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Take That in Hamburg Spaß mit dem weißen Hasen

Enge Hosen! Robbie! Tanzeinlagen! Beim ersten Deutschland-Konzert der wiedervereinigten Boyband Take That erleben rund 43.000 Zuschauer in der Hamburger Imtech-Arena ein Spektakel, bei dem sich etliche Höhe-, aber auch ein paar Tiefpunkte jagen.
Take That (bei der "Echo"-Preisverleihung im März): Let Us Entertain You

Take That (bei der "Echo"-Preisverleihung im März): Let Us Entertain You

Foto: dapd

Dass man einfach nur "Take That" sagen muss, um 43.000 Menschen zum Schreien zu bringen, finden auch die Pet Shop Boys verblüffend. Das legendäre Popduo hat eine halbe Stunde seine größten Hits gespielt, als Sänger Neil Tennant den Hauptact ankündigt und die Besucher der ausverkauften Hamburger Imtech-Arena ohne großen Vorlauf ausrasten. Auch wenn es bereits das 33. Konzert der extrem erfolgreichen "Progress"-Tour ist, scheint Tennant es noch immer nicht glauben zu können, dass all diese Menschen so viel Lärm für eine Boyband machen können, die ihre größten Hits vor 15 Jahren hatte. Eine Stunde später stellt sich heraus, dass es noch lauter geht. Dann kommt nämlich Robbie Williams auf die Bühne, und das Konzert erreicht je nach Sichtweise seinen ersten Höhepunkt oder erleidet seinen ersten Knick.

Zwei Alben und drei Touren haben Take That ohne Williams vorgelegt. Die Alben waren europaweite Bestseller, die Touren besonders in Großbritannien in Rekordzeit ausverkauft Da passt es nur, dass die Viererbesetzung aus Gary Barlow, Mark Owen, Jason Orange und Howard Donald auch die aktuelle "Progress"-Tour eröffnet und zunächst nur Songs singt, die alle seit der Wiedervereinigung vor fünf Jahren entstanden sind.

Die Lieder - allen voran "Rule The World" und "Patience" - stimmen im freundlichen Midtempo gemütlich auf den Abend ein, die Bandmitglieder sind in petrol- und bordeauxfarbenen Hemd- und Westenensembles ebenfalls gediegen eingekleidet. Das ist in sich wenig spektakulär und doch bemerkenswert: Take That funktionieren auch unironisch, einfach weil die neuen Songs gut sind. Die zur "Manband" gereifte Gruppe nimmt die Bühne mit unaufgeregter Präsenz ein. Keiner der vier Männer um die 40 zeigt stimmliche oder körperliche Schwächen, allen voran Gary Barlow hat mit dem Alter sogar deutlich an Attraktivität gewonnen. Gemeinsam singen sie insgesamt vier Lieder, bei denen erst das letzte, "Shine", in einem bunten Verkleidungsexzess im Stil von Alice im Wunderland mündet.

Einmal Fluchen und Po wackeln für Take Thats größten Solostar

Exzess ist natürlich das Stichwort für Robbie Williams, der als weißer Hase erst auf der riesigen Videoleinwand auftaucht, um dann endlich auch Fuß auf die Bühne zu setzen. Wegen einer Lebensmittelvergiftung musste Williams Anfang der Woche das Konzert in Kopenhagen absagen. Von der Unpässlichkeit ist höchstens eine etwas rauere Stimme übrig geblieben. Ansonsten hat Williams einen durchtrainierten Körper und ungebändigten Geltungsdrang zu bieten. "Let Me Entertain You" eröffnet eine Phase, in der nur er und nur mit Solomaterial zu hören ist. Das rockt einerseits, weil weder die neuen noch die alten Take-That-Hits so viel Wumms haben. Andererseits hat Robbie selbst überhaupt keine Hits mehr, weshalb er von "Rock DJ" bis "Feel" nur alte Songs singt.

Bevor Williams wieder zu Take That stieß, soll sich sein Management ausbedungen haben, dass er vierzig Minuten Solomaterial während der Liveshows singen darf. Wer da wem einen Gefallen tut, ist beim Konzert in Hamburg aber nicht klar. Wahrscheinlich sorgt Robbie allein mit seiner Teilnahme für bestimmt ein Drittel der Ticketverkäufe. Aber allein würde er eine Tour nur mit Greatest Hits auch nicht bestreiten können. Und so wirkt es auf seine Art auch ein wenig gnädig, dass Take That für ihren größten Solostar vorübergehend die Bühne räumen, damit er noch einmal fluchen und Po wackeln kann, als hätte es die Flop-Alben "Rudebox" und "Reality Killed The Video Star" nie gegeben.

Fast erscheinen die nostalgischen Momente verflogen, als die vier anderen Take-That-Mitglieder nach einem wahrlich dick aufgetragenen "Angels" zu Williams dazu stoßen und nun endlich zu fünft die aktuelle Single "The Flood" singen. Als Showgag lassen sich dafür Artisten mit Seilen an der Gitterstruktur der Bühne hochziehen und mit Wassermassen bespritzen. Dabei ist die Bühne bereits glänzend nass, schließlich hat es beharrlich seit dem ersten Song geregnet.

Zum Glück lenken mehr Showeffekte und mehr Kostümwechsel von Nässe und Kälte ab. Vor allem bei "Kidz" zeigen Take That, zu wie viel Witz sie fähig sind. Inmitten eines Tänzerensembles treten sie plötzlich als schwarzweiße Schachfiguren gegeneinander an und feiern ein wunderbar sinnloses Camp-Spektakel ab, bei dem sogar die Bandstruktur auf die Schippe genommen wird. Denn was tun Jason und Howard, die stets nur als Tänzer auftreten und nie einen Song allein singen durften? Sie bringen zwei hochalberne Breakdance-Tanzeinlagen, deren Irrsinn noch dadurch unterstützt wird, dass Robbie Williams zu ihnen rappt.

Update und Abschiedskonzert in einem

Selbstironisch geht es weiter, als sich die Band dann doch noch ihrer Vergangenheit als Teenpop-Sensation zuwendet. Gary setzt sich ans Klavier und stimmt kurz Hits wie "Million Love Songs" oder "Babe" an. Dazu wird Rotwein für Gary, Howard und Jason gereicht, während Mark und Robbie, die Suchttypen, mit Milch abgespeist werden. Fast ist es an Appetithäppchen aus der Vergangenheit zu viel, da wird endlich die erste komplette Nummer aus den Neunzigern gesungen - und "Back For Good", der Song, mit dem Take That endlich auch Anerkennung weit über Jugendzimmer hinaus gewannen, klingt wieder so gut wie 1996. Zu "Pray" führen die fünf sogar eine kleine Choreographie auf, für die sie das Publikum lachend feiert.

Bevor es in die Zugabe geht, schließt "Never Forget" den Rückblick und den Hauptteil des Konzertes ab. "We're still so young and we hope for more" sangen Take That auf ihrem letzten Album, bevor sie sich auflösten. Ob es dieses "more" war, auf das sie damals gehofft haben, ist nicht klar. Nachdem sie mit "Relight My Fire" zum Schluss ein Disco-Feuerwerk abbrennen, bei dem Robbie Williams den Solopart von Lulu übernimmt, kann man sich jedenfalls nicht vorstellen, was danach noch an "more" kommen soll.

Einerseits haben Take That eingangs gezeigt, dass sie als ernsthafter zeitgemäßer Popact funktionieren. Andererseits haben die Parts mit Robbies Solostücken und den alten Hits die Show ins Nostalgische kippen lassen. Mit dem seltsamen Gefühl, sowohl ein Update als auch ein Abschiedskonzert erlebt zu haben, entlassen einen Take That in die Nacht.