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Hirnforschung Meditation lindert Schmerzen so gut wie Arznei

Wenn es wehtut, kann Meditieren helfen - und das verblüffend effektiv. Im Experiment stellte sich heraus, dass Geistesübungen Schmerzen ebenso gut lindern können wie starke Medikamente. Zugleich konnten die Forscher messen, was dabei im Gehirn passiert.
Meditation: Ein potentes Schmerzmittel, schon nach vier Sitzungen

Meditation: Ein potentes Schmerzmittel, schon nach vier Sitzungen

Foto: Corbis

Meditieren ist keine Esoterik: Immer mehr Vorteile werden durch die Wissenschaft untermauert. Studien zeigen, dass sie Konzentration und Aufmerksamkeit verbessert, doch für die Medizin besonders interessant ist ihre positive Wirkung bei Schmerzen. Forscher um Fadel Zeidan von der Wake Forest University (US-Bundesstaat North Carolina) haben diesen Effekt jetzt nicht nur in seiner Stärke gemessen, sondern auch die entsprechenden Vorgänge im Gehirn nachgewiesen.

Die Studie, erschienen im "Journal of Neuroscience",  zeigt, dass die Wirkung schon nach kurzer Übung einsetzt: An nur vier Tagen bekamen 15 Personen eine Einweisung im Meditieren, insgesamt dauerte das Training knapp eineinhalb Stunden. Bei der sogenannten Achtsamkeits-Meditation lernten die Teilnehmer, sich hauptsächlich auf ihren Atem zu konzentrieren.

Zunächst aber mussten Schmerzen her. Die Forscher steckten den Probanden deshalb eine knapp 50 Grad warme Platte ans rechte Bein. Sechs Minuten lang wurde sie im Abstand von einigen Sekunden an- und ausgeschaltet - ein Zustand, der für die meisten Menschen schmerzhaft ist, laut Zeidan sogar recht intensiv. Danach schrieben die Teilnehmer auf, wie stark und unangenehm das Gefühl war. Gleichzeitig wurde die Hirnaktivität mit Hilfe der Kernspintomografie gemessen.

Starke Linderung der Schmerzen

Nach der Einführung in die Meditation mussten die Probanden die Prozedur erneut erdulden - doch diesmal sollten sie meditieren. Das Ergebnis: Die Schmerzen wurden als 40 Prozent weniger intensiv und 57 Prozent weniger unangenehm empfunden, schreiben die Forscher. Das seien Werte, die manche Schmerztablette überträfen. Unter ähnlichen Versuchsbedingungen sei sogar bei Morphium eine etwas geringere Effektivität gemessen worden.

Dass Meditation Schmerzen lindern kann, ist in den vergangenen Jahren mehrfach belegt worden. Doch die Wissenschaftler um Zeidan wollten auch untersuchen, welche Hirnareale für diesen Effekt zuständig sind. Messungen im Kernspintomografen ergaben, dass die Aktivität im Gyrus postcentralis zurückging - eine Region im Großhirn, die unter anderem für die Wahrnehmung von Ort und Intensität von Schmerzen wichtig ist. Auch in anderen Hirnarealen fanden die Forscher Unterschiede durch die Meditation, etwa im orbitofrontalen Cortex, der an der Bewertung von Sinneseindrücken beteiligt ist. Zeidan und seine Kollegen vermuten, dass Meditation gerade wegen dieser Vielfalt an Wirkungsorten so effektiv ist.

Alex Zautra, Psychologieprofessor an der Arizona State University, bezeichnete die gegenüber SPIEGEL ONLINE als "wertvoll". Er hat im letzten Jahr nachgewiesen, dass langsameres Atmen das Schmerzempfinden herabsetzt. An der aktuellen Arbeit war er nicht beteiligt - und kritisiert, dass bei der Studie keine Kontrollgruppe verwendet wurde. Deshalb sei nicht abschließend geklärt, ob ein Teil der Schmerzlinderung möglicherweise durch die bloße Erwartung der Teilnehmer erfolgt sei. Dennoch geht er davon aus, dass die Meditation dabei die Hauptrolle spielte.

hrb

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