Gespräche der Konferenz, Tag 2

Oktober 8, 2010 by

Tag 2

Achtung: Was man von hier ab lesen kann ist eine Annäherung an das, was in der Konferenz gesagt wurde, um den Sinn jeder Wortmeldung zu erfassen. Es ist keine wörtliche Mitschrift.


Die Poesie zwischen Widerstand und Vermarktung

Laura Alcoba: Ich verstehe die Poesie als einen Raum des Widerstands. Sowohl in Argentinien als auch in Deutschland ist es für die Poesie sehr schwierig, wirtschaftliche Unterstützung zu erhalten. Deshalb ist es eine Form von Widerstand, weiter Poesie zu schreiben und an sie zu glauben. Sergio Raimondi hat gesagt, dass jene das Lektorat bzw. die Leserschaft der Poesie bilden, die sie auch schreiben, und möglicherweise ist das etwas, unter dem die Poesie leidet. Wie ist es möglich dieser Enge zu entfliehen? Sergio, denkst du, das ist nötig? Ich lese Poesie – und wenn ich das mache fühle ich mich, als ob ich gerade etwas Subversives mache.

Sergio Raimondi: In Argentinien existiert ein recht großer Lesekreis. Aber man darf den Markt nicht als monströses Wesen verstehen, das uns wer-weiß-was wegnehmen will. Ich glaube nicht einmal, dass man in negativen Begriffen über den Markt denken sollte, denn sonst würde die Schöpfung von Poesie wie von einer anti-kapitalistischen Sekte erscheinen und es ist ja mehr eine ideelle als eine konkrete Angelegenheit. Poesie hat oft extrem literarische sozialisierte Leser. Mich interessieren eher die literarisch nicht-geformten Leser und ich bin der Meinung, dass es die Aufgabe der Schriftsteller ist, diesen Lesern den Zugang zu Themen der Poesie zu öffnen.

Tom Bresemann: Hier in Deutschland gibt es die lyrikmail, die täglich um die 15.000 Leser erreicht. Und ich bin mir sicher, dass diese 15.000 nicht alle Poeten sind!

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Gespräche der Konferenz, Tag 1

Oktober 7, 2010 by

Tag 1

25. März: Es ist der erste Tag des Jahres, an dem es in Berlin 20 Grad hat. Auch in Deutschland scheint die Sonne, sie brennt und kann sogar den würdevollen und weiten Himmel zum Strahlen bringen. Alle kommen etwas zu spät in die Lettrétage, außer Tilman Rammstedt, der war 10 Minuten früher da. Die Schriftsteller lauschen aufmerksam der erklärten Gebrauchsanleitung für die Kopfhörer der Simultanübersetzung, die, sobald sie wie Stethoskope in den Ohren getragen werden, das Treffen in ein Symposium von Medizinern verwandeln. Die Deutschen brauchten Ruhe und die Argentinier mussten diese mit Wörtern füllen.

Achtung: Was man von hier ab lesen kann ist eine Annäherung an das, was in der Konferenz gesagt wurde, um den Sinn jeder Wortmeldung zu erfassen. Es ist keine wörtliche Mitschrift.

 

Foto: Timo Berger

 

Tom Bresemann: Nachdem wir nun vorgestern mit der Eröffnungsnacht den repräsentativen Teil hinter uns gebracht haben, können wir uns nun darauf konzentrieren miteinander zu reden.

Wir erwarten hier nicht von euch, dass ihr schöne Sätze formuliert, wie ihr das auf der Leipziger Buchmesse getan habt, sondern wir wollen, dass ihr euch kennen lernt, dass ihr Themen, die euch interessieren, zur Diskussion stellt, wie zum Beispiel das Plagiat.

Wie läuft das ab in Argentinien und wie in Deutschland?

Gibt es „die Deutschen“ und „die Argentinier“ überhaupt?

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Felix Bruzzone: Notizen

Oktober 3, 2010 by

Die Notizen sind gemeinsam mit dem Statement Laura Alcobas als Buch erschienen: „Memoria – Gedanken“ (B26° Verlag) … Herausgegeben von Timo Berger und Tom Bresemann, über den Verlag erhältlich.

Erzählungen von Felix Bruzzone sind im Sammelband „1976“ erschienen, sowie in den Anthologien: „Asado Verbal“ und „Neues vom Fluss

Notizen für einen Redebeitrag über das Verhältnis von Erinnerung und Politik

Félix Bruzzone

1.- Das Wort „memoria“1 wird heutzutage in Argentinien oft mit einem Großbuchstaben geschrieben und damit auf die Geschehnisse der 70er Jahre bezogen, also auf die Geschehnisse während und im Umkreis der Militärdiktatur. Seit einigen Jahren herrscht eine offizielle Erinnerungspolitik, die zahlreiche Ehrungen, die Eröffnung von Gedenkstätten, Gedenkparks und Gedenkmärschen umfasst, all diese Aktivitäten und Orte, die noch dazu staatlich verordnet wurden und verbindlicher Bestandteil der offiziellen Agenda sind. Selbstverständlich werden alle diese politischen Maßnahmen wegen der ihnen zugrunde liegenden Interessen kritisiert (Interessen, wie sie allen politischen Maßnahmen zugrunde liegen, ob öffentlich oder privat). Aber worauf es mir bei all diesen kritischen Einwänden ankommt, ist der Eifer, der in vielen Fällen auf den Versuch verwandt wird, die Bedeutung des Wortes „memoria“ fest zu verankern, und dabei so zu tun, als ob Gedenken nicht mehr sei als eine ewige Rückkehr zum Vergangenen, als ob Erinnerung nur eine Sache der Vergangenheit wäre. Den Rest des Beitrags lesen »

NEUES von den Botenstoffe[n]

September 22, 2010 by

Soeben erreichten uns die Fahnen einer schönen Spätfolge der Konferenz!

B26° heißt der Verlag, der die Statements (von Claudia Wente ins Deutsche übertragen) von Félix Bruzzone und Laura Alcoba abdruckt. Eine kleine eigenständige Publikation ist entstanden, die pünktlich zur Buchmesse in Frankfurt erhältlich sein wird. „Memorias – Gedanken“ heißt diese zweisprachige Perle, die wir als Veranstalter der Konferenz auf das Herzlichste begrüßen!

Natürlich haben auch wir unseren Senf dazugegeben, in Form eines Geleitwörtchens:
Laura Alcoba und Félix Bruzzone sind zweifellos die Entdeckungen der ersten argentinisch-deutschen Schriftstellerkonferenz, die vom Hauptstadtkulturfonds und der COFRA gefördert im März 2010 in Berlin stattfand.
Die eine suchend und fragend, den Blick in die Vergangenheit gerichtet, aus einer Position, die zwischen Innen und Außen, der französischen und der spanischen Sprache osziliert: Tochter von argentinischen Politaktivisten, die während der letzten Militärdiktatur nach Frankreich fliehen mussten, um ihr Leben zu retten.
Der andere, ebenfalls von der Vergangenheit gezeichnet, ein Sohn von – wie die Diktaturschergen dies nannten – “Verschwundenen” (eine euphemistische Chiffre für diejenigen, die verschleppt, ermordet und anonym verschachert wurden), der doch trotz aller Schwere des Schicksals eine ironisch-hinterfragende Position einnimmt. Der Schalk im Nacken des selber Betroffenen erlaubt es ihm, die Stereotype der Vergangenheit zu unterminieren.
Die hier abgedruckten Texte sind als Statements, Gesprächsgrundlagen für die Konferenz aufgeschrieben worden. Nun laden wir Sie herzlich ein, sie zu lesen. Und mitzureden.

ERHÄLTLICH ANFANG OKTOBER 2010!

Paradoxien. Hier, dort, bis auf weiteres

September 15, 2010 by
Laura Alcoba

Laura Alcoba. Foto: Timo Berger

Erst vor kurzer Zeit beherrschte in Frankreich (meiner zweiten Heimat oder auch meiner ersten, ich weiß nicht, wie ich es sagen soll, jedenfalls dem Land, in dem ich seit meinem zehnten Lebensjahr lebe) eine Debatte in nahezu krankhafter Weise die Öffentlichkeit.

„Was ist die nationale Identität?“ So lautete die Frage, die das Ministerium für Nationale Identität und Einwanderung (so etwas gibt es in Frankreich tatsächlich …) vor einigen Monaten als aktuelle Debatte ausrief. Die Regierung lud dazu ein, sich über dieses Thema Gedanken zu machen, es sei „unabdingbar“ und „essentiell wichtig“ – so die Regierung Sarkozy und insbesondere ihr Minister für nationale Identität, Eric Besson, – zu einer allgemeinen Definition des „französischen Wesens“ zu gelangen. Eine solche Definition schien die Grundvoraussetzung dafür zu sein, „gemeinsam“ auf einem Staatsgebiet leben zu können („vivre ensemble“), in dem viele Menschen ursprünglich aus ganz unterschiedlichen kulturellen Räumen kommen, auch wenn sie französische Staatsbürger sind.

Diese Debatte zog zahlreiche Polemiken nach sich, die, wie nicht anders zu erwarten war, die Debatte selbst, ihre Daseinsberechtigung und das, was ihr zugrunde lag, auf den Prüfstand stellten.

Die Akteure des kulturellen Lebens, die Schriftsteller, Künstler, Intellektuellen, weigerten sich rundweg, sich an dieser durch die Regierung als „nationale Debatte“ verordneten Diskussion zu beteiligen.

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Laura Alcoba: Paseos literarios

August 29, 2010 by

Laura Alcoba. Foto: Timo Berger

25 de marzo
El primer día con Juliane Liebert vimos sobre todo el Berlín vanguardista y alternativo. Recuerdo que nos perdimos en un laberinto de galerías de arte. Nuestros pasos nos llevaron a una exposición de fotos sobre Berlín –Este, y fue curioso porque esa casualidad entró en eco con nuestra charla, con la vida de Juliane, con la historia de su familia. Algunas fotos completaban o prolongaban lo que acabábamos de decir. Milagros del azar. La traductora fue una interlocutora más – también su historia familiar, la historia de su abuelo, abrió un trasfondo de memorias fascinante.

26 de marzo
El segundo día, con Tilman Rammstedt, fuimos del lado de Kreuzberg, cerca del Landwehrkanal. Recuerdo una extraña sopa lingüística – yo me empeñaba en utilizar mi alemán escolar, completándolo con castellano, inglés y mucho de francés par nécessité, y en cierto momento Tilman me dijo: “creo que estamos hablando en cuatro idiomas al mismo tiempo.” Fue día de espejos y de miradas cruzadas. Hablamos de las dificultades de la escritura, de las dificultades editoriales y materiales, de las condiciones de escritura que a veces influyen tanto – que se quiera o no, c’est le nerf de la guerre como se diría en francés. También evocamos los libros indispensables, esenciales, aquellos que nos cambiaron, esas lecturas que marcan un antes y un después.

Lola Arias: El diario de mi vida después

Mai 25, 2010 by

Liza Casullo afinando su guitarra. Foto: Timo Berger

Antes de la obra

Hay una foto mía a los 9 años vestida con la ropa de mi madre, sus anteojos y un diario en la mano. En esa foto yo actúo de mi madre y actúo mi futuro al mismo tiempo. Siempre que miro esa foto me parece que mi madre y yo estamos superpuestas, como si dos generaciones se encontraran, como si ella y yo fuéramos la misma persona en algún raro pliegue del tiempo.

Supongo que muchas personas tienen una foto con las ropas de su padre o su madre entre su álbum de infancia. Para mí, esa voluntad infantil de representar al padre, trajo la idea de hacer una obra en que los hijos se ponen la ropa de los padres para reconstruir la vida de ellos, como si fueran dobles de riesgo dispuestos a revivir las escenas más difíciles de sus vidas.

Y pensé que los actores de esa obra tenían que ser de mi generación. Una generación nacida durante la dictadura militar, que creció entre relatos fragmentarios, borrosos o inventados sobre lo que pasaba en esa época.

Entonces empecé a entrevistar a actores de mi generación sobre su historia familiar. Cada uno venía a verme con sus fotos, sus cartas, los objetos de sus padres. Eran reuniones muy especiales donde yo me convertía en una suerte de espía de la vida privada de los otros. Den Rest des Beitrags lesen »

Felix Bruzzone: Paseos Literarios

Mai 17, 2010 by

Felix Bruzzone

Jueves, Nora

Bajamos hasta Admiralbrücke, bordeamos el canal, la gente retoza en las orillas y Nora había contado su novela, su vida en Italia, temas varios hasta que paramos a tomar algo sobre una mesa que es un tablón. Temas varios, también, y el esperado momento de la “oralidad”. ¿Cómo escribir en alemán desde Italia? ¿Cómo construir el idioma, sus sonidos, su entonación, traducir eso en la escritura, sin alemanes a la vista? Porque Nora no parece “globalizar”, parece más bien “regresar”, no por ser regresiva, sino por necesidad de búsqueda de algún origen vital para la escritura, algo que la cargue de fuerza. El alemán se construye mejor así, para ella, lejos, “su” alemán vive y se desarrolla mejor sin interferencias. Den Rest des Beitrags lesen »

Julia Zange: Pluralistische Ausdifferenzierung

Mai 17, 2010 by

Julia ZangeJulia: „Anni, was meinen die wohl mit pluralistischer Differenzierung?“

Anni: „Wenn man vieles gut findet, aber das kritisch betrachtet.“

Riskante Freiheiten, Ulrich Beck. Klar. Durchpluralisierung von Gesellschaft, Kunst, Literatur. Eine unendliche Kernspaltung ist angestoßen, der kleinste Teil scheint immer noch nicht erreicht. Man kann das Lager noch mal teilen. Es scheint unmöglich eine Gruppe zu bilden. Berlin 2010. Immer feinere Unterschiede, die aber immer weniger bedeuten.

Modische Distinktion funktioniert kaum noch. H&M frisst die Trends von der Straße so schnell und Kunst ist längst implementiert, das Marketing besteht nicht mehr aus weltfremden Kalkulatoren, sondern es hat gelernt sich just in time in die Trends einzumischen. Im Internet sind wir unser eigener Gatekeeper. Also letztendlich mit allem verbunden, aber allein.

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Lola Arias: Paseos con escritores

Mai 15, 2010 by

Lola Arias

Paseo Jueves.

El jueves voy de paseo con Julia. Caminamos en el sol, tomamos el té y hablamos de otros escritores alemanes jóvenes. Julia dice que X tiene talento, que Y es mediocre, que Z escribe muy mal y es muy aburrido. Julia es una chica hermosa con una ironía feroz. Nos reímos bastante y también hablamos de ex-novios, de su novela, de la diferencia entre escribir y hacer teatro.

Luego vamos al teatro donde yo estoy ensayando una obra con gemelas a ver las pruebas del video. Julia mira los videos sorprendida y luego dice que tiene mucho sueño, que tiene que dormir un poco antes de seguir con la maratón de los escritores.

Paseo Viernes.

El viernes voy de paseo con Daniel al KW a una muestra de artistas polacos. Vemos fotos, películas épicas y un video de Arthur Zmievski llamado Democracy donde los dueños de un mercado se oponen a la construcción de un museo y todos terminan arrojándose botellas entre sí y a la policía. Todo es tan violento y absurdo que nos reímos y al poco tiempo, nos dan ganas de llorar.

Mientras subimos y bajamos las escaleras del KW, Daniel me cuenta de la importancia de el espacio en sus poemas, de una obra de teatro en que los escritores actuaban y de los problemas de ser demasiado alto.