Ausland

Der Minister im israelischen Kriegskabinett und politische Rivale von Regierungschef Benjamin Netanjahu, Benni Ganz, könnte womöglich seinen Rücktritt verkünden. Ganz hält heute eine Pressekonferenz ab, wie das Büro des Oppositionspolitikers gestern mitteilte. Israelische Medien werteten die Ankündigung als Zeichen für die bevorstehende Bekanntgabe von Ganz’ Rückzug aus Netanjahus Regierung.

Der Ex-Verteidigungsminister und frühere Armeechef hatte nach dem Großangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober die Oppositionsrolle zurückgestellt und war dem israelischen Kriegskabinett von Netanjahu als Minister ohne Ressort beigetreten.

Mitte Mai hatte Ganz mit seinem Rücktritt gedroht, sollten Netanjahu und seine rechts-religiöse Regierung bis zum 8. Juni keinen Nachkriegsplan für den Gazastreifen vorlegen.

Umfragen sprechen für Ganz

Umfragen zufolge hätte Ganz derzeit gute Chancen, Netanjahu im Amt abzulösen, sollte die Regierung auseinanderbrechen und es zu vorgezogenen Neuwahlen kommen. Seine Partei hatte vergangene Woche einen Gesetzesentwurf zur Auflösung des israelischen Parlaments vorgelegt und Neuwahlen gefordert.

Netanjahu gerät innenpolitisch immer stärker unter Druck: Seine rechtsextremen Koalitionspartner, Israels Sicherheitsminister Itamar Ben Gvir und Finanzminister Besalel Smotrich, drohten im Fall eines Abkommens über eine Waffenruhe im Gazastreifen ihrerseits mit Koalitionsbruch.

In israelischen Städten demonstrieren zudem Tausende Menschen für die Umsetzung eines Waffenruheabkommens und die Rückkehr der Hamas-Geiseln. Ganz hatte am 3. Juni erklärt, dass die Rückkehr der Geiseln seine „Priorität“ sei.

Die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen ist gestern im Zentrum Kopenhagens von einem Mann angegriffen und geschlagen worden. Sie erlitt einen Schock, berichtete die Nachrichtenagentur Ritzau unter Berufung auf die Polizei und das Büro der Ministerpräsidentin.

Augenzeugen berichteten der Nachrichtenagentur Reuters, dass Frederiksen ohne äußere Verletzungen davongekommen sein dürfte. Der Mann wurde nach dem Vorfall auf dem Kultorvet (Kohlmarkt) festgenommen.

Bestürzte Reaktionen

In Dänemark reagierten Politikerinnen und Politiker der unterschiedlichsten Parteizugehörigkeiten mit Mitgefühl. Auch im EU-Ausland war die Bestürzung groß. EU-Ratspräsident Charles Michel verurteilte den „feigen Akt der Aggression“ in einer Erklärung auf X. EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola sprach von einem „empörenden“ Angriff und betonte, Gewalt habe keinen Platz in der Politik.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen schrieb: „Ich verurteile diese verachtenswerte Tat, die allem widerspricht, woran wir in Europa glauben und kämpfen. Ich wünsche Dir Kraft und Mut – ich weiß, dass Du von beidem reichlich hast.“

Nehammer: „Aufs Schärfste zu verurteilen“

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) betonte, der Angriff auf Frederiksen sei auf das Schärfste zu verurteilen. „Gewalt gefährdet die Demokratie!“ Die Angriffe gegen Wahlhelfer und Politiker in den letzten Wochen seien auch Angriffe auf die freie Gesellschaft und eine Folge zunehmender Radikalisierung.

„Wir müssen gegen diese Gewalt aufstehen und uns wehren – mit klarer Haltung und starker Stimme für Demokratie, Freiheit, ein friedliches Zusammenleben und gegen Hass und Gewalt“, so der Kanzler auf X.

Der Überfall ereignete sich zwei Tage vor der EU-Wahl in Dänemark. Vor drei Wochen wurde der slowakische Ministerpräsident Robert Fico bei einem Schussattentat schwer verletzt. Auch in Deutschland gab es in den vergangenen Wochen zahlreiche Angriffe auf Politikerinnen und Politiker.

Großbritanniens Premierminister Rishi Sunak hat sich dafür entschuldigt, die Gedenkveranstaltungen zum D-Day in der Normandie vorzeitig verlassen zu haben. „Nach dem Abschluss der britischen Veranstaltung in der Normandie bin ich ins Vereinigte Königreich zurückgekehrt“, so der 44-Jährige gestern auf X (Twitter). „Im Rückblick war es ein Fehler, nicht länger in Frankreich zu bleiben – und ich entschuldige mich.“

In der Normandie war am Vortag an die Landung alliierter Soldaten vor 80 Jahren erinnert worden. Sunak hatte an einer britischen Veranstaltung teilgenommen, eine internationale Gedenkveranstaltung mit US-Präsident Joe Biden aber ausgelassen und sich von seinem Außenminister David Cameron vertreten lassen. Stattdessen war er zurückgereist und hatte im Wahlkampf ein Fernsehinterview aufgezeichnet.

Memes und kritische Worte

Das löste einen politischen Shitstorm aus. In sozialen Netzwerken kursierten Memes, beispielsweise eine Fotomontage, die Sunak vor einem Kriegerdenkmal mit Rollenkoffer zeigte. Diverse Politiker und selbst Tory-Freunde kritisierten Sunak scharf. Großbritannien wählt am 4. Juli ein neues Parlament.

Politische Kommentatoren merkten an, Sunak habe mit seiner Entscheidung seinem Kontrahenten Keir Starmer das Feld überlassen, der an der internationalen Gedenkfeier teilnahm und dessen Labour-Partei in Umfragen seit Längerem vorne liegt.

Sunak schrieb in seiner Entschuldigung, das Gedenken an den D-Day sei ein wichtiger Moment gewesen, die mutigen Männer und Frauen zu würdigen, die ihr Leben riskiert hätten, um Freiheit und Demokratie zu verteidigen. „Das Letzte, was ich will, ist, dass die Gedenkfeiern von Politik überschattet werden“, hieß es in seinem Beitrag.

EU

Angesichts großer Krisen sowie der Bedrohungen aus Russland und von Extremisten hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eindringlich für ein starkes und geeintes Europa geworben. „Die Europäische Union ist kein Selbstläufer, keine Selbstverständlichkeit“, sagte sie gestern bei der Schlusskundgebung der deutschen konservativen Parteien CDU und CSU in München.

Das friedliche Europa werde herausgefordert von Populisten, Extremisten und Demagogen, etwa von der Rechtsnationalistin Marine Le Pen in Frankreich und der AfD in Deutschland. „Diese Extremisten haben eines gemeinsam: Sie wollen unser Europa schwächen und zerstören und kaputt machen.“ Das aber werde man niemals zulassen: Sie wolle deshalb eine breite Allianz: für die Rechtsstaatlichkeit, für die Ukraine und für ein starkes Europa.

Treffen mit Nehammer

Zuvor war von der Leyen in Wien gewesen. Auf dem Programm stand ein Gespräch der amtierenden EU-Kommissionspräsidentin mit Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), in dem es um die nächste EU-Kommission gehen sollte. Am Institute of Science and Technology Austria (ISTA) in Klosterneuburg traf sie Forscher und Vertreter von Start-ups.

Die EVP-Spitzenkandidatin besichtigte gemeinsam mit ÖVP-Wissenschaftsminister Martin Polaschek die Forschungseinrichtungen. Außerdem gab es ein Treffen mit ÖVP-Spitzenkandidat Reinhold Lopatka und mit Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP). Brunner gilt ÖVP-intern als möglicher Kandidat für den österreichischen EU-Kommissar, ebenso wie Europaministerin Karoline Edtstadler und Außenminister Alexander Schallenberg (beide ÖVP).

Kein medienöffentlicher Auftritt

Auf X (Twitter) bedankte sich von der Leyen bei Brunner, Polaschek und Lopatka für die Einladung nach Österreich. „Noch zwei Tage bis zur Europawahl“, schrieb sie. Die Volkspartei stehe „für ein starkes Österreich in einem starken Europa. Das wollen wir bewahren. Und darauf wollen wir aufbauen.“

Es ist bemerkenswert, dass der Besuch der Kommissionspräsidentin und Spitzenkandidatin der EVP ohne größeren medienöffentlichen Auftritt über die Bühne ging. Von der Leyen kam wegen des von ihr propagierten „Green Deal“ zuletzt in ihrer eigenen Fraktion, auch vonseiten der ÖVP, unter Druck. Die ÖVP will unter anderem das ab 2035 beschlossene Verbot für Neuwagen mit Verbrennermotoren wieder aufheben.

Vorfühlen für nächste Kommission

Laut Insidern soll von der Leyen mit Nehammer die Ausrichtung und Zusammensetzung der künftigen Kommission besprechen. Die deutsche CDU-Politikerin von der Leyen strebt eine zweite Amtszeit an der Spitze der EU-Kommission an. Derzeit ist allerdings fraglich, ob sie nach der Europawahl auf ausreichende Unterstützung unter den EU-Staaten und im EU-Parlament zählen kann.

Rund 15 Prozent der Wahlberechtigten haben für die EU-Wahl am Sonntag eine Wahlkarte angefordert. Die laut Innenministerium 958.948 ausgestellten Wahlkarten bedeuten einen Rekordwert bei einer Europawahl – und zwar mit Abstand: Im Jahr 2019 lag die Zahl noch bei 686.249 bzw. rund zehn Prozent der Wahlberechtigten. Damit übertraf die Zahl auch knapp jene der Bundespräsidentschaftswahl 2022 (958.136 Karten).

Frist für Beantragung abgelaufen

Mit den Karten ist die Briefwahl, die Stimmabgabe auf der Gemeinde und das Wählen in fremden Wahllokalen am Wahltag möglich. Beantragungen waren bis allerspätestens gestern Mittag möglich.

Karte muss bis Samstag 9.00 Uhr in den Postkasten

Wer die Karte jetzt noch zur Briefwahl nutzen will, muss die ausgefüllte Wahlkarte bis spätestens Samstag 9.00 Uhr in den Postkasten werfen, damit die Karte rechtzeitig bei den Wahlbehörden eintrifft.

Auch Wahl mit Karte in beliebigem Wahllokal möglich

Alternativ kann man damit am Sonntag in jedes Wahllokal in ganz Österreich gehen und die Karte entweder ausgefüllt abgeben oder die nicht genutzte Wahlkarte gegen einen Stimmzettel eintauschen und klassisch im Wahllokal wählen.

Die Zahl der Wahlkarten stieg bei EU-Wahlen stetig. Zum Vergleich: Bei der EU-Wahl 2009 waren es noch 309.200 Wahlkarten, 2014 dann schon 444.057, bis die Zahl dann auf 686.249 (2019) und nun auf 958.948 stieg (davon heuer 45.092 Wahlkarten für Auslandsösterreicherinnen und Auslandsösterreicher). Die meisten Wahlkarten wurden für diese Wahl in Wien ausgestellt (197.588), die wenigsten im Burgenland (23.984).

Die SPÖ hat sich gestern Abend in Wien-Ottakring aus dem EU-Wahlkampf verabschiedet. Spitzenkandidat Andreas Schieder bewarb dabei ein weiteres Mal sein „tolles Programm“ für soziales Europa, Frauenrechte und die Jugend: „Das gibt es nur, wenn die Mitte gestärkt wird, und das ist die SPÖ.“ Parteichef Andreas Babler betonte: „Wer uns stärkt, stärkt das Bollwerk gegen rechts.“

Während bei der ÖVP Parteichef Karl Nehammer gestern das Abschlussevent sogar ausgelassen hatte, rückte die SPÖ ihren Vorsitzenden in den Vordergrund. Babler war auserwählt, die abschließende und längste Rede zu halten. Neben dem Dank an alle Mitstreiter lautete das Credo des SPÖ-Chefs, mehr Gerechtigkeit in allen Lebensbereichen spürbar machen zu wollen.

Indirekte Einladung an Grün-Wählerschaft

Wieder richtete Babler, der davor und danach unzählige Hände schüttelte, indirekt eine Einladung an Grün-Wähler und -Wählerinnen: „Wir wollen renaturieren.“ Auch Schieder betonte, dass Klimaschutz nur ernst zu nehmen sei, wenn er in die richtigen Hände komme – und das seien eben nicht jene der Grünen, sondern jene der Sozialdemokratie.

Ohnehin gefielen dem Spitzenkandidaten die Programme der anderen Parteien nicht sonderlich. Bei NEOS erkannte er ein „Europa der Eliten“. Bei der ÖVP bedauerte er, dass der von ihr beschworene „Hausverstand“ nie vorbeischaue, und mit der FPÖ würde es in Richtung weniger Demokratie und mehr Nationalismus gehen.

„Letzter Schwung“

Versammelt hatte die SPÖ auf dem für sein Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen immer wieder gewürdigten Yppenplatz in Wien-Ottakring einige hundert Sympathisanten, um sich einen „letzten Schwung“ zu geben, wie die Listenzweite Evelyn Regner betonte. Man wolle, wie das die SPÖ nun eben immer tue, bis zum letzten Kilometer laufen, und das ohne zu provozieren und Hass zu schüren.

Musikalisch stand Roman Gregory im Mittelpunkt. Mit seinen „President Friends“ beschallte er über mehrere Stunden den Yppenplatz.

Wenig Europa, viel Österreich – die FPÖ hat gestern ihre Wahlkampflinie bei ihrer Abschlussveranstaltung auf dem Viktor-Adler-Markt im zehnten Wiener Gemeindebezirk konsequent weitergezogen. Thema war weniger die EU-Wahl als die Nationalratswahl im Herbst, auf die FPÖ-Bundesparteiobmann Herbert Kickl die Wählerschaft einstimmte.

Kickl beschwor „eine Ära der Volkskanzlerschaft“. Die EU-Wahl sei dabei nur der erste Schritt, der zweite werde bei der Nationalratswahl im Herbst erfolgen. „Dann ist der Weg frei für die Wende zum Guten, zum Positiven.“ Hohn gab es wie gewohnt für die ÖVP und die SPÖ.

Aber auch den „Eliten“ in der EU müsse eine Lektion erteilt werden, schwenkte Kickl für einige Momente in Richtung Europa, um einen historischen Vergleich zu ziehen: „Das, was im Mittelalter die Ketzer waren, das sind heute die EU-Kritiker.“

Vilimsky: „Nur mehr Dürüm und Kebap“

Obwohl Kickl tonangebend war, stimmte auch EU-Spitzenkandidat Harald Vilimsky die Menge auf die EU-Wahl ein. Dennoch bewegte auch er hauptsächlich mit heimischen Sorgen. Habe es am Viktor-Adler-Markt vor Jahren noch Würstel und Leberkäse gegeben, finde man heute fast nur mehr Dürum, Kebap „und wie sonst das ganze Zeug heißt“.

Die Stinkbomben werfenden Gegendemonstrierenden bezeichnete er als Glücksschweinchen für seine Partei und forderte sie auf: „Quiekt ein bisschen!“

Auch sonst fiel Vilimskys Rede wenig subtil aus. Etwa seine Botschaft an Islamisten, die das Land bedrohten: „Schiebt euch euer Kalifat sonst wohin!“ „Wir holen uns unser Österreich zurück“, propagierte er, bevor die Bundeshymne gesungen wurde. Abgeschlossen wurde die Veranstaltung mit der FPÖ-Hymne der John Otti Band „Immer wieder Österreich“.

Auslandspresse beklagt verwehrten Zugang zur FPÖ-Wahlparty

Unterdessen beklagte der Verband der Auslandspresse in Wien den Ausschluss ausländischer Journalistinnen und Journalisten von der FPÖ-Wahlparty am Sonntag. Mitglieder des Verbands der Auslandspresse in Wien hätten mitgeteilt, „dass ihnen die Akkreditierung für die Wahlparty der FPÖ am Sonntagabend im Rahmen der Europawahlen verweigert wurde“, heißt es in einem der APA vorliegenden offenen Brief des Verbands an FPÖ-Chef Kickl.

Betroffen seien die Nachrichtenagenturen AFP, AP und dpa, der ZDF sowie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, „Süddeutsche Zeitung“, „Augsburger Allgemeine“ und der „Tages-Anzeiger“. Auch der heimischen Wochenzeitschrift „Falter“ wurde laut einer Redakteurin die Akkreditierung verwehrt.

Die FPÖ verwies auf das enge Platzangebot: Seitens der FPÖ sagte ein Sprecher auf APA-Anfrage, es handle sich um eine geschlossene Veranstaltung, zu der Medien die Möglichkeit hatten, sich zu akkreditieren. Er verwies auf das beschränkte Platzangebot im Partylokal (Vino Wien) – die FPÖ habe das Kontingent an „heimische Medien“ vergeben, diese hätten Priorität gehabt.

NEOS hat seinen EU-Wahlkampf gestern auf dem Wiener Karlsplatz abgeschlossen. Vor EU-Fahnen-schwingenden Wahlwerbern und mit Europahymne im Hintergrund gaben sich Spitzenkandidat Helmut Brandstätter und Parteichefin Beate Meinl-Reisinger siegessicher: „Wir werden am Sonntag zu den ganz großen Gewinnern gehören“, rief Meinl-Reisinger ins Publikum.

Eröffnet wurde das „Sternenfest“ von Generalsekretär Douglas Hoyos, der wie auch alle Redner und Rednerinnen nach ihm unter einer von DJ Niko Alm gespielten Up-Beat-Version der Europahymne die Bühne betrat. „Wir nennen es Sternenfest, weil wir gemeinsam kämpfen für die Vereinigten Staaten von Europa.“

Sterne für Forderungen

Sterne gab es dann auch genug: Zwar startete Hoyos „Helmut, Helmut, Helmut“-Rufe, holte vor dem Spitzenkandidaten aber noch jene auf den Listenplätzen, die wohl kaum zu einem Sitz im EU-Parlament führen werden, vor die Bühne. Jeder und jede von ihnen dabei mit einem großen Stern, der für eine Forderung von NEOS steht: etwa ein „europäisches Heer“, „Direktwahl der EU-Kommissarin“ und „gemeinsame Außengrenzen.“

Der Stern des Spitzenkandidaten stand schließlich für „Bildung als fünfte Freiheit der EU“. Für Brandstätter gehe es bei der Wahl auch um den Frieden, meinte er in Hinblick auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine. „Damit es keine Generation in dieser EU mehr gibt, die davon reden muss, dass ihre Väter aufeinander geschossen haben.“

Meinl-Reisinger: „Auftakt fürs Grande Finale“

Zuvor bekam er noch Unterstützung von der Parteichefin: „Viele haben gesagt, ist das eine gescheite Idee, dass der Helmut antritt? Du hast sie alle Lügen gestraft!“, war Meinl-Reisinger überzeugt. „Du bist authentisch Europa.“ Und weiter: „Das ist kein Wahlkampfabschluss, es ist ein Auftakt fürs Grande Finale. Und feiern werden wir am Sonntag.“

Auf einer Bühne beim Wiener Museumsquartier haben die Grünen gestern Nachmittag ihren Wahlkampfabschluss zur EU-Wahl zelebriert. Vor einer Hundertschaft an Unterstützern und Unterstützerinnen übten sich Spitzenkandidatin Lena Schilling und Parteichef Werner Kogler in Mobilisierungsaufrufen.

Schilling lobte den Einsatz aller als „unfuckingfassbar“, und Kogler gab sich von „anonymen persönlichen Anwerfungen“ unbeeindruckt. „Es bewährt sich, dass die Grünen nicht so schnell etwas umhaut“, meinte er.

„Ihr seid’s oarge Menschen“

Angesichts des Gegenwinds dankte Schilling allen, die hinter und neben ihr gestanden seien. „Ich möchte sagen, wie stolz ich bin, Teil dieser Partei zu sein und mit euch zu kämpfen“, trug sie ihre in Medienberichten unter Beschuss geratene Loyalität zur Partei demonstrativ vor sich her: „Ihr seid’s oarge Menschen.“

Den Wahlkampf bezeichnete sie als „ziemlichen Ride“. Erneut unterstrich sie, dass nur die Grünen „fürs Klima und gegen rechts“ glaubhaft im Einsatz seien.

Kogler: „Leicht war es nicht“

Vor Schilling gab Kogler den routinierten Einpeitscher für die Grünen. „Leicht war es nicht, aber wir sind eh nicht in die Politik gegangen, um es uns leicht zu machen“, versprühte er Galgenhumor angesichts der von der Tageszeitung „Der Standard“ anonymisiert an die Öffentlichkeit getragenen Zweifel an Ehrlichkeit und Parteitreue der 23-jährigen Spitzenkandidatin.

„Wir trotzen dem Gegenwind“, betonte Kogler und identifizierte als Gegner jemand ganz anderen, nämlich „Naturbetonierer und Klimazerstörer, und die Rechtsextremen“. Es gehe bei der Wahl am Sonntag um ein ökologisches, soziales, liberales und vor allem demokratisches Europa. „Und die Mischung kriegst nur mit uns Grünen“, betonte er. Mit dabei waren auch die Regierungsmitglieder Leonore Gewessler und Johannes Rauch und Klubchefin Sigrid Maurer.

Appell von Waitz

Zu Wort kamen auch Ines Vukajlovic und Thomas Waitz, auf der Liste der Grünen die Nummern drei und zwei hinter Schilling. Vukajlovic lobte die Wochen des Wahlkampfs als „unglaublich intensive, inspirierende und wirklich tolle Zeit“.

Waitz wiederum attackierte vor allem die ÖVP, die sich mit Rechtsaußen gegen Umwelt-, Arten- und Klimaschutz verbündet habe. Sein Aufruf: „Hört auf, mit den Faschisten zu packeln!“

Inland

Die Grünen wollen sich nicht an die ursprüngliche Vereinbarung mit dem Koalitionspartner ÖVP halten, dass die ÖVP das Vorschlagsrecht für den österreichischen EU-Kommissar haben soll.

Mehrere Voraussetzungen für den Sideletter, in dem diese Vereinbarung festgehalten ist, seien weggefallen, sagte Kogler gestern vor Journalistinnen und Journalisten in Wien. Welche Voraussetzungen das sind, wollte Kogler auf wiederholte Nachfrage nicht verraten.

Auch Kocher für Gesetzesweg

„Es wird genau nach dem Gesetz vorgegangen, wie bei allen anderen Besetzungen auch“, sagte Kogler. „Das setzt Einstimmigkeit im Ministerrat voraus, und es braucht dann noch die Mehrheit im Hauptausschuss des Nationalrats, so einfach ist das.“

Auch ÖVP-Wirtschaftsminister Martin Kocher betonte, dass man sich an das Gesetz und die Verfassung halten werde. „Es gibt meines Wissens gewisse Abmachungen“, sagte Kocher, und „in meiner Welt ist es so, dass man sich grundsätzlich daran hält. Aber es wird einen Prozess geben, wo wir wie immer Lösungen finden werden auf Basis der verfassungsmäßigen Vorgaben.“

Justizministerin Alma Zadic präsentierte gestern die von ihrem Ressort in Auftrag gegebene Studie „Befreiter Regenbogen“. Darin wird die Rechtslage für die LGBTQ-Community in der Nachkriegszeit nachgezeichnet. Der letzte Paragraf, der ansonsten legales Verhalten unter Homosexuellen unter Strafe stellte, wurde erst 2002 aus dem Strafgesetzbuch gestrichen.

Die Studie widmet sich im Detail der strafrechtlichen Verfolgung von 1852 bis 2002. Das Totalverbot von Homosexualität wurde erst 1971 aufgehoben. Im Juni 2021 entschuldigte sich Zadic stellvertretend für die Justiz für die strafrechtliche Verfolgung. Seit Februar dieses Jahres können strafrechtlich verfolgte und verurteilte Personen einen Antrag auf Entschädigungszahlungen stellen.

Studie „nicht für die Schublade“

Den Studienautoren Hans-Peter Weingand und Sebastian Pay standen dafür Akten aus dem Justizministerium zur Verfügung. Erst seit 2019 können sich gleichgeschlechtliche Paare trauen lassen, die „Ehe für alle“ ist wie viele andere Errungenschaften der LGBTQ-Community nicht auf die Politik, sondern ein Urteil des Verfassungsgerichtshofs zurückzuführen.

„Das Wichtige ist, dass diese Studie nicht in einer Schublade verschwindet“, betonte Zadic. Beim Verbot von Konversionstherapien und medizinisch nicht notwendigen Operationen an intergeschlechtlichen Kindern werde sie „nicht aufgeben“. Für beide Gesetze gab es bereits Entwürfe, diese scheiterten laut Zadic aber am Koalitionspartner.

Wirtschaft

Der US-Jobmarkt läuft trotz der Hochzinspolitik der Notenbank heiß. Im Mai wurden weit mehr Stellen geschaffen als erwartet. Es kamen 272.000 neue Jobs außerhalb der Landwirtschaft hinzu, wie aus dem gestern veröffentlichten Arbeitsmarktbericht der US-Regierung hervorgeht. Für die Notenbank Fed spricht das gegen eine frühe geldpolitische Wende – also eine Zinssenkung –, wie sie am Vortag die EZB vollzog.

Von Reuters befragte Fachleute hatten lediglich mit 185.000 gerechnet, nach revidiert 165.000 (bisher: 175.000) im April. Die separat ermittelte Arbeitslosenquote stieg im Mai allerdings auf 4,0 Prozent, nachdem sie 27 Monate lang darunter geblieben war. Ökonominnen und Ökonomen hatten erwartet, dass die Quote wie im Vormonat bei 3,9 Prozent liegen würde.

Die Abkühlung des Arbeitsmarkts gilt der Notenbank als wichtige Voraussetzung, um ihr Zweiprozentziel bei der Inflation dauerhaft zu erreichen. Für die Demokraten und Präsident Joe Biden ist das Jobwachstum im Wahljahr eine gute Nachricht. Gleichzeitig führen die anhaltend hohen Zinsen dazu, dass sich immer weniger Menschen den in den USA besonders wichtigen Traum vom Eigenheim leisten können.

Mit einem „Made in Europe Bonus“ will die Regierung die Verwendung europäischer PV-Komponenten beim Bau von Photovoltaikanlagen stärker fördern. Mehr Geld für Förderungen soll es nicht geben, aber das bereits budgetierte soll „treffsicherer“ verteilt werden, erklärte Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) gestern bei einer Pressekonferenz.

Geregelt wird der „Made in Europe Bonus“ bei den Investitionsförderungen über das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EGA), das deshalb angepasst werden soll. Wer eine Investitionsförderung bekommt, soll zusätzlich bis zur 20 Prozent des Förderbetrages erhalten, wenn ein Mindestanteil an europäischen Komponenten beim Bau der PV-Anlage verwendet wird.

„Regionale europäische Wertschöpfung erhöht“

Für die entsprechende Änderung im EAG ist eine Zweidrittelmehrheit im Parlament notwendig, davor soll sie am Mittwoch im Ministerrat beschlossen werden. „Die erhöhten Fördersätze gelten für Anlagen ab 35 kW Peak“, erklärte Gewessler. Das seien typischerweise Anlagen von Betrieben, weil man dafür mindestens 100 Quadratmeter Dachfläche brauche.

„Damit wird regionale europäische Wertschöpfung erhöht und vor allem, das ist der entscheidende Punkt, ein fairer Wettbewerb garantiert“, sagte ÖVP-Wirtschaftsminister Martin Kocher. „Uns geht es um ein Level Playing Field, wenn es auch um andere Teile der Welt geht.“ Diese würden sich Vorteile über fragwürdige Handelspraktiken verschaffen, kritisierte Kocher – Europa dürfe da nicht naiv sein.

21 europäische Energieminister und Energieministerinnen hätten im April 2024 gemeinsam mit der EU-Kommission die europäische „Solar-Charta“ unterzeichnet, sagte Gewessler. Darin habe man sich dazu bekannt, europäische PV-Produktion entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu stärken.

Kritik aus Opposition und Gewerkschaft

SPÖ-Energiesprecher Alois Schroll hatte bereits am Dienstag kritisiert, dass Gewessler schon vor einem Jahr hätte handeln können. Auch der Bundesvorsitzende der Produktionsgewerkschaft PRO-GE, Reinhold Binder, warf der Regierung vor, sie habe wertvolle Zeit verstreichen lassen.

Gewerkschaft und Arbeiterkammer vermissen außerdem die Berücksichtigung sozialer Aspekte bei der Förderung. Das EAG erlaube nämlich eine Koppelung der Förderung an erhöhte soziale Standards und ausgebauten Schutz der Beschäftigten, sagte die Chefökonomin des Österreichischen Gewerkschaftsbunds (ÖGB), Helene Schuberth, in einer Aussendung.

Chronik

Unwetter haben gestern Nachmittag in der Steiermark und in Niederösterreich Millionenschäden in der Landwirtschaft verursacht. Rund 5.000 Hektar Fläche an landwirtschaftlichen Kulturen waren von Starkniederschlägen und Hagel betroffen, gab die Österreichische Hagelversicherung bekannt.

Die angekündigten starken Gewitter haben laut ersten Erhebungen durch die Sachverständigen der Hagelversicherung einen landwirtschaftlichen Gesamtschaden von 2,7 Millionen Euro verursacht. Betroffen waren die Bezirke Leibnitz und Deutschlandsberg in der Steiermark sowie der Bezirk Waidhofen an der Thaya in Niederösterreich.

„Weiterhin hohes Unwetterpotenzial für das Wochenende“

In der Steiermark wurden 3.500 Hektar Agrarflächen von den Unwettern in Mitleidenschaft gezogen, der Schaden beträgt dort 1,9 Millionen Euro. In Niederösterreich waren es 1.500 Hektar, die Versicherung bezifferte die Schadenssumme mit 800.000 Euro.

„Die Prognosen der Meteorologen weisen für das Wochenende weiterhin auf ein hohes Unwetterpotenzial hin“, warnte der Sprecher der Österreichischen Hagelversicherung am Abend in einer Aussendung.

Eine auf dem Flughafen von Frankfurt am Main gefundene Phosphorbombe aus dem Zweiten Weltkrieg ist gestern kontrolliert gesprengt worden. Die Sprengung sei erfolgreich verlaufen, schrieb die Polizei am Abend im Onlinedienst X (Twitter). Die Autobahn A5 sei wieder freigegeben.

Die Bombe war zuvor bei Bauarbeiten auf dem Flughafengelände gefunden worden. Für die kontrollierte Sprengung musste die Autobahn vorübergehend gesperrt werden, ein Sperrkreis rund um den Fundort wurde eingerichtet.