obama oder Romney - steuert auf eine Klippe zu.
Von Arne Gottschalck
Wahlkampfpuppen Obama, Romney: Demokratische Präsidenten bescheren häufiger Kursgewinne - zumindest in der Historie

Wahlkampfpuppen Obama, Romney: Demokratische Präsidenten bescheren häufiger Kursgewinne - zumindest in der Historie

Foto: AFP

Hamburg - Politiker in Gummistiefeln sind oft gute Indikatoren für deren Wiederwahl. Gerhard Schröder hat das 2002 demonstriert, als er durch die Untiefen des Elbehochwassers zur erneuten deutschen Kanzlerschaft stapfte. Nun ist es an US-Präsident Barack Obama, sich in den Trümmern, die der Sturm "Sandy" hinterlassen hat, als guter Krisenmanager und Macher zu zeigen.

Auch die jüngsten Daten vom Häuser- und vom Arbeitsmarkt, die auf eine zarte Erholung der US-Wirtschaft hindeuten, kommen für Amtsinhaber Obama wenige Tage vor der Wahl gelegen.

Doch was würde Obamas Wiederwahl für die Finanzmärkte bedeuten? Kann es so etwas wie eine Obama-Hausse geben? Und würde diese auch dem Dax neuen Schwung verleihen?

So hat das Beratungsunternehmen Ned Davis Research herausgefunden, dass Aktienmärkte in einem US-Präsidentenwahljahr meist hohe Erträge liefern. Die Fondsgesellschaft Dexia Asset Management hat diese Studie noch ausgeweitet und dazu die jährliche Wertentwicklung des Aktienindexes S&P 500 seit 1945 untersucht.

Das Ergebnis der Untersuchung läuft dem Vorurteil zuwider, dass ein republikanischer Präsident der Wall Street eher nütze als ein demokratischer Amtsinhaber. Es zeigte sich, dass vor allem das dritte Amtsjahr eines Präsidenten gut für die Börse ist. Es zeigte sich aber auch, dass die Börse im Jahr eins nach einer Wahl dann besonders floriert, wenn ein Demokrat im Weißen Haus sitzt.

Demokratische Präsidenten bescherten Anlegern im Schnitt mehr Geld

Statistisch gesehen bescherten demokratische US-Präsidenten den Anlegern im Wahlfolgejahr ein Plus von 14,51 Prozent, Republikaner verursachten dagegen ein Minus von 2,13 Prozent. Und noch etwas ergab die Studie - gewann der Amtsinhaber, profitierte der Aktionär in der Vergangenheit stärker.

Siegt also Obama, wäre das laut Statistik aus zweierlei Gründen für die US-Börse positiv: Der Amtsinhaber gewinnt die Wahl und gleichzeitig bleibt der Kandidat der Demokratischen Partei am Ruder. Eine Konstellation, die in der Vergangenheit im Schnitt höhere Erträge für Investoren gebracht hatte. Bleibt es dabei, könnten Anleger nach einem Wahlsieg Obamas auf ein gutes Börsenjahr 2013 hoffen.

Das wäre auch gut für Anleger in Deutschland - denn der Dax  folgt dem Dow Jones  in der Regel auf den Fuß. Aus gutem Grund: Die Exportnation Deutschland kann von konsumfreudigen US-Amerikanern zudem nur profitieren. Das zeigt zum Beispiel Volkswagen  , die erst in dieser Woche neue Absatzrekorde in den USA meldeten. Auch Unternehmen aus der chemischen Industrie, BASF  oder Bayer , profitierten im dritten Quartal dieses Jahres vor allem von den USA. Denn die Exporte in die NAFTA legten um 25 Prozent zu, ihr Wert lag in der Summe bei über 4 Milliarden Euro, rechnet der Verband der chemischen Industrie (VCI) vor.

Ist es also so einfach - eine Wiederwahl Obamas als Doping für die Börse? Es wäre fahrlässig, allein darauf zu setzen. Denn das wirtschaftliche Umfeld ist weitaus komplizierter, und die USA sind unter Zeitdruck.

Egal, wer gewinnt - die USA steuern auf die fiskalische Klippe zu

"Wann hatte der Ausgang einer Wahl zuletzt Auswirkungen auf Wirtschaft und Aktienkurse?", fragt zum Beispiel SEB-Aktienfondsmanager Jürgen Meyer. "Es ist egal, wer die Wahl gewinnt. Selbst wenn einem Kandidaten mehr wirtschaftliche Kompetenz zugetraut wird, findet es sich in derselben schwierigen Ausgangssituation wieder" ergänzt Wilfried Stubenrauch von der Stubenrauch & Hölscher Fondsberatung. "Denn die bestehende Misere ist ja objektiv betrachtet nicht nur auf die Regierungszeit von Obama zurückzuführen." Und in der Misere stecken die USA tatsächlich.

Die USA steuern ungeachtet des Wahlausgangs auf das "fiscal cliff", die "fiskalische Klippe" zu. Eine Klippe, die die Politiker selbst aufgebaut haben. Im vergangenen Jahr hatten sich Republikaner und Demokraten auf automatische Steuererhöhungen und drastische Ausgabenkürzungen zum Januar 2013 geeinigt, wenn sie vorher nicht eine einvernehmliche Lösung fänden.

Doch eine Lösung ist weit entfernt, denn der US-Kongress befindet sich seit Monaten im Blockadezustand. Grabenkämpfe und Fundamentalopposition haben eine politische Lösung verhindert - und es ist unwahrscheinlich, dass sich an diesem Zustand nach der Wahl etwas ändert.

So groß der Streit zwischen den Parteien ist, so einig sind sich Ökonomen mit Blick auf die Auswirkungen des "fiscal cliff": Treten die automatischen drastischen Ausgabenkürzungen Anfang 2013 wirklich in Kraft, würden sie der US-Konjunktur, die sich gerade auf dem Weg der Besserung befindet, einen Tiefschlag versetzen.

Auch in Japan droht der Sturz vom Cliff

Und es droht noch eine weitere Klippe, schreibt die Privatbank Ellwanger & Geiger. Japanische Anleihehändler säßen "bereits jetzt wie auf heißen Kohlen". Denn auch dem japanischen Staat droht Ende November das Geld auszugehen, sollte das Gesetz zur Finanzierung des Haushaltsdefizits durch die Opposition blockiert werden. Verwerfungen auf den japanischen Anleihemärkten mit Auswirkungen auf die internationalen Finanzmärkte wären die Folge. Sogar die Euro-Krise, so Ellwanger & Geiger, würde hinter diesen Problemen zurückstehen.

Viele US-Politiker "begreifen das Ausmaß der Misere nicht" schreibt Michael Hasenstab, Rentenfondsmanager der Fondsgesellschaft Franklin Templeton. Und die Politiker, die die fiskalpolitischen Probleme erkennen, können nichts dagegen tun. "Die Wahl dürfte daran nichts ändern", so Hasenstab. "Ich gehe davon aus, dass die USA weiter Zeit schinden werden."

Die Realwirtschaft, Basis für die Kursentwicklung der Aktien, bleibt also angeschlagen und anfällig für neue Schocks. Anleger waren trotz des mauen und unsicheren Konjunkturumfelds zuletzt eher positiv gestimmt - entsprechend flossen in den ersten drei Quartalen des Jahres jenen Exchange Traded Funds (ETF), die auf US-Aktien setzen, unter dem Strich 63 Milliarden Dollar zu.

Mit anderen Worten: Gelingt es dem neuen US-Präsidenten, das "fiscal cliff" zu umschiffen und die Verschuldung langfristig zu senken, dürfte auch die Börse profitieren. Egal, ob der neue Präsident der Vereinigten Staaten nun Barack Obama oder Mitt Romney heißt.

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