Bei Manufactum und anderswo werden diese kleinen hübschen Radios verkauft, die so gut klingen und so einfach zu bedienen sind. Wer sich so ein Gerät kauft, hat allerdings ein Problem: Was soll er damit hören? Es gibt sie kaum noch, die guten Sender. BILD

Das UKW-Spektrum von 87,5 bis 108 MHz bietet, abhängig von der Region, bis zu 30 Stationen. Auf vielen dieser Kanäle schwappt die immergleiche Dudelsuppe. Alle paar Minuten wird das Wetter vor dem Fenster durchgesagt, auf welchen Straßen es blitzt und was man beim tollen Gewinnspiel gewinnen kann, wenn man JETZT SOFORT bei der Radio-Hotline anruft für 49 Cent – und dann kommt bei den Privaten noch die Werbung, bis zu acht Minuten pro Stunde. Die gebetsmühlenhaft wiederholten Kennungen der Sender unterscheiden sich inzwischen mehr als die Programme. »Die Megahits der Achtziger, Neunziger und das Beste von heute« – wer sendet das nicht?

Resignierte Hörer stellen den Deutschlandfunk ein, das neben DeutschlandRadio Berlin einzige Programm, das bundesweit zu empfangen ist. Hier gibt es zwar nicht immer etwas, das einen gerade interessiert, Musik jenseits von Klassik und Jazz schon kaum, aber das Bemühen um Qualität ist hörbar. Hier hat das Funken noch Verstand.

Bloß ist Deutschlandfunk auf Dauer langweilig. Und wofür zahlt man eigentlich im Monat 5,32 Euro Hörfunkgebühren? Hat man nicht Anspruch auf Abwechslung? Braucht ein facettenreiches, widersprüchliches und im Umbruch befindliches Deutschland nicht ebensolche Radioprogramme?

Zwei Jahrzehnte nach der Zulassung des Privatfunks stellt sich die deutsche Radiolandschaft als ein ödes, an Höhepunkten armes Flachland dar. Wird die Einebnung weitergehen, oder gibt es irgendwo Zeichen der Hoffnung?

Lothar Jene hat sein Büro querab vom Hamburger Rathaus. Der 58-Jährige ist Direktor der Hamburgischen Anstalt für neue Medien – mit zwölf Mitarbeitern wacht er über den Privatfunk des Stadtstaates. Viel zu überwachen gibt es nicht, denn anders als beim privaten Fernsehen, das Aufsehen um jeden Preis erregen will, plätschert das private Radio so vor sich hin. Es darf nicht stören und verstören schon gar nicht. Es ist kein Einschaltmedium mehr wie ehedem, das man anmachte, um etwas Bestimmtes zu hören, sondern ein Begleitmedium, eine akustische Tapete für den Tag. Es soll laufen, aber man muss ihm nicht mehr folgen. Es darf alles, nur dem Hörer keinen Anlass geben, aus- oder umzuschalten, so einfach ist das.

Lothar Jene, dem die leichte Kost täglich Brot ist, hat sich daran gewöhnt. Er bringt sogar ein gewisses Verständnis für die Anforderungen der kommerziellen Radios auf, schließlich senden die ja nicht zu ihrem Vergnügen. »Aber abends«, sagt er, »wenn der Fernsehschatten kommt«, nach der Tagesschau, »da wünschte ich mir schon mehr Mut im Programm.«

Nun, dies ist ein Wunsch, den kann er äußern, und die Sender hören ihn sich geduldig an – und dann machen sie so weiter wie bisher. Denn am Abend und in der Nacht muss das Programm nach ihrem Verständnis so sein wie am Tag, sonst denken die Hörer noch, ihr Gerät habe sich verstellt – alles eine Frage der Marke, die nicht verwischt werden darf.

Schon mehr Unruhe bei seinen Gesprächspartnern löst Herr Jene mit einer Beobachtung aus, die er in der U-Bahn gemacht hat und die inzwischen jeder machen kann: Da sitzen überall junge Leute mit weißen Ohrstöpseln, dem Erkennungszeichen der iPod-Generation. Mancher Privatsender arbeitet mit nur 150 Hits, die sich in der »Rotation« abwechseln. Wer einen MP3-Player besitzt mit 10.000 Titeln, die er sich selber ausgesucht hat, der braucht kein Radio mehr, jedenfalls nicht so eins. »Die Radioleute müssen aufpassen«, sagt Herr Jene, »sie können nicht ewig so weitermachen wie bisher.«

Bei Radio Hamburg am Speersort, gleich der ZEIT gegenüber, kann von Endzeitstimmung keine Rede sein. Programmdirektor Marzel Becker, 41, ist obenauf und hat auch Grund dazu. Seit zwölf Jahren ist sein Sender Marktführer in Hamburg, derzeit mit 25 Prozent, eine traumhafte Zahl, NDR2 als konkurrierendes Programm kommt nur auf 9,1 Prozent.

Radio Hamburg beginnt morgens »mit der lustigsten Morningshow für Hamburg, mit den besten Gags und den beliebtesten Comedys der Stadt«. Dann die Mittagsshow Besser arbeiten mit Birgit Hahn, »gut drauf am Arbeitsplatz mit Megahits gegen den Stress«, und dann die Feierabendshow, »mit Fun, Action und Comedy nonstop ganz schnell nach Hause«. Abends dann »die neuesten Megahits für unsere Stadt«, nachts schließlich »Megahits nonstop«.

Und – jetzt kommt der Knüller, da ist Radio Hamburg megastolz drauf – jeden zweiten Mittwoch, von Mitternacht an, kommt mal was anderes: Megahits nur aus Deutschland! Die Antwort des Senders auf die kürzlich im Bundestag geführte Debatte über den Mangel an deutscher Musik im deutschen Radio. Wer nicht immer dasselbe hören will, wird also bedient: Er muss nur 14 Tage warten und dann eine Nacht aufbleiben. Das ist Programmvielfalt!