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Dax-Geflüster Der fragile Boom der Autobauer

Der Aufschwung droht in vielen Ländern abzuflauen, auf dem wichtigen Markt China knicken bereits die Autoverkäufe ein. Die deutschen Autobauer, deren Geschäfte im Takt der Konjunktur schwanken, könnte das hart treffen. Beobachter der Branche bleiben dennoch optimistisch.
Mercedes S-Klasse Hybrid: Aktien von Daimler gelten bei vielen Analysten als unterbewertet

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Volkswagen  auf Allzeithoch, BMW  auf Allzeithoch, dazu ein Kursplus von rund 10 Prozent für Daimler : Autoaktien sind wieder gefragt an der Börse. Schon 2010 gehörten sie zu den Favoriten, legten Wertzuwächse von zum Teil mehr als 100 Prozent hin. Mit ihren Innovationen gehören deutsche Hersteller ohnehin zur Weltspitze - das Spektrum reicht laut einer Studie von sparsamen Oberklassemotoren über innovative Lichtsysteme bis zum Crash-Schutz.

Anfang des Jahres glaubten jedoch viele Anleger, die Luft sei raus. Die Aktienkurse der Autobauer verbuchten in den ersten Monaten 2011 durchweg Verluste.

Doch das war's noch lange nicht: Die Hersteller legen weiterhin großartige Absatzzahlen vor, streben 2011 neuerliche Rekordergebnisse an - und die Börsianer wollen kräftig mitverdienen. Die Folge: Die Papiere haussieren erneut.

Aber wie lange kann das noch so weiter gehen? Passt die rasante Kursentwicklung tatsächlich noch zum Aufschwung im weltweiten Automarkt? Oder eilen die Anleger der Realität euphorisch voraus, muss also früher oder später der Rücksetzer kommen?

So viel ist klar: 2010 war ein Ausnahmejahr. Ausgehend von einer krisenbedingt niedrigen Basis legte der weltweite Automarkt um mehr als 10 Prozent zu - ein zweistelliges Plus hatte es seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben.

Und es wird wohl auch so schnell nicht wiederkommen. Zwar befindet sich die Branche weiterhin im Wachstum, wie etwa die jüngsten Meldungen von Audi und BMW zeigen. Dessen Tempo jedoch hat bereits merklich nachgelassen. Um 7 Prozent sind die Verkaufszahlen weltweit in den ersten fünf Monaten dieses Jahres gestiegen, schrieb kürzlich Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer von der Uni Duisburg-Essen in einer Marktanalyse. Für das Gesamtjahr erwartet er ein Plus von 5,2 Prozent.

Wachstumstempo lässt nach

Die Gründe für das verlangsamte Wachstum liegen im Einbruch des japanischen Marktes nach der Naturkatastrophe, dem langsameren Wachstum in China und Rückgängen in Italien, Frankreich, England und Spanien, so Dudenhöffer.

Vor allem in China schwächelt offenbar der Absatz derzeit ziemlich. Das aufstrebende Land gehört mittlerweile zu den wichtigsten Märkten der deutschen Hersteller. Volkswagen erzielt dort die meisten Verkäufe, Daimler und BMW mit ihren Luxuslimousinen die höchsten Renditen.

Die deutschen Automanager dürften die Entwicklung in Fernost daher zurzeit mit Sorge betrachten. Nicht genug, dass die Wirtschaft der Volksrepublik insgesamt an Dynamik verliert. Wie in anderen Schwellenländern auch ist die Inflation hoch, so dass die Politik und die Notenbank bereits zügelnd eingreifen mussten. Ökonomen haben ihre Wachstumsprognosen für China daher zurückgeschraubt.

Auch der Autoabsatz in China ist zuletzt ins Stocken geraten. Seit Jahresanfang pendeln die Zuwächse der Zahlen insgesamt verkaufter Pkw um die Marke von 5 Prozent, wie aus einer aktuellen Analyse von J. P. Morgan hervorgeht. Im Mai kam es demnach besonders Dicke: Der Markt stagnierte vollends, das Wachstum ging auf Null zurück. Zum Vergleich: im gesamten Jahr 2010 legte der Automarkt in China um mehr als 30 Prozent zu.

Warum deutsche Hersteller auch eine Delle in China verkraften

Die gute Nachricht ist jedoch: Der Käuferstreik betrifft derzeit offenbar vor allem das Massengeschäft, die deutschen Hersteller merken davon noch nichts. Selbst der Volkswagen-Konzern, der mit seiner Produktpalette am ehesten in diesem Segment mitspielt, meldete jüngst für Mai ein erneutes Absatzplus in China von beinahe 20 Prozent.

Und damit nicht genug: Glaubt man den Experten, dann werden die Geschäfte von Volkswagen, BMW, Daimler und Porsche auch künftig gut laufen - trotz möglicher Absatzschwächen in China, trotz Sorgen um die Konjunktur in den USA, trotz Schuldenkrise in Europa.

"Wachstumsdellen hat es auch in China immer wieder gegeben", sagt Analyst Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler. "Und klar ist auch, dass die Autohersteller auf Konjunkturschwankungen besonders sensibel reagieren. Das ändert aber nichts daran, dass die langfristigen Aussichten nach wie vor ausgezeichnet sind."

Als Beleg nennt Pieper eine vielzitierte Zahl: Erst etwa 30 bis 40 von 1000 Chinesen besitzen einen eigenen Pkw - in Deutschland sind es 700, in den USA sogar noch mehr. "Das sagt eigentlich alles über das Marktpotenzial", so der Analyst.

Premium-Modelle weniger anfällig als der Massenmarkt

Und noch etwas stimmt den Fachmann optimistisch: Insgesamt haben die Schwellenländer inzwischen einen Anteil am Weltmarkt von etwa 40 Prozent. Vor zehn Jahren, als die Autobranche das letzte Mal unter Druck geriet, waren es kaum halb so viel. "Vor allem die deutschen Hersteller profitieren von der Wachstumsstärke der Emerging Markets", so Pieper. "Denn sie sind anders als beispielsweise die Amerikaner vor allem im Premiumsegment aktiv. Und da ist von einem nachlassenden Absatz bislang überhaupt nichts zu spüren."

Ähnlich sieht es Autoexperte Dudenhöffer: "Es ist sogar ein Vorteil, wenn die Verkäufe in China pro Jahr nur um 5 bis 10 Prozent anstatt um 30 Prozent, wie im vergangenen Jahr, zulegen", sagt er gegenüber manager magazin. "So wird eine gefährliche Blasenbildung verhindert und die Autohersteller kommen damit gut zurecht." Auch Dudenhöffer erwartet 2011 "Bilderbuchgewinne, die es noch nie gegeben hat". 2012, so der Fachmann, dürfte es dann etwas weniger werden.

Auch die Kosten, die auf die Unternehmen im Zusammenhang mit der Entwicklung neuer Antriebstechnologien zukommen, machen den Fachleuten kaum Sorgen. "Das ist eine Belastung", räumt Pieper ein. "Aber sie ist kalkulierbar." In den vergangenen Jahren haben die Hersteller ihre Ausgaben in diesem Bereich auf etwa 6 Prozent des Umsatzes gesteigert, so der Fachmann. Eine weitere Aufstockung der Mittel sei nun kaum noch erforderlich. "Die Autobauer müssen sich auch nicht auf eine schlagartige Umstellung auf Elektromotoren einstellen", so Pieper. "Wir werden vielmehr zunächst eine allmähliche Fortsetzung der Hybridisierung erleben. Und damit können auch die deutschen Firmen gut umgehen."

Wunderwaffe MQB?

Die Aussichten der Autohersteller mögen also weiterhin gut sein. Über die Bewertung der Unternehmen an der Börse sagt das jedoch nicht viel aus. Sind die Kurse also angemessen? Sind Sie übertrieben? Oder gibt es vielleicht sogar noch immer Luft nach oben?

Die Analysten unterscheiden sehr genau zwischen den einzelnen Werten. Während bei BMW beispielsweise nach dem Lauf der vergangenen Wochen eher Vorsicht geboten sei, erscheine Daimler stark unterbewertet, sagt einer. "Beim aktuellen Kurs bekommt man nach herkömmlichen Bewertungkriterien die gesamte Trucksparte praktisch kostenlos", so der Fachmann. "Und Daimler ist Weltmarktführer auf dem Lkw-Markt."

Auch die Aktie von Volkswagen hat offenbar trotz des Höhenflugs noch Luft nach oben. Ein Grund dafür: Der Einsatz des Modularen Querbaukastens (MQB), einer neuen, standardisierten Fertigungstechnik, die künftig bei mehr als 30 Modellen des Konzerns zum Einsatz kommen soll. "Der MQB kann in den kommenden Jahren zu steigenden Kostenersparnissen im Milliardenbereich führen", sagt ein Branchenkenner. "Ob das im Aktienkurs bereits enthalten ist, ist fraglich."

Die meisten Analysten sehen das offenbar ähnlich. Sie empfehlen das Volkswagen-Papier selbst beim gegenwärtigen Preis von rund 140 Euro noch zum Kauf, mit Kurszielen von bis zu 200 Euro, gesetzt zum Beispiel von Goldman Sachs.