Die grüne Hecke ist ein Zitat

Gelesen: Frische Links aus den Literaturblogs.

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Das Datum ist der erste Mai. Ich schreibe die erste 5 für den Monat, und wie in jedem Jahr irritiert es mich kurz. Denn die 4 des Aprils, die war noch okay und im normalen Verlauf, die 4 fühlt sich für mich noch nach Jahresanfang an, nach geregeltem Verlauf und planmäßiger Chronologie. Die 5 aber! Die 5 steht klar für: „Haben wir dieses Jahr also auch bald geschafft, guck an.“

Auf dem Buckel einer Achterbahn, wenn das Wägelchen langsam nach vorne kippt, so ist der Mai. Dann die Schussfahrt durch den Sommer. Man reißt nur ab einem gewissen Alter nicht mehr die Hände jubelnd hoch dabei.

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Ich lese Mai-Gedichte, den Band aus der feinen Reclam -Reihe mit den Monatsgedichten, die ich nebenbei noch einmal empfehlen möchte (keine bezahlte Werbung, nein). Diese Reihe kann man ruhig vollständig im Regal stehen haben, sie nimmt kaum Platz weg, sie ist günstig zu erwerben und zu jedem Monatswechsel wieder interessant.

Beim Lesen der Verse kann man die Verschiebung durch den Klimawandel noch einmal recherchieren, denn den Maiband hätte man in diesem Jahr definitiv im April lesen müssen. Nahezu alle Erwähnungen von jahreszeitlichen Phänomenen an Pflanzen, Tieren, Wetter und menschlichen Empfindungen sind drei bis vier Wochen nach vorne gerückt. Man liest das klar ab, viel zu klar.

Damit Sie auch etwas von dem Buch haben, hier einer meiner Lieblinge, der überaus geschätzte Herr Karl Krolow mit „Neues Wesen“:

Blau kommt auf

Wie Mörikes leiser Harfenton.

Immer wieder

Wird das so sein.

Die Leute streichen ihre Häuser an.

Auf die verschiedenen Wände

Scheint Sonne.

Jeder erwartet das.

Frühling, ja, du bist’s!

Man kann das nachlesen.

Die grüne Hecke ist ein Zitat

aus einem unbekannten Dichter.

Die Leute streichen auch

Ihre Familien an, die Autos,

die Boote.

Ihr neues Wesen

Gefällt ungemein.

In meinen Top Ten der Frühlingsgedichte wäre dieses dabei, keine Frage.

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Cowboys vs. Kafka

Über Flachdachbauten in Baulücken: Ephemere Dauerhaftigkeit. Gefunden via Ute Vogel auf Mastodon.

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Seit dem Wochenende gibt es erste Mauersegler- und Schwalbenmeldungen in den Timelines, teils mit Bild. Quasi Chronistenpflicht auch so etwas zu beachten. Hier ist wie immer nichts dergleichen zu sehen, und bisher fehlt auch noch die Besetzung der Spätschicht auf dem Spielplatz mit Nachtigall oder Sprosser. Das Rotkehlchen vertritt unverdrossen weiter und macht es nicht schlecht.

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Falls es demnächst zwischendurch regnet, also bei den milden Temperaturen fast schon sanft sommerregnet, und Sie dafür einen melancholischen klingenden Song zur Begleitung brauchen, der nicht zu sehr runterzieht, der nur gerade etwas angenehm gedimmt wirkt – es gibt neue Musik von Turner Cody, das Album „The days of Duke and Nancy“. Das ist Musik, die man gut als Soundtrack hören kann, wenn man etwa mit der S-Bahn durch eine Stadt fährt, die sich auch ohne Filter wie in einem Schwarzweiß-Film präsentiert, bei Regen, in der Dämmerung und in Gegenden wie etwa Hammerbrook, in der Hafencity oder in den Vororten. Ganz hervorragende Musik ist es dafür, das ganze Album. Die Songs ähneln sich alle deutlich, und ich meine das eher lobend als kritisch. Die Songs gefallen mir so, wie sie sind.

Das genaue Genre dieser Musik habe ich dann nachgelesen, eh klar, ich finde Musikgenres in den Unterverästelungen oft unterhaltsam: Antifolk ist das. Zu dieser kleinen Schublade im Karteikasten der Musikgeschichte gehört als prominenter Vertreter auch Adam Green, der mir zwischendurch längere Zeit komplett entfallen war und der aber, so lese ich mit Staunen, ein Urenkel von Felice Bauer ist, der Verlobten von Kafka. Wie isses nun bloß möglich!

Es hängt alles mit allem zusammen. Kaum denkt man, dass man sich in der Musik gerade enorm weit von dem Buch auf dem Nachttisch entfernt hat, Cowboys vs. Kafka, findet man die Spur schon unerwartet wieder.

Von Adam Green gibt es übrigens einen Song passend zu diesem Tag:

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Die Geschichte, warum Bluetooth so heißt, wie es heißt, kannte ich zwar schon, hätte sie aber nicht mehr parat gehabt, auch nicht die Erklärung des Logos. Es ist aber eine gute Geschichte.

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Dann noch gehört: Einen Beitrag vom geschätzten Karl Urban beim Deutschlandfunk über Lowtech (23 Minuten). Und passend dazu las ich einen Artikel über Dumbphones beim Guardian.

Ein Aufkleber an einem Verkehrsschildmast: Das Internet zerstört dein Leben

Es wäre wohl passender gewesen, beide Artikel in einer gedruckten Version zu lesen, fiel mir dann auf. Auf banalem Papier, ohne jede weitere Funktion, aber so überaus verlässlich im beabsichtigten Zweck und gut aufzubewahren.

Man muss aber, denke ich, für sich die richtige Mischung finden. Low-Tech im Alltag, wo immer es geht, wo es vielleicht sogar sinnlich reizvoll ist und sich durch und durch vernünftig anfühlt. Auf High-Tech aber etwa in der Zahnmedizin wird niemand im Ernst verzichten wollen. Oder, haha, nur unter Schmerzen.

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Vorbereitung ist alles

Das erste Mal in dieser Saison zu Fuß in den Garten gegangen, eine Stunde Weg durch drei Stadtteile. Das gefällt mir nur bei freundlichen Temperaturen, im Winter mache ich das nicht. Sogar als Fußgänger bemerkt man allerdings den zur Zeit ungewöhnlich intensiven Baustellenstress in dieser Stadt. Überall die Absperrungen, die Umwege, all diese aufwendigen Maßnahmen zur Stadtumkrempelung, dazu der große Marathonlauf. Die vollkommen entnervten Menschen in den Autos.

Vor der Vollsperrung einer Brücke steht ein Gelenkbus. Der Fahrer versucht, ihn zu wenden, das sieht schwierig und heikel aus und es sammeln sich bereits Zuschauer, die den Kopf schräg legen und Kluges denken. Ob der das wohl schafft und warum er denn nicht so herum einschlägt? Wie sang Max Raabe: „Ich bin nur gut, wenn keiner guckt.“ Der Fahrer steigt aus, sieht sich um, kratzt sich am Kopf.

Auf der Billerhuder Insel hängen dann dicksüße Fliederschwaden über den Wegen und den jetzt so schnell ergrünenden Hecken. Man könnte besoffen werden von dem Duft, man atmet Likörluft. Im Apfelbaum neben der Hollywoodschaukel singt eine Mönchsgrasmücke, lauert eine Elster, wippt ein Rotkehlchen, hüpft ein zeternder Zaunkönig, im Apfelbaum ist heute etwas los. Ich mache die Augen zu, das sind beste Einschlafgeräusche. Irgendwo drei Wege weiter klingelt wieder der Eiswagen, irgendein Nachbar verräumt polternd und leise fluchend etwas in seinem Schuppen und weit im Hintergrund höre ich die längst heiser gebellten Hunde im Tierheim. Um mich herum das Summen und Brummen der Bienen und Hummeln an den Beinwellblüten.

Auf dem Rückweg am Nachmittag gehe ich auf der Brücke zur Insel an zwei Rentnerinnen vorbei. Ich höre, wie die eine gerade sagt: „In den Fünfzigern war das noch anders.“ Und egal, was sie meint, ich glaube das sofort.

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Herr Rau wird nun auch zwanzig, ebenso Chili und Ciabatta.

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Ein Kalenderblatt zu Mary Wollstonecraft. Mir fiel beim Hören dieser Satz von ihr auf: „Mein Geist ist erschöpft von den Bemühungen, mir eine Meinung zu den öffentlichen Angelegenheiten zu bilden.

Man versteht es sofort, auch durch die Jahrhunderte.

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Die letzte Woche war ansonsten außerordentlich problembeladen, es zehrt immer noch etwas und es gibt doch schon eine neue Woche, wenn auch eine Durchbrochene, was erfreulich ist. Diese Probleme werden so leicht auch nicht weggehen, ganz im Gegenteil. Aber es ist am Ende alles nur eine Phase, und das Wetter wird währenddessen deutlich besser, darauf muss man sich in solchen Fällen konzentrieren.

Darauf, und auch auf die rosafarbenen Levkojen in der hohen Vase auf dem Wohnzimmertisch, die sind super. Je älter ich werde, desto mehr kann ich mich über so etwas freuen, und das ist ein klarer Vorteil dieser Lebensphase. Diese Rentnerinnen, die in Parks sinnend vor blühenden Pflanzen in gepflegten Grünanlagen stehen – es ist eine langsame Annäherung an diesen Zustand, und es ist gar kein schlechtes Gefühl.

In den nächsten Tagen sollen es hier bis zu 25 Grad werden, zumindest nach einer meiner Wetter-Apps, das wird dann wie Hochsommer. Ich lege also die Leinenhemden und de witte Maibüx schon einmal raus. Vorbereitung ist alles.

Blauer Himmel über der Glasmetallfront eines Hochhauses in St. Georg

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Kuchen, Kekse, Kaffee

Am Sonnabend fahren wir früh in den Garten. Es ist der erste warme Tag nach dem Winterrückfall, wir müssen einmal nachsehen, was auf der Parzelle alles überlebt hat. Die meisten Obstbäume sehen noch erfreulich munter aus, nur eine Pflaume nicht, und das wird ein gutes Ergebnis sein. Vielleicht deutlich besser, als wir es erwarten konnten. Immerhin waren es unerwartete minus drei Grad in der einen Nacht, da kann man mit Schäden rechnen, seelisch und pflanzlich.

Vorher machten wir noch eben einen Großeinkauf, was man im Garten demnächst so brauchen wird, Kuchen, Kekse, Kaffee, Konserven und dergleichen. Es fühlte sich an wie das Einkaufen für einen Ferienhaus-Urlaub., und es ist auch eine verwandte Tätigkeit.

Die Herzdame mäht dann unter Zeitdruck kurz vor der für Schrebergärtnerinnen heiligen Mittagsruhe den auf einmal enorm gewachsenen Rasen; ich dagegen probiere aus, ob es sich auf der Hollywoodschaukel noch so gut sitzt wie im letzten Jahr. Alle Aufgaben klar verteilen und auch alle Aufgaben ernst nehmen, das ist eine wichtige Regel in Partnerschaften.

Ich sitze und werde den Eindruck nicht los, dass der Garten in diesem Jahr grüner als im Vorjahr ist. Das kommt mir einigermaßen irrational vor, und doch … der Eindruck ist so stark, ich würde das nach reiflicher Überlegung auch als Zeuge so aussagen, und da können Sie wieder sehen, was Zeugenaussagen wert sind. Das ist jedenfalls das grünste Gras, das es in diesem Garten je gab, definitiv ist es das, ich bin sicher. Und es sind auch die weißesten Apfelblüten, die blauesten Vergissmeinnichtbüschel, und der hohe Ginster der Nachbarn, also er hängt in dieser Saison dermaßen gelb über dem Zaun, was ist hier eigentlich los.

Vielleicht war der Winter nur zu lang.

Am lilafarbenen Flieder neben der Laube flattert ein orangeweißer Aurorafalter. Er lässt sich von Blüte zu Blüte treiben, und ist es nicht schön und dankenswert, wenn man Farbkombinationen sieht, die uns nicht sofort an Parteien erinnern? Bitte weiterhin nichts mit Lilaweißorange gründen.

Ich sitze nicht nur intensiv herumfühlend auf Gartenmöbeln, selbstverständlich nicht. Ich pflanze auch etliche Kartoffeln und stecke einige Erbsen nach, ein paar Bohnen vertraue ich ebenfalls schon der Erde an. „Himmelsstürmer“ heißen sie. Eisheilige hin oder her, auch mal ins Risiko gehen. Die Anweisungen auf den Saatguttütchen kalt ignorieren, wie so ein Mensch mit Mut.

Hoffnungsfrohe Tätigkeiten muss man sich ab und zu in den Alltag einbauen, das ist bei allem zu beachten. Und es ist vergleichsweise einfach, wenn man einen Garten hat. Oder einen Blumentopf irgendwo.

Die Vogelstimmenapp sagt mir, dass Gartenrotschwanz und Buchfink in den Büschen singen, irgendwo im Liguster, in der Hasel. Ich sehe keinen von ihnen. Egal, ich verbuche sie dennoch in meiner Life-List der Gesangstreffer, die erst bescheidene 24 Vögel ausweist. Da geht noch etwas in diesem Jahr.

Die Pfingstrose scheint wieder gewaltig nachzugehen, sehe ich beim Abschreiten der Beete. Es ist eine selten undisziplinierte Pflanze und es ist ihr empörend gleichgültig, wie oft man das anspricht. Staudenführung ist auch nicht einfach.

Die Maiglöckchen dagegen bekommen es wohl hin, exakt zum 1. Mai zu blühen. So pünktlich sind sie, wie es die Bahn in unserem Land einst war. Vorsicht an der Beetkante, ein Frühling erhält Durchfahrt.

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Zwei schwierige Links

In der Reihe „Zeitzeugen im Gespräch“, gestern gerade erwähnt, gab es auch ein Interview mit dem Soziologen Wilhelm Heitmeyer (55 Minuten), der viele Jahre zu sozialer Desintegration und Gewalt geforscht hat, zu Ausgrenzung und Rechtsextremismus, der uns also plausibel erklären kann, wie es alles kam und wie der aktuelle Polit-Clusterfuck entstand, man erkennt mit ihm die lange Spur der Probleme durch die letzten Jahrzehnte. Das ist einerseits noch einmal erhellend und gut dargestellt, es ist andererseits aber auch zweifellos enorm frustrierend und endet bekanntlich nicht gut. Will man das dennoch hören? Das ist keine leichte Frage. Man weiß die Antwort vielleicht erst, wenn er alles gesagt hat, auch den letzten Satz im Interview.

Und man sollte vielleicht bei der Beantwortung der Frage, ob man das hören sollte, noch kurz bedenken, dass es ein entscheidender Teil des politischen Desasters war und ist, dass das alles die ganze Zeit niemand hören wollte. Sein Forscherleben war von dieser Abwehr geprägt.

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Und das nun Folgende sollten Sie sich ernsthaft nur anhören, wenn Sie gerade einen Moment seelischer Stabilität zu bieten haben. Es zieht einem sonst allzu leicht den Boden unter den Füßen weg: 27 Tage – Vom Überleben im Keller von Jahidne. Eine Geschichte, eine Reportage über ein Kriegsverbrechen in der Ukraine und also darüber, was die Menschen den Menschen antun. Es ist auch einfach eine Geschichte aus irgendeinem Krieg, leicht übertragbar auf andere Zonen der Gewalt, und sie ist so grauenvoll und unfassbar, wie wir eben sind oder zumindest sein können. Und immer haben wir die Gewissheit dabei – es gibt noch viel schlimmere Geschichten.

Ich finde die Frage, ob man auch so etwas hören sollte, lesen sollte, gründlich zur Kenntnis nehmen sollte, furchtbar schwer zu beantworten, noch schwerer als oben beim ersten Link, den man schon deprimierend genug finden kann.

Als junger Mensch habe ich, in dem Alter, in dem ich an die richtigen Bücher herankam und als „Holocaust – die Geschichte der Familie Weiss“ damals im Fernsehen lief (1979), viel zum Dritten Reich nachgelesen, zu den unvorstellbaren Verbrechen, zum Krieg und zum System. Sachbücher, Augenzeugenberichte, Tagebücher, Bildbände, Geschichtsbücher. Zu den Schicksalen, zu den Ungeheuerlichkeiten, zum Widerstand, zur Anpassung, zum Mitlaufen, zum Morden und zu all dem, von dem manche dachten, es sei einmalig gewesen.

Ich las und las und ich dachte damals vermutlich, genaue Kenntnis und umfassendes Verständnis würde mir irgendwie helfen, oder, entschieden dümmer noch, würden sogar der Geschichte helfen. Auf einer Ebene, die mir damals nicht bewusst war, suchte ich vermutlich eine Art von Erlösung im Verständnis. Denn wie sind ein Land und eine Welt auszuhalten, in der das alles möglich war und also weiterhin ist? (Übrigens hier auch zwischendurch kurz mal zu Anke rüberlesen, es passt gerade)

Ich kann mir die Frage bis heute nicht recht beantworten. Aber dass uns Verständnis nicht hilft, nur begrenzt hilft, das weiß ich mittlerweile. Verständnis hilft uns vielleicht gegen manche eigene falsche Entscheidung, aber auch das nur unzuverlässig und nicht allen, wie wir an den aktuellen Wahlumfragen und an der Weltgeschichte allzu deutlich sehen.

Verständnis hilft uns nicht dabei, mit unserer Ungeheuerlichkeit zurechtzukommen, die sich immer wieder neu beweist. Ich weiß nicht, was da hilft. Wenn Sie einen Glauben haben, werden Sie den an dieser Stelle vielleicht benennen, nehme ich an. Ich halte das zwar für einen gewagten Schachzug, aber ich verstehe es, darauf zurückzugreifen. Glaubte ich, griffe ich auch.

Was aber machen wir anderen? Also abgesehen davon, dass wir einfach weitermachen?

Wir hören uns vielleicht manchmal solche Geschichten an, wie eben verlinkt. Und werden dann noch ein wenig ratloser. Denn das scheint dazuzugehören auf dieser Welt, die sicher keine der besten ist. Aber auch das ist wieder eine Glaubensfrage.

Wie auch immer. Morgen vermutlich heiterer weiter. Das gehört ebenfalls dazu.

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Die ersten Hunde schnüffeln schon

Eine Zugbegegnung.

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Ich mag die Radio-Reihe „Zeitzeugen im Gespräch“. Bei dem Dialog mit dem Historiker Heinrich August Winkler blieb ich an einem Detail für den Freundeskreis Handschrift hängen – er hat sein Hauptwerk, 6.000 Seiten über die Geschichte des Westens, mit Kugelschreiber geschrieben, so etwas muss ich mir immer einen Moment genauer vorstellen. Der Rest ist aber auch hörenswert.

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Bei der Kaltmamsell sah ich interessante Links zu Katastrophen und Büchern. Wobei ich auch ihre Bestellungen von Olivenöl etc. lesenswert finde. Ich nehme mir nie Zeit, mich mit so etwas zu befassen, bin dem aber sehr positiv gesonnen. Aber bei mir ist es mehr ein Fall für: „Wenn die Söhne aus dem Haus sind“, diese Liste wird auch allmählich länger.

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An der Straßenecke gegenüber malt jemand die Außenmauern am Erdgeschoss eines alten Hauses neu an, jedenfalls wenn es gerade mal nicht regnet. Die Mauern bilden da eine Ecke, gegen die nahezu alle vorbeikommenden Hunde pinkeln oder vor die sie kacken, eine Kommunikationszentrale und ein Kommunalklo für sie. Es ist dazu eine Ecke, an der manchmal recht offensichtlich gedealt wird, an der auch andere dubiose, schnelle Geschäfte zu ungewöhnlichen Uhrzeiten stattfinden. So eine Ecke, die gerne mal besprayt und ungelenk mit Tags beschmiert wird, an der sich Menschen auf der Straße davor um die Vorfahrt streiten und schnell Schläge androhen: „Ey, was willst du!“

Eine Ecke, um die fast alle zu schnell fahren, mit welchem Verkehrsmittel auch immer, Zone 30 hin oder her, alle Schilder sind hier nur Symbolpolitik. Eine Ecke, um die nachts ausgesprochen klischeemäßig finstere Gestalten schleichen, an der am Abend Jugendliche cornern und trinken, an der am Morgen leere Flaschen und Dosen stehen, Scherben auf dem Fußweg.

Mit anderen Worten, diese Mauern bilden eine deutlich großstädtische, arg abgenutzte, sichtlich heruntergekommene Ecke mit deutlichen Gebrauchsspuren, wie man sie aus Krimis kennt. An so einer Ecke treffen sich die Hauptfiguren, eine von ihnen der spätere Täter, kurz für drei bedeutungsschwere Dialogzeilen. Die frische Farbe wird an diesen Wänden gewiss nicht lange frisch wirken, das weiß man. Die ersten Hunde schnüffeln schon, noch während dort gearbeitet wird, noch während ich dies schreibe und ab und zu zum Fenster gehe, um nachzusehen, wie es da unten zugeht.

Der Maler arbeitet dennoch mit Hingabe und Gründlichkeit. Er kniet vor einer Kante auf dem Boden und sieht genau hin, er hat sich etwas untergelegt, damit er den Fußweg nicht bekleckert. Als ob es etwas ausmachen würde. Der Maler macht seine Sache, soweit ich es beurteilen kann, gut, und er macht sie, so wirkt es jedenfalls, auch gerne, er hört Musik dabei, die klingt eher munter als getragen. Der Maler arbeitet für ein Ergebnis, das nicht lange halten wird. Er arbeitet für den Moment, für ein Gebild von Menschenhand an Schmuddelwand.

Daraus dann vielleicht die Motivation für die nächste Woche ableiten.

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Und dann gibt es noch neue Musik von Johnny Cash. Ja, von dem Johnny Cash, und ganz so neu ist sie also nicht, aber uns eben doch. Well allright.


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Der übliche Tag

Vorweg ein herzlicher Dank für die Zusendung eines Buches von unserem Wunschzettel: „Einige Herren sagten etwas dazu – die Autorinnen der Gruppe 47“ von Nicole Seifert. Ich freue mich sehr darauf, es ist demnächst dran.

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Mittwoch. Der übliche eine Tag Office-Office in der Woche im verregneten Hammerbrook. Eine graue Betonwand und ein Parkplatz vor dem Bürofenster, ein Stapel leere Paletten vor einem Lieferanteneingang an einer Gebäuderückseite, ein Müllwagen. Man muss schon ein wenig bemüht gegen dieses Setting anpfeifen, um hier in Stimmung zu kommen.

Alle paar Minuten rumpelt eine rote S-Bahn vorbei, mal in die eine, mal in die andere Richtung. Spiegelt sich einen Moment in den Pfützen unten auf der Straße neben den aufgeständerten Gleisen, verbreitet Großstadtatmosphäre. Dazu ein wenig Straßenlärm und am Rand des Bildes Menschen mit Regenschirmen, in dicken Jacken, unter Kapuzen und mit schnellem Gang. Rein in die Imbisse und in die Bäckereien, wieder raus, in die Büros, hin und her. Becher und Tüten durch die Gegend tragend. Was man so macht, was man so abläuft, wie man so abläuft. Vor den Verwaltungszentralen rauchende Menschen mit hochgezogenen Schultern im Nieselnass, unruhig trippelnd, locker um Großaschenbecher gruppiert. Rauch- und Dampfwölkchen über ihnen, die lösen sich schnell auf.

Tauben und Möwen fliegen ab und zu quer durchs Bild, die einen flatternd in Grüppchen, die anderen einzeln und segelnd. Auf einmal eine quirlige Kohlmeise am Fensterrahmen direkt vor mir, diesen nach Insekten absuchend, inspizierende Blicke, schnell und gründlich. Ein routinierter Profi, das sieht man gleich. Blaugelbbunt ist dieser Vogel, viel bunter als er im Garten oder auf dem Balkon bei uns zuhause wäre. In Hammerbrook fallen die Farben mehr auf, jede Farbe fällt hier auf.

„Ich trage auch etwas Blau“, sage ich zu dem Vogel. Aber navy, aber dunkel, schon klar. Hanseatisch gedeckt. Die Meise hört mir eh nicht zu, sie ist viel zu beschäftigt, ich könnte alles behaupten.

Ich mache Excel auf und fülle eine beliebige Zelle ohne jeden Grund mit knalligem Gelb und eine daneben mit intensivem Hellblau. Ich sage „So.“

Weitermachen.

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Schlichte Wahrheiten, vage Vermutungen

Ein langer Text über die Dummheit des Menschen und die Intelligenz der Kraken.

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In den letzten Tagen gehört: Eine Folge von „Das Wissen“ (SWR) über Varian Fry, zu dem es neulich die Serie auf Netflix gab. Die mir nicht gefallen hat, ich schrieb kurz darüber. Diese Radiosendung fand ich erhellender. Kernbotschaft der Sendung, dass ein Mensch einen Unterschied machen kann. Das vielleicht schon einmal vormerken für finstere Zeiten. Immer ambitioniert bleiben, auch wenn das Scheitern wahrscheinlich ist.

Außerdem gehört: Diese lange Reportage aus 2023 über das Bedrohungsgefühl in Taiwan: „Taiwan und China: Doku über die Angst vor der Invasion“ (54 Minuten), da kann man wieder etwas dazulernen. Die Ungeheuerlichkeit der Lage bleibt dennoch unvorstellbar.

Und dann noch ein Feature vom Deutschlandfunk Kultur: Wie sich Paris auf steigende Temperaturen vorbereitet (32 Minuten). Paris sei die tödlichste Stadt in Europa bei Hitze, heißt es da. Bei diesen geografischen Neuzuordnungen, nach denen das Klima in Hamburg bald etwa dem von San Marino entsprechen wird, liegt Paris bei Sevilla.

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Abends weiter in der Kafka-Biographie vom Stach gelesen, zwischendurch immer wieder gestaunt über die schier unfassbare Detailfülle, die er bearbeitet hat und die überhaupt zur Familie Kafka und ihrer Zeit vorhanden ist, ermittelbar war, was es alles an schriftlichen Belegen gab und noch gibt. Dabei die vage Vermutung gehabt, dass es heute weniger ist oder zumindest leicht weniger sein kann, je nach Haltbarkeit unserer Daten, die online am Ende fragiler sind als auf Papier.

Aber wer weiß, das ist nur eine Annahme und vielleicht ist es auch nicht schlimm, dass es weniger wird. Man kann es so oder so sehen.

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Einkaufen gewesen. Gefroren. Abends Champignonbaguette gemacht, etwa so. Dieses Gericht hatte ich jahrelang vergessen, dabei ist es dermaßen schnell, leicht und reich an Käse und Wärme, dass es ein Trost in den Tagen der letzten Winterbitternis sein kann.

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Ich lernte von einem Sohn den Ausdruck Pookie Wookie Bear, der mir nicht geläufig war, der jetzt aber korrekt einsortiert werden kann, auch von Ihnen. Was ist es hier wieder serviceorientiert. Falls Sie mal eine Abwechslung zu „Schatz“ und dergleichen brauchen – bitte sehr.

Passend dazu, aber nicht ganz so kosend, bei Thomas Knüwer noch das Wort „Delulu“ mitgenommen. Beim Nachsehen gelesen, dass „Staying delulu is the solulu“ ein passender Meme-Spruch dazu ist. Ein sprachbereichernder Tag war das.

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Hier noch eben eine schlichte Wahrheit, gut gerockt, denn Bernd Begemann hat ein neues Album, ein neues Video: Es hat einen Vorfall gegeben – und die Zuschauer sind nicht in Sicherheit.

Die schlichten Wahrheiten werden in weiteren Titeln auf dem Album fortgesetzt, etwa bei „Gemäßigt ist das neue Radikal.“ Wer würde dem nicht zustimmen, wir sind längst an diesem Punkt.

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Triumphmärsche auf der urbanen Kurzstrecke

Gelesen: Anke über die Gamaschen und andere Kleidungsstücke von Arno und Alice Schmidt.

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Ein kleiner Nachtrag zum gestern erwähnten Ehrgeizthema – Chinas Jugend hat da auch so ein Spezialthema: #grossoutfitforwork.

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Und dann noch ein Nachtrag zum ebenfalls gestern erwähnten Kant, bei Spektrum gibt es ein fiktives, aber nicht substanzloses Interview mit ihm, zu aktuellen Fragen und mit einem Schluss, den man wohl unterschreiben kann.

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Annette Dittert über die Freuden des Neoliberalismus: „Denn seit Margaret Thatcher die englischen Wasserfirmen 1989 privatisiert hat, haben die umgerechnet mehr als 70 Milliarden Euro an ihre Aktionäre ausgezahlt, in Abwasser-Rohre und Infrastruktur allerdings nur marginal investiert. Weshalb englische Flüsse und das Meer mittlerweile im Dreck versinken. Immer häufiger landen Briten, die einfach nur schwimmen waren, im Krankenhaus, oft mit schweren Lebervergiftungen, denn im ungeklärten Abwasser sind jede Menge Bakterien.

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Genug der Medien, kurz zur Politik im eigenen Stadtteil, zum writing on the walls, da gab es lange kein Update: Jemand sprüht in diesen Tagen „All eyes on Gaza“ an die Wände und auch aufs Pflaster im kleinen Bahnhofsviertel. Ein anderer Mensch sprüht, sicher deutlich später, einen Strich durch das Wort Gaza und korrigiert durch eine Anmerkung: All eyes on Hamas.

In einer anderen, pubertären Variante steht da dann: All eyes on Schwanz, mit erläuternder Skizze im Stil der bekannten Schulklokunstwerke, die wir alle einmal … nein. Nicht alle. Okay.

Ansonsten müssen die drei Kioske um die Ecke neuerdings sonntags schließen, weil im Bezirksamt jemandem auffiel, dass sie doch unter Einzelhandel fallen. Es reicht nicht, in die Mitte einer Millionenstadt zu ziehen, man entkommt solchen etwas provinziell anmutenden Regelwerken nicht. Wobei in der Provinz, aus der ich komme, am Sonntag stets alles geöffnet war, durch die Bäderregelung an der Ostsee. Wir gingen an jedem beliebigen Tag zum Einkauf, normal, wie in New York, Rio oder Tokio so.

Für mich war Hamburg in dieser Hinsicht damals also ein Rückschritt, ein seltsamer.

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Am Sonntag sind die Herzdame und ich kurz im Garten gewesen. Während in den Timelines ausführlich und vehement klagend aus allen Landesteilen von Graupelschauern, Regen und Schnee berichtet wurde, schien bei uns die Sonne. Und obwohl die Temperatur dabei nicht im Wohlfühlbereich lag, ganz und gar nicht, war das Bild des Frühlingsgartens doch wieder von belebender Schönheit und von krassen Farben geprägt, Textmarkergrün im Hintergrund.

Lilablühender Flieder vor hellblauer Gartenlaube

Vor einigen Lauben saßen Menschen in der Sonne und im Windschatten, noch in Winterpullovern, Teetassen in den Händen, um bloß diese halbe Stunde Sonnenschein intensiv auszunutzen. Oben schon wieder die unheilverkündenden schwarzen Wolken, über der Bille heranjagend, übergriffig, rücksichtslos.

Bedrohlich wirkende Wolken über der Bille, ein lilafarbenes Hausboot am Ufer

Wir sind immerhin trocken hin- und zurückgekommen. Die kleinen Freuden, die bescheidenen Triumphmärsche auf der urbanen Kurzstrecke.

Dann am frühen Abend entschlossen angespargelt, die Abwesenheit der Söhne auch dafür genutzt: Pasta mit Ziegenkäse, grünem Spargel und Thymian. Ohne Rezept, wie so ein Könner. Es schmeckte dennoch.

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Eine Hose noch, eine Bluse, ein Hemd

Nils Minkmar über die Memoiren von Schäuble: „Schäuble lernt Dutzende oder Hunderte von Menschen besser kennen, aber Porträts haben hier die Tiefe von Smileys. Angela Merkel ein freundliches, Helmut Kohl ein großes und böses Gesicht.

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Nicht erzählt habe ich, fällt mir gerade ein, dass ich neulich, als die letzte Karstadt-Insolvenz-Meldung gerade durch die Medien ging, in einem solchen Kaufhaus war, einen Tag nach dieser Meldung. Es war voll dort, überraschend voll, aber es waren alle, alle, die dort in langen Schlangen vor den Kassen standen, alt. Also noch deutlich älter als ich, weit im Rentenalter. Es waren, nehme ich an, die Menschen, die jetzt den endgültigen und vor allem schnellen Tod der Kaufhäuser antizipierten und also eilig noch einmal einkaufen gehen wollten, bevor diese Möglichkeit für immer aus der Stadt verschwinden würde. Eine Hose noch, eine Bluse, ein Hemd, eine Bratpfanne. Das Bild dieser Warteschlange war wieder eines, das jenseits aller Glaubwürdigkeit war, viel zu überzeichnet sah das aus, eine Karikatur, ein Sketch, so gar kein junger Mensch dazwischen.

Ich stand staunend und reihte mich dann einfach ein, mit meinen grauen Haaren fiel ich sicher kaum auf.

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Eine Album-Empfehlung: The Power of the heart – a tribute to Lou Reed. Unter anderem mit dieser Perle von Mary Gauthier:

Aber auch der Wainwright bemerkenswert:

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Gelesen: Literary love affair – why Germany fell for a windswept corner of Ireland. Über die Nachwirkungen des irischen Tagebuchs von Heinrich Böll. Das ich auch immer noch lesenswert finde.

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Gesehen: Diese Doku über Kant (arte, 53 Minuten). Nicht nur Kafka in diesem Jahr, sagt der Kulturkalender mahnend.

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Was kann Deutschland vom Bildungsweltmeister Singapur lernen? Eine Reportage von Jennifer Johnston. 33 lohnende Minuten für jeden, der intensiven Kontakt mit dem System Schule hatte oder hat, also sicher auch für Sie. Faszinierend anders, was da über Singapur erzählt wird, der inhaltliche Abstand zu Deutschland erscheint riesig, wirkt unüberbrückbar, es ist ein Mentalitätsgraben von beträchtlichem Ausmaß zwischen den Weltgegenden. Man kann es zumindest einmal zur Kenntnis nehmen, man muss gar nicht sofort etwas daraus ableiten. Es sei denn, man möchte dringend.

Es ist sicher kompliziert, aber es ist am Ende wohl ein Ehrgeiz- und also Motivationsproblem. Aller Ehrgeiz in unserem Land bezieht sich auf den Status Quo, der längst erstaunlich vielen Gruppen und auch mehreren Generationen zum anbetungswürdigen goldenen Kalb geworden ist, und das ist eben keine Richtung, die noch in die Zukunft weist. Ob es einem nun passt oder nicht, wir haben uns in der Gegenwart verrannt, scheint mir, die währenddessen zur Vergangenheit wird. Wir wollen nichts mehr werden, nur sein, und das bitte komfortabel.

Ob Ehrgeiz aber überhaupt erstrebenswert ist – das wäre dann eine weitere, viel tiefere Frage. Allerdings eine, die in Singapur für große Verwunderung sorgen würde. „Ich weiß aber, dass alle etwas wollen sollen“ schrieb die deutsche Philosophin Judith Holofernes vor etlichen Jahren (2003), und es war keine freudige Feststellung.

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