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S.P.O.N. - Der Schwarze Kanal Warum Steuersenkungen jetzt richtig sind

Wenn es um Steuersenkungen geht, sind sich alle schnell einig, dass dafür das Geld fehlt. Doch Jan Fleischhauer sagt: Unsinn! Die Steuereinnahmen werden 2012 so hoch sein wie noch nie. Was dem Staat fehlt, ist der Wille, mit dem ihm anvertrauten Geld auszukommen.

Mit welcher Meinung macht man sich in Deutschland ganz schnell unmöglich? Ein vorsichtiger Einspruch gegen die Energiewende? Schlimm. Ein schüchternes Plädoyer für die ungeliebte Vorratsdatenspeicherung? Noch schlimmer. Aber wohl nichts stellt einen im öffentlichen Diskurs so verlässlich ins Aus wie der Versuch, der von der Regierung ins Auge gefassten Steuersenkung etwas abzugewinnen. Steuersenkung ist ganz furchtbar - wer so etwas gut findet, gilt als politisch unzurechnungsfähig oder, schlimmer noch, als Staatsfeind. Und das ist, wie man weiß, ein Vorwurf, der einen hierzulande sofort außerhalb des Verfassungsbogens stellt.

Bei keinem Thema sind sich die Großkommentatoren deutscher Leitmedien derzeit so einig wie in ihrer Ablehnung der Entlastungspläne. Wenn es noch eines Beleges bedurft hätte, dass diese Regierung sofort abgewählt gehört, dann ihr Vorhaben, irgendwann im Jahr 2013 den Zugriff auf das Einkommen der Bürger um einen noch nicht näher bezifferten Betrag zu beschränken. Derzeit ist von zehn Milliarden Euro pro Jahr die Rede, es könnten aber auch eher sieben Milliarden werden, so genau weiß es noch keiner. Das hängt auch ein bisschen davon ab, wie die Diskussion jetzt läuft. Wenn sich bei der Kanzlerin der Eindruck verfestigt, die ganze Geschichte bringe ihr wieder nur Ärger, dann wird sie schon einen Weg finden, die Sache im Sande verlaufen zu lassen. Gründe, warum man die Steuern nicht senken kann, gibt es immer, da muss man nicht weit suchen.

Dabei ist schon der Begriff Steuersenkung genau besehen irreführend. Tatsächlich geht es eher darum, die nächsten Steuererhöhungen auszugleichen, die durch Inflation und Progression ins Haus stehen, ohne dass sich an den Sätzen irgendetwas ändert. Wenn man der Koalition in dieser Angelegenheit einen Vorwurf machen wollte, dann doch wohl eher, dass sie nun für 2013 eine Entlastung verspricht, die sie schon in ihrem Koalitionsvertrag 2009 vereinbart hat. Aber so darf man die Sache in den sozialökonomisch versierten Vierteln selbstverständlich nicht sehen. Jeder Euro mehr für den Staat ist schließlich gut angelegt, da besteht ausnahmsweise mal Konsens, und zwar von links bis rechts.

An der Nase herumgeführt

Beziehungsweise jetzt heißt es, wir seien zu verschuldet, um uns Steuersenkungen leisten zu können. Überall ist nun von der Vordringlichkeit einer soliden Haushaltsführung die Rede. Das klingt ja auch besser als der schnöde Hinweis, dass man mit dem Geld nicht auskommt, das man den Bürgern abnimmt. Irgendwie ist nie die Zeit, die Steuern zu senken. Entweder dem Staat fehlt gerade Geld, weil die Einnahmen nicht so fließen, wie sich die Politik das vorgestellt hat. Oder die Einnahmen liegen über den Erwartungen, dann hat der Staat leider in der Vergangenheit noch mehr ausgegeben, als es eigentlich angemessen gewesen wäre. In jedem Fall fehlen leider für eine Selbstbeschränkung die "finanziellen Spielräume", wie es in diesem Fall heißt, damit darf dann alles weiterlaufen wie gehabt.

Tatsächlich steigt der Schuldenstand seit Jahren, und zwar völlig unabhängig von den Versprechungen der Politik, die Dinge unter Kontrolle zu bekommen. Wer einen Blick in den Haushaltsentwurf für 2012 wirft, der vergangene Woche durch das Kabinett ging, wird feststellen, dass sich die Regierung gerade 27,2 Milliarden Euro an neuen Krediten bewilligt hat - obwohl die Steuereinnahmen so hoch sein werden wie noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik. Es ist auf den ersten Blick nicht ganz leicht zu erkennen, wie sich eine Neuverschuldung in dieser Höhe mit dem proklamierten Ziel der Haushaltskonsolidierung versöhnen lässt, aber jetzt gilt es eben schon als große Tat, dass man ein paar Milliarden Euro weniger zusätzlich aufnimmt als im vergangenen Jahr. "Bund macht weniger Schulden" hieß dazu die Überschrift in der begleitenden Tagespresse - auch so kann man die Leute an der Nase herumführen.

Wer darauf vertraut, dass der Staat mit dem Geld auskommt, das er bei seinen Bürgern einzieht, kann lange warten. In dieser Hinsicht verhält er sich wie eine kaufwütige Hausfrau, der immer noch etwas einfällt, was sie gerade ganz dringend haben muss. Anders als der Privatmann verfügt der Staat über nahezu unbegrenzten Kredit, wenn das Konto ins Minus läuft, das macht die Sache für ihn so überaus angenehm. Man muss kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass der jetzt beschlossene Haushalt selbstverständlich nicht ausreichen wird. Niemand kann sagen, was uns die Euro-Rettung kostet oder die Energiewende, die sich die Regierung vorgenommen hat, aber es wird in jedem Fall teurer als vorgesehen.

Das Ansehen des Staats steht und fällt mit der Qualität seiner Leistungen

Mit Sicherheit wäre man eher geneigt, über die Ausgabewut hinwegzusehen, wenn die Verantwortlichen für sich in Anspruch nehmen könnten, sie würden mit den von ihnen eingezogenen Geldern ordentlich wirtschaften, aber auch das lässt sich ja nicht wirklich behaupten. Nicht nur, dass die Wirtschaftsinstitute mit immer neuen Armutszahlen überraschen, völlig unabhängig vom Konjunkturverlauf. Auch um die Daseinsvorsorge, die vornehmste Aufgabe des Sozialstaats, steht es bekanntlich nicht sonderlich gut. Wer heute 40 Jahre alt ist, kann froh sein, wenn er das eingesetzte Kapital bei Rentenbeginn ohne Abzüge wiederbekommt. Selbst in günstigen Prognosen liegt die Verzinsung derzeit bei zwei Prozent, das reicht nicht einmal, um mit der Inflation Schritt zu halten. Viele Experten halten sogar eine "Minusverzinsung" für wahrscheinlich, was der Brancheneuphemismus für Verlust ist.

Für die meisten Deutschen steht und fällt das Ansehen des Staats mit der Qualität seiner Leistungen, doch genau da beginnt heute für viele das Unbehagen. Während er sich ständig Neues aufhalst, scheint der Staat die Erfüllung seiner Kernaufgaben nicht mehr ernstzunehmen. So entsteht die eigenartige Situation, dass er von Jahr zu Jahr neue Rekordsummen aufnimmt, die Eltern aber die Klassenzimmer streichen müssen, weil es sonst niemand tut, und Polizisten sich Teile ihrer Uniform selbst kaufen müssen. Die Sachwalter des Sozialen versuchen den Leuten einzureden, dass der Staat seine Arbeit nicht ordentlich erfüllen könne, weil er ständig zurückgedrängt und in seinen Ansprüchen beschnitten werde. Sie versuchen mit anderen Worten, den selbstverursachten Missstand zur Legitimation neuer Befugnisse zu nutzen.

Wir haben uns angewöhnt, nicht die Erfindung immer neuer Steuern für begründungspflichtig zu halten, sondern den Widerspruch dagegen. Vielleicht sollte man zur Abwechslung mal diejenigen zur Rechenschaft ziehen, die so großzügig mit dem Geld anderer Leute verfahren. Eine Steuersenkung wären ein erster Schritt in diese Richtung.