Thomas Pötschke


16.04.1983

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20.03.2004

Auszugsweise aus dem Bericht von Lutz Schnedelbach frei interpretiert.

Zum Gedenken an Thomas, Freundschaft dauert über den Tod hinaus. Er wollte nur einen randalierenden Mann stoppen und zwei Frauen helfen. Dreizehnmal stach der Tunesier auf ihn ein, Thomas ist am S-Bahnhof Marzahn noch an den Verletzungen verstorben, wie sich später herausstellen sollte an einem direkten Stich ins Herz. Das Herz, dass für seine Familie und Freunde das wohl größte und herzlichste war.

Seine Zivilcourage hat Thomas das Leben gekostet. Das man in der Zeit des Trauerns nicht mit sich allein war, hat der Mutter und vielen Freunden Mut gegeben. Dort wo er sein Leben gab, zierte Wochen und Monate lang ein Holzkreuz, die Stelle an der sich Freunde und Familie zum Gedenken an einen Freund, Sohn und Bruder versammelten.Für Zivilcourage gegen jegliche Gewalt, eine Stunde bewegte sich der Trauermarsch durch Marzahn, die große Anteilnahme war für Familie und Freunden ein besonderer Trost gewesen.

Zum Ende des Trauerzuges war ein Mann vor dem Holzkreuz zu sehen, der in sich gekehrt da stand und einen Strauß Rosen niederlegte. Er der wie der Täter auch aus Tunesien stammte schäme sich sehr für seinen Landsmann. Familie und Freunde werden viel Kraft brauchen um den Schmerz zu überwinden. Wie soll man aber den Schmerz überwinden, wenn man als Eltern sein Kind „Überlebt“? Es ist einfach nicht möglich, Freunde und auch Familienangehörige werden noch viele Jahre brauchen um etwas zu verarbeiten, was man nicht verarbeiten kann.

Nach einer Trauerminute vor dem Holzkreuz verneigte er sich und kehrte zum Bahnhof zurück. Auch wenn es keine mahnende Gedenktafel geben wird, soll das geschehene nicht vergessen werden. Thomas bleibt in den Erzählungen von Freunden und Familie am Leben, er verweilt für einen kurzen Augenblick in unserer Mitte, nur weil man über ihn spricht. An dem Tag der Beisetzung begleiteten nicht nur Familie und Freunde Thomas auf seinem letzten Weg, es waren auch sehr viele Menschen gekommen, die Thomas nicht kannten um von ihm Abschied zunehmen.

Man ist erst Tod, wenn man vergessen wird.





Quelle

Auszugweise zitiert und frei interpretiert aus dem Text von Jan Becker, Stefan Schützler aus dem Projekt Gangway e.V. und von Dr. Herbert Scherer vom Verband für sozial-kulturelle Arbeit e.V.

Thomas, die Brüder M. und R. treffen sich mit D. und D., es wird getanzt und getrunken, D. trinkt als einziger nicht, denn er fährt schließlich mit seinem Auto die Gruppe zur Diskothek am S-Bhf. Marzahn. Sie finden dort einen der freien Parkplätze direkt gegenüber der Diskothek.

Die jungen Männer hören einen Knall nach dem Aussteigen, M. sieht einen Mann, der Heckscheiben von anderen geparkten Wagen zertrümmerte. In einem Wagen bemerken die Jungs, noch eine Frau mit ihrer Tochter, sie wurde durch das splitternde Glas leicht verletzt, als der Randalierer die Jungen bemerkt versucht er zu flüchten.

Thomas besinnt sich nicht lange und kann den Täter als ersten stoppen, er forderte ihn auf: Mit dem Unsinn aufzuhören. Der Täter zog in diesem Moment ein Messer und stieß es Thomas in den Bauchbereich, dieser ging zu Boden und versuchte sich in Sicherheit zu bringen, doch der Täter wirft sich neben ihm auf die Grünfläche und sticht immer wieder auf ihn ein, seine Freund M. stand erstarrt und schreiend ganz in der Nähe, er konnte seinem Freund nicht helfen.

Nachdem der Täter sein grausiges Werk beendet hat, suchte dieser sich schon sein nächstes Opfer, M. der in unmittelbarer Nähe stand könnte dem Angreifer entkommen, auf der Flucht vor dem Täter stoppt er ein vorbeifahrenden Streifenwagen, mit aller Kraft machte er die Beamten auf das gerade geschehene aufmerksam.

D. der sich auf der naheliegenden S-Bahn-Übergang in Sicherheit wog, wurde durch den flüchtenden Täter mit einem Messerhieb in den Lungenbereich schwer verletzt. Die Beamten können den 24 Jährigen Tunesier erst auf dem S-Bhf. Marzahn überwältigen und in Gewahrsam nehmen. Das waren schreckliche Szenen, überall war Blut, hatte ein Ermittler den Tatort umschrieben. D. der durch einen Stich in die Lunge noch Tage in Lebensgefahr schwebte sollte sich körperlich wieder erholen, für Thomas jedoch kam jegliche Hilfe zu spät, der Täter hat ihm in seinem Wahn in sein Herz gestochen.

Im Jugendclub gab es Raum um das geschehene zu verarbeiten, der Vater organisierte sich mit den Jugendlichen und half ihnen mit Gesprächen und stand auch bei Aktionen den Freunden zur Seite. Er war es der die Freunde seines Sohnes nicht mit ihren Emotionen allein ließ, er besuchte die Jugendlichen in der Freizeiteinrichtung und stärkte den Zusammenhalt und sprach ihnen Mut zu. Selbst in Schmerz und Trauer, appelliert er, keinen Hass gegen Ausländer aufkommen zu lassen, da es sich um einen Einzeltäter handelte.

Nach der Messer-Attacke machte sich nicht nur im Familien- und Freundeskreis tiefe Betroffenheit bemerkbar. Auch andere Gruppierungen versuchten den Mord als Mittel für ihre Zwecke zu gebrauchen. Der Tatort wandelte sich innerhalb von Tagen zu einem Blumenmeer, an dem sich auch immer mehr Botschaften der rechts orientierten Szene ansammelten. Um einen Missbrauch zu rechten Zwecken gegen zu wirken, wurde ein Leitgedanke geboren:

Für Zivilcourage, gegen jegliche Gewalt, wir trauern um Thomas Pötschke


Ein rechts orientierter Trauermarsch wurde von den Familienangehörigen und Freunden von Thomas boykottiert, es ließ sich aber nicht verhindern, dass Jugendliche durch die rechte Szene gezielt angesprochen und angeworben wurden.

Unterstützt durch Sozialarbeiter aus verschiedenen Einrichtungen in Marzahn entwerfen Freunde von Thomas ein Schreiben für das Kondolenzbuch:

Thomas war ein offener, fröhlicher und allzeit hilfsbereiter Mensch. Im Kreise seiner Freunde unterstützte er gemeinsame Aktivitäten, die er in seiner Freizeit mit organisierte. Er spielte in einer Sport-Freizeitgruppe Fußball und Volleyball, er war ein leidenschaftlicher Biker. Sein großer Freundeskreis schätzte ihn aufgrund seiner Bescheidenheit, zugänglicher Art und Unkompliziertheit und das machte ihn zu einem beliebten Mitmenschen. In schwierigen Situationen zeigte er offen seine Zivilcourage und durch persönliches Engagement half er, Probleme zu lösen.

Freunde sagten: Er war ein feiner Kerl, der immer da war, wenn man ihn brauchte. Sein Gerechtigkeitssinn und seine offene zupackende Art könnte ihm zum Verhängnis geworden sein.

Der Vater wird in einem Interview sagen, das man auf die Straße geht um die Brutalität in der Gesellschaft anzuprangern.

Es begleiteten zwischen 600 und 800 Menschen die Familie und Freunde beim Trauermarsch, hinter dem Transparent / Thomas Pötschke – ermordet mit 20 Jahren / mit einer Schweigeminute endete der Trauerzug.

Immer wieder wurden Thomas Kontakte zur rechten Szene angehaftet, selbst Wochen später wird sich das Gerücht noch halten und von einer rassistisch motivierten Tat die Rede sein. Bis zur Beisetzung wurde vermehrt die Forderung laut, sich von jeglichen Missbrauch durch politische Gruppierungen zu distanzieren.

Die Stadträtin Dr. Schmidt richtet sich mit engagierten Worten an die Jugendlichen, Sie wollte ihnen beistehen, so gut es ginge und sie mit ihrer Trauer und Wut nicht alleine lassen.

Auf seinem letzten Weg wurde Thomas von über 200 Menschen begleitet, an Freunden und Familie zieht dieser Tag nicht spurlos vorbei.

Für Zivilcourage, gegen jegliche Gewalt, wir trauern um Thomas Pötschke.





Quelle


Mörder


Engel