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gewohnt nüchtern und sachlich hält der midas verlag die einbandgestaltung seiner serie art essentials - diesmal mit dem titel afrikanische kunst von der autorin suzanne preston blier. schade allerdings, dass der verlag es nicht wagt hier ein moderneres werk eines künstlers oder einer künstlerin abzubilden, dass sicher mehr die aufmerksamkeit potentieller leser erwecken würde, als eine yoruba-figur aus dem 13./14. jahrhundert, die zwar ein absolutes meisterwerk ist, aber doch wiederum das ist, was viele als die “afrikanische kunst” kennen und somit denken, das buch würde nichts neues mit sich bringen. weder vorn noch hinten geht hervor, dass hier auch die aktuelle, zeitgenössische kunst des kontinenten eine rolle spielt und dem leser eben doch viel neues wissen über den in der kunst solange vernachlässigten teil der welt bringt.

afrikanische kunst

aus der reihe art essentials

sachbuch von suzanne preston blier

erschienen 2024

im midas verlag

isbn: 978-3-03876-247-8

(von tobias bruns)

in diesem neuen teil der serie art essentials widmet sich der midas verlag mit der kunsthistorikeren suzanne preston blier der langen und sehr interessanten geschichte und tradition der kunst des afrikanischen kontinents. auf nur knapp 170 Seiten gibt die kunsthistorikerin einen kurzen überblick, einen kurzen einblick in über 80000 jahre des kunstschaffens in ganz afrika. trotz der durch die schiere größe des kontinents mit seinen vielen verschiedenen kulturen und dementsprechenden kunstansätzen resultierenden sehr unterschiedlichen künstler/innen und kunstschulen, schafft es preston blier nicht nur einen groben überblick zu verschaffen, sondern teilweise auch etwas tiefer einzudringen in die sphären des künstlerischen denkens und des kulturellen austausches, der immerwährend stattfand.

ob der vielfältigkeit und der unglaublichen zahl großer künstler/innen kann dieser band natürlich nur bruchstücke der langen künstlerischen tradition dieses großen kontinents einfangen - einen anspruch auf etwas anderes hat suzanne preston blier auch garnicht. gerade die zeitgenössische kunst kommt in diesem band leider sehr kurz, aber dennoch, trotz aller oberflächlichkeit, kann man sagen, dass dieses buch den überheblichen kunstkennern und kunstlaien mit ihrer eurozentristischen sicht, dem glauben, die schöne kunst für sich gepachtet zu haben, die augen offen könnte. man darf nicht vergessen, dass noch heute kunst des afrikanischen kontinents oft nicht in den großen kunstmuseen hängt, sondern häufig in ethnologischen museen. zwar hat sich vieles verbessert, viele galerien spezialisieren sich in den großen kunstmetropolen inzwischen auf künstler/innen aus afrika, doch weiterhin ist kunst aus afrika kaum ein thema - und in der schule an sich gar nicht…

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nicht nur bei regenwetter wie dieser tage ein lohnenswerter zeitvertreib: leoparda. mit einer für titel und inhalt treffenden umschlaggestaltung, dem design sophia beckers und der illustration noëlle gogniats, sticht dieses buch einem im buchhandel ganz sicher sofort ins auge. der kürzlich verstorbene große modeschöpfer und “erfinder” des animal-prints, roberto cavalli, hätte an diesem umschlag sicher seine wahre freude gehabt.

leoparda

roman von anja schmitter

erschienen 2022

im lenos verlag

isbn: 978-3-03925-025-7

(von tobias bruns)

kleo oder eigentlich kleoparda ist eine frau mitte 20, der gerade das leben etwas langweilig wird, die das gefühl hat, etwas würde fehlen, etwas müsste sich ändern. unzufrieden in ihrem job als lehrerin, da egal was sie macht und wie sehr sie sich anstrengt, die kinder nicht begeisterungsfähig sind, keine lust haben, anteilnahmelos im unterricht herumhängen. dazu ihre langjährige beziehung zu ernst, mit dem sie zusammenwohnt, dieser alltagstrott - ist er wirklich der richtige für sie? sie hat doch nie wirklich andere männer ausprobiert… also schlägt sie ihm vor, zusammenzusein aber mit anderen sex haben zu können. er willigt ein, sie ist glücklich, aber ihre freundin feli, die ohnehin immer alles besser weiß, warnt sie. als kleo ernst dann mit einer anderen im bett erwischt schmeißt sie ihn raus und macht schluss - das ging nach hinten los. als es dann soweit ist und die großen ferien beginnen täuscht sie vor in urlaub zu fliegen um sich zu erholen, macht aber stattdessen zuhause immer mehr eine metamorphose durch. durch einen sonnenbrand im hitzesommer schuppt sich ihre gesichtshaut, sie färbt ihre haar im leopardenlook, kündigt ihren sicheren job, bringt ihr eigenes leben und dass aller um sie herum immer mehr durcheinander und hat mit dem neu eröffneten social-media-account ihres alter-egos leoparda unerwartet großen erfolg - mit ihrem look, den teils kryptischen botschaften die sie postet und der dokumentation von allem was gerade um sie herum passiert.

ein sehr surrealer roman über eine junge frau, die sich verändern will, auf deren weg dahin allerdings alles irgendwie aus dem ruder gerät. was als ganz normale geschichte einer etwas unzufriedenen aber eigentlich glücklichen frau beginnt verwandelt sich im laufe des buches zu einer furiosen abfolge absurder, skurriler und grotesker szenen die ebenso witzig wie aberwitzig anmuten. es ist schon ein großer lesespaß dieser debütroman von anja schmitter und wird hoffentlich nicht ihr einziger bleiben. eine ungewöhnliche geschichte, die man in einem rutsch durchlesen könnte. einzig irritierend ist das konsequente verweigern des ß und dessen ersetzen durch das doppel-s, aber was soll ich da beklagen bei meiner kompletten verweigerung der majuskeln… wie auch immer - dieses detail tut dem lesevergnügen kein abbruch.

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fressen oder gefressen werden… irgendwie ist dies auch das thema dieses romans - der titel und das cover drücken es so nicht aus… dieser roman ist alles andere als ein kinderbuch, auch wenn die gestaltung des einbandes es so erscheinen lassen kann. die komplexität des romans können heidi sorg und christof leistl mit ihrer einbandgestaltung nicht einfangen… leider scheint dieser einband so, als hätten die gestalter den roman nicht gelesen. mit dieser gestaltung denke ich im buchladen etwas zu kaufen, was ich abends meinen kindern zum einschlafen vorlesen kann… (rezension zum roman im vorigen beitrag)

der stich der biene

roman von paul murray

erschienen 2024

im verlag antje kunstmann

isbn: 978-3-95614-581-0

(von tobias bruns)

als dickie barnes nach dem tragischen tod seines bruders das autohaus seines vaters übernimmt ist die welt scheinbar noch in ordnung, aber wie man so schön sagt: erstens kommt es meist alles anders und zweitens als man denkt… als die große wirtschaftskrise über die welt und irland hineinbricht beginnt der niedergang des barnes´schen reichtums und bringt viele ungewissheiten mit sich: kann die tochter cass dennoch zur uni nach dublin, verträgt imelda, dickies frau, den sozialen abstieg, der sich in der provinz so schnell herumspricht und die leute hinter dem rücken lästern lässt, schafft es dickie sie aus dem schlamassel wieder herauszuziehen, … was wird maurice, dickies vater tun, wenn er von den problemen des von ihm gegründeten “imperiums” hört? wird er aushelfen? traut dickie sich überhaupt davon zu erzählen? statt hilfe zu suchen beginnt dickie aber mit seinem “verrückten” befreundetem nachbarn und verschwörungstheoretiker auf seinem weiten land einen bunker zu bauen und einen brunnen, um nach einer katastrophe autark leben zu können - und das in ständiger angst, man könnte dinge aus seiner vergangenheit herausfinden…

ein genialer multiperspektivisch erzählter roman mit epischer, irischer länge… der stich der biene, ein so banal klingender titel… und doch ist ebendieser stich der biene vielleicht dass, was dieses ganze drama der familie barnes in gang gesetzt hat. vielleicht aber ist der stich doch nicht dieser schicksalhafte moment in dieser familiengeschichte, es gibt noch ganz andere momente, die den weg gezeichnet haben - wie es schon im klappentext gefragt wird “was hätte man tun können und wie weit müsste man zurückgehen, um die geschichte zu ändern?” eine frage die man sich im leben häufig stellt. doch vermutlich gibt es diesen moment nicht, denn jeder moment bedingt den nächsten, jede entscheidung kann man nur einmal treffen jede abzweigung im leben nur einmal nehmen, denn dieses kennt nur eine richtung - und zurück ist keine davon. der stich der biene führt dies in einzigartiger weise vor augen. es ist ein faszinierendes wechselspiel der erzählperspektive, so dass jedes familienmitglied den leser alles aus seiner sicht erleben lässt, was durch unterschiedlichen stil oder auch auslassen jeglicher interpunktion deutlich gemacht wird - paul murray ist wahrhaft ein virtuose des wortes, der hier eine große geschichte geschaffen hat. wenn auch der titel, wie anfangs gesagt nicht diese umwerfende, mitreißende, seinesgleichen suchende geschichte zu versprechen scheint, so kann ich abschließen nur folgende behauptung in den raum stellen: man kann getrost ulysses und der stich der biene in einem atemzug nennen…

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eine gediegene gestaltung des einbandes - passend zu einer werkausgabe des schweizer autors durch eva mutter. einfaches grau mit angenehmer leinenhaptik und dazu als verweis auf den inhalt ein skifahrer bei der abfahrt… simpel, schlicht, auf den punkt. mit solch einem design kann man getrost eine werkausgabe beginnen. (rezension zum buch im vorigen beitrag)

grünsee

roman von christoph geiser

erschienen 2022

im secession verlag

isbn: 978-3-96639-050-7

(von tobias bruns)

der erzähler wird von seinem bruder eingeladen ein paar tage in zermatt zu verbringen, wo sie immer als kinder mit der familie die ferien verbracht haben. während sein bruder mit freunden skifahren geht, verbringt er seine zeit mit ausgedehnten spaziergängen und der arbeit an seinem forschungsprojekt über die große typhus-epidemie in der region im jahr 1963, die seine großmutter hautnah miterlebte; inklusive einer art lockdown und kontaktverboten - man fühlt sich in corona-zeiten zurückversetzt… der erzähler schwelgt dabei in erinnerungen an die vergangenheit, an das erwachsenwerden, an das skifahren, an die verschiedenen persönlichkeiten seiner familie und den langsamen zusammenbruch der einst scheinbar so vereinten familie, das sich entfernen, dass gegenseitige entfremden…

grünsee ist der erste band einer werkausgabe des schweizer autors christoph geiser. der beginn einer literarischen retrospektive. der roman grünsee ist bergig wie die schweiz selbst, heimat ist ein wohl wichtiges thema für den schweizer autor. lange zähe bergaufstiege und dann wieder zurück ins tal mit reißenden bächen. schnee, tiefschnee, eis, gletscher - alles lässt geiser den leser auf die ein oder andere art durchschreiten. die wanderungen rund um das matterhorn sind anstrengende lektüre, gerade so, als wäre man selbst der wanderer und nicht der leser… es ist keines dieser bücher, dass man nimmt und nicht mehr davon ablassen kann, vielmehr braucht man zeit, um die dinge auf sich wirken zu lassen, ob der langsamen erzählweise. es ist so, dass man streckenweise das gefühl hat, die geschichte würde sich auf dem weg durch das buch selbst vergessen… “bedächtig” - so würde ich grünsee in einem Wort beschreiben.

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eine dunkle (logisch beim untertitel schreiben in dunkler zeit), etwas verwirrende, fast unheimliche gestaltung für den umschlag von black paper von teju cole hat sich zero-media.net da ausgedacht. und trotz allem passt diese gestaltung komischerweise zu diesem buch voll ausgezeichneter essays - ich bin mir immer noch nicht sicher warum…

black paper

schreiben in dunkler zeit

essays von teju cole

erschienen 2023

bei Clanen

isbn: 978-3-546-10064-9

(von tobias bruns)

die menschheit steht heute vor riesigen herausforderungen, teilweise herausforderungen, die die eigene existenz betreffen… klimawandel, kriege, um sich greifende unmenschlichkeit und rassismus - da fällt es schwer positiv oder optimistisch in die zukunft zu schauen, denn es sind dunkle zeiten, wenn man auf die weltbühne schaut. teju cole legt hier 26 exzellente essays vor und er startet mit einem essay namens “wie caravaggio”, caravaggio, einen künstler, den er seit seiner kindheit in lagos bewundert und dem er in diesem essay hinterherreist - caravaggio, diesem künstler der extreme und des leidens, einem künstler der dunkle zeiten durchlebte, gefeiert und gejagt wurde. in seinen essays ist kunst allgegenwärtig, kunst aller kontinente - von kupferbronzen aus dem afrika des 12. jahrhunderts über europas carravaggio bis hin zu einer arbeit von kerry james marshall aus dem jahr 2018.

der afrikanische kontinent ist ein wichtiges thema in den essays von cole. wie oft reden menschen von afrikanern? gerade so, als wäre der kontinent ein land. von afrikanisch, als gäbe es auf diesem riesigen kontinent nur eine einzige sprache und kultur…? es trifft immer nur diesen einen kontinenten… und so erzählt cole in einem persönlichen essay von seiner erfahrung, die diese ignoranz in ihrer macht unterstreicht. “vor fast dreißig jahren begann ich, mich in einen afrikaner zu verwandeln. damals verließ ich nigeria und siedelte in die vereinigten staaten über. ich war zwar im sommer 1975 in den usa zur welt gekommen, aber noch im herbst nach nigeria gebracht worden (…) aber afrikaner? ich sah das nicht so. ich sah mich als lagosian, yoruba-sprecher, bürger nigerias. afrikaner waren die anderen. (…) die usa wurden zur kontrastfolie für mein verborgenes afrikanischsein. (…) von lagos hatte noch nie jemand gehört. ich war afrikaner. (…) mir war das neu (…). ich schloss mich anderen in ähnlich misslicher lage an und begann, afrikanisch zu lernen.” (s.173) eine konstruktion, die die westliche gesellschaft sich aufgebaut hat, was afrika und menschen betrifft, die wurzeln in afrika haben.

kunst in all seinen ausprägungen und arten hilft, wenn man von dunkelheit umzingelt ist - es wird in diesem essayband deutlich. coles essays sind nicht einfach nur brillant geschrieben, sie nehmen mit, holen ab, wecken auf, regen zum nachdenken, regen zum umdenken an, offenbaren an sich offensichtliche absurditäten, die man ungern sehen will. tiefschürfend und dabei muss man oft nur an der oberfläche kratzen. übersehen ist eben einfach, aber nicht für teju cole. black paper lesen? einfach nur ein großes “ja”!

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konfetti ohne ende schmückt den einband von die rassistin… irgendwie komisch. warum konfetti? soll es vielfalt darstellen? an sich steht es doch für silvester oder möglicherweise sogar für party, doch lässt sich solches im roman nicht finden… es ist zwar ein schönes, ein ansprechendes, ein gefälliges cover, doch es hat nicht wirklich einen bezug zum Inhalt, es hält keinen hinweis verborgen, was einem als leser in diesem buch erwartet. was war hier die absicht von anja grimm bei der gestaltung des covers eines hervorragenden Romans?

die rassistin

roman von jana scheerer

erschienen 2024

bei schöffling & co

isbn: 978-3-89561-353-1

(von tobias bruns)

es gab einen rassistischen vorfall im germanistischen institut einer berliner universität, bekommt dozentin nora rischer per e-mail mitgeteilt, als sie sich gerade hat künstlich befruchten lassen. ein rassistischer vorfall an ihrem institut? wer kann es gewesen sein? wer in dem institut in dem sie arbeitet? doch es dauert nicht lange bis sie zweifel bekommt, sie selbst könne es gewesen sein, als sie neulich nach einem vortrag, der wenig verständlich war, nach einem zwischenruf aus dem plenum den chinesischen austauschstudenten aufgrund ihrer ausspräche einen deutschkurs empfahl. sofort sah sie sich in ihrem kopf mit stimmen unzähliger vorwürfe und anschuldigungen konfrontiert. gerade sie, die sie sich immer als offen und absolut nicht irgendeines ressentiments gegenüber anderen imstande sah, sollte nun einen solchen ungeheuerlichen vorfall zu verantworten haben, sie, die queere frau und nicht irgendein alter weißer mann? sie kann es nicht glauben und sucht nach auswegen, während sie noch immer in der praxis sitzt - nun eingeschlossen, da sie von den mitarbeitern im behandlungszimmer vergessen wurde… das auch noch an einem mittwoch! -, was soll sie nun bloß machen?

eine wunderbare komödie oder auch ein witziges lehrstück über - wie es auf dem buchrücken schon hervorragend zusammengefasst ist -“rassistische strukturen, identitätspolitische debatten und moralische eiertänze”. panik macht sich schnell und reflexartig breit, wenn man denkt, man habe etwas falsch gemacht, denn einmal auch nur eine vermutung im raum - ganz egal ob einfach in die welt gesetzt oder mit fakten hinterlegt -, die im netz auftaucht und das leben kann ein anderes sein… nicht nur, dass das netz alles unglaublich schnell und räumlich unbegrenzt verbreitet, es vergisst auch nicht. eine komödie über hypersensibilität und übertriebene political correctness in seinen verschiedensten ausprägungen, die rassismus, sexismus, usw. damit aber auf gar keinen fall verharmlosen möchte, aber zeigt wie schwierig der diskurs im umgang mit diesen “ismen” ist. war das, was ich den studenten aus china empfohlen habe nun schon rassistisch fragt sich dozentin rischer den ganzen roman hindurch. sollte sie sich für diesen ratschlag entschuldigen? wann ist etwas, was man sagt auf rassistische oder andere weise deutbar, auch wenn man es nicht so meinte? eine frage, an der viele verzweifeln - aber meist eben nur die, die es tatsächlich nicht so meinten wie es interpretiert wurde… ein wunderbar konzipierter roman über dieses thema, von dem die autorin gleich zu beginn behauptet diesen garnicht geschrieben zu haben, in dessen erzählfluss immer wieder andere stimmen eingreifen, da sie, wie es immer so ist, auch ihren senf dazu beitragen müssen, die sich distanzieren, die polemisieren, die das nie erwartet hätten und die, die es immer schon wussten,… genial und unglaublich kurzweilig!

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da liegt es, das buch, welches die geschichte erneuert auf einer alten schulkarte, die entdecker und stationen der kolonialmächte zeigt und die wirtschaftsgüter, die aus diesen regionen kommen - hier sklaven… was heute absurd ist (trotz weiterhin existierender moderner sklaverei), war bis ins 19. jahrhundert lauf der dinge. rothfos & gabler nutzen für ihre gestaltung des einbandes eine alte karte des kontinents auf der der wohl reichste jemals gelebte mensch mansa musa abgebildet ist - die person, die die gier nach gold ob seines reichtums in europa hervorrief und so expeditinen und beutezüge richtung afrika starteten mit dem vorwand einen schnelleren weg nach indien zu finden…. eine passende gestaltung für ein bahnbrechendes buch!

afrika und die entstehung der modernen welt

eine globalgeschichte

sachbuch von howard w. french

erschienen 2023

bei klett-cotta

isbn: 978-3-608-98667-9

(von tobias bruns)

wie hängt der afrikanische kontinent zusammen mit der entstehung der modernen welt? wie hängt der wohlstand der westlichen gesellschaft zusammen mit afrika? und überhaupt, welchen einfluss hatte afrika auf das nationbuilding der “alten welt” und amerikas? was wäre die welt heute ohne die menschen aus afrika - gäbe sie es in dieser form überhaupt? die antworten der ersten fragen wären kurz gesagt “sehr viel” und die letzte frage lässt sich ganz kurz mit “nichts” beantworten. sehr heruntergebrochen, aber so ist es…

howard w. french schreibt geschichte in diesem buch nicht neu - er hebt nur den teppich, um all das, was jahrhunderte unter ebendiesen gekehrt wurde wieder hervorzuholen und zu entstauben, damit ganz klar, deutlich und sauber das geschrieben steht, was fehlt und an sich so logisch ist. french betont oder nutzt diesen satz etwas inflationär, doch hat er natürlich recht damit, dass vieles “einfach nicht erwähnt” wird in der geschichtsschreibung… großbritannien brüstet sich damit, der sklaverei den garaus gemacht zu haben, verschweigt jedoch allzu gern ihre große geschichte des sklavenhandels, der das kleine land zum empire machte und da ist es nicht allein, denn viele große nationen verschweigen gerne wieweit ihr bis heute andauernder reichtum auf menschen aus afrika, auf sklaverei und ausbeutung beruht - portugal, spanien, niederlande, usa, oder auch belgien und deutschland… kaum eines dieser länder hätte es wohl geschafft ihre heutige bedeutung zu erlangen. manche eindeutig weniger als andere. doch allen gemein ist der geschichtliche diskurs, den sie aufrecht erhielten, der nichts anderes im sinn hatte, als die bedeutung afrikas klein bis unbedeutend für den lauf der geschichte zu halten - damit räumt french nun ganz klar auf. wunderbar und fesselnd erzählt, wenn auch das eine oder andere mal ein wenig zu persönlich führt er ganz deutlich vor augen, wie afrika maßgeblich die moderne gestaltete und wie historiker, politiker, hinz und kunz aus eigeninteresse, “nationalinteresse” und überlegenheitswahn die dinge so drehten und wendeten wie sie es für richtig hielten, damit es einfach ins eigene bild passte. es gibt wenige bücher über geschichte, die so die augen öffnen - eigentlich unnötig zu sagen, aber aufgrund der vielen falschen darstellungen in der geschichte (man darf nicht vergessen geschichte wird von den siegern geschrieben und das waren mit sicherheit nicht die sklaven aus afrika oder von sonst irgendwo) muss man es hier einfach betonen, dass geschichte belegt wird und nicht einfach erzählt. gerade in unserer welt der immer wieder nötigen faktenchecks wird deutlich, dass wir auch für die vergangenheit einige faktenchecks durchführen müssen… ein buch, dass weltweit in die schulgeschichtsschreibung einfließen müsste - vor allem (aber nicht nur) in den nationen, die ihre große kolonialgeschichte hochhalten oder ihren “glorreichen” kampf der unabhängigkeit…

geschichte neu denken ist nicht richtig - geschichte richtig denken ist aber neu - das wird mit diesem buch absolut klar! ein wunderbares buch, ein gewinn für die geschichtsschreibung und die geschichtsschreiber, wobei ich vermute, dass die meisten dieser sich vor den karren gefahren fühlen. ich will mich an dieser stelle wirklich bedanken bei howard w. french für ein buch, dass das zeug hat zäsur zu sein.

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sven schrape gestaltet den umschlag von dringende angelegenheiten recht einfach und passend mit einem zugfenster von bastian kienitz und einer hintergrundszene von ke atlas auf schwarzem grund. die kursive in leichtem winkel nach oben gehende schrift erinnert ein wenig an kriminalfilmtitel, natürlich noch in schwarz-weiß, der 50er und 60er jahre. eine ansprechende und dynamische gestaltung, die damit auch gut den inhalt von paula rodríguez spiegelt.