Geheimratsviertel


Das Geheimratsviertels in Berlin

Das Berliner „Geheimratsviertel“ war ein Teil der Friedrichsvorstadt, die sich außerhalb der Berliner Akzisemauer befand, aber bereits 1841 nach Berlin eingemeindet wurde.

Die obere und die untere Friedrichsvorstadt

Die Friedrichsvorstadt wurde von der Charlottenburger Chaussee (heute Straße des 17. Juni) im Norden und dem Landwehrkanal im Süden, sowie der Akzisemauer im Osten, begrenzt. Verwaltungstechnisch wurde zwischen der oberen und der unteren Friedrichsvorstadt unterschieden. Die obere Friedrichsvorstadt erstreckte sich vom Halleschen Tor bis zur Linkstraße, die untere Friedrichsvorstadt von der Linkstraße bis zur Lichtensteinallee. Obere und untere Friedrichsvorstadt scheinen auf einem genordeten Stadtplan vertauscht. Ausschlaggebend für diese Namensgebung ist wahrscheinlich die Fließrichtung und der Wasserstand des Landwehrkanals gewesen.

Karte Friedrichsvorstadt
Die obere und untere Friedrichsvorstadt

Geheimratsviertel und Tiergartenviertel

Während der südliche Teil der oberen Friedrichsvorstadt noch längere Zeit ländlich geprägt blieb, wurde der nördliche Teil zwischen Anhalter und Potsdamer Bahnhof von der Berlin-Anhaltinischen Eisenbahn-Gesellschaft in den 1840er Jahren aufgesiedelt und bekam im Volksmund den Namen Geheimratsviertel, weil sich hier viele Beamte und Bürger aus den gehobenen Gesellschaftsschichten niederließen.
Begrenzt wurde das Geheimratsviertels durch den Anhalter Bahnhof, den Schafgraben (später Landwehrkanal), den Potsdamer Bahnhof (auf Seiten der Linkstraße) und die Akzisemauer. Zum Geheimratsviertel gehörten die Köthener-, Dessauer-, Bernburger-, Schöneberger-, Linkstraße, der nördlichen Teil der Hirschelstraße (dann Königgrätzer Straße, Saarlandstraße, heute Stresemannstraße), der Askanischer Platz, das Hallesche Ufer und der Hafenplatz. Die obere Friedrichvorstadt wurde 1920 in den Bezirk Kreuzberg eingemeindet. Die untere Friedrichsvorstadt wurde das Tiergartenviertel und ist heute Teil des Stadtteils Tiergarten im Stadtbezirk Mitte.

Karte Friedrichsvorstadt
Das alte Geheimratsviertel zwischen den beiden Kopfbahnhöfen

Das "alte Geheimratsviertel"

Der Begriff „Geheimratsviertel“ ist in Berlin kein statischer geblieben. In der Literatur wurde er später auch für weiter westlich liegende Stadtteile verwendet, z.B. für das Tiergartenviertel (die ehemalige untere Friedrichsvorstadt), die Schöneberger Vorstadt (das Lützowviertel und Viertel um den Magdeburger Platz) und sogar für die Gegend zwischen Nollendorfplatz und dem Knie (Ernst-Reuter-Platz). Aus der Gegend zwischen dem Potsdamer und Anhalter Bahnhof wurde daher im Berliner Sprachgebrauch das „alte Geheimratsviertel“, auch wenn die meisten Geheimräte dort wohl schon lange verschwunden waren.

Wichtige Gebäude im "alten Geheimratsviertel"

Anhalter Bahnhof
Anhalter Bahnhof
Siemens - Schöneberger Straße 19
Siemens
Lukas-Kirche
Lukas-Kirche
Philharmonie
Philharmonie (1882-1945)
Meister-Saal - Köthener Straße 38
Meister-Saal
Haus Vaterland
Haus Vaterland
Potsdamer Bahnhof
Potsdamer Bahnhof

Das "alte Geheimratsviertel" in der Literatur

Wir sind langsam vorwärts gekommen, die Hitze hindert uns an schnellerem Laufe. Jetzt haben wir das Potsdamer Thor erreicht und hier theilt sich der Menschenstrom. Links nach den Gärten, aus denen jetzt das Geheimratsviertel emporgewachsen, strömt die niedere Klasse, namentlich nach dem »blauen Himmel«, dem Schauplatz von Blum's »Stündchen vor dem Potsdamer Thor«, bevölkert von schmachtenden Buchbindersfrauen, stürmischen Thierarzneischülern, kolossalen Kindermädchen (à la Lina-Gern), verwegenen Unteroffizieren und bescheidenen Rekruten. - In die Potsdamerstraße hinein wogt es nach Schöneberg und Steglitz, - in die Bellevuestraße rollen die Equipagen der Reichen, zum Hofjäger vielleicht, »wenn dort am Sonntag die Gesellschaft nicht zu gemischt sein sollte!« - Wir aber, als mittelständischer Staatsbürger, halten uns, wie es einem loyalen Unterthan zukommt, rechts und suchen, wohl bedenkend, daß der Mensch sein ganzes Leben lang lernen soll, den Schulgarten.
[Tietz, Bunte Erinnerungen ..., 1854, S. 57]

Der zwischen dem Potsdamer und dem Askanischen Platz gelegene Theil der Potsdamer Vorstadt wird scherzweise das "Geheimrats-Viertel" genannt. Am Askanischen Platz ist der neue Anhalter Bahnhof mit einer weiten Halle nach Schwechten's Entwurf im Bau begriffen. In der Bernburgerstr. no. 5 die Lucaskirche, von Möller 1862 erbaut.
[Baedeker, Berlin 1878, S. 57]

Der zwischen dem Potsdamer und dem Askanischen Platz (Pl. j:H1) gelegene, Ende der 40er Jahre entstandene Stadtteil wird noch scherzweise das „Geheimratsviertel" genannt, obgleich zur Zeit mehr die Westvorstadt in der Nähe des Magdeburger und Lützow-Platzes, das Schöneberger Viertel, diesen Namen verdiente.
[Baedeker, Berlin 1891, S. 124]

Das Stadtviertel südöstl. vom Potsdamer Bahnhof, r. von der nach dem Halleschen Tore gehenden Königgrätzer Straße, war um die Mitte des xix. Jahrhunderts eine von Beamten bevorzugte, leidlich billige "Wohngegend und wurde scherzweise das „Geheimratsviertel" genannt ; jetzt sind die Wohnungen vielfach in Händen von Zimmervermietern.
[Baedeker, Berlin 1904, S. 109-110]

Quellen:

Baedeker, Karl. 1878. Berlin nebst Potsdam und Umgebung. S. 57.
Baedeker, Karl. 1891. Berlin und Umgebungen. S. 124.
Baedeker, Karl. 1904. Berlin und Umgebung. S. 109-110.
Escher, Felix. Wedding und Tiergarten: Zur Entstehung und Entwicklung von Wohn- und Lebensverhältnissen im Vorgarten und Hinterhof Berlins. In: Schwarz, Karl. 1984. Die Zukunft der Metropolen: Paris, London, New York, Berlin. Band 1, Berlin: Reimer, S. 284-289.
Goebel, Benedikt. 2003. Der Umbau Alt-Berlins zum modernen Stadtzentrum. S. 12-13.
Tietz, Friedrich. 1854. Bunte Erinnerungen an frühere Persönlichkeiten, Begebenheiten und Theaterzustände aus Berlin und anderswoher.
Fotos und Karten: Wikipedia; Stadtklause: Tobias Bernhard

Das Geheimratsviertel
© Tobias Bernhard
2009-2017.

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Last update: 12.12.2017

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