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Berlin & Brandenburg Bodenreform

Brandenburg eignet sich rechtswidrig Land an

"Sittenwidrig" sei das Vorgehen des Landes Brandenburg gewesen. So urteilte der Bundesgerichtshof in Karslruhe. Das Land hatte sich rund 10.000 einstige Bodenreform-Grundstücke angeeignet – in vielen Fällen wohl unrechtmäßig. Angeblich waren keine Erben zu finden.

Das Land Brandenburg hatte sich unter der damaligen Finanzministerin Wilma Simon (SPD) 1999/2000 bei rund 10.000 Grundstücken früherer Neubauern, deren Erben angeblich nicht auffindbar waren, selbst ins Grundbuch eintragen lassen. Doch in zahlreichen Fällen waren durchaus Erben vorhanden. So wie die Brüder Horst und Egon N. aus Strausberg (Märkisch-Oderland). Erst vier Jahre nach ihrer Enteignung hatten sie erfahren, dass das vom Vater geerbte Bodenreformland in Genschmar mittlerweile Eigentum des Landes war. Die Brüder aufzufinden, dürfte so schwer nicht gewesen sein: Seit 1960 lebten beide in Strausberg unter derselben Adresse, wie der Berliner Anwalt Ulrich Mohr berichtet. Ihm gelang es, vor dem Bundesgerichtshof das Urteil gegen das Land zu erstreiten, das jetzt auch anderen zu ihrem Recht verhilft.

Vor dem BGH in Karlsruhe hatten sich Brandenburg und Erben darüber gestritten, ob sich das Land Grundbesitz selbst hätte übertragen dürfen, der bei der Neuordnung der Eigentumsverhältnisse nach dem Zweiten Weltkrieg in Ostdeutschland verteilt wurde. In dem BGH-Urteil vom Dezember 2007 (Az: V ZR 65/07) heißt es, das Land habe seine "Vertretungsmacht" missbraucht. Die Erklärung, "Anspruch auf unentgeltliche Auflassung des Grundbesitzes" zu haben, "erfolgte ins Blaue hinein und war inhaltlich falsch". Die Urteilsbegründung hatte bei Politikern Empörung über das Vorgehen des Landes ausgelöst.

Staatsanwaltschaft prüft, ob sie Ermittlungen wegen Untreue aufnimmt

Nun schaltet sich in den Skandal um die rechtswidrige Aneignung von rund 10.000 einstigen Bodenreform-Grundstücken durch das Land Brandenburg Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) ein: Das Landeskabinett wird sich am Dienstag mit den Konsequenzen des spektakulären Bundesgerichtshof-Urteils befassen. Die Linke hat einen umfangreichen Fragenkatalog an das Finanzministerium übergeben. Am 12. Februar soll Finanzminister Rainer Speer (SPD) in einer Sondersitzung des Haushalts- und Finanzausschusses zum Umgang der Landesregierung mit Bodenreformland und die Konsequenzen aus dem Urteil Stellung beziehen. Die Staatsanwaltschaft Potsdam prüft noch, ob sie Ermittlungen wegen Untreue aufnimmt.

Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) hatte als erster Brandenburger Politiker auf das harsche Urteil des Bundesgerichtshofs reagiert. Den Vorwurf des Gerichts, das Land habe bei der Übertragung von Bodenreform-Flächen sittenwidrig gehandelt und die Vertretungsvollmacht missbraucht, nannte er „beschämend“. Er forderte, die fehlerhafte Praxis umfassend aufzuklären.

Aufrufe an unbekannte Bodenreformeigentümer und deren Erbe

Finanzminister Rainer Speer (SPD) kündigte darauf an, dass das Land bei 1000 laufenden Fällen seine Anträge auf Einträge ins Grundbuch zurückziehen wolle. Zudem werde es Aufrufe an unbekannte Bodenreformeigentümer und deren Erbe starten, sich an den Landesbetrieb für Liegenschaften und Bauen (Zeppelinstraße 136, 14471 Potsdam zu wenden. Dass das Land sich habe bereichern wollen und die mit der Suche nach den Erben beauftragten Agenturen schlecht recherchiert hätten, weist das Finanzministerium zurück. "Das Land hatte 80.000 Bodenreform-Fälle registriert. Bei 63.000 stellte sich heraus, dass das Land keinen Anspruch hat“, sagt Ministeriumssprecher Ingo Decker. "In 7000 Fällen setzte es sich gegenüber bekannten Erben und Eigentümer in den Ansprüchen durch – und in 10.000 Fällen gegenüber unbekannten Erben.“

Politiker von CDU und der Linken sowie die Aktionsgemeinschaft „Recht und Eigentum“ (Are) dringen darauf, dass eine unabhängige Kommission eingesetzt wird. Der CDU-Landtagsabgeordnete Dierk Homeyer: "Sie muss darüber wachen, dass der Rechtsfrieden wieder hergestellt wird.“ Auch Are-Bundeschef Manfred Graf von Schwerin hält es "für ein Unding, dass die Landesregierung den von ihr selbst begangenen Rechtsbruch rückabwickelt“. Die Aktionsgemeinschaft wirft der Politik vor, jahrelang auf die Unrechtsfälle nicht reagiert zu haben. Angela Merkel habe als damalige CDU-Landesvorsitzende von Mecklenburg-Vorpommern 1999 in einem Brief an die dortige Landesregierung die Lösung des Problems der Neusiedler-Erben gefordert – bis heute sei nichts geschehen.

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