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Manager-Ikone Iacocca Comeback des Autopapstes

Einige Jahre im Ruhestand seien für ihn schlimmer als ein halbes Jahrhundert in der Autoindustrie, behauptet Ex-Chrysler-Boss Lee Iacocca. Das Leid hat nun ein Ende. Über ein Jahrzehnt nach seinem Abschied von der Konzernspitze hat der amerikanische Autobauer die Manager-Kultfigur reaktiviert.

Hamburg - 80 Jahre ist er inzwischen alt, doch er strahlt voller Energie in die Kamera: "Du hast das Wichtigste vergessen", ruft Lee Iacocca in dem Werbespot seinem Fernsehpartner begeistert zu: "den Deal!"

Der amerikanische Autobauer Chrysler lässt Lee Iacocca noch einmal ran - allerdings nur auf dem Bildschirm. Für eine neue Marketingkampagne hat die amerikanische Tochterfima von DaimlerChrysler den einstigen Star-Manager als Zugpferd eingespannt. "Der Deal" ist eine 75 Millionen Dollar teure Reklameaktion, mit der sich Chrysler in der unerbittlichen Preisschlacht auf dem amerikanischen Automarkt bewähren will. Einige Wochen lang werden allen Kunden dieselben Rabatte wie Konzern-Mitarbeitern gegönnt. Der Konkurrent General Motors hatte mit einer ähnlichen Aktion seine Verkaufszahlen um 40 Prozent gesteigert.

Man habe eine einprägsame Werbefigur gesucht, lautet die Begründung für das Comeback des Alt-Managers, der die Chrysler Corp. zu Beginn der achtziger Jahre aus der tiefsten Krise ihrer Geschichte geholt hatte. Sogar seine 13-Jährige Tochter kenne Iacocca noch, so ein Chrysler-Sprecher. Kein Wunder. Iacocca war der Popstar der erfolgsgierigen Yuppie-Generation. Die Demokraten versuchten ihn als Präsidentschafts-Kandidaten zu werben. Seine wenig bescheidene Autobiografie "Iacocca - eine amerikanische Karriere" gilt in den USA als auflagenstärkstes Sachbuch aller Zeiten und ist heute noch ein Bestseller.

"Ich mag Sie nicht"

Iacocca ist zudem der Inbegriff des US-Aufsteigers. Geboren als Sohn eines italienischen Pizzabäckers, hatte sich der ehrgeizige Ingenieur seit 1946 zunächst bei Ford auf der Karriereleiter ganz nach oben gearbeitet. Mit der Einführung des schnittigen Mustangs gelang dem Vize-Präsident Anfang der Sechziger der erste große Coup in der noch von den behäbigen, pastellfarbenen Karosserien der fünfziger Jahre beherrschten Autobranche. Der Mustang war wild, sportlich und erschwinglich. Und Iacocca sorgte mit einem nie da gewesenen Medienspektakel dafür, dass das bis ins tiefste Hinterland bekannt wurde. Drei Millionen Exemplare des Mittelklasse-Flitzers wurden bis 1973 gefertigt.

Iacocca wurde Ford-Präsident und galt lange als aussichtsreichster Kandidat für die Nachfolge von Henry Ford II. als Chairman des Unternehmens. Doch 1978 setzte der machtbewusste Firmenerbe Iacocca vor die Tür: "Ich mag Sie nicht", soll er dem Mann mit den Maßanzügen, der goldenen Brille und der Vorliebe für Zigarren schlichtweg gesagt haben.

Kurze Zeit später wurde Iacocca hinter das Steuer der angeschlagenen Chrysler Corp. gebeten. Ein Job wie ein Albtraum: Chrysler war nach der Ölkrise mit seiner auf Großwagen konzentrierten Produktion ins Schlingern geraten und hatte 1975 einen Rekord-Verlust von 259 Millionen Dollar eingefahren. Doch Iacocca machte sich mit eisernem Optimismus an die Arbeit. Er rang Gläubigerbanken und Gewerkschaften weitgehende Zugeständnisse und der US-Regierung eine Staatsbürgschaft über 1,5 Milliarden Dollar ab. In einer wiederum groß angelegten Werbekampagne trat er selbst für das Unternehmen ein, sein Slogan "Wenn Sie ein besseres Auto finden, kaufen Sie es" wurde zum geflügelten Wort. 1982 konnte Chrysler erstmals wieder einen Gewinn von 170 Millionen Dollar verzeichnen, 1986 wurde ein Plus von 2,3 Milliarden Dollar erzielt.

"Er hat Angst, dass ich ihm die Show stehle"

Iacocca ist Manager aus Leib und Seele. Drei Jahre im Ruhestand seien für ihn schlimmer, als 47 Jahre in der Autoindustrie, lautet einer seiner berühmten Sätze. Nachdem der Aufsichtsrat bei Chrysler 1993 den Generationswechsel erzwang und Robert Eaton zum Nachfolger Iacoccas machte, dachte der nicht ans Aufhören. Er vermarktete cholesterinarmen Brotaufstrich, stieg bei einer Restaurant-Kette ein, verkaufte Fahrräder mit Elektromotor und kümmerte sich intensiv um die Förderung der Diabetes-Forschung.

Grund für das Engagement: 1983 war seine zuckerkranke Frau gestorben. Das Geld für die neuen Chrysler-Werbespots - einen Dollar für jedes bei der Aktion verkaufte Auto - geht dann auch an Iacoccas Diabetes-Stiftung.

Trotzdem kommt der Werbefeldzug für seinen ehemaligen Arbeitgeber einigermaßen überraschend. Denn in den vergangenen Jahren war das Verhältnis alles andere als ungetrübt.

Nach seinem Ausscheiden 1992 bekam das Image des Autopapstes Iacocca tiefe Schrammen, als er 1995 den Investor Kirk Kerkorian bei einem feindlichen Übernahmeversuch von Chrysler unterstützte. Habgier und Bitterkeit über seinen keineswegs freiwilligen Abschied von Chrysler wurden ihm damals von der Wirtschaftspresse vorgeworfen.

2002 war es dann Iacocca, der sich aufs tiefste gekränkt zeigte. Daimler-Chrysler-Chef Jürgen Schrempp hatte das Angebot des Alt-Managers dankend abgelehnt, künftig als Berater für den angeschlagenen Konzern zu fungieren. Iacocca nahm wie immer kein Blatt vor den Mund: "Er hat Angst, ich könnte ihm die Show stehlen", erklärte er beleidigt in einem Zeitungsinterview.

Die Verluste sind noch in lebendiger Erinnerung

Alles vergeben und vergessen. Chrysler ist zufrieden mit seinem neuen Werbestar. Möglicherweise werde die bis zum 1. August geplante Rabattaktion sogar verlängert, erklärte der Autobauer gestern. Die Spots Iacoccas hätten zu einer starken Belebung der Kundenfrequenz bei den Händlern geführt.

Eine zugkräftige Werbekampagne kann Chrysler gut gebrauchen. Zwar verzeichnete der Konzern im vergangenen Jahr ein positives Ergebnis von 1,4 Milliarden Euro, und auch im ersten Quartal 2005 erreichte das Unternehmen die Gewinnzone. Doch die horrenden Defizite aus den Vorjahren sind noch in lebendiger Erinnerung und der amerikanische Automarkt ist derzeit hart umkämpft. Da scheint Super-Manager Iacocca der richtige Glücksbringer für eine langrfristige Konsolidierung des Erfolgskurses.