Eröffnung am 11.April um 19 Uhr im Kunstmuseum

Von Tieren und Menschen – das Kunstmuseum wird zum Taubenschlag

Von der Friedenstaube über Opfergabe zu Delikatesse und Taubenplage- das Verhältnis der Menschen zu Tauben ist vielschichtig und nicht immer ungetrübt. Umso spannender ist es, was es an Gedankengängen auslösen kann, wenn ein Schwarm Wandertauben und ein Mähnenwolf das kleine Torhaus in ein  Gesamtkunstwerk verwandeln. Der Künstler Kai Klahre hat das kleine, perfekt gemalte Porträt eines sympathisch hechelnden Mähnenwolfs in die Mitte einer ansonsten leeren Wand gesetzt. Eine Lernaufgabe für das Hersbrucker Publikum, dass weniger manchmal mehr ist. Das Bildchen beginnt seine Kraftwellen in den Raum auszubreiten, ungestört von ablenkenden Nachbarn. An den anderen Wänden haben sich aus Aluminium geschnittene und bemalte Tauben- Individuen als spannungsreiche Komposition niedergelassen. Der alte König, die Prinzessin, Brüderchen und Schwesterchen lassen eine märchenhafte Völkerschar vor dem inneren Auge entstehen. Liebling der Nacht, Geist einer Krähe und ein kleiner Atelierwächter beleuchten die mystische Seite der Vogelwesen. Vögel leben als Spezies weithin unbeeindruckt von uns Menschen ihr eigenes Leben und bieten so auch ein Feld für unsere Projektionen. Und mit Wandertauben ist es so eine Sache. Sie wurden vor einem Jahrhundert ausgerottet. So ist es ein Blick zurück in die Zukunft, der angesichts des Artensterbens unserer Tage eine schmerzhafte Brisanz bekommt.

Zwischen den Vogelobjekten hängen einige meisterhafte Lithographien, Zeichnungen und Cut-outs, bei denen durch verschiedene Papierebenen Dioramen entstehen. Immer lohnt sich das Eintauchen in diese Bildwelten, die ihre Bedeutungen nicht sofort preisgeben, sondern ein genaues Betrachten einfordern.

In der Mitte des Ausstellungsraums steht das Relikt überkommener Ausstellungstradition, eine schwere Vitrine. Kai Klahre nutzt sie, um durch einen über die Jahre gewachsenen Farbberg, entstanden aus den Farbresten auf der Palette, ein bisschen Atelieratmosphäre entstehen zu lassen. Zwei kleine Bronzefiguren bevölkern den Berg, der dadurch allerlei Assoziationen weckt: eine Landschaft, ein Müllberg, Überkonsum? Eine Insel, ein „Alles für uns“ umstanden von staunenden Tieren aus Alufolie, vor Ort zusammengedreht. Eine Schiffsschraube lässt die Interpretationsmöglichkeiten in Richtung Arche Noah driften, oder ist es das Boot, in dem wir alle sitzen?

Karin Plank-Hauter

Lesen Sie hier die Laudatio von Kunsthistorikerin Dr. Teresa Bischoff:

 

Es ist mir erneut Freude und Ehre zugleich heute Abend einige Worte für Dich, lieber Kai, sprechen zu dürfen.

Etliche Überlegungen gehen solch einer Aufgabe stets voraus. Nach längerem Nachsinnen über Deine Werke, über Dich als Künstler und natürlich über diese Ausstellung haben sich einige Gedanken herauskristallisiert. Sie lassen sich am besten mittels einer Geschichte erzählen, die uns aus der Antike überliefert ist. Vieles trägt sie in sich, was meiner Ansicht nach auch Deine Kunst, lieber Kai, auszeichnet. 

Die Tochter eines Töpfers aus Korinth, namens Dibutade, verabschiedete sich eines Abends von ihrem Geliebten, der sie am darauffolgenden Tag verlassen musste, da er auf Reisen ging. Vor seinem Weggehen bat seine Freundin ihn vor einer Wand Platz zu nehmen. Sie nahm eine Kerze, worauf sich der Schattenumriss des Kopfes ihres Geliebten auf der hellen Fläche der Wand abbildete.  Mit einem Stück Kohle zeichnete sie die Form nach. Als ihr Vater am darauffolgenden Tag die Zeichnung an der Wand sah, nahm er eine Handvoll Ton, füllte die Umrisslinie aus und formte daraus noch zusätzlich ein Relief mit den Zügen des Freundes seiner Tochter.

Plinius der Ältere hat in seiner Naturgeschichte, der naturalis historia, einer Art antikem Lexikon, diesen Mythos zur Erklärung angeführt wie denn eigentlich die Kunst in die Welt gekommen sei. Zwei Aspekte scheinen mir dabei bemerkenswert, die sich beide mühelos auf Kais Kunst übertragen lassen: zum einen ist es die Zuneigung zum Motiv, die überhaupt dazu führt, dass der gestalterische Wille geweckt wird, zum anderen ist es die Zeichnung oder besser gesagt die Umrisslinie mit der und durch welche der künstlerische Schaffensprozess doch erst seinen Anfang nimmt. 

Wollen wir zunächst mit Letzterem beginnen. Wer schon einmal das Privileg hatte Kais Skizzenbücher sehen zu dürfen, der weiß, dass in diesen Blättern bereits alles steckt, was die späteren und folgenden Kunstwerke seiner Hand ausmacht. Auf der Zeichnung gründet alles. 

Der Disegno, so nannte man in der Renaissance die Kunstform der Zeichnung, wurde aber auch deshalb in der Kunstgeschichte so hoch geschätzt, weil er mit einfachsten Mitteln die Übertragung des Geistigen ins Physische ermöglicht. Die Linie übermittelt einerseits das im Inneren erdachte ins Äußere, andererseits ist sie es auch, die die künstlerische Form vom Äußeren, Realen, Nichtkünstlerischen abgrenzt. Ein einziger eleganter Strich auf feinem Papier kann so bereits zum autonomen Kunstwerk avancieren. 

Betrachtet man Kais Werke der letzten Zeit, so spielt die Linie jedoch nicht nur im zeichnerischen Prozess eine große Rolle, sie setzt sich in allen anderen künstlerischen Ausdrucksformen fort: die Linie kann gezeichnet, geschnitten, gemalt, sogar geformt oder gegossen sein. Denn auch Materialien werden vom Künstler immer freier und vielfältiger gewählt und angewandt. Vom klassischen Papier über die von ihm so sehr geschätzten bildtragenden Metallplatten bis hin zum Aluguss und der Bronze: Es scheint mir stets als würde sich die Idee selbständig ihre Form suchen. Kais Wille als Künstler kennt keine Grenzen. Er durchdringt die Dimensionen und die Materialien. Lassen sich einige der Arbeiten noch den klassischen kunsthistorischen Gattungen wie Grafik, Gemälde oder Plastik zuordnen, so scheinen mir bei vielen Arbeiten dieses traditionelle Klassifizierungssystem obsolet.  

Kai ist einer der wenigen zeitgenössischen Künstler, der sich so universell auszudrücken vermag. Ein Aspekt, der ebenfalls schon in der eingangs erwähnten antiken Legende vorkommt. Die Fläche ist nicht genug und so dürfen sich viele der Figuren und Tiere, die Kai stets auf solch sorgsame und fürsorgliche Weise zum künstlerischen Leben erweckt, nun verlebendigen. Sie sind nicht länger an die Ebene gebunden. Und falls sie es doch sind, so werden sie zumindest von ihrer rechteckigen Rahmung entbunden. Behutsam befreit Kai seine Tiere vom eckigen Käfig der vorgegebenen Formate um ihnen in ihrer Individualität bewegliche Gestalt zu verleihen. 

Rasch sind wir nun beim zweiten Aspekt unserer Legende angelangt: das Werkschaffen des Kai Klahre wäre undenkbar ohne die große Zuneigung, Sympathie und vielleicht darf ich es sagen, Liebe zu seinen Motiven. Ich kenne keinen zweiten Künstler, der mit solcher Verve und solchem Enthusiasmus von denjenigen spricht, die er in seinen Werken zeigt. 

Wandertauben und ein Mähnenwolf heißt diese Ausstellung. Lebewesen ist sie gewidmet, denen man vermutlich sonst nicht allzuviel Aufmerksamkeit schenkt. So trägt das zweit genannte Tier zwar den Wolf im Namen, gehört aber eigentlich zur Art der Wildhunde. Im Zoo in Halle, wo er sich bisweilen zeigt, kann man ihn bewundern, vor allem aber ist der Mähnenwolf in Südamerika zuhause und hat eine sehr individuelle Art zu leben. Nicht in Rudeln, meist alleine streift er auf seinen langen Beinen durch die dortigen Wälder. Er ist eine Erinnerung an längst vergangene Zeiten vor Millionen von Jahren als diese Art sich gebildet hat. Ein kleines umso feineres individuelles Porträt hat der Künstler dem Mähnenwolf gewidmet. Es ist das einzige durchgemalte Bild der Ausstellung. 

Ebenfalls eine Erinnerung an längst vergangene Zeiten ist die ihm beigesellte Vogelschar. 

Es ist eine Vogelart, der wir im Alltag kaum Beachtung schenken und wenn dann meist nur, weil wir uns von ihr gestört fühlen. Von den Wandertauben haben sich die Menschen sogar so sehr gestört gefühlt, dass es sie heute nicht mehr gibt. Im Norden Amerikas angesiedelt, zählte die Wandertaube noch Anfang des 19. Jahrhunderts mit einem geschätzten Gesamtbestand von drei bis fünf Milliarden Exemplaren zu den häufigsten Vogelarten der Welt. Sie durchzog in heute unvorstellbar großen Schwärmen aus Hunderten oder Tausenden Individuen das Land. Zeitgenössische Quellen sprachen von Zugbewegungen, die den Himmel verdunkelt hätten und Tage andauerten. Umso dramatischer ist die Tatsache ihrer Ausrottung. Die Wandertaube wurde zum Symbol für den Raubbau an der Natur. 1914 verstarb das letzte Exemplar. Kai setzt mit seiner Arbeit diesen Tieren nun ein künstlerisches Denkmal. Er holt sie zurück in unser Bewusstsein. 

Nahezu innig hat der Künstler sich mit seinem Metier beschäftigt, die Tiere studiert in ihrer Geschichte und mit ihren Geschichten. Stehen Tauben doch nahezu in allen großen Erzählungen für Liebe, Treue und Spiritualität. Mit dem Schneidbrenner hat er jedes Tier als cutout gestaltet und dadurch zum Individuum gemacht. Der Künstler verleiht jedem einzelnen seine persönliche Gestalt, derer man im großen Schwarm gar nicht gewahr werden würde, die aber dennoch existiert. Betrachtet man die kleinen Vögel näher, so scheint es, als hätte tatsächlich jedes Tier seine ganz eigene Wesenhaftigkeit erhalten: von mutig, bis zurückhaltend, von königlich mit Krönchen bis schlicht, von vorwitzig bis schüchtern. Trotz aller Realitätsnähe lässt Kai den Betrachter jedoch nie vergessen, dass es Tiere aus einer anderen Welt sind, einer künstlerischen Dimension, die nur durch ihn sichtbar gemacht wird.

Hierfür wird dann jedoch eine künstlerische Zutat benötigt, die in der antiken Legende nicht vorkommt: nämlich die Farbe. Erst durch das Kolorit kann das glänzende Gefieder der Tauben schillern, das flauschige Fell des Mähnenwolfs so verlockend weich erscheinen. Und ganz ungewöhnlich für eine Ausstellung, in der man meist ja nur das fertige Werk zu sehen bekommt, gestattet Kai uns sogar einen kleinen Blick hinter die Kulissen, öffnet er einen Spalt weit den Vorhang zum entstehenden Schaffensprozess seiner Werke. Sein lieb gewonnener Farbhaufen aus dem Atelier durfte von Nürnberg hierher nach Hersbruck reisen. 

Und nun zum Abschluss darf ich dem Künstler das Wort erteilen. Ich möchte mit einem wörtlichen Zitat von Kai schließen, das er mir im Vorfeld dieser Ausstellung schrieb: „15 Jahre Farbe der Paletten. Beste Farbe, der besten Firmen. ^•^ Auf dem Berg sitzen ja zwei Bronzen. Mann und Frau. Vielleicht setze ich noch Alutierchen drumherum, um eine Verbindung zum Metall aufzunehmen. Im Ganzen müsste das eine sehr gute Auswahl sein, und die Schau wird zum Kreis.“

 

 

 

Kai Klahre: Ein fester Bestandteil der fränkischen Kulturszene seit 2003 

Kai Klahre ist aus der Kulturszene der Metropolregion nicht mehr wegzudenken – der Maler und Bildhauer kreiert mit seinen Werken eine eigene Welt, die die Betrachter mit Witz und Ironie fesseln. Das Forum Kultur der Europäischen Metropolregion Nürnberg kürte ihn zum Künstler der Metropolregion.

Seit 2003, als er sein Studium der freien Malerei an der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg aufgenommen hat, ist Kai Klahre dort ansässig und fester Bestandteil der fränkischen Kulturszene. ...So gab es in den letzten Jahren Präsentationen unter anderem auch in Bern, Düsseldorf, Berlin, Greifswald und Leipzig sowie bei der Art Zürich und der Art Karlsruhe, wo er kürzlich wieder zu entdecken war.

Die faszinierende Welt der farbenfrohen Fantasielandschaften: Kai Klahres einzigartige figurative Malerei

Kai Klahre, geboren 1981 in Halle/Saale, malt bevorzugt mit Ölfarben auf Aluminiumplatten, wobei er auch das große Format nicht scheut. Themen sind dichte, den gesamten Hintergrund ausfüllende Fantasielandschaften, in die seine Protagonisten, meist Männer, Frauen und vor allem Tiere, eingebettet sind. Oft sind es skurrile Figuren, die entweder für sich alleine stehen oder miteinander interagieren und in einem eigenen Kosmos zu leben scheinen. Nie erschließen sich die farbenfrohen Bilder von Kai Klahre auf den ersten Blick, sondern sie verlangen ein sorgfältiges Lesen der vielen unterschiedlichen Motive und ihrer jeweiligen Beziehung zueinander. Dabei ist seine figurative Malerei farbenfroh. Auffallend sind die sorgfältige zeichnerische Ausarbeitung der Bilder und die feine Pinselführung.

Text aus der Laudatio für die Verleihung der Auszeichnung "Künstler der Metropolregion Nürnberg" von Sven Hauschke 

https://www.metropolregionnuernberg.de/projekte/laufende-projekte/kuenstlerinnen-der-metropolregion-nuernberg/kai-klahre

 

KUNST IM FLUSS WAR ZURÜCK

WERTVOLLER DOPPELKATALOG 2019/2020 FÜR 20 EURO ERHÄLTLICH

Kunstobjekte in-an-über der Pegnitz, das ist in Hersbruck bereits ein Erfolgsformat. Coronabedingt musste die dritte Runde der Freiluftkunstausstellung pausieren- nun konnte sie nach 2018 und 2019 wieder stattfinden. 24 deutsche und italienische Kunstschaffende haben sich die malerisch durch Hersbruck mäandernde Pegnitz als Inspirationsquelle genommen. Es gab auf dem Wasser schwebende Luftkissen mit einem Shakespeare-Zitat, mit anmutigem Ernst die Brücke zum Wassertor bewachende, mit Kettensäge ausgesägte Holzfiguren, skurrile Wasserfuhrwerke, eine klingende und scheppernde Maschinerie im Mini-Wasserfall, Spiel mit den Spiegelungen und vieles mehr. Als besonderes Schmankerl gibt es zum dritten Geburtstag der von Christoph Gerling initiierten und kuratierten und vom Team des Kunstmuseums Hersbruck ehrenamtlich realisierten Schau einen reich bebilderten Doppelkatalog 2019/2021 mit Informationen zu den Künstlern und Künstlerinnen und ihren Werken. Die Eröffnung mit dem Erstverkauf des Katalogs war am 13. August.

Der wertige und sehr ästhetische Doppelkatalog ist für 20 Euro erhältlich. Sprechen Sie uns an!

 


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