Goodbye

Februar 1, 2016

Bevor jetzt die neue Runde der Vorwahlen anfängt, sollten wir amtlich machen, was inoffiziell schon Fakt ist. USA Erklärt wird nach fast zehn Jahren heute geschlossen. Schnief.

Nun war immer schon geplant, dass ich das Blog nur eine bestimmte Zeit führe. Dass es doch fast sechs Jahre mehr wurden als ursprünglich vorgesehen, kann man mit dem Satz zusammenfassen „it felt too good to stop“. Das Projekt war ein Riesenspaß, ich habe tolle Menschen getroffen und unfassbar viel über mein eigenes Land gelernt. Ehrlich gesagt ist es im Rückblick schockierend, wie wenig ich am Anfang wusste.

Warum dann jetzt das Ende? Die Themen werden zu kleinteilig, zu sehr geht es um Details statt um die großen „Aha!“-Momente, für die das Blog ursprünglich gedacht war. Bei diesen Zusammenhängen ändern sich die Dinge auch gerne schneller, als ich hinterherkomme. Diese Einsicht kam, nachdem meine Vorbereitungen zu einem Text über das Bildungssystem durch neue Gesetze torpediert wurden. Wenn man langsamer ist als der amerikanische Kongress, dann macht man etwas falsch.

Inzwischen sind auch große Teile des Blogs überholt (wer lachen will, kann sich den Text über die NSA von 2006 durchlesen). Theoretisch müsste man hingehen und diese Einträge neu schreiben. Dazu kommen über so eine Zeitspanne kulturelle Veränderungen. Die Schönste Germanin möchte darauf hinweisen, dass die „man spricht mit Fremden nicht über Politik“-Regel für jüngere Amerikaner nicht gilt, insbesondere wenn sie am Gepäckband des Flughafens von Phoenix auf ihre Koffer warten.

Die Zeit war von Anfang an das größte Problem des Blogs, denn ich habe völlig unterschätzt, wie viel Aufwand damit verbunden sein würde. Das schlug zuerst bei den E-Mails durch, wo ich zunächst Dutzende, dann Hunderte Anfragen hatte und irgendwann die Reißleine ziehen musste (sorry dafür). USA Erklärt hätte problemlos ein Vollzeit-Job werden können, aber so etwas habe ich schon. Und dann sind da noch Sachen wie die Familie.

Fast zehn Jahre, das reicht.

Heute nun gilt mein Dank allen Lesern, insbesondere und ausdrücklich auch diejenigen, die sich die Mühe gemacht haben, meine teilweise saudummen Fehler in ausnahmslos höflichen Mails zu korrigieren. Wie toll meine Leserschaft war, sieht man daran, dass ich in der ganzen Zeit nur eine einzige (in Zahlen: 1) Arschloch-FOAD-Rant-Mail bekommen habe (you know who you are). Das Internet ist besser als sein Ruf, zumindest, wenn man die Kommentarfunktion ausgeschaltet lässt.

Wie jeder hoffentlich verstehen wird, gilt mein größter Dank meiner Familie. Die Schönste Germanin, Kind Nummer Eins und Kind Nummer Zwei haben unglaublich viel Verständnis dafür gezeigt, dass sich Daddy nach der Arbeit nochmal für Stunden an die Tastatur gesetzt hat.

Schließlich aber: Danke an meine Eltern, die den Mut hatten, mit einem kleinen Jungen in ein fremdes Land zu ziehen und ihm damit ein wunderbares Geschenk machten: Eine zweite Kultur. Ohne sie hätte es dieses Blog aus gleich mehreren Gründen nie gegeben. Thanks, guys. I love you.


Indianer, Teil 6: Herr Sequoyah erfindet eine Schrift

März 31, 2015

Furchtbare Nachrichten für alle Amerikaner in Deutschland: Der größte deutsche Beitrag zur Legendenbildung über die Indianer, Winnetou, soll neu verfilmt werden. Eigentlich hatte dieser Autor gehofft, dass die Bücher langsam in Vergessenheit geraten, denn selbst die Karl-May-Gesellschaft räumt ein:

[T]here is no denying that the majority of situations, no less than the personnel described by this writer, clash with reality: Life, and fights, and problems as he depicted them as characterizing the Western half of the US in the 1860’s and 1870’s, are strangely anachronistic.

„Anachronistisch“ ist nicht wirklich das Wort, das dieser Autor für die Darstellungen der Indianer in diesen Romanen benutzen würde, aber gut. Stellen wir uns darauf ein, dass wir auch die kommenden Jahrzehnte den Deutschen werden erklären müssen, dass sie (zweifellos spannend geschriebenen) Unfug lesen und den Amerikanern, was in aller Welt da in die Germanen gefahren ist. Ehrlich, warum können die Leute nicht einfach Terry Pratchett lesen?

Dem grammatikfaulen Winnetou wollen wir aus diesem Anlass einen Indianer entgegensetzen, der mit Fug und Recht nicht nur als Held seines Stammes, sondern als Genie der Menschheitsgeschichte vorgestellt werden kann: Sequoyah. Den gab es nicht nur wirklich, er hatte auch möglicherweise einen echten Bezug zu Deutschland. Da kann Karl May einpacken.

Sequoyah war ein Cherokee, der etwa 1760 im heutigen Tennessee geboren wurde. Seine Mutter gehörte zum Red-Paint-Klan — wichtig, weil die Zugehörigkeit zum Stamm über sie lief. Sein Vater, nun …

His father’s name has been identified as either George Gist, a German peddler, or Nathaniel Gist, a friend of George Washington’s and ancestor of the Blair family of Washington, D.C.

Sprich, möglicherweise war Sequoyah deutscher Abstammung. Als englischer Name wird auf einem Vertrag von 1828 „George Guess“ angegeben. Es finden sich diverse andere Schreibweisen des Nachnamens. Heute nennen ihn alle nur Sequoyah.

Sequoyah war im Laufe seines Lebens Händler, Soldat und Silberschmied. Wie die meisten Cherokee zu dieser Zeit war er Analphabet. Einer Schilderung aus dem Jahr 1820 zufolge geschah es nun eines Tages, dass er sich mit Stammesmitgliedern über die „überlegenen Fähigkeiten des Weißen Mannes“ unterhielt. Diese könnten sogar Botschaften auf Papier sprechen und dann über große Strecken verschicken — die talking leaves:

One said that white men could put a talk on paper, and send it to any distance, and it would be understood by those who received it. They all agreed that this was very strange, and they could not see how it could be done.

Dieser Schilderung zufolge soll Sequoyah dann erklärt haben: „You are all fools; why the thing is very easy, I can do it myself.“ und dann mit den ersten Zeichen experimentiert haben.

Ob diese auf Hörensagen beruhende Darstellung stimmt, ist unklar. Gesichert ist, dass er ab etwa 1809 an einem eigenen Alphabet für die Sprache der Cherokee arbeitete. Zuerst versuchte er, Bilder zu malen, was zu kompliziert war.[1] Dann ging er der Idee nach, für jedes Wort ein Symbol festzulegen, was zu viel wurde. Seine Freunde, so wird überliefert, lachten ihn aus oder hielten ihn für wahnsinnig.

Irgendwann vor 1821 kam ihm schließlich die Einsicht, dass Wörter aus Silben aufgebaut sind. Nach einigen Experimenten — Archäologen diskutieren, ob jüngst eine frühe Form gefunden wurde — kam er auf 85 Zeichen. Sie machen heute leicht verändert die Silbenschrift der Cherokee aus.

Einige Zeichen übernahm Sequoyah dabei aus einem Englischbuch, das ein Lehrer ihm geschenkt hatte. Da er aber leider keine Ahnung hatte, wie das lateinische Alphabet funktionierte, nahm er sie für völlig andere Laute [PDF]. So entspricht das „H“ der Silbe „mi“ und das „W“ einem „la“.

Seine Tochter A-Yo-Ka war die erste Person, die die neue Schrift lesen und schreiben lernte.

An dieser Stelle hätte der Aberglaube der Cherokee fast dem ganzen Projekt ein brutales Ende bereitet: Sequoyah und A-Yo-Ko wurden von ihrem Stamm der Hexerei angeklagt und sollten hingerichtet werden. Nach der offiziellen Geschichte der Cherokee Nation endete das Gerichtsverfahren allerdings damit, dass die Richter — alles Krieger — vom Wert der Erfindung überzeugt wurden:

[Town chief George] Lowery brought in a group of warriors to judge what was termed a „sorcery trial“. For evidence of the literacy claims, the warriors separated Sequoyah and his daughter to have them send messages between each other until they were finally convinced that the symbols on paper really represented talking. At the end of the trial, the warriors asked Sequoyah to teach them.

Innerhalb kurzer Zeit — die Cherokee selbst sprechen von very few months — konnte die Mehrheit des Stammes lesen und schreiben. Der Missionar Samuel Worcester setzte sich für eine Druckerpresse ein, um die Bibel in der neuen Schrift auflegen zu können. So entstanden Bücher, Pamphlete und Zeitungen. Erhalten sind unter anderem zweisprachige Versionen [PNG] der „Cherokee Phoenix“. Im Jahr 1827 wurde die Verfassung der Cherokee in der neuen Schrift gedruckt.

Sequoyah wurde zum Helden seines Stammes. 1829 wurde er zusammen mit 2500 anderen Cherokee von der US-Regierung nach Oklahoma umgesiedelt (der Trail of Tears kam zehn Jahre später). Er starb im August 1843. Wo er begraben wurde, ist nicht bekannt.

Seine Holzhütte in Oklahoma ist heute ein National Historic Landmark. Nach Sequoyah sind in den USA Schulen und Forschungseinrichtungen benannt, er taucht auf Briefmarken auf und ist am Library of Congress in Bronze verewigt. Er war 1917 der erste Indianer, der mit einer Statue im Kapitol geehrt wurde.

Die intellektuelle Leistung von Sequoyah kann nicht hoch genug bewertet werden. Zwar hatte er eine grobe Vorstellung, dass die komischen schwarzen Zeichen der Weißen irgendeine Bedeutung haben mussten — mehr aber auch nicht. Den Rest entdeckte er selbst, auf eigene Faust, in einer Gesellschaft, die ihn dafür fast hingerichtet hätte. Damit ist er nicht nur einzigartig unter den Indianern, sondern — zumindest, wenn man die vergangenen 3.500 Jahre oder so betrachtet — unter den Menschen.[1]

Winnetou dagegen … ach, wir lassen es einfach.

[1] Diamond, Jared Guns, Germs and Steel. A short history of everybody for the last 13.000 Years Vintage Press, 1997


Indianer, Teil 5: Der heutige Status

Januar 23, 2015

Mitte Dezember tat das US-Justizministerium etwas sehr Sonderbares. Ohne erkennbaren Anlass veröffentlichte es eine dreiseitige Notiz [PDF] in der sie faktisch erklärte, dass es den Indianernationen frei stehe, unter Beachtung gewisser Regeln — Schutz von Minderjährigen, etc — auf ihren Reservaten Marihuana anzubauen und zu konsumieren. Dies gelte auch ausdrücklich für tribal lands in den Bundesstaaten, wo so etwas weiter streng verboten ist.

Der Vorgang wurde allgemein mit Verwunderung aufgenommen:

„We actually have no idea what’s going on here,“ said Troy Eid, a Denver attorney and chairman of the Indian Law and Order Commission.

Da das Ministerium keine Rücksprache mit den Vertretern der Stämme gehalten hatte — an sich schon ein ungewöhnlicher Vorgang — wurden diese kalt erwischt. Die Mohegan in Connecticut prüften sofort, ob die Zusicherung wirtschaftlich genutzt werden könnte. Die Stämme müssen nicht die Landes- und Kommunalsteuern erheben und könnten daher Gras vermutlich deutlich billiger verkaufen als die Händler den umliegenden Bundesstaaten.

Die Mehrheit der anderen Nationen war dagegen gar nicht begeistert:

Still recovering from a long, embattled history with alcohol, the vast majority of tribes seem wary to move forward with the opportunity — calling into question why it was offered in the first place.

Für uns ist das Beispiel nicht nur interessant, weil es nochmal das Chaos zeigt, das die verschiedenen Rechtsräume in den USA verursachen können, mit Gesetzen des Bundes (wo Marihuana weiter verboten bleibt), der Bundesstaaten (teilweise legalisiert, teilweise nicht) und anderer Einheiten, die sich zum Teil direkt widersprechen. Es zeigt auch die komplizierte Beziehung zwischen dem Bund und den Indianern.

Wir haben uns bislang den Bund und die Bundesstaaten sowie die Besonderheiten der Kommunen angeschaut. Heute kümmern wir uns (endlich) um die 566 vom Bund anerkannten Indianernationen.

Juristisch werden diese als domestic dependent nations eingestuft — „inländische abhängige Nationen“, grob übersetzt. Einfacher formuliert, sie haben eine beschränkte Souveränität. An sich ist das keine schrecklich geniale Einsicht, denn die USA als Ganzes bestehen aus Gebilden mit eingeschränkter Souveränität, wie wir besprochen haben. Auch der Bund darf nicht alles, obwohl man gelegentlich den Eindruck bekommen mag, dass man das in Washington vergessen hat.

Historisch gesehen waren die Indianer-Nationen natürlich komplett unabhängig (wir überspringen hier die ganze Diskussion, ob der europäische Begriff der „Nation“ überhaupt so angewandt werden konnte). Entsprechend der Hinweis in der US-Verfassung Artikel I, Sektion 8:

The Congress shall have power (…) to regulate commerce with foreign nations, and among the several states, and with the Indian tribes

(Hervorhebung hinzugefügt) Damit wurde von Anfang an das bis heute geltende Prinzip des government-to-government festgelegt, nämlich dass die Beziehungen zu den Indianer-Nationen vom Bund geregelt werden. Die Bundesstaaten haben nichts zu melden, auch wenn die Reservate in innerhalb ihrer Grenzen liegen. Ihre Gesetze greifen dort erstmal nicht (mit Ausnehmen, zu denen wir gleich kommen).

Daher die „Stanzkarte“ der US-Bundesstaaten [GIF] bei der Wikipedia, in der die Reservate ausgeschnitten wurden. Der ziemlich durchlöcherte Staat unten links ist übrigens Arizona und das größte Loch dort ist die Nation der Navajo.

Entsprechend schloss die US-Regierung am Anfang mit den Stämmen treaties – Verträge zwischen Staaten — führte Kriege gegen sie und tat all die wunderbaren und liebevollen Dinge, die auch die europäische Nationen sich gegenseitig bis weit ins 20. Jahrhundert hinein einander antaten.

Allerdings wurde diese Interpretation der Situation im Laufe der Zeit zunehmend alberner, denn die Gebiete lagen irgendwann innerhalb des US-Staatsgebiets.

It would be unacceptable for an Indian nation located within the United States to enter into treaties with other countries, or to cede Indian land to foreign countries (to have a French or German enclave in the middle of Montana, for example.)

Wenn man also die Deutschen nicht in Montana haben wollte, musste eine andere Beziehungsform her.

Anfang des 19. Jahrhundert legte der Supreme Court in der Marshall Trilogy die Grundlage für einen neuen Umgang: Privatpersonen durften nicht von den Indianern Land kaufen, sondern nur der Bund; der Status als domestic dependent nations wurde festgelegt wie auch die grundsätzliche Verantwortung des Bundes für die Indianer – die trust responsibility — mit dem berühmten Satz

Their relation to the United States resembles that of a ward to his guardian

und schließlich dass die Bundesstaaten salopp gesagt das Maul zu halten haben, wenn es um Indianer geht. Mit dem Indian Appropriation Act von 1871 gehörten die Verträge mit den Stämmen der Vergangenheit an. Ab jetzt galten Gesetze des Kongresses und Exekutivanweisungen des Präsidenten, wie üblich also.

Damit wir uns jetzt nicht missverstehen: Die „Treuhand“-Beziehung zwischen dem Bund und den Indianern entstand nicht zuletzt aus dem festen Glauben der damaligen amerikanischen Regierung heraus, dass die Ureinwohner zu doof waren, um auf sich selbst aufzupassen — jemand musste sie an die Hand nehmen, wie man das halt mit Mündeln macht. Bis heute verwaltet der Bund etwa 230.000 Quadratkilometer Land für diverse Indianernationen und Einzelpersonen. Das ist etwas weniger als zwei Drittel der Fläche der Bundesrepublik.

(Mehr als 150 Jahre später stellte es sich als blöd für den Bund heraus, dass die Treuhand-Beziehung juristisch einklagbar ist: In Cobell vs Salazar verklagten Vertreter der Indianer 1996 die US-Regierung wegen chronischem Missmanagements. Im Dezember 2009 schloss die Obama-Regierung einen Vergleich über 3,4 Milliarden Dollar.)

Diese Grundsätze — eine Beziehung von Regierung zu Regierung, die Aufsichtspflicht des Bundes und die Teilsouveränität — bleiben bis heute die Grundlage des juristischen Status‘ der Indianer in den USA. Wir überspringen daher einige zum Teil sehr deprimierende Jahrzehnte und schauen uns die Situation heute an. Am Beispiel der Navajo können wir sehen, dass die großen Indianernationen —

Der letzte Punkt ist — soweit dieser Autor es feststellen konnte — weltweit einzigartig wenn es um Ureinwohner geht und erfahrungsgemäß auch der, der Deutschen am wenigsten geläufig ist.

Das heißt nicht, dass die Indianer nicht von der Bundesregierung gerne Mal über den Tisch gezogen wurden — nicht umsonst verweist der Link oben auf eine Klage über eine halbe Milliarde Dollar. Allein die Geschichte der Uran-Minen auf dem Navajo-Gebiet wäre ein ganzer Eintrag wert — schon allein weil sie noch weitergeht.

In Filmen und TV-Serien finden man am ehesten Anspielungen auf ein Recht, das die Bundesstaaten ungeheuer nervt: Die Indianernation können selbst bestimmen, ob auf ihrem Gebiet Glücksspiel betrieben wird. Daher die ständigen Hinweise auf Casinos in den Reservaten, inzwischen ein wichtiger Industriezweig dort.

Wer dagegen eher Kriminalromane liest, wird die Arbeit der Navajo-Polizei durch Tony Hillerman kennengelernt haben und wissen: Wenn die örtliche Polizei überfordert ist, kommt nicht die aus dem Bundesstaat, sondern der Bund greift ein.

Nun sind die Navajo die größte Indianernation – ihr Territorium hat mit 71.000 Quadratkilometern etwa die Fläche Bayerns – und daher sind dort die Strukturen am deutlichsten ausgeprägt und mitunter am weitesten entwickelt. Wo dies nicht der Fall ist, nimmt wieder der Bund seine Treuhandpflicht wahr, mit historisch gesehen gemischten Ergebnissen. Zuständig ist dabei nicht das Außenministerium, sondern seit 1824 das Bureau of Indian Affaris (BIA) im Innenministerium.

An diesem Punkt mag der interessierte Leser ein flaues Gefühl im Magen verspüren. Das klang bislang alles irgendwie schlüssig, nachvollziehbar und folgte streckenweise sogar einer gewissen inneren Logik. Kann es wirklich so einfach sein?

Natürlich nicht, denn wir sind in den USA und reden von juristischen Fragen, die zum Teil mehr als 200 Jahre alt sind. (Mehr noch, wir lesen eine Beschreibung bei USA Erklärt, wo Dinge immer vereinfacht werden.) In Wirklichkeit ist die juristische Situation der Indianer-Nationen unfassbar kompliziert, um nicht zu sagen, es herrscht streckenweise juristisches Chaos. Das obige sind sehr grobe Leitlinien, selbst für unsere Verhältnisse.

Nehmen wir als Beispiel das Prinzip, dass die Bundesstaaten im Umgang mit den Indianernationen nichts zu melden haben. Grundsätzlich ist das völlig richtig.

Allerdings erließ der Kongress 1953 das berüchtigte Public Law 280, das in einigen Bundesstaaten die Justiz und Polizei einiger Stämme in einigen Punkten doch mit denen des jeweiligen Bundesstaates verschmolz. In sechs (mandatory) Bundesstaaten war das Pflicht, in anderen konnte das gemacht werden, zum Teil mit Zustimmung der Stämme selbst. Genauer gesagt:

The „mandatory“ states, required by Public Law 280 to assume jurisdiction, are Alaska, California, Minnesota (except Red Lake), Nebraska, Oregon (except Warm Springs) and Wisconsin. The „optional“ states, which elected to assume full or partial state jurisdiction, are Arizona (1967), Florida (I961), Idaho (1963, subject to tribal consent), Iowa (1967), Montana (1963), Nevada (1955), North Dakota (1963, subject to tribal consent), South Dakota (1957-61), Utah (1971), and Washington (1957-63).

Wohlgemerkt geht es dabei nur um Polizeiarbeit und Zivilrecht, nicht aber um Dinge wie Steuern, Verwaltung, Bodenschätze oder Glücksspiel. Der Supreme Court interpretiert das Gesetz als Möglichkeit, den Indianern Zugang zu den Gerichten und der Polizei der Staaten zu gewähren, nicht als Schritt, um die Indianernationen den Bundesstaaten zu unterstellen.

Diese waren allerdings schon allein wegen der zusätzlichen Kosten nicht wirklich glücklich (der Bund ließ in den entsprechenden Gebieten erstmal alles stehen und liegen, selbst bei so Dingen wie Bildung, die eigentlich nicht unter das Gesetz fielen) und die Indianer schon gar nicht. Entsprechend ist das Gesetz zum Teil wieder aufgehoben oder angepasst worden. Das macht es natürlich nur noch komplizierter. So quält man Jurastudenten.

Und schon deswegen ist klar: So einfach wird das mit dem Marihuana nie im Leben werden.


Geld im US-Wahlkampf – Was danach geschah

November 18, 2014

Im Januar 2008 haben wir einen Eintrag zu den Ausgaben im US-Wahlkampf geschrieben. Dabei haben wir uns mit den grundsätzlichen Unterschieden zwischen der deutschen und amerikanischen Wahlfinanzierung beschäftigt und sind ein fundamentales Problem bei der Berichterstattung angegangen:

Große Teile der deutschen Presse sind mit dem Unterschied zwischen Korrelation und Kausalität offensichtlich überfordert.

Der Text sollte ein Faktum herüberbringen: Nur weil der Sieger einer Wahl mehr Geld ausgegeben hat als ein Verlierer, war das nicht notwendigerweise der Grund für den Sieg, ähnlich wie die deutsche Geburtenrate nicht wegen der rückläufigen Zahl von Störchen sinkt. Noch anders formuliert: Den Wahlsieg kann man sich in den USA genauso wenig wie in Deutschland kaufen.

Sechs Jahre später müssen wir erstmal ein Lob aussprechen. Die Berichterstattung über den Kongresswahlkampf 2014 war um Welten besser als die vergleichbaren Anstrengungen es noch vor zwei, drei Legislaturperioden waren. Ob es am leichteren Zugang zu Hintergrundinformationen via Internet lag oder warum auch immer: Von den Fakten und der Beschreibung des Ablaufs gab es weitgehend nichts zu meckern. Dieser Autor würde sich nicht wundern, wenn der deutsche Zeitungsleser inzwischen das Wahlsystem der USA besser versteht als das hessische.

Wo es noch Probleme gibt, ist die Sache mit der Wahlfinanzierung.

Allerdings müssen wir hier die Presse in Schutz nehmen, denn seit den unschuldigen Tagen von 2008 ist die Situation durch zwei Urteile des Supreme Court sehr viel komplizierter geworden: Citizens United vs FEC (2010) und McCutcheon vs FEC (2014). Heute wollen wir uns mit dieser neuen Situation befassen.

(Dieser Autor hat lange mit sich gekämpft, ob er dieses Thema aufgreifen soll, denn beide Urteile sind in den USA so umstritten, dass es unklar ist, wie lange sie Bestand haben werden. Allerdings dürften die Mechanismen bei der Präsidentenwahl 2016 eine Rolle spielen und der interessierte Leser wird sich daher bald mit Begriffen wie dark money und ultra-donor herumschlagen müssen.)

Schauen wir uns zuerst einige allgemeine Entwicklungen bei dieser Abstimmung an, basierend auf den Zahlen von OpenSecrets. Wir konzentrieren uns auf den Kongress und der Bundesebene, nicht auf die Folgen für die Lokalpolitik oder die Richterwahlen.

Die Wahl war nicht wesentlich teurer als vor vier Jahren. Das ist in der deutschen und amerikanischen Presse etwas verzerrt dargestellt worden, denn mit 3,67 Milliarden Dollar ist die Gesamtsumme tatsächlich mehr als die 3,63 Milliarden Dollar 2010 und damit ein Rekord. Aber relativ gesehen sind das, nun, Erdnüsse. Wir können sogar sagen, dass der historische, starke Anstieg bei den Ausgaben gebremst wurde.

Die Kandidaten selbst haben weniger ausgegeben und zwar 1,5 Milliarden Dollar nach 1,8 Milliarden vor vier Jahren. Nach diesem Maßstab ist ein Sieg auch billiger geworden: Im Senat im Schnitt 8,6 Millionen Dollar (2012: 11,4 Mio) und im Repräsentantenhaus 1,2 Millionen Dollar (1,5 Mio). Wohlgemerkt, das ist das Geld, das die Kandidaten selbst in die Hand genommen haben, nicht der Gesamtbetrag.

Die Korrelation zwischen Sieg und Ausgaben bleibt überwältigend. Im Senat hat der Gewinner in fast 82 Prozent der Fälle mehr Geld ausgegeben, im Repräsentantenhaus beträgt die Quote 94 Prozent. Beide Zahlen sind damit höher als vor zwei Jahren. OpenSecrets weist allerdings darauf hin, dass diese Korrelation weder new or terribly surprising ist. Besonders einige Demokraten verloren trotz tieferer Taschen ihre Rennen, weswegen unsere Beobachtungen aus dem ersten Eintrag zu Störchen und Kindern weiter gelten.

Es gibt OpenSecrets zufolge noch weitere, wichtige Entwicklungen. Aber um sie zu verstehen, müssen wir uns zuerst die juristische Lage nach den jüngsten Urteilen anschauen.

Citizens United — dark money

Das Supreme Court entschied im Januar 2010, dass Unternehmen und Gewerkschaften (unter anderem) unbegrenzte Mittel im Wahlkampf einsetzen dürfen. Begründet wurde dies mit dem Recht auf Meinungsfreiheit. Das Geld darf jedoch nicht an die Kandidaten direkt gegeben werden und eine Absprache mit ihnen ist auch verboten.

Befürworter des Urteils sehen jetzt gleiche Bedingungen für alle gegeben:

The Citizens United decision ensured that any speaker — whether an individual, small business, large corporation, or labor union — had a First Amendment right to engage in political speech.

Kritikern stinkt unter anderem, dass Unternehmen die selben Rechte wie Menschen haben sollen. Auch Präsident Barack Obama hält nichts von dem Urteil, wie er den Richtern 2010 in seiner Rede zur Lage der Nation ins Gesicht sagte [YouTube].

Um die Folgen zu verstehen, müssen wir uns einige Abkürzungen antun. Seit dem Zweiten Weltkrieg gibt es in den USA political action committees, abgekürzt PAC, die Gelder sammeln und unter Auflagen direkt an Kandidaten geben können. Auch die amerikanischen Töchter deutscher Unternehmen tun so etwas.

Wir überspringen die komplizierten juristischen Einzelheiten beim Aufbau von PACs und halten fest, dass es seit Citizens United auch Super PACs gibt. Sie geben im Gegensatz zu PACs kein Geld an die Kandidaten, haben aber im Gegenzug keine Obergrenzen für die Ausgaben. Beispielsweise schalten sie eigene Wahlwerbespots.

Für PAC und Super PAC gilt gleichermaßen, dass sie ihre Spender offenlegen müssen. Man weiß also (irgendwann) von wem das Geld kam. Dagegen müssen die political non-profits – nach dem entsprechenden US-Steuerparagrafen meist als 501(c)-Organisationen bezeichnet – das nicht. Wir reden hier von konservativen Gruppen wie die National Rifle Association (NRA) oder linken wie Planned Parenthood. Auch sie kommen in den Genuss von Citizens United.

Zwar dürfen solche Gruppen eigentlich nur sehr begrenzt politisch tätig werden. OpenSecrets wirft der Steuerbehörde IRS allerdings vor, diese Vorschrift nicht durchzusetzen. Die Ausgaben aus diesen Töpfen sind in den vergangenen Jahren sehr, sehr deutlich angestiegen:

Partly as a result, spending by organizations that do not disclose their donors has increased from less than $5.2 million in 2006 to well over $300 million in the 2012 election.

Da die Spender „im Dunkeln“ bleiben, spricht man von dark money.

Dumm das: Eigentlich hatte das Oberste Gericht ausdrücklich festgehalten, dass der Wähler wissen muss, von wem das Geld stammt. Diese Entwicklung dürfte dem Supreme Court also gar nicht passen.

McCutcheon — ultra-donors

Im Vergleich dazu ist McCutcheon [PDF] einfach. Das Oberste Gericht entschied — wieder mit Hinweis auf die Meinungsfreiheit — dass es keine Obergrenze für die Gesamtsumme der Direktspenden an verschiedene Kandidaten und politische Gruppen geben darf.

The government may no more restrict how many candidates or causes a donor may support than it may tell a newspaper how many candidates it may endorse.

Diese Grenze lag bis dahin (vereinfacht gesagt) bei 123.200 Dollar. Die Einzelspende pro Spender, Kandidat und Wahl bleibt dagegen weiter auf 2.600 Dollar begrenzt.

Aber wie viele Leute spenden überhaupt mehr als die alten Grenzen es erlaubten? Schließlich müssen sie sich dann namentlich zu erkennen geben. Nun, laut OpenSecrets waren es bei dieser Wahl 498 Personen aus einer Gesamtbevölkerung von etwa 317 Millionen. Diese Menschen werden umgangssprachlich als elite donors oder ultra-donors bezeichnet.

[T]he No. 1 hard money donor this cycle was Elloine Clark of Dallas, Texas, the widow of attorney William H. Clark. Clark gave $442,766 this cycle. All of her donations that went to recipients with a partisan affiliation went to Republicans.

Sieben der zehn größten Spender gaben ihr Geld überwiegend oder ganz an Republikaner.

Zusammengefasst: Citizens United lässt unbegrenzte Spenden zu, das Geld geht aber nicht an die Kandidaten direkt und eine Absprache ist verboten. Eigentlich müssen die Spender genannt werden, aber nicht-gewinnorientierte Organisationen fallen auch unter das Urteil, was zum dark money führt. McCutcheon erlaubt Spenden von Einzelpersonen an eine unbegrenzte Zahl von Kandidaten und politische Gruppen. Wer so etwas tut, ist ein ultra-donor. Die Summe je Kandidat bleibt gedeckelt.

Wie man sich denken kann, war das jetzt sehr vereinfacht dargestellt. Aber mit diesem Wissen gewappnet können wir uns jetzt weitere Entwicklungen bei der vergangenen Kongresswahl anschauen.

Es gab einen starken Anstieg bei den Geheimspenden: Fast 170 Millionen Dollar an dark money nach 135 Millionen vor vier Jahren. Das Geld ging eher an Republikaner.

Democratic/liberal groups channeled most of their money through organizations that disclosed donors [PAC und Super PAC], while their more conservative counterparts relied heavily on secret sources funneling money through political nonprofits [501(c)].

Die Zahl der Spender hat abgenommen. Das ist geschichtlich gesehen ein ziemlicher Hammer. Seit 24 Jahren hat die Zahl der US-Bürger, die einem Kandidaten mehr als 200 Dollar überwiesen haben, immer zugelegt. Dieser Trend ist jetzt gebrochen: Nach etwa 817.000 vor vier Jahren lag ihre Zahl in diesem Jahr bis Mitte Oktober bei fast 667.000. Die Zahl der ultra-donors in diesem Jahr haben wir oben schon besprochen.

Bei den Einzelspendern gibt es eine gegenläufige Entwicklungen bei Republikanern und Demokraten. Der Anteil von kleineren Beträgen — 200 Dollar oder weniger — bei den Republikanern fiel von 36 Prozent auf 26 Prozent, bei den Demokraten stieg er von 25 Prozent auf 28 Prozent.

Jetzt versteht man, warum die Kandidaten weniger ausgegeben haben als in der vorherigen Abstimmung, obwohl die Gesamtsumme etwa gleich blieb: Das Geld kommt immer mehr „von außen“. In 36 Rennen überstieg die „externe“ Summe die der Kandidaten. (zur Erinnerung: Zur Wahl standen alle 435 Sitze im Repräsentantenhaus und 36 der 100 im Senat.) Parallel dazu ist die Rolle einer kleinen Gruppe von Geldgebern wichtiger geworden, weil sie mehr Kandidaten unterstützen dürfen.

Diesem Autor steht nach den Regeln dieses Blogs kein Urteil darüber zu, ob diese Entwicklungen gut oder schlecht sind. Klar ist allerdings, dass sie das politisch-finanzielle Umfeld bestimmen, in dem bald der Präsidentenwahlkampf beginnt.


Ein Merkspruch zu den Großen Seen (mit Superman)

Oktober 26, 2014

Jetzt hat dieser Autor groß getönt, dass wir hauptsächlich lange Einträge zu komplexen Themen schreiben werden, da läuft ihm ein nützlicher Hinweis für einen kleinen Eintrag über den Weg. Im Nordosten der USA liegen bekanntlich die Großen Seen, die dem Bundesstaat Michigan die Form eines Handschuhs geben. Ihre Namen lauten:

Superior, Michigan, Huron, Erie, Ontario

Einzeln sind die Namen nicht so schwer zu merken, vor allem wenn man unseren Eintrag über den Erie-Kanal gelesen hat. Nur muss man sich etwas mit der Reihefolge abplagen.

Generationen von amerikanischen und kanadischen Schulkindern haben vor dem gleichen Problem gestanden, weswegen es diverse Merksprüche gibt. Unter Hinweis auf den interessierten Leser CHR hätten wir da:

Super Man Helps Every One

Das ist die Auflistung von Westen nach Osten. Wer es lieber von Osten nach Westen mag, dem bieten wir:

Old Elephants Have Musty Skin

Jetzt muss man sich natürlich merken, welcher Merkspruch in welche Richtung geht …

[Korrigiert 26. Oktober 2014: Nordosten statt Nordwesten. Zuerst gesehen von OM, vielen Dank]


META Neues Verfahren für Postings

Oktober 12, 2014

Dieses Blog hat ein paar Wochen Pause gemacht, weil ich mir in Ruhe überlegen wollte, wie es weitergehen soll. Wir hatten vor einiger Zeit schon festgestellt, dass die einfachen und offensichtlichen Themen inzwischen durch sind. Übrig bleiben kompliziertere — einiges zu den Indianern, zum Beispiel, oder zum Schulsystem — die wesentlich mehr Zeit und Aufwand erfordern.

In dieser Situation ist der bisherige Turnus von einem Eintrag pro Woche nicht mehr zu halten, außer, man füllt die Zeit mit trivialen Meldungen und ZEUGS- Einträgen. Das ist für alle Beteiligten unbefriedigend. Einige interessierten Leser haben diese Füllerfolgen — völlig zurecht — als „langweilig“ kritisiert.

Daher führen wir ab sofort ein neues Verfahren ein.

Die Postings werden unregelmäßig erscheinen, aber dafür in (hoffentlich) besserer Qualität. Wer keinen RSS Reader hat und nicht regelmäßig auf die Website gucken will, kann auf Twitter zurückgreifen. Dort werden nur Ankündigungen zu diesem und dem Übersquirrel-Blog gepostet. ZEUGS entfallen ganz. Wer solche Links unbedingt sehen will, kann mir auf Google+ folgen. Dort kann man dann auch Kommentare schreiben.

Wem das wie der erste Schritt zu einem Abschied vorkommt, hat nicht ganz Unrecht. Inzwischen läuft das Blog seit mehr als acht Jahren, ein Zeitraum, für den es nie ausgelegt war. Die Folge davon sieht man darin, dass einige der Einträge völlig überholt sind. So sind die Angaben zur NSA nach den Snowden-Enthüllungen bestenfalls niedlich.

Sprich, langsam wird es an der Zeit. Einige Themen haben wir aber noch.


ZEUGS: Die Fantasy-Filmfest-Ausgabe

September 4, 2014

Die erfahrenen interessierten Leser werden jetzt stutzen — Moment, wieso gibt es ein Zeugs, wenn doch das Fantasy Filmfest läuft? Sonst macht das Blog doch immer dafür eine Pause.

Nun, in diesem Jahr ist das Fest auf zwei Woche ausgedehnt worden, sehr zur (Hust) Freude der Schönsten Germanin, und daher ist alles etwas entspannter. Wir können festhalten, dass nicht einmal Scarlett Johansson Under the Skin retten kann, und trotzdem ein Zeugs vorlegen.

  • Zu Religion in den USA: Der Politologe Tobin Grant von der Southern Illinois University hat eine Grafik erstellt, auf der man die politischen Ansichten von religiösen Gruppen in den USA ablesen kann. Buddhisten und Mormonen könnten kaum weiter auseinander liegen.
  • Zu Angriffen auf die USA: Dieser Autor hatte 2002 verpasst, dass die deutschen Angriffspläne aus dem Ersten Weltkrieg aufgetaucht sind.

    For its attack on New York, German troops were to land on the island of Sandy Hook, New Jersey, while warships pounded away at harbor fortifications, including Fort Hamilton and Fort Tompkins. Following this, the warships would advance to shell Manhattan and other areas of New York in an effort to induce panic among civilians.

    Der Artikel zeigt sich nicht überzeugt von der Realisierbarkeit der Vorschläge.

  • Zu Rassismus: Die New York Times befasst sich mit Anwerbeversuchen des Ku Klux Klans.

    Klan enrollment nationwide stands at about 5,000 over more than a dozen groups, said Mark Potok, a senior fellow at the Southern Poverty Law Center. By comparison, the Klan had about four million members in the mid-1920s, when it was unified.

    Auch in diesem Fall scheint ein Erfolg eher unwahrscheinlich.

  • Zur Geschichte der Indianer, genauer der Inuit, wenn wir schon so historisch daherkommen: DNA-Analysen haben ein genaueres Bild der Wanderungsbewegungen in der Arktis gezeichnet. Demnach starben die „Paleo-Eskimos“ nach 5000 Jahren aus, während die heutigen Indianer und Inuit getrennt einwanderten.
  • Zum Gesundheitssystem: Auf German Joys beschreibt ein US-Arzt in einem Video das deutsche Gesundheitssystem aus amerikanischer Sicht. Der interessierte Leser mag sich den Spaß machen zu versuchen, die englischen Namen für die deutschen Einrichtungen und Behörden zu erkennen.
  • Zur Überwachung: Wer komische Mobilfunk-Türme in den USA sieht, hat es vielleicht mit so genannten Interceptors zu tun, die Anrufe abfangen können.

    „Interceptor use in the U.S. is much higher than people had anticipated,“ Goldsmith says. „One of our customers took a road trip from Florida to North Carolina and he found 8 different interceptors on that trip. We even found one at South Point Casino in Las Vegas.“

  • So richtig weiß offenbar niemand, wer dahinter steckt. Allerdings, Bielefeld ist überall.

  • Zu Geheimnissen und Geschichte, um beides am Ende zusammenzubringen: Die USA waren schon immer unfähig, wenn es darum ging, vertrauliches Zeugs geheim zu halten. Bei der Entwicklung der Atombombe gab es 1500 mutmaßliche Lecks:

    A Naval lieutenant at a dinner party in March 1945 openly wondered „when we would use the atomic bomb,“ adding that „only about ten pounds of U-235 are needed to end the war.“ He also said that „several thousand persons were working on it in Tennessee.“

    Bekanntlich gibt es nur eine Sache, die die US-Regierung hat absolut geheimhalten können: Die Aliens von Area 51.


Ferguson und die Militarisierung der US-Polizei

August 27, 2014

Dieser Autor hatte die vergangenen Tage mit einer Bindehautentzündung zu kämpfen. Das war eine ziemliche Katastrophe für jemanden, der einen großen Teil seines wachen Daseins mit Lesen und Schreiben verbringt. Immerhin kann er jetzt davon berichten, welche erstaunlichen Fortschritte die Sprachausgaben von Android und OS X gemacht haben. Frau „Ava“ („I am an American English voice!“) liest nun auch nach der Wiedererlangung der Sehkraft Texte vor. Ungemein praktisch beim Aufräumen.

Leider ist die Diktierfunktion für Deutsch wegen der Groß- und Kleinschreibung faktisch unbrauchbar (Englisch funktioniert auch hier unerwartet gut). Deswegen kommen wir später als geplant dazu, einige Bemerkungen zu den jüngsten Vorgängen in der Kleinstadt Ferguson nach dem Tod eines schwarzen Teenagers aufzuschreiben.

(Kurz vorweg: Bei den deutschen Medien herrscht bezüglich des Aufbaus der US-Polizei wieder eine gewisse Verwirrung. Neben der üblichen Probleme mit der Nationalgarde ist diesmal der Name der Polizei des Bundesstaates ein Hindernis: Die Missouri State Highway Patrol (MSHP) ist — wie die Wikipedia bemerkt – ausdrücklich nicht nur für Raser auf Landstraßen zuständig. Deswegen wurden die Soldaten der Nationalgarde von Missouri auch der MSHP unterstellt. Wir haben diese Punkte alle schon besprochen.)

Was auffällt: Während hierzulande die Rassismus-Diskussion im Vordergrund steht, ist für viele amerikanische Medien die Militarisierung der Polizei ein fast gleichwertiges Thema (ob das gut oder schlecht ist, ist nicht Gegenstand dieses Blogs). Es geht darum, wie aus dem Freund und Helfer plötzlich Leute geworden sind, die aussehen, als wären sie direkt aus dem Irak oder Afghanistan eingeflogen. Den Kritikern zufolge führt die Polizei sich auch auf wie Soldaten.

Nun ist das das Thema eigentlich nicht neu –

In his book The Rise of the Warrior Cop, journalist Radley Balko notes that since the 1960s, „law-enforcement agencies across the U.S., at every level of government, have been blurring the line between police officer and soldier (…).“

– ist aber offenbar jetzt erst in den amerikanischen Mainstream-Medien angekommen.

Tatsächlich hat die US-Regierung in den vergangenen Jahrzehnten unter dem sogenannten 1033 Program jede Menge ausrangiertes Kriegsgerät an die örtlichen Polizei-Einheiten übergeben. Hintergrund ist ein Gesetz aus den 90ern, das mit dem Strom von gebrauchtem Material aus den jüngsten, ungewöhnlich langen Kriegen eine neue Dimension angenommen hat.

During the Obama administration, according to Pentagon data, police departments have received tens of thousands of machine guns; nearly 200,000 ammunition magazines; thousands of pieces of camouflage and night-vision equipment; and hundreds of silencers, armored cars and aircraft.

Mit machine guns sind hier offenbar M-16 Sturmgewehre gemeint (die auf Englisch eigentlich assault rifles heißen). Die armored cars sind so stark gepanzert, weil sie ursprünglich Landminen und andere Sprengsätze von Islamisten aushalten sollten. In einer längeren Analyse [PDF] mit dem Titel War Comes Home schätzt die Bürgerrechts-Organisation ACLU den Wert der so übertragenen Rüstungsgüter auf 4,3 Milliarden Dollar.

Als Begründung für das Programm 1033 wurde immer auf den „War on Drugs“ verwiesen. Tatsächlich war die amerikanische Polizei Ende der 80er Jahre mit der neuen Dimension der Drogenkriminalität eher überfordert. Als der (übrigens damals von Demokraten beherrschte) Kongress die Möglichkeit schuf, gebrauchte Militärgüter weiterzugeben, gab es keinen wirklichen Aufschrei.

Allerdings hat sich die Zahl der Gewaltverbrechen zwischen 1993 und 2012 in den USA fast halbiert und der „Krieg“ gegen Drogen wird zunehmend infrage gestellt. Auch der Kongress hat nach den Vorfällen in Ferguson angekündigt, das Rüstungsprogramm überprüfen zu wollen. Was daraus wird in einem Wahljahr muss noch abgewartet werden.

Parallel dazu gibt es noch ein ähnliches Programm des Heimatschutz-Ministeriums, das nach den Anschlägen vom 11. September 2001 im Kampf gegen den Terrorismus aufgelegt wurde. Die Polizei in Ferguson soll einen Teil ihrer Ausrüstung auf diese Weise bezogen haben.

Wir haben erwähnt, dass diese ganze Entwicklung vor Ferguson in den Medien wenig beachtet wurde. Die amerikanischen Blogger beanspruchen für sich, seit langem die paramilitärische Natur der US-Polizei thematisiert zu haben, wie zum Beispiel Glenn Reynolds von Instapundit. Im Jahr 2006 schrieb der Juraprofessor:

Dress like a soldier and you think you’re at war. And, in wartime, civil liberties — or possible innocence — of the people on „the other side“ don’t come up much.

Die neue Kampfmontur der Polizei ist in einem Land, in dem man sich bekanntlich eher nach Anlass als nach Stand kleidet, viele schnippische Bemerkungen wert. Auf „Last Week Tonight“ drehte der Kommentator John Oliver den „Kleider machen Leute“-Ratschlag für Karrieregeile um:

[I]f you are a cop in the United States, you should dress for the job you have, not the job you want

(Der Originalspruch wird dem interessierten deutschen Leser als Internet-Meme mit Batman [Foto] geläufig sein.)

Zuletzt müssen wir auf ein kleines Statistik-Problem hinweisen, das in den amerikanischen wie auch deutschen Medien überschlagen wird: Niemand weiß wirklich, wie viele Menschen in den USA von Polizisten erschossen werden.

Das uns von den Wahlen bekannte Statistikblog FiveThirtyEight geht ausführlich auf die Schwierigkeiten mit der häufig zitierten Zahl von etwa 400 justifiable police homicides pro Jahr ein. Die fangen mit dem Wort justified an — „nicht berechtigte“ tödliche Zwischenfälle werden in den entsprechenden Datenbanken nicht erfasst.

[T]here’s no governmental effort at all to record the number of unjustifiable homicides by police. If [Michael] Brown’s homicide is found to be unjustifiable, it won’t show up in these statistics.

(Michael Brown ist der Name des Todesopfers in Ferguson.)

In dem Blog wird versucht, sich der Zahl auf andere Arten zu nähern — die Einzelheiten werden dem interessierten Leser zum Selbststudium überlassen. Zusammengefasst können wir sagen, dass sich kein klares Bild ermitteln lässt. Am Ende lautet das Fazit:

It’s more than 400.

[Korrektur 27. Aug 2014: Name von Opfer/Schütze verdreht, erster Hinweis von GW, vielen Dank.]


ZEUGS: Von unglücklichen New Yorkern und missglückten Hinrichtungen

August 3, 2014

Das Problem mit den Schulferien? Man bekommt nichts geschafft, weil die Kinder ständig herumlungern, wie die Schönste Germanin bereits geklagt hat. Allerdings scheinen die interessierten Leser ohnehin alle im Urlaub oder im Freibad zu sein. Das ist doch die perfekte Gelegenheit, um lauter deprimierendes Zeugs loszuwerden, ohne dass es jemand mitbekommt!

  • Zur europäischen Besiedlung Nordamerikas, ein kurzer Aufmerksamkeitstest, bevor es richtig losgeht: Ein 14-sekündiges Video zeigt die Entwicklung über 400 Jahre. Wer sich trotz der Hitze noch so lange konzentrieren kann, kann weitermachen.
  • Zu den unglücklichsten Städten in den USA: New York führt die Liste an. Selbst die Bürger von Detroit sind zufriedener.

    Jersey City ranked 8th most unhappy on the list, which means people who live in Jersey City are happier than people who live in NYC, and they have to take the PATH train.

    Untersucht wurden 177 Ballungsräume. Dieser Autor kann nach den vergangenen zwei Wochen aus eigener Erfahrung sagen, dass die Bewohner von Santa Cruz dagegen überdurchschnittlich glücklich wirken — was allerdings auch besondere Gründe haben könnte.

  • Zum Energieverbrauch in den USA: Einer amerikanischen Studie zufolge weisen die USA die geringste Energie-Effizienz unter den 16 größten Volkswirtschaften aus. Deutschland war (wer hier hätte etwas anderes erwartet?) die Nummer Eins.

    [G]ermany scored well in nearly every category in the survey, including spending on energy efficiency measures, aggressive building codes, and the country’s tax credit and loan programs.

    Bizarrerweise führen die Amerikaner allerdings in der Unterkategorie der Haushaltsgeräte wie Kühlschränke und Öfen.

  • Zur Wahlkampf-Finanzierung: Der Supreme Court hat bekanntlich 2010 (zwei Jahre nach dem Eintrag in diesem Blog) ein umstrittenes Urteil dazu gefällt, das unter dem Namen Citzens United bekanntgeworden ist. Seitdem können Unternehmen, Gewerkschaften und gewisse andere Gruppe deutlich mehr Geld für Wahlspots ausgeben. Wie viel mehr geben sie denn jetzt aus? Dramatisch mehr, so viel sogar, dass sie vor der Kongresswahl im November die Ausgaben der Kandidaten selbst in den Hintergrund zu drängen drohen.

    The outside groups are dictating the terms and message of the 2014 contests, defining candidates long before the candidates are able to define themselves and start reaching voters.

    Der Bericht der New York Times zitiert Republikaner und Demokraten, die gleichermaßen die Entwicklung kritisieren.

  • Zur Todesstrafe, nach den jüngsten verpatzten Hinrichtungen: Wired diskutiert mit dem Politikwissenschaftler Austin Sarat darüber, wie häufig so etwas in den USA schief läuft.

    [H]is research finds that while the methods of execution have changed, their efficiency has not improved. In fact, between 1980 and 2010 the rate of botched executions was higher than ever: 8.53 percent.

    Demnach haben die Probleme seit der Einführung der Giftspritze deutlich zugenommen. Sarat geht davon aus, dass die Todesstrafe in den USA, ahem, ausstirbt.

  • Zu Medien und Kulturpessimismus, damit wir auch die Vierte Gewalt haben: Zum 45. Jahrestag der Mondlandung hat Slate eine Video-Parodie von 2009 wiederholt, die zeigen will, wie die heutigen Nachrichtensender darüber berichten würden.
  • Zu den englischen Begriffen für Sex, angefangen im Jahr 1351 bis heute, als Belohnung für die Leute, die bis zum Ende gelesen haben. Das dürfte wenigstens für etwas Erheiterung im Freibad sorgen.

Warum Amerikaner Alice zum Mond schicken wollen

Juli 19, 2014

Zu den Faustregeln dieses Blogs gehört die Behauptung, dass Zitate im Englischen irgendwie immer aus Alice in Wonderland, The Wizard of Oz, der Bibel oder (insbesondere wenn sie doppeldeutig sind) von Shakespeare stammen. Was haben wir aber dann von diesem Satz aus dem Wirtschafts-Blog Zero Hedge über die US-Notenbank-Chefin Janet Yellen zu halten (Hervorhebung hinzugefügt)?

In a nutshell, she said „It’s not the Fed’s job to pop bubbles“. While many market participants immediately took this to mean, „To the moon, Alice!“ and started buying equities hand over fist, there’s another possible explanation for Mrs. Yellen’s proclamation of unwillingness (…).

Alice auf dem Mond, das klingt nicht nach Lewis Carroll. Und tatsächlich stammt der Satz aus einer einflussreichen 50er-Jahre TV-Serie mit dem Namen The Honeymooners. Darin droht der der Busfahrer Ralph Kramden seiner scharfzüngigen Ehefrau Alice regelmäßig eine Trachtprügel an [YouTube]:

Bang, zoom, you’re going to the Moon!

Die 39 Folgen von The Honeymooners waren enorm einflussreich. Die Cartoon-Serie The Flintstones wurde von ihnen inspiriert. Auch bei The King of Queens sieht man ihren direkten Einfluss. Dazu kommen endlose kleinere Anspielungen, wie in der Futurama-Folge „The Series has Landed“. Die Serie ist ein Stück Fernsehgeschichte, der Satz mit Alice und dem Mond immer ein Lacher wert.

An dieser Stelle mag der interessierte Leser allerdings stutzen. Moment, die Androhung häuslicher Gewalt soll witzig sein? Und das in dem Land, das die „politische Korrektheit“ erfunden hat? Tatsächlich können wir davon ausgehen, dass ein derartiger Satz heute keine Chance im US-Fernsehen hätte.

Zur Verteidigung wird angeführt, dass Ralphs Drohungen immer leer und offensichtliche Übertreibungen seien, also nur seine Art waren, Dampf abzulassen. Sie müssten im Rahmen der Beziehung als Ganzes gesehen werden. Alice habe eigentlich die Hosen an, um bei einem Bild der Zeit zu bleiben, das heute auch keinen Sinn ergibt.

In der Praxis wird der Satz häufig aus dem Zusammenhang gerissen und umgedeutet, womit die Drohung komplett verloren geht. Das sieht man auch oben am Beispiel von Zero Hedge: „To the moon, Alice!“ ist hier der Ausdruck einer Aufbruchstimmung (denn es werden Aktien wie doof gekauft) und nicht eine Aufforderung, der Fed-Chefin Yellen eine zu kleben. Das wäre selbst für das Blog ziemlich unhöflich.